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Kommentare: 5 | Lesungen: 767 | Bewertung: 8.06 | Kategorie: Sonstiges | veröffentlicht: 14.04.2016

Abschalten

von

1.0 Momentaufnahme

Stechenden Schrittes war Tom auf das Zimmer zugegangen. Es war genau wie beschrieben, nach mehreren rechts-links Manövern erreicht. Mit dem Öffnen der Türe wurde er von einem unablässigen, in regelmäßigen Intervallen wiederkehrenden, seinen Ohren weh tuenden Piepton begrüßt. Da stand nun das Ziel in Reichweite. Fünf Monate hatte er mit seinem Therapeuten dafür geübt, heute musste er der Wahrheit ins Gesicht sehen. Doch in diesem Augenblick war alles vergessen, die Ohnmacht des Seins hatte ihn eingeholt. Noch immer die Hand an der Türklinke, in den Übeeinheiten erschien es so einfach, versagten ihm jetzt seine Beine den Dienst. Starr wie eine Salzsäule schien er auf der Stelle festgewachsen. Millionenfach angewandte Automatismen, von Kinderbeinen an, schienen in den Nervenbahnen festzustecken.


Die Worte der Schwester hatte er nicht wahr genommen, seine Beine hatten allerdings kurzzeitig den Impulsen ihres Schiebens nachgegeben. Nun stand er direkt vor ihrem Bett, sie schlief mit offenen Augen. Die früher so lustigen Kulleraugen, niemand mit einer ähnlichen Aura war ihm jemals untergekommen, waren jetzt glasig wie der Herbstnebel des heutigen Tages. Ein hastiger Blick bestätigte ihm das auch hier um das Gebäude dieser feuchte Schwaden zog, in den er nach und nach versank.

2. Platzkarte


Vor mehr als drei Jahren war ihm die Platzkarte, natürlich nur zweiter Klasse, für den ICE nach Wiesbaden zugesandt worden. Die Dienststelle hatte auch die Zimmerreservierung getätigt. Er brauchte nur noch zu reisen. Den Wagon hatte er ja noch mühelos gefunden. Bis er seinen Platz in Besitz nehmen konnte waren bestimmt zehn Minuten vergangen. Extra hatte er sich einen Platz in Fahrtrichtung erbeten, dort saß nun eine ältere aber höchst attraktive Frau. Er wollte sich schon beschweren, da sah er das seine Reservierungsnummer über dem in Fahrtrichtung rückwärts ausgewiesenen Platz war. Also fluchte er vor sich her, schüttete einen Kübel Spott über die Blödheit der im Sekretariat angestellten.


Sie hatte ihn darauf mit ihren süßen Kulleraugen angesehen, er war hin und weg. Ohne zögern bot sie einen Platztausch an und stellte sich als Evelin vor.


Eine lockere Konversation nahm seinen Lauf. Hätte jemand zugehört, der hätte sich wohl scheckig gelacht. Mit Vornamen und Sie, man hätte sich an mittelalterliches Hofgeplänkel erinnert gefühlt.

3. Auf Du


Der Zug hatte nach knapp neunzig Minuten Fahrzeit gerade das in Kürze zu erreichende Wiesbaden angekündigt, da waren sie beim Du angekommen. Da sie sogar zum selben Hotel wie er wollte, nahmen sie gemeinsam ein Taxi. Als sie sich beim Portier verabschiedeten, tauschten sie noch kurz ihre Handynummern aus.


Am Nachmittag war er dann die paar Meter zum BKA Schulungsgebäude gelaufen. Er sammelte sich einige der Karriere Wegweiser ein, war mit mehr als zehn Prospekten bewaffnet als er den Schulungsraum betrat. Er setzte sich in eine der Reihen mit der besten Rundumsicht.


Der Mikrotest auf der Bühne hatte ihn dann aufgeschreckt, seine Kinnlade stand dann erst mal offen. Sofort hatte er in die ihm so vertrauten, nach eben einer Bahnfahrt, Augen geschaut. Die funkelten wie Sterne und ihr lächeln haute ihn fast um.

4. Freizeitbeschäftigung


Liebe unter Kollegen war verpönt, war dieser Job ja so schon oft ein Beziehungskiller. Aber bei Kollegen endete es meist als Jobkiller. Trotzdem stand er nach dem Eingangsreferat, welches sie sicher und humorvoll abgespult hatte, an der Bar direkt bei ihr. Verwundert schauten ihn die Herren aus der oberen Ebene an, weil er sich 117 mal bedankte. Auf die Frage eines älteren sagte er nur das es ja nicht immer Runde Zahlen sein müssten. Dann verabschiedete er sich.


Als er schon nicht mehr darauf zu hoffen gewagt hatte, klopfte es an Zimmertür 117. Evelin hatte fast eine Stunde gebraucht um sich aus den Fängen der Direktoren zu befreien.


Eigentlich wäre es nicht ihre Art, noch nie hatte sie so etwas …... schlief sie in seinen Armen ein.


Niemand hatte etwas mitbekommen, aber aus Sicherheitsgründen wurde schon vor dem Frühstück wieder auf Sie umgestellt.

5.Lauf der Dinge


Evelin wurde noch vor Weihnachten seine Chefin. Am zweiten Advent, die Nacht forderte Tribut, schlief Evelin selig weiter als das Telefon läutete. Auf Festnetz rief eigentlich niemand von der Dienststelle an, es war eine auswärtige Nummer, also hob er einfach ab. Was man Evelin denn zum einundvierzigsten schenken könnte, fragte ihr Vater. Sie hatte einen Tag nach Weihnachten Geburtstag. Das passte gut, hatte Tom selber auf Silvester Geburtstag. Nie hatten sie sich in den zweieinhalb Monaten über ihr Alter unterhalten, dass sie vierzehn Jahre älter war hätte wohl niemand geglaubt.


Schon im nächsten Sommer hatten sie geheiratet. Statt des üblichen Getuschel gab es nur überall Anerkennung. Beide strahlten ihre Zufriedenheit auch nach Außen aus.


Dann am sechsten Januar dieses Jahres, sie wollten sich das Dreikönigstreffen ansehen, geschah das unvorstellbare. Sie hatte dem Täter noch die Waffe aus der Hand schlagen wollen, zu spät. Tom wurde vom ersten Schuss als Querschläger erwischt, der zweite traf Evelin im Kopf.

6.Reha


Tom war schwer getroffen. Erst zu beginn der Reha, es war Anfang Mai, wurde er über Evelins Zustand informiert. Neben den Bewegungsübungen wurde mit einem Psychologen gearbeitet, die Gegebenheiten sollte er akzeptieren lernen. Immer wenn es ein Schrittchen vorwärts ging, die Mitarbeiter der Krankenkasse wussten seine Genesung gnadenlos zu boykottieren. Immer wieder Anfragen bezüglich Evelin. Mehrere Monate hatte Professor Neuper ihn auf den heutigen Tag vorbereitet.

1.1 Gewissen


Nun stand er hier an Evelins Bett. Verliebt wie am ersten Tag schaute er sie an, doch ihr Glanz war verloren. Ein Blick auf die Uhr, in zwei Stunden hätte das Gericht hier Ortstermin. Die Krankenkasse beantragte die Vormundschaft für Evelin, man wollte die Apparaturen abschalten. Würde er dem zustimmen können. Tom konnte seine eigene Hilflosigkeit spüren. Auf den Protokollen der Ärzte war von keinerlei Reaktion, selbst nach so vielen Monaten, die Rede. Mit ihr hatte er die Sterne vom Himmel geholt, durfte er sie jetzt zum Engel machen. Trotz des bekannten, nüchternen Sachverhalts, war Tom noch zerrissener als vorher.


Konnte er es vor seinem Gewissen verantworten, wollte er dagegen kämpfen. Die Abgründe zwischen denen sich sein Gewissen bewegte, die Rocky Mountains waren kleine Hügel daneben.


Auch wenn man ihn davor gewarnt hatte, er streichelte seine große Liebe, küsste sie und hatte Tränen in den Augen. Er bat sie ihm zu verzeihen, dass nicht er dort läge.


Die Apparaturen spielten plötzlich, scheinbar verrückt. Eine Vielfalt von Geräuschen durchzog den Raum. Die Zimmertür wurde aufgerissen, mehrere Ärzte und Schwestern stürmten ins Zimmer.


Man sah in Evelins Augen, Tränen liefen, ihre Leuchtkraft kam zurück.

Kommentare


-Faith-
dabei seit: Okt '02
Kommentare: 102
Faith
schrieb am 19.04.2016:
»Eine rührende Geschichte.
Ein Mauerblümchen, das hier an diesem Board leider nicht viel Sonne abbekommen wird. Aber das hat nichts mit der Geschichte zu tun.

lg
Faith«

slavego
dabei seit: Sep '04
Kommentare: 5
schrieb am 13.05.2017:
»Nein, das hat wirklich so garnichts mit der Geschichte zu tun.
Ich hab sie schon mehrmals gelesen.
Es erinnert mich daran wie ich mich fühlte als ein, mir wichtiger Mensch, "abgeschaltet" wurde.
Man sollte dieser Kategorie einen ejnen besseren Namen geben.

"SONSTIGES" passt zu vielen Geschichten die hier stehen nicht.«

Protoceratops
dabei seit: Jul '17
Kommentare: 12
schrieb am 20.07.2017:
»Schöne Geschichte mit überraschendem Ende.«

Niegenug
dabei seit: Jun '17
Kommentare: 7
schrieb am 20.08.2017:
»Mir persönlich gefällt diese Geschichte. Es ist immer besser dem Tod von der Schippe zu springen und weiter zu leben. Ich kenne das Gegenteil, nennt sich plötzlicher Kindstod. Seid froh so eine Geschichte zu lesen.«

yksinäisyys
dabei seit: Okt '04
Kommentare: 142
schrieb am 27.08.2021:
»Wow, mit so einer Geschichte hätte ich hier auch nicht gerechnet! Aber super geschrieben. Danke.«


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