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Kommentare: 3 | Lesungen: 615 | Bewertung: 9.06 | Kategorie: Sex Stories | veröffentlicht: 28.07.2025

Anna - eine Befreiung

von

Der Abend war kühl, der Himmel wolkenverhangen, und das Haus lag still da, als würde es den Atem anhalten. Im Esszimmer herrschte gedämpftes Licht, Kerzen flackerten ruhig auf dem Tisch, den Anna mit gewohnter Sorgfalt gedeckt hatte. Nichts Übertriebenes, aber liebevoll: frisches Brot in einer geflochtenen Schale, Salat mit warmem Ziegenkäse, eine Flasche Rotwein. Ein einfaches, ehrliches Abendessen. So, wie sie es mochte.


Sie hatte sich auf diesen Abend gefreut. Nicht aus Begeisterung für Gäste, sondern weil es ein Stück Normalität versprach. Ein Schulfreund von Stefan, den er seit Jahrzehnten nicht mehr gesehen hatte. Vielleicht würde man lachen, alte Geschichten hören, zusammen trinken.


Anna, 42, war eine ruhige, reflektierte Frau. Wieder halbtags in der Apotheke tätig, seit ihr Sohn ausgezogen war. Sie hatte Zeit, die sie füllte mit Dingen, die ihr guttaten. Ihr Mann, Stefan, war häufig unterwegs – als Architekt war er auf Baustellen im In- und Ausland. Ihre Ehe war nicht mehr so leidenschaftlich wie zu Beginn, aber stabil. Ein ruhiges Arrangement. Kein Grund zur Klage.


Die Tür klingelte, und Anna ging, um ihre Gäste willkommen zu heißen. Stefan öffnete die Tür weit, und in der Schwelle standen sie: Daniel und seine Frau Silke. Die beiden blickten mit einer Mischung aus Selbstverständlichkeit und Zurückhaltung in den Raum. Silke, die sichtlich müde und von einer unsichtbaren Last gebeugt war, hielt sich dicht an Daniel, als würde sie versuchen, hinter ihm Schutz zu suchen. Ihr Gesicht war blass, fast wie das einer Puppe, ihre Augen hatten diese leere Weite, die Anna sofort auffiel.


Daniel jedoch – er war die Manifestation von etwas ganz anderem. Als er die Türschwelle überschritt, schien der Raum sich plötzlich zu verengen. Er hatte diese Art von Präsenz, die man nicht übersehen konnte, nicht ignorieren konnte. Er war bullig, seine breiten Schultern spannten das Hemd, das er trug, fast bis zum Zerreißen, sein Nacken war dick und vom kahlen Kopf nicht zu unterscheiden, als hätte er jahrelang im Fitnessstudio verbracht. Man konnte die Spuren des ehemaligen Gewichthebers und Boxers förmlich sehen: dicke, gewaltige Arme und Beine, aufgedunsen, ein Brustkorb, der sich wie eine Wand anfühlte, und seine Hände – riesig und grob, mit stählernen Fingern, die in jeder Bewegung eine Art Rohheit ausdrückten. Er bewegte sich mit einer Art Selbstverständlichkeit, als würde er den Raum beherrschen, und sein Blick, der in einem dunklen, fast schon bedrohlichen Blau glänzte, ließ niemanden wirklich ruhig atmen. Er war ein Mann, der sich nicht darum kümmerte, wie er wahrgenommen wurde. Jeder Muskel, jede Bewegung und selbst das Gesicht zeigte eine brutale Kraft, eine Rohheit, die er ganz bewusst präsentierte. Etwas in seiner Haltung, das nicht zu übersehen war, sagte ihr, dass man es besser nicht wagte, etwas Falsches zu sagen. Sein Blick war eine ständige Bedrohung, eine Herausforderung, die immer im Raum stand.


„Guten Abend“, sagte Daniel mit einem knappen Nicken, das eher eine Feststellung als eine wirkliche Begrüßung war. Anna spürte sofort, wie sich der Raum veränderte, als er den ersten Schritt tat. Es war, als ob er den Raum ausfüllte, als würde er ihn sofort für sich beanspruchen, auch wenn er nichts weiter als ein Gast war.


Stefan und Daniel begrüßten sich mit einem festen Händedruck, und Anna spürte, wie sie sich sofort unmerklich zurückzog. Daniel gab ihr keinen Blick, als sie den Raum betrat, als wäre sie schlichtweg nicht existent. Keine Geste, keine echte Begrüßung. Sie war zwar da, aber uninteressant.


„Setzt euch, fühlt euch wie zu Hause“, sagte Stefan und versuchte, die Stimmung ein wenig zu lockern. Daniel setzte sich selbstbewusst auf den Platz am Kopf des Tisches, wobei er wie selbstverständlich den Raum dominierte. Silke nahm ihren Platz in aller Stille ein, eine Frau, die im Raum fast unsichtbar wirkte.


Das Gespräch begann langsam, in der für solche Treffen typischen Weise. Es ging um allgemeine Themen: das Wetter, ein paar kleine Bemerkungen über das Leben und wie sich alles verändert hatte. Daniel sagte zunächst nicht viel, doch jedes Wort, das er sprach, war direkt, ohne Umschweife, als ob er keine Zeit für unnötige Konversationen verschwendete.


Stefan versuchte, das Gespräch zu führen, doch Daniel schien ihn kaum wahrzunehmen. Es war, als würde er ihm lediglich die Gelegenheit lassen, zu reden, aber ohne wirklich zuzuhören.


„Erzähl mal, wie läuft es bei dir beruflich, Daniel?“, fragte Stefan schließlich, während er die Flasche Wein öffnete und ein Glas einschenkte.


„Ach, nichts Besonderes“, sagte Daniel mit einem schroffen Schulterzucken. „Ich habe die Werkstatt. Repariere LKWs, Maschinen, auch Militärzeug. Der Kram läuft, aber da brauchst du nichts groß darüber zu reden.“ Er nahm einen großen Schluck Wein, als würde der Alkohol dazu beitragen, die Schroffheit seiner Worte zu mildern, doch die Art, wie er sich dabei in den Stuhl zurücklehnte, war alles andere als einladend. Es war, als würde er sich als Zentrum des Geschehens manifestieren, als hätte er alles im Griff.


„Das, was zählt, ist Einsatz“, fuhr er fort, als ob er nicht darauf wartete, dass jemand etwas einwarf. „Jeder, der zu mir kommt, weiß das. Bei mir gibt es keine langen Diskussionen. Wer sich nicht fügt, der fliegt raus.“ Daniel ließ die Worte wie eine Drohung im Raum hängen. Er fixierte Stefan fast vollständig, er beachtete Anna nicht, sie war niemand für ihn. Anna versuchte, sich durch die Unruhe, die sie immer stärker empfand, hindurch zu bewegen, versuchte, das Gefühl zu unterdrücken, das sich immer mehr in ihr ausbreitete – eine Mischung aus Abneigung und einem seltsamen, aber deutlichen Gefühl von Unwohlsein.


Es war nicht nur die körperliche Präsenz von Daniel, die Anna irritierte. Es war die Art, wie er sich in den Raum setzte, wie er den Raum einnahm. Während Silke neben ihm saß und die meiste Zeit des Abends nicht ein Wort sprach, war er der alleinige Mittelpunkt der Aufmerksamkeit. Jeder Blick, jede Bewegung drehte sich um ihn. Auch die Art, wie er mit Stefan sprach, zeigte, dass er immer die Oberhand wollte.


„In meiner Werkstatt gibt es keine Kompromisse. Du bist entweder der Beste oder du bist gar nichts. Und die Leute, die zu mir kommen, wissen das. Die kommen nicht wegen meiner netten Art. Die kommen, weil sie wissen, dass sie von mir das bekommen, was sie brauchen – und zwar schnell.“


Seine Worte klangen abgeklärt und hart. Es war keine Arroganz, die er ausstrahlte – es war ein Wissen, ein unerbittlicher Glauben an sich selbst und an seine Weltanschauung, die keine Schwäche zuließ.


„In der Schule war es doch auch schon so“, fuhr Daniel fort, ohne zu zögern, als würde er sich in seiner eigenen Vergangenheit verlieren. „Du weißt, ich habe nie mit den anderen Jungs gespielt, wie sie es wollten. Die haben viel geredet, viel gequatscht. Aber ich wusste schon damals, was wirklich zählt: wer den festen Willen hat, der kriegt auch was er sich wünscht. Wer die Schwachen um sich versammelt, ist selbst schwach. Also habe ich eines gelernt – wenn du etwas erreichen willst, musst du es dir nehmen.“


Er nahm einen weiteren Schluck Wein, die unfassbar voluminösen Arme auf dem Stuhl ausgebreitet, als würde er den Raum endgültig unter seine Kontrolle bringen. Anna hatte das Gefühl, als würde die Luft um sie herum dichter werden, als wäre der Raum nicht mehr das gemütliche Wohnzimmer, sondern eine Arena, in der er unangefochten herrschte.


„Weißt du, Stefan“, sagte Daniel schließlich, als der Abend sich dem Ende zuneigte und die ersten leeren Gläser auf dem Tisch standen, „es geht immer um die Kontrolle. Um die Stärke. Und wenn du nicht die Kontrolle hast, dann bist du verloren.“


Er lehnte sich in seinem Stuhl weit zurück, und Anna konnte nicht umhin, die Augen auf seine Hände zu richten – dicke, schwere Finger, die in der Luft schwebten, als würden sie etwas ergreifen wollen. Und dann plötzlich das Bild. Das eine Bild, als sich ihr Blick achtlos senkte, er breitbeinig dasaß und sich durch die engen Jeans seine wuchtige Männlichkeit abzeichnete.


Sie war nicht prüde. Nicht empfindlich. Aber was sie sah – ging nicht weg. Es hatte etwas... Monströses. Nicht nur monumental. Nicht nur mächtig. Sondern roh, brutal. Etwas, das nicht zur Vernunft passte. Und das verstörte sie. Verstörte sie mehr, als sie es sich eingestehen wollte. Von Stefan war sie anderes gewohnt. Hausmannskost. Und jetzt dieser eine Moment, in dem sie ungewollt ein Bild gespeichert hatte, das nicht zu ihrem Leben passte – ein dunkler, unverschämt breiter Umriss unter dem festen Stoff, das mehr war als nur Fleisch. Es war ein Symbol. Für Gewalt. Für Macht. Für etwas, das sich nimmt, ohne zu fragen. Sie fröstelte.


„Und das betrifft nicht nur uns Männer, oder?“, fuhr er fort, und seine Stimme hatte plötzlich diesen schmierigen, fast unangemessenen Unterton. „Frauen – die haben ja immer so viel zu sagen, über Rechte und Gleichberechtigung. Aber ganz ehrlich, was sie wirklich wollen, ist das was wir Männer in der Hose haben.“ Er lachte widerlich als ob er den besten Witz des Abend gerissen hatte.


Anna versuchte, sich nicht zu versteifen, doch die Worte trafen sie wie ein Schlag. Es war, als ob das Gespräch plötzlich aus einer anderen Dimension kam, einer, die sie nicht betreten wollte, die sie aber zwang, zuzuhören. Es war eine der unangenehmsten Gespräche, die sie je erlebt hatte.


„Ja,“, wiederholte er, als Stefan nichts erwiderte. „Frauen können an nichts anderes denken.“


Anna fühlte sich, als würde sie in einem Alptraum stecken. Ein Alptraum, in dem sie nichts zu sagen hatte, bis sie sich endlich verabschiedeten.

Der Morgen brach grau an. Keine Sonne, nur dieses matte Licht, dass durch Milchglas fiel. Anna lag wach. Sie hatte schlecht geschlafen. Immer wieder war sie aufgewacht, das Herz zu schnell, der Mund trocken. Und jedes Mal, wenn sie die Augen schloss, war da dieses Bild: Daniel. Wie er auf dem Stuhl saß. Die Obszönität seiner Präsenz. Die Art, wie er sprach, wie er schaute, wie er den Raum in Besitz nahm, als sei das ein Recht, das ihm zustand. Wie er ihre Existenz überging.


Anna drehte sich zur Seite. Stefan atmete ruhig neben ihr, noch im Schlaf. Sie konnte ihn nicht ansehen. Nicht jetzt. Wie konnte er nur so einen Schulfreund gehabt haben und ihn dann auch noch einladen, und es ihr zumuten? Diese Vorstellung verursachte in ihr fast körperliche Übelkeit. Sie dachte an Daniels Stimme. An das Wort „Kontrolle“. An sein Lachen, tief und schmutzig, wie eine schmierige Schicht auf der Haut.


Sie stand auf, langsam, um Stefan nicht zu wecken. Ihre Schritte waren leise, fast schleichend. In der Küche war es kühl. Der Boden fühlte sich kalt an unter ihren nackten Füßen, aber sie wollte keine Socken. Sie wollte das Frösteln spüren – als hätte sie das Gefühl, dadurch wachzubleiben. Nicht nachzugeben.


Die Tassen standen noch auf dem Tisch. Vom Abend. Sie hatte sie nicht mehr weggeräumt. Die Gläser, das Brot, die Reste des Salats. Alles war noch da – eine stille Zeugin eines Abends, den sie am liebsten aus ihrem Gedächtnis löschen würde. Sie stellte die Kaffeekanne auf den Herd, schaltete das Gas ein. Sie starrte hinein. Und plötzlich war da wieder sein Gesicht vor ihr. Diese Kieferpartie, hart wie Granit. Die Augen, die nicht sahen, sondern abschätzten. Und dieser Mund. Grob, selbstgefällig. Als könnte er mit einem einzigen Satz alles entwerten, was ein anderer Mensch war.


Der Kaffee blubberte leise auf. Sie goss sich eine Tasse ein, stellte sich ans Fenster. Draußen fiel ein feiner Nieselregen. Die Straße war leer, nur ein Lieferwagen fuhr langsam vorbei. Anna dachte an Silke. Blass, still, kaum vorhanden. Wie ein Schatten an Daniels Seite. Eine Frau, die sich nicht bewegen durfte, nicht sprechen konnte. Ihre Schultern, eingefallen. Die Augen, leer. Anna fragte sich, wie viele Abende Silke schon so verbracht hatte. Wie oft sie diesem Mann gegenübergesessen hatte. In diesem Tonfall. In dieser Haltung. Mit diesen Händen.


Ein Schauder lief ihr über den Rücken. Hinter ihr hörte sie Schritte. Stefan kam in die Küche, verschlafen, mit zerzausten Haaren. Er sagte: „Morgen.“ Und Anna drehte sich nicht um.


Sie sagte nichts. Nicht, weil sie stumm war – sondern weil sie nicht wusste, ob sie ihm diesen Abend je verzeihen konnte.


Die Tage danach verliefen ruhig. Sie kochte, stand in der Apotheke, schrieb ein paar Mails, las abends im Bett. Stefan sprach kaum noch über Daniel. Es war, als hätte sich der Abend in eine Ecke ihres Gedächtnisses verzogen, wo er langsam Staub ansetzte. Kein Gespräch mehr über alte Zeiten, keine Erwähnung von Silke. Anna war dankbar dafür.


Es war ein Donnerstag, als die E-Mail kam.


Sie war gerade dabei, den Geschirrspüler auszuräumen, die Hände noch feucht vom Wasser, als Stefan aus dem Wohnzimmer rief: „Daniel hat geschrieben.“


Das Geräusch des Besteckkorbs, den sie gerade in die Lade schieben wollte, stoppte. Ihre Finger verharrten an einem Löffel. Ein einziger Moment, eingefroren im Klang des Alltags. Ihr Herz machte diesen winzigen, kaum spürbaren Sprung – nicht aus Freude, sondern aus einer Art vorsichtiger Abwehr.


„Ach?“ Sie versuchte, beiläufig zu klingen.


Stefan kam in die Küche, das Handy in der Hand. „Er lädt uns ein. Zu sich. Nächstes Wochenende. Grillen. Mit Silke. Paar Freunde von ihm sind auch da, meinte er.“


Er hielt ihr das Display hin, aber sie sah nicht hin. Stattdessen richtete sie sich langsam auf und legte das Besteck beiseite.


„Grillen?“ Ihre Stimme war tonlos. Eine seltsame Mischung aus Verwunderung und dumpfer Vorahnung. In ihr war etwas, das sofort aufhorchte – nicht mit Worten, sondern mit einer Art innerem Rückzug.


„Ja. Ich dachte, das wär vielleicht ganz nett. Weißt du, ihn mal in seinem Umfeld erleben. War ja schon... äh, speziell bei uns.“


Anna sah ihn an. Stefan wirkte unsicher. Vielleicht hatte er selbst gespürt, was an jenem Abend in der Luft lag. Vielleicht auch nicht. Vielleicht wollte er es nur nicht wahrhaben. Männer neigen dazu, ihre Freunde aus alten Zeiten zu verteidigen, selbst wenn sie längst wissen, dass da etwas faul ist. Loyalität, dachte sie bitter. So oft eine Frage des Schweigens.


Sie wischte sich die Hände an einem Geschirrtuch ab, langsam, bedacht. Ihre Gedanken liefen schneller als ihre Gesten. Wieder tauchte sein derbes Gesicht vor ihr auf. Daniel. Die Art, wie er sie ignoriert hatte. Wie er sprach, als wäre die Welt eine Arena, und er der unangefochtene Sieger.


„Ich weiß nicht“, sagte sie leise.


Stefan runzelte die Stirn. „Was meinst du?“


„Ich weiß nicht, ob ich das möchte.“


Stefan zögerte. „Anna... Es ist nur ein Abend. Ich meine, du musst ja nicht mit ihm reden. Es sind ja auch andere Leute da. Vielleicht ist er ja anders – wenn er nicht bei uns zu Gast ist. Vielleicht war er nur... äh, unsicher.“


Unsicher? Anna hätte fast gelacht. Dieses Wort und Daniel im selben Satz zu hören, war wie einen Wolf als schüchtern zu bezeichnen, weil er den ersten Biss nicht sofort setzte.


Sie setzte sich auf den Küchenstuhl, stützte die Ellbogen auf die Tischplatte. Ihre Hände zitterten nicht, aber sie waren kalt. Etwas in ihr wehrte sich. Nicht laut. Nicht panisch. Sondern still. Bestimmt. Als hätte ihr Körper selbst die Entscheidung längst getroffen.


„Ich will da nicht hin“, sagte sie schließlich. Und dann, leiser, fast beschämt über das, was sie dachte: „Er war... widerlich. Ich kann das nicht erklären. Es war nicht nur, was er gesagt hat. Es war alles an ihm. Seine Art, wie er sich in den Raum gesetzt hat, ich weiß auch nicht.“


Stefan schwieg. Es war kein böses Schweigen. Eher ein tastendes. Vielleicht verstand er mehr, als er zugab.


„Ich kann alleine hingehen, wenn du willst“, sagte er nach einer Weile. Der Vorschlag stand im Raum wie ein kalter Windhauch.


Aber Anna schüttelte den Kopf. Nein. Das war es nicht. Nicht nur. Sie wollte auch nicht, dass Stefan sich in diese Welt begab. Nicht ohne sie – und nicht mit ihr.

Die Woche verstrich schleppend, Anna spürte eine innere Unruhe, die sich nicht vertreiben ließ. Stefan erwähnte die Einladung nur noch einmal – vorsichtig, fast beiläufig, wie man etwas anspricht, das man lieber nicht noch einmal besprechen will. Er hatte die Hoffnung noch nicht aufgegeben, das merkte sie. Am Freitagabend, einen Tag vor dem geplanten Grillabend, saßen sie schweigend auf dem Sofa. Der Fernseher lief, irgendeine belanglose Serie. Stefan war halb eingenickt. Plötzlich sprach sie. Ohne vorher darüber nachzudenken. „Ich komme mit.“


Stefan blinzelte. „Was?“


„Zu Daniel. Morgen.“ Ihre Stimme war ruhig, aber klar. Es war kein Angebot. Es war ein Entschluss. Ein Satz, den sie sich selbst abzuringen hatte, wie eine bittere Pille.


„Sicher?“ fragte er vorsichtig.


Anna nickte nur. Sie war sich nicht sicher. Überhaupt nicht. Aber etwas in ihr wusste: Wenn sie nicht geht, würde sie es bereuen. Weil sie dann nicht wüsste, was dort geschieht. Weil sie Stefan nicht allein mit diesem Mann lassen konnte.


„Danke. Wir bleiben auch nur eine Stunde, versprochen.“


Der nächste Tag war warm, windstill, beinahe idyllisch. Eine frühsommerliche Stille lag über der Landschaft, als sie im Auto saßen. Stefan fuhr, Anna sah schweigend aus dem Fenster. Die Felder zogen träge vorbei, ein paar Vögel flogen über die Wipfel der Bäume. Und doch lag etwas Schweres in der Luft, dass selbst die klare Sonne nicht vertreiben konnte.


Daniel wohnte am Rand der Stadt, in einem alten Industrieviertel, wo die Straßen breiter, aber leerer wurden. Der Hof vor seinem Haus war geschottert, daneben stand eine Werkstatthalle – grau, massiv, mit einem rostigen Schild an der Wand: „Daniel Wenzke – Motoren & Maschinen“.


Als sie ausstiegen, war es, als würde die Hitze plötzlich dichter werden. Nicht körperlich – sondern in der Art, wie man sich beobachtet fühlte, obwohl noch niemand zu sehen war.


„Da seid ihr ja“, rief Daniel, als sie um die Hausecke traten. Er stand am Grill, ein Bier in der Hand, ein fetter Rauchschwall stieg hinter ihm auf. Er grinste breit, seine Statur verdeckte alles hinter ihm.


Neben ihm stand Silke. Blasser als je zuvor. Sie nickte Anna kaum merklich zu, ein Schatten von Begrüßung. Ihre Augen wirkten, als hätten sie sich noch weiter zurückgezogen – in eine Tiefe, die kein Licht mehr erreichte.


Ein paar andere Männer waren ebenfalls da, alle grobschlächtig, schweigsam, mit breiten Händen und dicken Hälsen. Einer lachte laut, als er Daniel etwas zurief. Es ging um ein Auto. Um PS. Um Macht.


Anna ging langsam auf die Gruppe zu, eines war klar, das war nicht ihre Welt. Ihre Bewegungen waren bedacht, wie die einer Tänzerin auf dünnem Eis. Jeder Schritt war ein Bekenntnis gegen den Fluchtinstinkt.


Daniel kam auf sie zu, breitbeinig, schwer wie ein Ringer bevor er in den Kampf zog. „Na, Anna. Schön, dass du’s doch geschafft hast.“


Er grinste. Es sollte charmant sein. Es war es nicht.


„Ich wollte mir selbst ein Bild machen“, sagte sie leise. Sie wusste nicht, ob er die Spitze hörte. Vielleicht war er zu dickhäutig. Vielleicht aber auch nicht.


Daniel lachte, als hätte sie ihm einen guten Witz erzählt. Dann wandte er sich Stefan zu, klopfte ihm auf die Schulter, so kräftig, dass er leicht ins Taumeln geriet.


Anna trat beiseite, suchte sich einen Platz im Schatten. Von dort beobachtete sie alles – mit wachen, scharfen Augen. Silke, die schweigend Getränke verteilte. Die Männer, die über andere lachten. Daniel, der sich in jede Unterhaltung schob wie ein Riegel in ein Schloss.


Anna hatte sich auf einen der Stühle gesetzt, Silke war ihr wortlos gefolgt. Sie saßen nebeneinander, die Gespräche der Männer um sie herum schienen weit entfernt, und doch waren sie so laut, dass sie keinen Ausweg fanden. Die Sonne brannte auf ihre Haut, aber es war die Hitze der Atmosphäre, die sie wirklich erschöpfte – diese fast greifbare Schwere, die die Luft verdichtete. Das Lachen der Männer, ihre rauen Stimmen, all das füllte die Umgebung und ließ keine Ruhe mehr zu.


Die Männer tranken in großen Schlucken, zogen an ihren Zigaretten, und überall, wo Anna hinsah, gab es Spuren von Macht, Brutalität und dieser unaufhörlichen, maskulinen Energie, die von Daniel auszugehen schien. Er hatte sich ins Zentrum der Gruppe gesetzt, als wäre er der Mittelpunkt des Universums, als wäre dieser Moment sein Reich. Stefan, der immer wieder versuchte, sich in Gespräche einzubringen, war irgendwie klein geworden, fast unscheinbar.


„Daniel“, sagte einer der Männer, ein kräftiger Typ mit einem breiten Nacken, „hast was Neues?“


„Ach, nichts Besonderes“, antwortete Daniel, und Anna spürte, wie sich eine kühle Welle durch ihre Adern zog. Er neigte sich zurück, die Brust weit, die Beine auseinander, als würde er auf einem Thron sitzen. „nur das Übliche.“ Er grinste, das Lächeln war breit und fast bedrohlich. „Aber die Sammlung wächst und wächst, hab fast keinen Platz mehr.“


„Sammlung?“ Ein anderer Mann, der mit dem Bierglas in der Hand, lachte. „Was für ne Sammlung?“


„Naja... Pornos halt, wo den Weibern das bisschen Gehirn rausgefickt wird“, antwortete Daniel in einem Tonfall, der keinerlei Scham kannte. Er stieß einen lauten Lacher aus, während die Männer um ihn herum zustimmend brummten.


Anna spürte, wie sich ihr Magen verkrampfte. Ihre Hand, die das Glas hielt, fühlte sich plötzlich schwer und kalt an. Silke neben ihr saß völlig reglos, ihr Blick hatte etwas Leeres, als würde sie das Geschehen kaum wahrnehmen. Doch Anna wusste, dass auch sie alles hörte. Wie könnte man es nicht hören? Die Schamlosigkeit in Daniels Stimme war unüberhörbar, der Stolz, mit dem er von etwas sprach, das ihn eigentlich bloßstellen sollte, verstörte sie zutiefst.


„Wir könnten mal tauschen“, sagte ein anderer der Männer, ein grimmiger Typ mit tätowierten Armen, „Ich hab auch ein paar Dinger.“


„Warum nicht?“ Daniel zuckte mit den Schultern. Er schnaubte und nahm einen tiefen Schluck aus seinem Bier. Silke, die im Grunde gar nichts sagte, blickte mit gesenktem Kopf zu Boden. Ihr Blick hatte jetzt etwas Leeres, als würde sie sich selbst aus diesem Gespräch und diesem Raum herausnehmen wollen. Anna konnte es förmlich spüren – die Ohnmacht, die von Silke ausging. Es war ein stummes Eingeständnis, dass diese Männerwelt für sie ebenso real war wie für Daniel – sie war ein Teil davon. Sie schien damit zu leben, so wie sie es sich von Anfang an eingeredet hatte. Und doch, in diesem Moment, hatte Anna das Gefühl, dass Silke innerlich zusammenbrach.


Die Worte der Männer hingen in der Luft, zogen sich durch die warme, schwüle Atmosphäre wie Rauch. Das Gespräch hatte sich jetzt zerfasert. Die Männer redeten durcheinander, tranken, rauchten. Lachten noch lauter. Silke war aufgestanden, vielleicht um Luft zu holen oder einfach, um zu verschwinden. Anna hatte ihr nicht folgen können. Ihre Beine fühlten sich schwer an, wie aus Stein. Sie saß da, das Weinglas noch immer in der Hand, leer, aber wie festgewachsen an ihren Fingern. Der Lärm um sie herum war nur noch ein Rauschen.


Daniel lehnte sich zurück. Wieder.


Er saß da, breitbeinig, der massige Oberkörper nach hinten geworfen, die venendurchzogenen Arme schwer auf die Lehne gelegt. Die Tischdecke hob sich in seinem Schoß, offenbarte einen Bereich, der sich Anna ohne Einladung zeigte. Die Jeans straffte sich über seiner Mitte und wieder war es da – diese monströse Präsenz, dieser bis zur Hosennaht langgezogene Berg, der massiv unter der Kleidung lag und den Reißverschluss zum Zerreißen spannte. Roh, grob, mächtig. Nichts daran war ästhetisch, nichts daran erotisch. Es war... unheimlich bedrohlich.


Und doch – ihr Blick blieb haften. Nicht aus Begehren. Nicht aus Neugier. Sondern aus dieser Mischung aus Schock und innerer Starre. Wie bei einem Unfall, bei dem man den Blick nicht mehr abwenden kann. Etwas in ihr sträubte sich, sich wieder diesem Bild auszusetzen, und doch tat sie es. Wieder. Wie von einer dunklen Gravitation gezogen. Etwas, das nicht aus der Vernunft kam. Er bewegte sich, rutschte ein Stück im Stuhl zurück. Die Tischdecke senkte sich, das Bild verschwand, wie von einem Vorhang wieder zugezogen. Es war nur ein Augenblick gewesen – Sekunden vielleicht. Aber sie wusste, dass es sich eingebrannt hatte. Sie schloss die Augen. Sie spürte, wie sich die Gänsehaut über ihre Arme zog, wie ein kalter Hauch über ihre Haut glitt. Es war kein sexuelles Gefühl. Es war ein existenzielles.


Aber dann endlich. Es war soweit. Die Stunde hatte sich viel zu lange gezogen. Die Männer lachten. Die Gläser klirrten, Stimmen vermischten sich zu einem dumpfen Klangbrei, der Anna schmerzlich in den Ohren lag. Der Geruch von Fleisch, Rauch, Wein – und Männerschweiß – hatte sich wie ein Film über alles gelegt.


Sie stand auf. Silke kam zurück ins Zimmer, blass wie zuvor, ihr Gesicht leer, nur ein höfliches Lächeln. Anna stellte sich neben sie, eine leise, flüchtige Geste der Verbundenheit – oder vielleicht nur der Einsamkeit.


„Wir machen uns auf den Weg“, sagte Stefan und streifte sich die Jacke über.


Anna nickte. Höfliches Lächeln. Verabschiedung. Ein kurzes Nicken in die Runde.


Sie hatte sich kaum zum Gehen gewandt, da spürte sie es.


Etwas. Eine Bewegung. Kein Geräusch, kein Wort. Nur eine Berührung. Flach. Ruhig. Selbstverständlich.


Eine Hand – groß, schwer – glitt langsam über ihre Wade. Nur einen Moment lang. Und doch schien die Zeit sich zu dehnen wie unter Wasser. Die Berührung war nicht grob. Nicht hastig. Nein – sie war gezielt. Geplant. Fast beiläufig. Und genau das machte sie so unerträglich.


Sie fuhr herum. Ihr Herz hämmerte. Doch Daniel saß einfach da, leicht zurückgelehnt, sein Blick irgendwo im Raum, als wäre nichts geschehen. Als hätte er sich nicht gerührt. Doch sie wusste es. Sie wusste es. Diese Bewegung war keine Einbildung. Keine Verwechslung. Und dann – war sie weg. Die Hand. Der Moment. Einfach aufgelöst. Nur das Brennen an ihrer Haut blieb zurück. Wie eine Brandmarke. Sie erstarrte. Nicht äußerlich – sie lächelte sogar, nickte, wie man es eben tut – aber innerlich war es, als ob etwas in ihr zu Eis wurde. Ein Kältestrom kroch von ihrem Bein in ihren Rücken, bohrte sich zwischen die Rippen. Dann fühlte sie Stefans Hand an ihrem Arm. Sanft, wie immer, doch plötzlich fremd.


„Komm, Anna.“


Sie ließ sich führen. Wegziehen. Fast wie ein Kind, das nicht mehr selbst weiß, wie man geht. Ihre Schritte klangen dumpf in ihrem Kopf, wie auf Watte. Die Tür schloss sich hinter ihnen. Der kalte Wind der Nacht traf sie im Gesicht – und war eine Erlösung.


Sie sagte nichts.


Stefan plauderte noch etwas vor sich hin, eine beiläufige Bemerkung, irgendein Scherz, den Daniel gemacht hatte. Sie hörte ihn nicht. Oder wollte ihn nicht hören. Sie nickte nur. Automatisch.


Im Auto herrschte Stille. Die Straße zog sich unter den Rädern vorbei, monoton, beruhigend fast. Anna starrte aus dem Fenster. Ihre Gedanken rollten wie hinter Glas, gedämpft und unzugänglich. Sie hätte etwas sagen können. Jetzt. Direkt. Es war alles noch frisch. Aber was hätte sie sagen sollen?


„Er hat mich angefasst.“


Es klang zu harmlos.


„Er hat mir über die Wade gestreichelt.“


Zu banal. Zu körperlich. Zu spät. Zu schwer.


Stefan hätte es nicht verstanden. Vielleicht hätte er gelacht. Vielleicht wäre er wütend geworden. Oder – und das wäre noch schlimmer – vielleicht hätte er es einfach nur hingenommen, als lästig, als kleinlich, als... bedeutungslos. Also schwieg sie. Und während die Stadt an ihnen vorbeizog, schwieg auch ihr Körper. Nur der Punkt an ihrer Wade, an dem er sie berührt hatte, brannte noch immer – kalt und klar wie Glas.

Am Montag erwachte sie früh, noch bevor der Wecker klingelte. Stefan schlief tief neben ihr, sein Atem ruhig, sein Rücken zu ihr gewandt. In der Küche schnitt sie Brot, schmierte Butter, stellte Kaffee auf. Stefan kam dazu, machte eine liebevolle Bemerkung, lachte. Dann zuckte es in ihr. Es war nicht die Erinnerung an Daniel, die sie traf – es war Stefans Lachen dabei. Dieses Lachen, das sie nie zuvor bewusst als etwas Schwaches empfunden hatte. Aber jetzt klang es schal. Wie ein Abnicken. Wie Kapitulation. Und etwas in ihr spannte sich an, wie eine Saite, die plötzlich zu festgezogen war.


Stefan hatte nichts gesagt, als Daniel von seiner Pornosammlung sprach. Hatte nicht einmal eine Augenbraue gehoben, sich zurückgelehnt, ein Bier getrunken, gelacht wie einer, der dazugehören wollte. Anna erinnerte sich an seinen Blick: nicht herausfordernd, nicht kritisch – sondern weich. Weggeduckt.


Es war Sonntag, spät am Vormittag, als Anna aus dem Schlafzimmer kam und stehen blieb. Die Tür zum Arbeitszimmer war angelehnt. Drinnen hörte sie Stefans Stimme – fester als sonst, schnittiger. Keine lauten Worte, aber eine andere Haltung. Sie wollte sich umdrehen, weggehen, doch dann hörte sie einen Namen: Daniel.


„...nee, das ist nicht mein Ding, ganz ehrlich,“ sagte Stefan. „Du hast dich echt gehen lassen neulich. Und Silke? Die saß wie ein Schatten neben dir. Ich weiß nicht, wie du das aushältst – oder wie sie das tut.“


Kurze Pause.


„Nein, Daniel, nicht 'empfindlich'. Ich mein’s ernst. Ich fand das nicht witzig. Nicht das mit den Videos. Du hast dich danebenbenommen.“


Sie spürte, wie ihr Herzschlag sich veränderte – schneller wurde, aber auch weicher. Etwas löste sich in ihr. Stefan klang nicht wie ein Mann, der dazugehören wollte. „Ich will, dass du das verstehst. Ich hab dich eingeladen, weil ich dachte, das wär nett. Nostalgie, ein bisschen Vergangenheit. Aber das, was du da mitgebracht hast... das ist nicht mehr meine Welt.“


Wieder Stille. Dann ein schlichtes, ruhiges: „Ja. Gut. Bis dann.“


Die Tür klickte. Schritte. Stefan trat heraus, und als er Anna sah, wirkte er überrascht – nicht ertappt, sondern verlegen, wie jemand, der nicht erwartet hatte, dass man ihn dabei hört, Haltung zu zeigen.


Sie sagte nichts. Nur ein leises: „Kaffee?“


Er lächelte schief. „Gerne.“


Später, am Küchentisch, saßen sie sich gegenüber. „Wollen wir... mal raus?“ fragte Stefan. „Irgendwohin?“


„Ein Café?“ schlug sie vor.


Er nickte. „Klingt gut.“


Es war ein belangloser Ort, an einem belanglosen Nachmittag.


Das kleine Café war gut besucht, aber nicht überfüllt. Der Geruch von frisch gemahlenem Kaffee lag in der Luft, vermischt mit warmem Gebäck. Anna hatte sich gerade hingesetzt, ihre Jacke über die Stuhllehne gelegt, als sie die Stimme hörte. Dumpfer, aber unverkennbar. Daniel.


Er lachte.


Als sie aufsah, traf ihr Blick sofort den seinen – oder vielmehr: seine Anwesenheit. Denn Daniel blickte gar nicht herüber, sondern sprach gerade mit der Bedienung, während er sich breit in seinem Stuhl zurücklehnte, die Knie weit auseinander, wie immer.


„Sollen wir… woanders hin?“ fragte Stefan, der ihn ebenfalls bemerkt hatte.


Sie hätte nicken können. Weggehen. Sich verweigern. Aber genau in diesem Moment wandte sich Silke zu ihnen um – und nickte sacht, beinahe bittend. Sie saß wie immer: schmal, zusammengesunken, ein Schatten ihres Mannes. Ihre Augen trafen kurz die Annas. Und obwohl darin keine direkte Bitte lag, kein Laut, war es fast schlimmer: ein stummer Blick, ein Hauch von Erleichterung, dass jemand wie Anna da war.


Anna räusperte sich. „Nein. Lass uns dazusetzen. Es wäre unhöflich.“


Stefan zuckte fast unmerklich zusammen, sagte aber nichts. Also setzten sie sich.


Daniel hob nur kurz das Kinn zum Gruß, dann wandte er sich wieder seinem Kaffee zu, als wäre es das Natürlichste der Welt, dass man sich zu ihm gesellte. Kein Lächeln. Keine Ironie. Einfach: Präsenz. Wie ein Tier, das keine Rücksicht kennt, weil es nie gelernt hat, dass Rücksicht überhaupt eine Option ist.


Die Bedienung kam, nahm neue Bestellungen auf. Silke bestellte nur einen Pfefferminztee, ihre Stimme kaum mehr als ein Hauch. Stefan versuchte, die Atmosphäre mit einem belanglosen Satz aufzulockern – etwas über das Wetter – doch es verpuffte zwischen den dampfenden Tassen.


Daniel saß, wie er immer saß: schwer, raumgreifend, die fleischigen Beine weit gespreizt. Die Spannung in Anna kehrte zurück. Die Erinnerung an seine Berührung, flüchtig und doch so absichtsvoll, hallte wieder in ihren Beinen nach. Sie wagte es nicht, unter den Tisch zu sehen, aber ihr Körper wusste ohnehin schon, was dort war. Ihre Gedanken stolperten – nicht aus Begehren, sondern aus der verstörenden Mischung von Macht und Missbrauch, von Dominanz und Scham.


Er sprach beiläufig über den Lack eines Militärfahrzeugs, über ein „schönes Biest“, das er gerade „fertiggemacht“ hatte. Die Metaphern vermischten sich ungewollt in Annas Kopf.


Sie zwang sich, ruhig zu atmen.


Daniel stand danach auf. Wortlos, wie immer. Ein kurzes Knarren des Stuhls, das Geräusch vom Körper eines Gewichthebers, der sich bleiern hob – kraftvoll, beiläufig. Er sagte nichts, warf niemandem einen Blick zu, ging einfach los, als gehöre ihm der Raum auch dann, wenn er ihn verließ.


Die Tür zur Toilette schloss sich hinter ihm, und in dem Moment, als die Geräusche des Cafés wieder über sie hinwegspülten, passierte es.


Ein Gedanke. Fremd. Plötzlich da. Und Anna erschrak, als hätte jemand ihr Gehirn berührt, ohne sie zu fragen. Sie stellte sich vor, wie er jetzt dort stand, in der Herrentoilette. Wie er breitbeinig vor dem Urinal stand, mit geöffneter Hose, wie der mächtige Körper sich nach vorne neigte, sein monströses Fleisch hässlich und unbeweglich aus dem Schlitz herausragte und der Urin hart gegen das Porzellan strahlte. Sie sah es nicht mit den Augen – sondern mit dem, was in ihr zu arbeiten begonnen hatte: einer Mischung aus Abscheu, Grauen und dieser rätselhaften, verstörenden Faszination, die sich wie ein Splitter in ihren Geist geschoben hatte. Es war widerlich. Der Gedanke selbst – ein Verrat.


Ein tiefes inneres Nein! hallte durch sie. Nein, das wollte sie nicht denken. Nicht sehen. Nicht spüren. Sie fühlte sich schmutzig, ertappt. Ihre Wangen wurden heiß, obwohl niemand etwas gemerkt hatte.


„Geht’s dir gut?“ fragte Stefan, leise.


Anna nickte schnell. Zu schnell. Zog die Schultern hoch, als würde ihr frösteln. Sie konnte ihm nicht sagen, was gerade in ihr passiert war. Konnte es nicht in Worte fassen, weil es so unbegreiflich war, so schamvoll – so falsch. Sie schluckte schwer, senkte den Blick. Als die Tür zur Toilette sich wieder öffnete und Daniel zurückkehrte, war sie still. Starrte auf ihren Löffel.

In der Nacht lag Anna wach. Der Raum war still, nur das leise Atmen von Stefan neben ihr erinnerte sie daran, dass sie nicht allein war. Und doch fühlte es sich so an, als wäre sie eingekapselt – in einem dunklen Gedanken, der sich ausbreitete wie ein Ölfleck auf Wasser. Sie wollte ihn abschütteln. Wollte sagen: Es war nur ein Moment. Nur ein Reflex. Nur Ekel. Aber es ließ sich nicht so leicht trennen, nicht so sauber weglegen.


Immer wieder tauchte das Bild auf. Wie aus dem Nichts. Flüchtig, aber mit einer Schärfe, die sie erschreckte: Daniel, allein in der Toilette, wie sie ihn sich vorgestellt hatte, roh, unendlich widerlich, so brutal präsent wie immer. Die Vorstellung war nicht erotisch. Nicht einmal eindeutig. Sie war… durchsetzt. Mit Widerwillen.

Die Tage danach vergingen in einer fast beruhigenden Gleichmäßigkeit. In der kleinen, liebevoll eingerichteten Apotheke, ging es zu wie immer – freundlich, geordnet, diskret – es war viel zu tun. Sie gehörte den Kramers, einem kultivierten Ehepaar, beide promovierte Pharmazeuten, die ihre Arbeit mit einer Art stiller Würde ausführten und Anna liebgewonnen hatten. Herr Kramer war ein Mann mit altmodischem Auftreten, Mitte fünfzig, stets korrekt gekleidet, mit einem diskreten Fimmel für akkurat sortierte Etiketten und goldene Krawattennadeln. Er sprach wenig, aber gewählt – seine Art hatte etwas Beruhigendes, wie ein alter Füllfederhalter, der nie auslief. Seine Frau, Elise, war das eigentliche Herz der Apotheke – eine außergewöhnliche Erscheinung. Zart, feingliedrig, sehr groß, mit der graziösen Haltung einer Ballerina. Ihre Figur war knabenhaft, völlig frei von Übertreibung, ohne Busen, als wäre sie dem Jugendstil entsprungen. Ihr Haar, leicht ergraut an den Schläfen, trug sie in einem weichen, eleganten Knoten, manchmal auch offen. Ihre Bewegungen waren fließend, unaufdringlich – beinahe schwebend. Über der Apotheke lag die Wohnung des Ehepaars, wo Anna willkommen war, ein und ausging und ihre Mittagspause halten durfte.


Stefan war wie meist in seine Projekte vertieft, konzentriert, freundlich abwesend. Leo, ihr Sohn, hatte sich telefonisch gemeldet – höflich, aber ohne viel Neues.


Es war eine stille, fast kostbare Zeit. Eine Zeit, in der alles wie in feines Porzellan gehüllt schien – zart, schön, mit feinen Rissen, die nicht störten, sondern das Licht an den richtigen Stellen brachen.


An einem Samstagabend saßen sie auf dem Sofa. Ein Film, den Stefan ausgesucht hatte. Ein Actionfilm, den sie nur aus Höflichkeit mit anschaute. Viel Explosion, Männer mit zu vielen Muskeln, Dialoge wie Hammerschläge. Dann erschien eine Figur auf dem Bildschirm. Ein Mann. Dominant. Breitschultrig. Ein stiller, brutaler Typ, der kaum sprach, nur handelte – mit einer Entschlossenheit, die an Wahnsinn grenzte. Seine erste Szene: Er schlägt einem anderen Mann das Gesicht blutig, weil dieser seiner Freundin einen falschen Blick zugeworfen hatte. Später: Er steht nackt am Waschbecken. Die Kamera bleibt nicht bei seinem Gesicht. Sie filmt den Körper. Muskeln. Narben. Macht.


Anna spürte, wie sich ihr Magen verkrampfte. Es war, als hätte jemand plötzlich eine Tür in ihr aufgerissen. Daniel, dachte sie sofort. Nicht einmal mit Fragezeichen. Daniel, sagte etwas in ihr. Und plötzlich war alles wieder da. Die Hand an ihrer Wade. Das Lachen. Die enge Hose. Der Blick, den er nie zu ihr geworfen hatte – weil sie für ihn nur ein Gegenstand war.


Im Film: Der Mann packt eine Frau, drückt sie gegen eine Wand. Sie wehrt sich kaum. Später sitzen sie nebeneinander – still, ergeben. Es war nicht einmal ein Porno, aber es war schlimmer. Es war Gewalt, getarnt als Männlichkeit. Und sie wusste, viele würden es nicht einmal sehen.


Aber sie sah es.


Und in ihrem Kopf geschah etwas Beunruhigendes. Etwas Unheimliches.


Sie stellte sich vor, wie Daniel sie so gegen die Wand drückte. Nicht, weil sie es wollte. Sondern weil das Bild sich einfach aufdrängte. Als würde ihr Gehirn es hineinschieben, mit Gewalt. Doch das Schlimmste war nicht das Bild. Das Schlimmste war, dass sie sich selbst sagen hörte – ganz tief drinnen, wie aus einer anderen Version ihrer selbst: Du wärst nicht mal überrascht.


Sie erstarrte. Der Film lief weiter. Stefan lachte kurz über eine Szene. Sie konnte nicht mehr hinsehen. In ihr war ein Abgrund aufgegangen.

Anna lag wach. Der Film war längst vorbei, Stefan schlief mit offenem Mund neben ihr. Sie dachte an den Grillabend zurück. Wie viele Wochen war das her? Der Geruch von Fleisch und Bier, das Lachen, dieses plumpe, raue Männerlachen, das über dem Tisch gehangen hatte wie Rauch. Daniel, wie er mit seinen Pornos prahlte. Wie Stefan still blieb, halb lachend, halb beschämt. Wie Silke sich klein gemacht hatte, fast wie ein Möbelstück neben ihm. Sie sah es wieder vor sich: Daniels breite Hände, die Weinflasche, sein Körper wie ein roher Block Beton – ungehobelt, unmenschlich, gefährlich. Der Ekel kam sofort zurück, so zuverlässig wie eine alte Wunde. Die Kälte lief ihr den Rücken hinab. Sie erinnerte sich an den Moment, als er ihr über die Wade gestrichen hatte. Wie ein Tier, das sich einfach nahm. Daniel, in der Toilette, wie er am Urinal stand. Damals hatte es sie erschreckt, angewidert – weil es so unwillkürlich gewesen war, so unerlaubt, so eindeutig. Aber jetzt war da... etwas anderes. Das Bild kam zurück, wie ein Echo. Nicht als Wunsch. Nicht als Fantasie. Aber als Tatsache. Als Realität, die ihr Inneres mit einem kühlen Finger anstieß. Er stand dort, ganz selbstverständlich. Breitbeinig. Der Gürtel offen, der Stoff der Hose gedehnt. Sie konnte sich das Bild zu genau vorstellen. Und es war nicht mehr nur grässlich. Nicht mehr nur roh. Es war... da. Einfach da. Und es brannte sich fest. Anna blinzelte ins Dunkel. Sie fühlte sich schuldig, obwohl niemand ihr etwas vorwarf. Sie drehte sich zur Seite, starrte an die Wand. Stefan schlief ruhig, die Augen hinter seinen geschlossenen Lidern fast unsichtbar, als wäre er weit weg. Es fühlte sich seltsam an, diese Nähe zu ihm zu spüren, während in ihrem Innern ein Ungeheuer wuchs, das sie nicht fassen konnte. Sie wollte das Bild vertreiben, wollte es vergessen, wie sie alles vergessen hatte, was sie mit Daniel verbunden hatte.

Die nächsten Tage flogen nur so an ihr vorbei. Arbeit, Einkäufe, ein paar flache Gespräche mit Nachbarn. Anna kam nach Hause, die Tür fiel leise ins Schloss. Es war still in der Wohnung, und doch war etwas anders. Ein seltsames Gefühl stieg in ihr auf, als sie durch den Flur ging. Sie hörte das Lachen, das gedämpfte Stimmengewirr aus dem Büro. Stefan und Daniel waren offenbar wieder zusammen – das Gespräch war ausgelassen, fast unbeschwert, ein Klang von Männlichkeit, der aus dem Raum drang, und Anna konnte sich ein Bild von den beiden machen. Stefan, der sich von seinem Schulfreund umgarnen ließ, als sei es das Natürlichste der Welt. Ein Stück weit hatte sie diese Stimmung fast vergessen.


Es war merkwürdig – das Gefühl, als würde sich etwas in ihr zusammenziehen. Etwas Dunkles, das sie einfach nicht loswerden konnte. Sie spürte die Unruhe, die in ihr brodelte, und wusste nicht genau, wie sie damit umgehen sollte.


Sie ging in die Küche, um sich etwas Ruhe zu verschaffen. Gerade, als sie sich eine Tasse Wasser nehmen wollte, hörte sie schwere Schritte hinter sich. Es war Daniel. Ohne Vorwarnung. Ohne Stefan. Sie drehte sich erschrocken um, und plötzlich stand er da, in der Tür, mit diesem intensiven Blick. Sie wusste nicht, wohin sie sehen sollte.


„Kann ich ein Glas Wasser haben?“, fragte Daniel mit dieser tiefen, gleichgültigen Stimme. Ihr Herzschlag beschleunigte sich ein wenig, und sie nickte nur, ohne ein Wort zu sagen. Ihre Hand zitterte leicht, als sie das Glas unter den Wasserhahn hielt. Sie wollte sich beeilen, wollte es einfach hinter sich bringen, und er stand nur da, wartete, während sie ihm das Glas reichte.


„Danke“, sagte Daniel, aber es war kein normales Dankeschön. Es klang, als würde er damit mehr sagen wollen, als es auf den ersten Blick schien. Er nahm das Glas, doch sein Blick ruhte weiterhin auf ihr, ohne dass er sich beeilte, sie loszulassen.

„Danke“, sagte Daniel, aber es war kein normales Dankeschön. Es klang, als würde er damit mehr sagen wollen, als es auf den ersten Blick schien. Er nahm das Glas, doch sein Blick ruhte weiterhin auf ihr, ohne dass er sich beeilte, sie loszulassen.


Er hob das Glas, aber seine Augen blieben auf ihr. Kein Zögern, kein Blinzeln – sein Blick hielt sie fest, als hätte er es nicht eilig, sie loszulassen.


„Du solltest nicht hinsehen“, sagte er dann – leise, fast beiläufig, und doch schnitt der Satz scharf durch die Luft. Keine Frage, keine Andeutung von Zweifel. Eine bloße Feststellung. Und sie traf Anna wie ein kalter Windstoß gegen ungeschützte Haut.


Sie erstarrte. „Was meinst du?“, fragte sie schließlich. Doch die Frage war überflüssig – sie ahnte längst, was er meinte. Ihre Stimme war brüchiger, als sie es wollte, zu weich, zu fragil.


„Zur Beule in meiner Hose“, erwiderte er ruhig. Kein Grinsen, kein Zucken im Gesicht – nur diese eine, messerscharfe Antwort, die sich schwer zwischen sie legte, wie ein Objekt, das keiner von beiden anrühren wollte.


Sie öffnete den Mund, schloss ihn wieder.


„Wie kommst du darauf...“


„Ich merke das. Du bist lange nicht die Erste.“


„Da täuschst du dich aber gewaltig, wenn du denkst…“


„Ich will Stefan nicht wehtun.“ Er sprach den Namen aus, als wäre das der einzige Grund, der noch Gewicht hatte. „Alles andere ist mir egal. Aber er ist anders. Ich mag ihn. Du musst dir das aus deinem hübschen Kopf schlagen.“


Ein Moment Stille.


„Was denkst du dir eigentlich? Bist du komplett…“


„Lass es“, sagte er. Seine Stimme war nicht laut, aber sie schnitt ihr das Wort ab wie ein Messer. „Ich kenne diesen Blick. Von euch Weibern.“


Ein zuckender Muskel in ihrem Kiefer. Dann spie sie die Worte aus:


„Wie kannst du überhaupt denken, ich würde... mit sowas wie dir…“


Er hob die Augenbrauen, langsam, wie jemand, der eine Herausforderung mit halbem Interesse zur Kenntnis nimmt. Die Stirn legte sich in tiefe Falten, die sich bis hoch zur blanken Glatze zogen – ein Gesicht wie eine Karikatur aus Muskeln, Haut und stummer Provokation.


„Deine Arroganz gefällt mir“, sagte er. „aber egal, ich will es trotzdem nicht. Jetzt wirst du mich bitten müssen.“


Er drehte sich um, das Glas noch immer in der Hand, und ließ sie einfach stehen. Kein weiteres Wort, kein Blick zurück.


Die Luft war stickig. Ihre Hand wanderte fahrig zu ihrem Hals, als wollte sie etwas lockern, das da gar nicht war. Sie stand hastig auf, taumelte fast, griff sich den Mantel, trat hinaus. Die Haustür fiel ins Schloss. Der Wind wehte kühl über ihr Gesicht, aber er konnte den Ekel nicht vertreiben. Ihre Gedanken jagten einander, wirbelten wild umher. Warum habe ich nicht sofort etwas gesagt? Warum war sie so stumm geblieben, hatte zugelassen, dass er sie so entwertete? Und vor allem – wie konnte sie sich so fügen, sich so in diese Richtung treiben lassen?


Sie atmete tief ein, aber der ekelhafte Geschmack seiner Worte blieb in ihrem Mund, ekelhaft wie ein beißender Nachgeschmack. Wie konnte ich mich überhaupt von ihm ansehen lassen? Ein Teil von ihr wollte sich verfluchen. Wie konnte sie den Gedanken zulassen, dass er sie – so wie er sie in diesem Moment gesehen hatte – in irgendeiner Form begehrenswert fand? Sie schloss die Augen und schüttelte den Kopf, als wollte sie diese Vorstellung aus ihrem Kopf vertreiben.


Ihre Schritte wurden schneller, der Asphalt unter ihren Füßen fühlte sich hart und kalt an. Ihre Finger verkrampften sich um ihre Tasche, als sie mit den Gedanken zurück zum Gespräch ging, zum Moment, als er sie so entwürdigend betrachtet hatte.


Und dann war da noch Stefan. Ein neuer Gedanke, der sich wie ein Schwert in ihre Brust bohrte. Sollte ich ihm davon erzählen? Sollte sie Stefan mit dieser schmutzigen Begegnung konfrontieren? Aber was würde sie ihm sagen? Dass der Mann sie so respektlos behandelt hatte? Dass er sie mit einem einzigen Blick entwertet hatte? Sie wusste, dass Stefan nicht so reagiert hätte wie sie – er hätte etwas gesagt, sofort. Aber sie wollte nicht, dass er es wusste. Nicht, weil sie ihn nicht vertraute, sondern weil es sie noch verletzter machen würde. Anna blieb abrupt stehen und blickte in die Nacht. Die Gedanken drängten sich immer dichter um sie, wirbelten in ihrem Kopf, und der Ekel, der an ihrem Inneren nagte, verstärkte sich. Es war, als wäre sie in einer Falle – und je mehr sie versuchte, sich zu befreien, desto mehr verstrickte sie sich. Anna trat nach einer Weile wieder ins Haus, schloss die Tür hinter sich und blieb regungslos stehen. Die Stille um sie herum fühlte sich plötzlich erdrückend an. Sie war alleine, und doch hallte der Dialog, der gerade in ihrem Kopf nachklang, immer noch in ihr nach. Der Raum war leer, aber ihre Gedanken füllten ihn aus, ließen die Wände immer enger zusammenrücken.


„Du wirst mich bitten müssen.“


Der Satz war in ihr wie ein Knoten, der sich nicht lösen ließ. Anfangs hatte sie ihn nur halb verstanden – als eine Abwertung, als eine Anmaßung, als etwas, das er vielleicht gesagt hatte, um sie zu provozieren. Aber jetzt, in der Einsamkeit der Wohnung, nach ein paar Momenten des Nachdenkens, wurde ihm eine ganz andere Bedeutung klar.


Er hatte es nicht einfach als Möglichkeit ausgesprochen. Es war eine Feststellung. Eine Tatsache. Er hatte sie in diesem Moment genau in seinem Blick erfasst – und in seinen Augen stand fest, dass sie irgendwann kommen würde. Er war sich sicher, dass sie nicht anders konnte. Es war für ihn nicht nur eine Frage des „ob“, sondern des „wann“. Sie würde ihn um das bitten, was er ihr anbot, weil er fest davon überzeugt war, dass es nur eine Frage der Zeit war, bis es für sie zu mächtig werden würde. Es war nicht die Frage, ob sie es wollte – es war die Frage, wann sie nicht mehr würde widerstehen können.


Anna hielt inne, als dieser Gedanke in ihr aufkam, und sie spürte, wie der Ekel in ihr hochstieg. Es war, als hätte er die Zukunft schon für sie bestimmt. Als hätte er in ihren Augen gelesen, dass sie nicht anders konnte. Die Erkenntnis, dass er so sicher war, ließ ihr den Atem stocken.


Anna stand einen Moment lang da, mit einem klopfenden Herz und einem brennenden Gefühl in der Brust. Warum hatte ich ihn nicht sofort abgewiesen? Warum hatte ich zugelassen, dass er so von mir dachte? Die Wut wuchs in ihr, vermischt mit einem Gefühl der Ohnmacht. Dieser Gedanke, dass er sie in einer Form von Machtlosigkeit gesehen hatte, die sie nicht einmal selbst wahrgenommen hatte, war unerträglich.


Ihre Hände verkrampften sich. Es fühlte sich an, als wäre sie in einem unsichtbaren Gefängnis gefangen. Als hätte er sie in eine Rolle gezwungen, ohne dass sie auch nur die Möglichkeit gehabt hätte, sich zu wehren.

Die Woche am Meer war wie ein Streifen Licht, der sich über eine dunkle Wasserfläche zog. Es war ein lang geplanter Urlaub gewesen, verschoben, dann wieder aufgegriffen, und jetzt, endlich, verwirklicht. Anna hatte ihn herbeigesehnt, aber auch gefürchtet – ausgerechnet jetzt, wo ihr Kopf so unruhig war, so voller Bilder, die nicht ihr gehörten, nicht in ihr Leben sollten.


Doch das Meer war anders. Das Meer war geduldig. Die Tage begannen mit dem Klang der Möwen, dem zarten Licht durch die weißen Vorhänge. Sie schlief länger als sonst, stand später auf, trank Kaffee auf der Terrasse mit Blick auf die Dünen. Stefan war entspannt, für Momente – kostbare, flüchtige Momente – war alles leicht.


Sie ging barfuß am Wasser entlang, der nasse Sand unter den Sohlen fest und kalt, und dachte an nichts. Es war, als hätte der Wind etwas von ihr fortgetragen, und das war gut so.

Nach der Rückfahrt – sechs Stunden, Musik im Radio – kehrte der Alltag in kleinen Schritten zurück. Arbeit in der Apotheke, Waschmaschinen liefen, E-Mails wurden beantwortet, Termine eingetragen, Stefan und seine Projekte. Es war Anfang der Woche, ein grauer Dienstag, als Anna wieder durch die vertrauten Straßen schlenderte. Sie kaufte ein Kleid, einen neuen Schal, etwas Brot und Käse.


Dann setzte sie sich in ein Café, um eine kleine Pause zu machen. Es war ruhig, freundlich eingerichtet, mit warmen Farben und beruhigender Musik. Sie bestellte einen Cappuccino und blätterte in einem Buch, das sie amüsierte. Ihre Gedanken waren still. Dann stand sie auf, um zur Toilette zu gehen – ein schmaler Gang, weiß gekachelt, vertraut in seiner Anonymität. Und urplötzlich, aus heiterem Himmel war es da. Nicht als Gedanke. Sondern als Szene. Als Raum in ihrem Kopf, den sie nicht verlassen konnte. Plötzlich bebte etwas in ihr. Ein Zittern. Zuerst kaum spürbar, dann stärker. Ihre Brust hob und senkte sich schneller. Unkontrollierter. Sie spürte die Kühle der Fliesen im Rücken. Und in ihrem Kopf: Bilder. Bilder, die sie nicht gewollt hatte. Nicht geplant. Nicht erlaubt.


Sie sah ihn dort stehen. Daniel. Wie damals, in ihrer Vorstellung. Sein Rücken, der von einem Gewichtheber so breit und zerstörerisch. Die Spannung in seinem Stiernacken. Der Atem, schwer. Der Hosenschlitz offen, die dicken Arme. Ein Geräusch, das sie nie gehört hatte, aber jetzt zu hören glaubte. Und dann: Ein kurzer Blick. Nur in ihrer Vorstellung. Über die Schulter. Zu ihr. Kein Lächeln. Nur Gewissheit. Anna presste die Lippen aufeinander. Sie schloss die Augen. Sie wollte nicht sehen, nicht spüren, nicht denken – und tat es doch. Langsam löste sie sich von der Wand. Ging die Schritte zu eines der Urinale. „Bitte, nicht…“ flüsterte sie sich verzweifelt zu, sie blickte auf das Porzellan, ging langsam zu Boden, in die Hocke, sah jetzt wie sich Daniel drehte, sie stöhnte auf. „Wie eine schwanzgeile Hure,“ hörte sie ihn sagen. Dann erschrak sie, richtete sich auf, sah sich im Spiegel und was sie darin sah hasste sie. Nahm einen letzten Blick auf die sterile Szenerie. Dann verließ sie den Raum.


Zurück am Tisch zitterten ihre Finger, als sie den Kaffee anhob. Er war längst kalt. Aber sie trank. Ohne Geschmack. Ohne Hunger. Nur ein Gedanke war übriggeblieben: "Was ist mit mir?"

Anna kam nach verstört nach Hause und sah Silke vor der Haustüre stehen und läuten. Anna blieb einen Moment stehen, überrascht. Sie hatte ganz vergessen, dass sie verabredet waren.


„Oh, hey, ich hatte ganz vergessen, dass du kommst“, sagte Anna und versuchte, sich zu sammeln, ein Lächeln auf ihr Gesicht zu zaubern.


Silke sah auf, und für einen Moment war es, als ob sie tief durchatmete, als würde sie etwas ablegen, das sie mit sich trug. „Kein Problem, ich hab mich ja auch nicht beeilt“, sagte sie und schüttelte den Kopf. Ihre Augen schienen noch tiefer als sonst zu sein, als ob sie müde war, auf eine Weise, die nicht nur vom Körperlichen kam, sondern auch von etwas anderem, dass sie im Inneren trug.


Die beiden Frauen traten ein, machten es sich gemütlich und sie tranken ihren Kaffee. Zunächst war es ein ganz normales Gespräch – die Art von Smalltalk, die man führt, wenn man sich sieht, aber der Alltag draußen und die Welt drinnen noch nicht so recht zueinandergefunden haben. Silke erzählte von ihrem Tag, von kleinen Dingen, die sie erledigt hatte. Anna hörte zu, nickte ab und zu, versuchte, das unangenehme Gefühl zu ignorieren, das sie immer wieder überkam.


Doch irgendwann änderte sich die Atmosphäre. Silkes Blick wurde ernster, und sie stellte die Tasse leise auf den Tisch, als ob sie sich von einer Last befreien wollte. „Weißt du, Anna...“, begann sie, ihre Stimme unmerklich brüchig, „manchmal frage ich mich, wie ich überhaupt hierhergekommen bin.“ Sie sah auf ihre Hände, als ob sie versuchte, sich zu sammeln, und dann erhob sich etwas Dunkles in ihrem Blick. „Daniel... er ist... nicht wie du denkst. Er ist nicht einfach nur dieser Mann, den du von den Treffen kennst.“


Anna spürte einen stechenden Schmerz in ihrer Brust, aber sie sagte nichts. Sie wusste, dass Silke jetzt etwas von sich preisgeben würde, etwas, das ihre Welt in ein anderes Licht rücken könnte. Und doch wusste sie, dass sie zuhören musste.


„Er ist... er ist gewalttätig, Anna“, flüsterte Silke plötzlich. Ihre Augen suchten Anna, als ob sie nach einer Reaktion suchte. „Manchmal fasst er hart zu. Und er macht es nicht, weil er es muss. Er tut es, weil er kann.“ Silkes Hände zitterten leicht, als sie diese Worte aussprach. „Er... nimmt sich, was er will. Und ich... ich habe nie den Mut gehabt, etwas zu sagen. Vielleicht, weil ich immer dachte, es könnte irgendwie besser werden.“


Anna fühlte, wie ihr Herz schneller schlug. Sie wollte etwas sagen, wollte sie beruhigen, ihr sagen, dass sie helfen würde, dass sie einen Weg finden würden. Aber die Worte blieben in ihr stecken, wie ein unsichtbares Gewicht in ihrer Kehle.


„Er betrügt mich, schon immer, er nimmt sich Frauen, benutzt sie, ich habe es gesehen, dann wirft er sie weg, einfach so, wenn er bekommen hat was er wollte.“


„Du kannst doch nicht...“, begann Anna, doch Silke schüttelte den Kopf, als ob sie die Worte schon kannte.


„Es ist nicht so einfach, Anna. Man kommt nicht einfach raus. Du kannst nicht einfach gehen, wenn du nicht weißt, wie. Wenn du... wenn du das Leben von einem Menschen kennst, der dich auf diese Weise kontrolliert, dann siehst du alles anders. Er hat mich... verändert. Und ich... weiß nicht, wie ich weiterkommen soll.“


Die Worte hingen in der Luft wie ein Schatten, der sich über den Raum legte. Anna saß da, stumm, mit einer Welle von Emotionen, die sich in ihrem Inneren aufbauten. Wut. Mitleid. Entsetzen.


„Aber du solltest doch nicht... so leben, Silke“, flüsterte sie schließlich.


Silke nickte, doch ihre Augen waren leer. „Ich weiß. Aber du musst verstehen, Anna, es ist nicht immer so, wie es aussieht. Manchmal sieht man nur, was er will, dass man sieht. Aber wenn er mich ansieht, dann sehe ich mehr. Dann weiß ich, was er wirklich von mir erwartet. Und das ist... das ist, was mich festhält. Ich kann ihm nicht entkommen.“


Anna schloss die Augen, die Wellen der Verzweiflung, die Silke ausstrahlte, überfluteten sie. „Ich weiß nicht, wie ich dir helfen soll“, sagte sie schließlich, ihre Stimme so leise wie das Flüstern des Windes.


„Ich will keine Hilfe, Anna“, sagte Silke leise. „Ich will nur manchmal jemanden, der zuhört.“ Sie stand auf, griff ihre Tasche und ging zur Tür. „Es tut mir leid, wenn ich dich zu sehr belastet habe. Ich muss jetzt gehen. Danke, dass du zugehört hast.“


Anna saß lange da, in der Stille des Raums, als Silke gegangen war. Ihre Gedanken wirbelten, durcheinander, schwer und trüb. Sie fühlte sich, als ob etwas Dunkles in ihr aufgestiegen war, ein Gefühl, das sie nicht abwehren konnte. Ihre Gedanken waren Ströme aus Bildern, die sich ineinander verschmolzen und in den Tagtraum übergingen. Silke war bei ihr, ihre Augen leer und doch voller unausgesprochener Qual. Dann veränderte sich das Bild, und plötzlich war sie nicht mehr bei Silke, sondern wieder an dem Ort, den sie so verzweifelt zu vergessen versuchte – die Herrentoilette, das Licht schwach, der Raum leer und unheimlich still. Daniel stand dort, so wie in ihrem Gedächtnis eingefroren, mit dieser seltsamen Selbstverständlichkeit. Sie konnte die kalte Luft fühlen, die an ihrer Haut zog, als sie sich gegen die Wand lehnte. Sie spürte die Enge in ihrer Brust, das Zittern ihrer Hände. Silkes Worte vermischten sich mit denen von Daniel. Sie hörte ihn immer wieder sagen: „Du wirst mich bitten müssen“, und in diesem Moment wurde es klar – es war nie um die Verführung gegangen, nie um die Möglichkeit eines Spiels, sondern um etwas ganz anderes. Um Macht. Um Kontrolle. Anna konnte sich nicht dagegen wehren. Sie spürte die Wut, den Zorn, der sie durchströmte, und doch war da auch eine Scham, die sie umhüllte, wie ein schweres, dunkles Tuch. Sie wollte fliehen, wollte sich von diesem Gefühl befreien, doch es war zu stark, zu allgegenwärtig.


„Du wirst mich bitten müssen...“, flüsterte er, seine Stimme unheimlich. Das Bild war so klar, so real, dass es sie festhielt. In diesem Traum war sie gefangen, die Gedanken, die sie so lange unterdrückt hatte, tobten wild in ihr. „Schwanzgeile Hure…“ Die Luft war dick, schwer, fast unerträglich. Ihre Sinne waren überreizt, und jeder Atemzug schien sich mit einem quälenden Bedürfnis zu füllen. Ihr Herz raste, ihr Körper fühlte sich auf seltsame Weise erregt an, warum fühlte sie sich so, wo doch alles, was sie erlebte, so abstoßend war? Daniel stand vor ihr, seine Präsenz erdrückend. Sie hatte sich jetzt für ihn wie eine billige Straßenhure gekleidet, sie wollte, dass er endlich Ja sagte, dass er sie endlich wahrnahm. Sie glühte ihn an, ihre Augen glänzten, feucht und flehend, still bettelnd, zu ihm auf die Knie gehen zu dürfen. Doch er grinste nur, ein schmutziger, grausamer Ausdruck, wissend, dass er wieder nicht nachgeben, es wieder nicht erlauben würde. Er ließ sie leiden, um seine Macht weiter auszubauen.

Der Alltag ging weiter, aber Anna wusste, dass sich etwas verändert hatte. Etwas, das sie nicht erklären konnte, etwas, das sie weder begreifen noch loslassen konnte. Und je mehr sie versuchte, sich davon zu distanzieren, desto mehr wuchs das Gefühl, dass sie sich selbst in etwas Verbotenes verstrickte.


Und dann war der Moment gekommen, es gab keinen Ausweg. Anna hatte sich entschieden. Sie würde die Sache ein für alle Mal beenden. Es war der einzige Weg, den sie sah, um ihre inneren Dämonen zu vertreiben und zu verhindern, dass Daniel weiterhin ihre Gedanken beherrschte. Sie würde ihm sagen, was sie von ihm hielt und sie würde nicht nur Worte sprechen. Sie würde drohen, ihn bei der Polizei anzuzeigen – wegen allem, was er Silke angetan hatte. Es war genug. Für sie, für Silke, für alle.


Doch sie hatte sich auch entschieden, Stefan nichts zu sagen. Sie wusste, dass er es nicht verstehen würde, dass er es als unnötig oder vielleicht als übertrieben ansehen würde. Und sie wollte sich nicht von ihm ein weiteres Mal unsicher machen lassen. Dieser Moment gehörte ihr, sie musste es alleine tun. Es sollte ein Schlussstrich werden. Danach würde Daniel sie nie mehr belästigen, und Silke würde endlich die Möglichkeit haben, sich zu befreien, ohne diese Bedrohung im Hintergrund.

Mit einem klopfenden Herzen telefonierte sie mit Silke, es war nicht einfach, doch sie bekam ihre Zustimmung, dann fuhr Anna zur Werkstatt. Ihre Gedanken wirbelten, als sie die bekannte Straße entlangfuhr. Sie hatte sich vorgestellt, wie dieses Gespräch ablaufen würde, wie sie ihm ins Gesicht sagen würde, was sie dachte. Aber jetzt, da sie tatsächlich hier war, war sie nicht mehr so sicher, ob sie es wirklich konnte.


Als sie die Werkstatt betrat, war es still. Die Geräusche der Maschinen und das Werkstattgedöns schienen plötzlich weit weg. Sie ging zielstrebig ins Büro, als sie ihn sah. Daniel saß in seinem Bürosessel, zurückgelehnt, seine breite Stemmerfigur füllte den ganzen Stuhl aus, Papiere lagen vor ihm. Die dicken Beine weit gespreizt, das Hemd leicht offen, ein selbstzufriedenes Grinsen auf den Lippen.


Anna blieb einen Moment lang stehen, der Raum schien plötzlich viel kleiner und dichter zu werden. Alles, was sie sich vorgenommen hatte, schien zu verschwinden. Der Raum fühlte sich heiß an, als würde sich die Luft verdichten. Sie starrte auf ihn, und plötzlich war alles, was sie sich überlegt hatte, nicht mehr so klar. Sie wollte ihm die Worte sagen, wollte ihm die Wahrheit ins Gesicht schleudern. Aber ihre Zunge fühlte sich wie gelähmt an. Keine Worte kamen über ihre Lippen.


Daniel, der sie bemerkt und leicht irritiert über ihre Anwesenheit war, musterte sie kalt. Hohn schlich sich dann in sein Lächeln. „Na, was führt dich hierher, Anna?“ sagte er schließlich, seine Stimme fast schneidend.


Anna spürte, wie ihr Körper zu zittern begann. Jetzt, da sie hier war, fühlte sie sich klein, unbedeutend, fast hilflos. Sie hatte es im Griff gehabt, als sie sich die Worte vorgestellt hatte, als sie sich vorbereitet hatte, aber jetzt, angesichts seiner lauernden Präsenz, fühlte sie sich gelähmt.


„Ich…“, sie wollte etwas sagen, doch der Klang ihrer eigenen Stimme war nicht das, was sie erwartet hatte. Es klang schwach, fast unentschlossen. Ihre Hand zitterte leicht, und sie ballte sie zur Faust. Sie wusste, dass sie hier nicht einfach weglaufen konnte. Doch es fühlte sich an, als würde sie gegen eine unsichtbare Wand ankämpfen.


Daniel musterte sie weiter, sein Blick schien sie zu durchbohren. Und dann, als ob er den Kampf in ihren Augen sehen würde, fragte er leise: „Ich sehe es in deinen Augen, du willst meinen Schwanz im Mund, ja?“


Seine Worte trafen sie hart. Die Wut, der Ekel, die Verachtung – alles vermischte sich zu einer breiten Welle, die sie zu überschwemmen drohte. Wie konnte er es wagen, so etwas zu sagen? Wie konnte er davon ausgehen, dass sie sich vor ihm erniedrigen würde? Der Raum schien sich zu verengen, ihre Atmung ging flach, und ihr Herz pochte laut in ihrer Brust. „Ich…“ Ihre Stimme versagte für einen Moment, doch sie zwang sich, weiterzusprechen. „Ich will, dass du Silke in Ruhe lässt.“


Daniel blickte sie irritiert an, eine leise Verunsicherung machte sich in seinem derben Gesicht breit. „Ich weiß, was du tust“, sagte sie, doch es klang weniger fest, als sie es gewollt hätte. „Du bist krank. Du verletzt Menschen, und du wirst damit nicht durchkommen.“


Daniel sah sie an, sein Blick jetzt anders als zuvor und gefährlich, als würde er hochspringen und sie angreifen. „Sie läuft also herum und erzählt Geschichten? Ist nicht gut fürs Geschäft.“

Zu Hause angekommen, stand Anna gelöst in der Eingangstür. Der Gedanke an Silke stimmte sie froh. Silke – keine Freundin, aber jemand wo sie tatsächlich helfen konnte. Mit ungeduldiger Hand wählte sie die Nummer, es klingelte mehrmals, bevor sie abnahm.


„Anna?“, kam Silkes Stimme, die sich zunächst ungewiss anhörte. „Alles in Ordnung bei dir?“


„Silke...“, begann Anna, „ich habe gute Nachrichten.“


Silke schwieg einen Moment, dann hörte sie ein leises, fast entschuldigendes Seufzen. „Das werde ich dir niemals vergessen, vielen Dank.“


Die Verbindung wurde nachdem sie ein paar Details besprochen hatten unterbrochen, und Anna starrte auf ihr Telefon. Sie hatte den ersten Schritt getan. Doch sie wusste, dass der wahre Kampf erst jetzt begann.

Die Wohnung war klein, aber hell. Zwei Zimmer, Laminatboden, ein Balkon mit Blick auf eine kahle Baumkrone. Anna stand am Fenster, während Silke in der Küche Wasser aufsetzte. Es roch nach Pappe, Staub und neuer Freiheit – dieser seltsame Duft, wenn ein Mensch irgendwo neu beginnt.


„Willst du einen Tee? Oder Kaffee?“ Silkes Stimme kam leise aus dem Nebenraum.


„Tee ist gut“, antwortete Anna.


Sie drehte sich um, lehnte sich an die Fensterbank. Silkes Jacke hing über einem Stuhl, daneben ihre Tasche, aus der ein zerknitterter Briefumschlag ragte. Ihre ganze Existenz passte jetzt in ein paar Taschen. Das machte Anna traurig und wütend zugleich. Sie war es gewesen, die Silke zur Flucht gedrängt hatte – aber auch sie selbst war nicht frei.


Als Silke den Tee brachte, zitterten ihre Hände leicht. Anna sah es, sagte aber nichts. Sie setzten sich auf den Boden – das Sofa war noch nicht da. Silke zog die Knie an den Körper, schlang die Arme darum, trank einen Schluck.


„Ich weiß nicht, ob ich das schaffe“, sagte sie dann plötzlich. Ihre Stimme war brüchig. „Allein.“


Anna sah sie an. Ihre Wangen waren eingefallen, die Augen hatten dieses Leere, das man bei Menschen sieht, die lange schweigen mussten.


„Doch“, sagte Anna. „Du hast den schwersten Schritt gemacht. Der Rest ist... langsames Weitergehen. Mit Rückschritten.“


Silke nickte nur. Dann: „Warum hast du mir geholfen? Ehrlich? Ich mein... du kanntest mich doch kaum.“


Anna schwieg. „Weil ich gesehen habe, was du nicht mehr sagen konntest“, sagte sie schließlich. „Und weil ich weiß, wie es ist, wenn einem niemand glaubt.“


Silke sah sie lange an. Dann lehnte sie sich langsam nach vorne, ihre Stirn ganz nah an Annas. Kein Kuss. Nur Nähe. Die Art Nähe, die einem erlaubt, nicht mehr zu sprechen.

Anna parkte zwei Häuser weiter. Der Himmel war grau, wie zugezogen von einem bleiernen Gewicht. Vor dem Haus ein gelber Polo, schief am Straßenrand, wie ein stilles Signal. Alles in ihr zog sich zusammen. Doch sie atmete tief durch und stieg aus, den Umschlag mit den Gerichtspapieren in der Hand, der sich plötzlich schwerer anfühlte, als er sollte. Sie hatte sich von Silke überreden lassen die Papiere von Daniel unterzeichnen zu lassen.


Als sie klingelte, dauerte es ein paar Sekunden zu lang. Dann ein Rucken an der Tür. Sie ging auf. Daniel stand da. Barfuß. Jogginghose. Der Blick schmal. Sein nackter, massiger Oberkörper war dicht behaart, dass bis in den Hals und den oberen Bauch reichte. Darin lagen übergroße, flächige Warzenhöfe, dunkel, fast violett gefärbt, hängend, die Haut darum grob und gespannt wie altes Leder, die Nippel selbst waren spitz, langgezogen wie dünne Nägel und zeigten zu Boden. Nacken und Hals wirkten wie eine Fortsetzung des Rumpfs – mächtig, kurz, kaum abgesetzt vom kahlen Schädel. Als würde der ganze Oberkörper in einem einzigen Block nach oben wachsen, ohne klare Trennung, ohne eleganten Übergang.


„Bin gleich fertig“, murmelte er und drehte sich um.


Anna trat unwillig ein. Es roch nach Bier und etwas anderem – dumpfer, animalischer. Aus der Küche kam ein gedämpftes Geräusch. Kein Radio. Kein Wasserkochen. Eher ein Stöhnen, unterdrückt, wie in ein Kissen gedrückt.


Sie zögerte wieder, dann folgte sie ihm.


Daniel stand in der Küche. Anna erstarrte. Die Frau war vor ihr, über den Küchentisch gebeugt, mit beiden Händen abgestützt. Ihr Rock war hochgerutscht, die Unterwäsche halb an den Knien. Ihre Schultern zuckten bei jedem Atemzug, die nackten Oberschenkel bebten leicht. Ihr Gesicht halb zur Seite gewendet – ein schmerzverzerrter Ausdruck, der aber nicht vor Schmerz kam. Ihre Lippen halb geöffnet, die Augen glasig vor Lust, halb geschlossen, die Haare ins Gesicht gefallen. Es war ein intimer, entgrenzter Moment. Anna blieb abrupt stehen. Denn sie erkannte das Gesicht. Sie kannte diese Frau. Nicht als Freundin. Nicht persönlich. Aber Anna war oft in der Schule ihres Sohnes gewesen, früher. Elternsprechtage, Feste, Konferenzen. Und da war sie ihr mehr als einmal begegnet – die junge Gymnasiallehrerin, die Deutsch und Geschichte unterrichtete, noch keine dreißig, charmant, klug, beliebt bei Schülern und Eltern. Die Art Frau, von der man dachte: "Die wird einmal Direktorin."


Die Frau hatte in Position auf seine Rückkehr gewartet, in Trance, voller Erwartung – schwer atmend - bis Daniel wieder laut und in voller Größe hinter ihr stand, er beugte sich nach vorn und raunte ihr leise ins Ohr: „Sag es.“ Dann richtete er sich auf. Er trat etwas zurück, als sei es das Normalste der Welt, seine Hose wurde so weit wie nötig nach unten gezogen, mit einer Trägheit, die fast arrogant war.


„Fick mich,“ stöhnte sie auf.


Grinsend stieß er wieder zu, seine Augen dabei auf Anna gerichtet.


Von der Kontrolle einer Gymnasiallehrerin war nichts übrig. Ihre Züge von einem rauschhaften, enthemmten Begehren verzerrt, das keine Rolle mehr spielte. Ihre Augen verdrehten sich bis nur mehr das Weiß sichtbar wurde, es war, als sei sie nicht mehr sie selbst, sondern etwas anderes geworden. Ihre kleinen Brüste sprangen wild auf und ab, als Haut auf Haut traf, klatschte es laut. Die Schreie, die aus ihr hervorkamen, waren hoch und schrill, als würden sie durch ihre Brust schneiden. Mit jedem Stoß mischte sich der Schmerz der Demütigung mit der berauschenden Lust, die sie immer weiter in den Wahnsinn trieb und als sie zu kommen drohte, stoppte er hämisch grinsend ab. Er griff in ihre Haare, wartete, zwang ihren Oberkörper hoch, sie stöhnte vor Ekstase, er wartete weiter, sein Blick immer bei Anna, dann, als er es für richtig hielt, kamen mehrere gekonnt hart ausführte Stöße. Er ließ sie kommen. Den Zeitpunkt dafür bestimmte er allein. Wie eine Puppe drückte er sie danach weg, ließ ab von ihr wie eine lästige Gewohnheit und schob sich die Hose hoch.

„Jetzt“, sagte er tonlos zu Anna. Er wischte sich mit einem Handtuch die Hände ab, kam an ihr vorbei, schnappte sich einen Stift vom Regal. Sein Blick war leer – nicht kalt, sondern leer.


„Wo soll ich unterschreiben?“


Anna reichte ihm das Formular, ihr Blick wich nicht vom Tisch. Die Frau stand noch da, ein warmes Zittern ging durch ihren Körper. Ob aus Lust oder Scham, Anna konnte es nicht sagen. Vielleicht beides.


Daniel unterschrieb. „War´s das?“


Sie nickte nur. Ihre Kehle war trocken, ihr Mund voller Schweigen. Der Umschlag bebte leicht in ihrer Hand, als wäre das Papier zu glühendem Metall geworden.


Er ging wieder hinter die Frau, beugte sich wie zuvor zu ihr hinab. „Sag es.“ Sie stöhnte getroffen und wie eine billige Hure auf, obszön, schamlos. Sie war jetzt keine Akademikerin mehr, nur mehr bebendes Fleisch. „Fick mich, du Schwein.“


Anna hörte im Gehen sein widerliches Lachen.

Draußen war es heller geworden. Aber was in ihr brannte, war kein Licht. Was sie gesehen hatte, würde sie nicht mehr loslassen. Anna fuhr weiter, doch ihre Gedanken blieben fest in der Szene hängen, die sie gerade mit eigenen Augen gesehen hatte. Es war, als ob sich die Bilder von der Lehrerin immer wieder vor ihrem inneren Auge wiederholten – die Frau, die sich so völlig in Daniels Gegenwart aufgelöst hatte. Sie hatte keinerlei Scham gezeigt, war nicht einmal von Annas Anwesenheit gestört worden. Im Gegenteil, es schien, als ob alles um sie herum bedeutungslos war. Alles, was zählte, war Daniel – und das, was er tat, das, was er ihr gab. Es war, als ob sie vollkommen in ihm aufging, als ob nichts anderes in diesem Moment existierte, außer ihm.


Und das erschütterte Anna bis ins Mark.


Anna spürte eine Mischung aus Ekel und Faszination, die sie nicht mehr abschütteln konnte. Die Lehrerin war wie eine Sklavin ihrer eigenen Begierde geworden, eine Frau, die ihre eigene Scham verloren hatte und sich völlig in der Lust und Macht von Daniel verlor. Sie hatte keine Kontrolle mehr über sich selbst, keine Kontrolle über ihre Reaktionen, keine Kontrolle über das, was sie tat. Sie war gefangen, in einem Zustand völliger Abhängigkeit, und das war das Schrecklichste und zugleich das Faszinierendste.


Wie konnte sie sich nur ihm hingeben? Wie konnte jemand wie sie – eine gebildete, respektierte Person sich so zeigen? Wie konnte sie in einem Moment der völligen Erniedrigung so einen Ausdruck der Lust in ihren Augen tragen?


Anna verstand es nicht. Es passte nicht zusammen, es war zu viel, zu beängstigend, zu abscheulich und gleichzeitig – auf seltsame Weise – faszinierend.


Anna fuhr mit zittrigen Händen, die das Lenkrad umklammerten, den Schweiß, der ihr über die Stirn lief, spürend. Ihr Herz pochte wild, und ihr Atem war flach, als sie die Straßen hinter sich ließ und auf der leeren Straße vor sich starrte. Es war, als ob ihr Gehirn versuchte, das, was sie eben gesehen hatte, zu verarbeiten, doch es war zu viel. Die Bilder stürzten in ihren Kopf, unaufhaltsam, wie eine Welle, die alles mit sich riss.


Sollte sie all das erzählen? Sollte sie Stefan von allem berichten, ihm sagen, was sie gesehen hatte? Doch was würde er tun? Hätte sie wirklich das Recht, ihm diese Wahrheit zuzumuten?


Anna fuhr nach Hause, und der Alltag holte sie wieder ein, als sie die Wohnungstür hinter sich ins Schloss zog. Alles schien wieder normal zu sein, doch etwas in ihr war zerrissen. Sie hatte ihre Aufgabe erfüllt, sie hatte das Gerichtsdokument besorgt, sie hatte das getan, was notwendig war, aber sie fühlte sich leer. Verstört. Ihre Gedanken wirbelten in einem Kreis.


Warum hatte sie nie diese Art von Lust empfunden, die sie in der Lehrerin gesehen hatte? Diese Hingabe, diese totale Aufgabe des eigenen Selbst, dieser Ausdruck in den Augen, als würde alles andere bedeutungslos werden, sobald er in ihrer Nähe war. Warum war sie nicht in der Lage, diesen Wunsch, diese Sehnsucht zu erleben? War es Stefan? War es ihr selbst? Ihre Gedanken drehten sich im Kreis, aber eine Antwort schien sich nicht zu finden. Und doch… war da dieses andere Gefühl. Es irritierte sie. Eine seltsame Regung in ihr, irgendwo tief unten, jenseits von Moral, Vernunft, Kontrolle. Etwas Dunkles. Ein heimliches Vibrieren bei dem Gedanken daran, wie Daniel mit Frauen umging. Es war schamlos. Es war böse. Es war grausam, ekelhaft. Und dennoch – da war etwas, das sie nicht loswurde.


Wie er die Lehrerin angeschaut hatte, wie er sie gelenkt hatte, wie sie ihm gefolgt war wie ein Tier, süchtig, abhängig, aufgelöst. Wie selbstverständlich er ihren Körper genommen hatte, als wäre er sein Eigentum. Ohne Rücksicht, ohne Zögern, ohne Scham. Es war so weit entfernt von allem, was Anna kannte. So anders als das, was sie mit Stefan erlebt hatte – wo alles korrekt war, achtsam, zärtlich, und dabei oft so… kraftlos. Sie hasste sich für den Gedanken, aber sie spürte ihn trotzdem: eine Art Neugier. Eine ungewollte Anziehung. Nicht zu Daniel – sondern zu der Macht, die er ausübte. Zu dem Kontrollverlust, den er offenbarte. Und vielleicht – zu der Vorstellung, wie es wäre, einmal nicht die Starke, Kontrollierte, die moralisch Unangreifbare zu sein.


Es war ein Gedanke, der sie erschreckte. Aber sie konnte ihn nicht mehr ganz zurückdrängen.

Die Wochen verstrichen. Der Alltag hatte sie wieder eingeholt, leise und verlässlich, wie ein vertrauter Schatten. Anna telefonierte regelmäßig mit Silke, die sich gut in ihrer neuen Wohnung eingerichtet hatte. Es klang, als käme auch sie langsam zur Ruhe. Alles war stabil, geordnet, leiser geworden. In der Apotheke war viel zu tun, die Tage vergingen schnell, gefüllt mit Rezepten, Kundengesprächen, Inventuren. Stefan war oft unterwegs – neue Projekte, neue Städte, immer auf Achse. Ihr Sohn meldete sich unregelmäßig, aber wenn, dann gut gelaunt. Studium, Freunde, Unibesuch, Leben. Alles war in Bewegung, alles schien in Bahnen zu laufen.


Und dann, ohne dass sie es geplant oder gewollt hätte, fand sich Anna wieder an diesem Ort. Das Café, in dem sie Daniel damals getroffen hatte. Dieselbe Ecke, dieselbe Tasse Kaffee, dieselbe Musik im Hintergrund, die unaufdringlich zwischen den Gesprächen der anderen Gäste flackerte. Es war, als hätte die Zeit eine Schleife gedreht. Ihre Hand hielt die Tasse, ihr Blick wanderte zur Tür. Und weiter – zur Herrentoilette.


Etwas in ihr zog sich zusammen, als würde ihr Magen sich an einen Schmerz erinnern, den sie längst vergessen glaubte. Sie blinzelte, stellte die Tasse ab. Aber es war zu spät. Die Erinnerung kehrte zurück, nicht als klarer Gedanke, sondern als ein Echo, das sich in ihren Gliedern ausbreitete – ein körperliches Ziehen, das ihren Atem stocken ließ. Es war wie ein Faustschlag, der unvermittelt traf, brutal und schmerzhaft. Die Bilder überfluteten sie – das Gesicht der Lehrerin, die stummen Geräusche, die verstörende Dominanz von Daniel. Sie spürte das Zittern der Lehrerin, die Scham, die zu einem entsetzlichen Hauch von Lust verschmolz. Und dann, die Frage: Wo war die Grenze zwischen der Macht, die sie empfand, und der Verachtung, die sie gleichzeitig erlebte?“


Sie wollte sich abwenden, aufstehen, gehen. Doch ihr Körper gehorchte nicht. Stattdessen stand sie auf – ruhig, wie in Trance – und ging auf die Tür zu. Die Tür zur Herrentoilette – sie stand da, wie eine unüberwindbare Grenze. Doch niemand hinderte sie. Keiner achtete auf die Frau, die plötzlich zu einem fremden Raum hingezogen wurde. Ihre Hand zitterte, als sie die Klinke ergriff. Der Raum hinter der Tür schien auf sie zu warten, doch was tat sie hier wirklich? Jeder Schritt fühlte sich fremd an, als gehörte sie nicht zu diesem Ort. Sie trat ein, und mit jedem Schritt schwand das Gefühl der Kontrolle, der Verstand schien weiter und weiter zu entgleiten. Der Raum roch nach Reinigungsmittel, Metall und Urin. Ein dumpfer Ort, funktional, anonym.


Sie stellte sich vor ein Urinal.


Das Porzellan glänzte matt unter der grellen Deckenlampe. Ihr Herz schlug laut. Ihre Hände hingen an der Seite. Und sie stand da, mitten im Raum, wie jemand, der sich selbst aus der Ferne beobachtet.


Was tat sie hier? Die Frage schoss wie ein scharfer Pfeil durch ihren Kopf, doch die Antwort blieb aus. War es wirklich ein Zwang? Oder war es nur der unterdrückte Wunsch, sich zu verlieren, sich dieser unwirklichen Situation zu überlassen? Ihre Hand, die den Rock hob, fühlte sich fremd an – als gehörte sie nicht mehr zu ihr. Es war keine Entscheidung, kein Gedanke, keine bewusste Handlung. Es war der Impuls, dem sie ohne Widerstand nachgab, als ob sie längst wusste, dass dieser Moment kommen würde. Etwas in ihr hatte diesen Ort gebraucht. Diesen Geruch. Diesen kalten Raum, der so wenig Raum für Gefühle ließ – und doch alles mit Bedeutung auflud. Wie ein Echo des Kontrollverlusts, das nicht vergehen wollte.


Sie stand da und wartete. Auf nichts. Auf alles. Auf sich selbst.


Sie stand da, starr, wie eingefroren in der Zeit, als plötzlich die Erinnerung zurückschlich – das unbegreifliche Verlangen. Wie konnte sie damals diesen Ausdruck im Gesicht der Lehrerin nicht nur verabscheuen, sondern auch beneiden? Warum erinnerte sie sich genau an den Moment, als deren Augen glasig wurden vor Lust, als jede Scham verloren ging? Wieso hatte sie das nie erlebt? Warum hatte sie Stefan nie so angesehen? Warum hatte sie sich nie fallenlassen können, so völlig, so grenzenlos – egal ob jemand zusah oder nicht?


Ihre Knie wurden weich. Ihre Hände zitterten. Sie atmete tief durch. Doch es half nichts. Die Wahrheit kroch in ihre Kehle, kalt und schwer. Sie schmeckte bitter – wie das Gift, das sich langsam in ihr ausbreitete. Aber was war diese Wahrheit? Was war der Name dieses Gefühls, das sie weder benennen noch ertragen konnte? Es war mehr als Schuld, mehr als Scham. Es war das Wissen, dass sie etwas in sich trug, dass sie nicht verstehen konnte, ein dunkles Bedürfnis, das sie selbst nie zugelassen hatte. Sie konnte es nicht greifen, und doch war es da – ein Teil von ihr, der nicht mehr verleugnet werden konnte


Ihre Finger zitterten, als sie den Stoff ihres Rocks leicht anhob, kaum merklich, gerade so, dass die Kühle der Luft ihre Oberschenkel berührte. Es war nicht der Wunsch nach Lust, nicht wirklich. Es war ein Drang, der tiefer lag, roher, schwerer zu benennen. Etwas in ihr wollte ausbrechen, wollte etwas tun, das nicht sein durfte, das nicht in ihr Leben passte – nicht in das Leben der Apothekerin, der Mutter, der Ehefrau.


Aber was war hier wirklich verboten? Sie war allein. Nur sie und der Geruch von Putzmittel und Urin, der Raum kahl, nüchtern, uneinladend. Kein Zeuge, kein Urteil, keine fremden Blicke. Und doch – sie stockte. Weil das Verbotene nicht im Ort lag. Es lag in ihr. In ihren Gedanken.


In der Frage, warum sie hier stand. Warum sie genau diesen Ort aufgesucht hatte, wie ferngesteuert, wie unter Zwang. Und warum sie das Bedürfnis verspürte, sich zu berühren. Oder vielleicht nicht einmal das – sondern sich selbst zu fühlen.


Der Geruch war beißend, alt, wie eingedrungene Erinnerungen. Ihre Hand lag noch immer auf dem Stoff ihres Rocks, der leicht angehoben war. Der Moment schien stillzustehen.


Es war, als würde sie sich selbst aus der Ferne beobachten – diese Frau, allein zwischen Urinalen, in einem Raum, in den sie nicht gehörte. Oder doch? Sie fragte sich nicht mehr, warum sie hier war. Sie fragte sich nur, was hier geschehen sollte. Oder geschehen musste.


Langsam, fast feierlich, hob sie den Rock weiter an, über die Oberschenkel, Stück für Stück, bis die kühle Luft ihre Haut berührte. Ihre Beine zitterten leicht, nicht aus Kälte, sondern aus Anspannung. Kein Mensch war hier. Niemand konnte sie sehen.


Sie trat einen Schritt näher an das mittlere Urinal. Ihre Knie gaben leicht nach, ihr Atem ging flacher. Sie stellte sich direkt davor, blickte hinunter – und wartete. Doch worauf?


Sie fragte sich: „Was tue ich hier? Der Gedanke blitzte auf, schmerzhaft und klar, doch sofort wurde er von einer anderen, dunkleren Stimme übertönt: Warum nicht? Warum ist es so verkehrt? Wenn niemand es sieht, wenn niemand es weiß – was ist dann wirklich falsch an dem, was du tust? Diese Stimme drang in sie, unaufhörlich, wie ein Echo, das nie enden wollte. Sie wollte weglaufen, doch sie blieb, ihr Körper verlangte nach der Fortsetzung, nach dem, was sie nicht erklären konnte


Und in ihr tobte der Sturm: das Wissen, dass es nichts brachte – und gleichzeitig das Gefühl, dass es alles bedeutete.


Sie blieb so stehen, unbeweglich, wie eingefroren in einem Akt stiller Revolte. Nicht sexuell. Nicht provokant. Sondern roh, nackt in der Idee: Bin ich das? Ist das alles in mir? Bin ich mehr als das Bild, das ich von mir habe?


Und da war wieder dieses Bild – die Lehrerin auf dem Küchentisch. Diese völlige Selbstaufgabe. Diese Lust, so tief, so fremd. Und jetzt, mit bloßgelegten Oberschenkeln in einem kalten Raum, fragte sie sich: Wollte sie es vielleicht einfach nie zulassen?


Anna atmete flach, ihr Herz pochte noch immer spürbar in ihrer Kehle. Doch statt zu gehen, blieb sie stehen. Ihre Finger zitterten leicht, als sie sich mit der flachen Hand an der gekachelten Wand abstützte. Die Kälte des Fliesenspiegels ging durch die Haut bis in die Gedanken.


Eine einzelne Kabinentür war angelehnt. Sie drückte sie auf, trat hinein, schloss ab. Drinnen roch es ekelhaft nach Urin, nach Spuren, die geblieben waren. Sie setzte sich nicht, sie stand einfach da, zwischen den Wänden, wie in einem Beichtstuhl ohne Gnade.


Ihr Blick fiel auf die Kritzeleien an der Rückseite der Tür: Telefonnummern, Namen, Worte, Wünsche, rohe Anspielungen, flehend oder fordernd. Etwas in ihr zuckte. Diese anonymen Bekenntnisse, diese schamlosen Zeichen – sie waren fremd, doch gleichzeitig fühlte sie sich wie eine davon. Als würde sie dazugehören. Als wäre ihr inneres Fragen – ihre Suche – längst auf diesen Wänden eingeschrieben.


Langsam drehte sie sich zum Spiegel an der Seite, einem schmalen, schmutzigen Streifen aus Glas. Sie sah sich selbst. Oder besser: etwas in sich, dass sie nicht kannte. Ihre Augen waren weit, offen, verwundert. Nicht erregt, nicht traurig. Eher… neugierig. Wie jemand, der auf etwas gestoßen ist, das lange vergraben war.


Sie hob die Hand, fuhr mit den Fingerspitzen die eigene Wange entlang. Das war ihre Haut. Ihre Wärme. Und doch war da dieser kalte, brennende Hauch von Schuld – oder war es Macht? Ihre Macht, sich in diesen Raum zu stellen. Ihr Körper, ihr Entschluss. Nicht mehr als das. Und doch: so viel.


Ein Geräusch draußen – Schritte. Jemand trat ein. Anna hielt den Atem an. Dann das Klacken eines Reißverschlusses. Urinprasseln. Die Welt da draußen lief weiter, gleichgültig. Sie stand da, verborgen und doch mittendrin. Es war eine Umkehrung ihrer ganzen Existenz: nicht gesehen werden – aber sich selbst erkennen.


Als Anna die Kacheln mit der Stirn berührte, durchfuhr sie ein kurzer Schauer – nicht vor Lust, sondern vor Kälte, vor Klarheit. Der Moment hatte etwas Irreales. Sie war allein in der engen Kabine, eingehüllt in den tristen Geruch nach Reinigungsmittel, sie zerrte ihren Rock hoch, entblößte sich, sah auf ihr hellblaues Höschen, stöhnte leise, ihre Zunge wanderte zu den schmutzigen Kacheln, sie wollte den Schmutz, Linderung, und die Kacheln fühlten sich kühl auf der Zungenspitze an, dann hörte sie den Mann draußen stöhnen. Es war ein fremder, dumpfer Laut, der sich mit dem Prasseln vermischte. Sie spreizte ihre Oberschenkel, der Rock schob sich hoch, sie presste sich an die schmutzige Tür mit den schmutzigen Kacheln, den schmutzigen Zeichnungen, den schmutzigen Worten. Sie spreizte ihre Schenkel durch bis die Innenknie an der Tür klebten und mit ihr gemeinsam herunterrutschten. Dicht vor ihr die Zeichnungen, ein Penis der spritzte, schmutzige Worte dazu. Ihre Zunge glitt heraus, berührte die Zeichnung. Der Mann draußen war fertig, sie hörte das Wasser als er sich die Hände wusch.

Und plötzlich kehrte alles zurück. Die Kälte. Die Erkenntnis. Die Realität.


Sie fuhr hoch, erschrocken über sich selbst. Über das, was sie gedacht, was sie getan hatte. Ihre Hände zitterten, als sie ihren Rock wieder glattstrich. Ihr Blick fiel auf ihre Finger – fremd wirkten sie ihr, wie die Hände einer anderen Frau.


Sie trat aus der Kabine, sah ihr Spiegelbild im grauen Licht. Ihr Gesicht war blass, die Augen geweitet. Da war keine Erotik. Nur Verstörung. Nur Fragen.


Was war das eben gewesen?


Ein kurzer Kontrollverlust? Eine Erinnerung? Eine Versuchung? Oder der Schatten dessen, was sie vermisste? Nähe? Macht? Aufgabe? Sie presste die Lippen aufeinander, drehte sich um und verließ die Toilette. Draußen im Café roch es nach Kaffee und Kuchen. Stimmen, Lachen, klirrendes Geschirr. Der normale Wahnsinn des Lebens.


Und doch fühlte sie sich wie eine Betrügerin, die gerade einem inneren Abgrund entkommen war.


Sie setzte sich wieder an ihren Tisch. Das Herz schlug ihr noch immer zu schnell, und in ihrem Inneren stritten zwei Stimmen miteinander: Die eine verurteilend, die andere flüsternd – fast verständnisvoll.


Sie saß am Tisch, die Tasse vor ihr war längst leer, der Löffel darin regungslos, doch in ihr war alles in Bewegung. Gedanken rasten, Bilder tauchten auf, verschwanden, nur um in anderer Form wiederzukehren. Draußen wurde es dunkel, das Café leerte sich. Sie war heute allein. Stefan schlief auswärts – irgendein Projekt, irgendein Entwurf, irgendetwas Wichtiges.


Sie spürte es in sich, dieses Ziehen. Kein Hunger, keine Trauer, kein klarer Wunsch. Es war etwas anderes. Ein Drang. Etwas Unnennbares, aber Unerbittliches. Es ließ sie nicht los. Sie hatte ihn schon länger gespürt, er war leise gewesen, diffus – jetzt war er da, laut und fordernd. Wie konnte sie Linderung finden? Was konnte sie tun, um sich selbst wieder zu spüren?


Sie legte die Hand auf ihren Oberschenkel, fühlte die Wärme durch den Stoff, das Leben unter ihrer Haut. „Etwas muss geschehen“, flüsterte sie. Ihre Stimme ging unter im Klirren von Geschirr, war kaum mehr als ein Gedanke. Doch sie meinte ihn ernst.


Dann kam ihr ein Einfall. Eine Idee, so plötzlich, dass sie innerlich zusammenzuckte. Sie schloss die Augen, erschrak vor dem Bild, das sich ihr aufdrängte. „Nein“, dachte sie. „Das kann ich nicht. Nicht wirklich.“ Aber es war zu spät. Die Idee war da. Sie stand im Raum wie eine dunkle Gestalt, leise, aber unnachgiebig.


Wie schmutzig. Wie erbärmlich. Und doch: Wie lebendig sie sich in diesem Moment fühlte. Ihre Haut kribbelte. Ihre Schultern richteten sich auf. Etwas war in ihr erwacht, das nicht einfach wieder verschwinden würde. Sie zahlte, trat hinaus in die feuchte Abendluft. Die Welt war dieselbe – aber sie war es nicht. Dann stieg sie in ihr Auto und fuhr los.

Anna hatte von diesem Ort gehört. Nicht aus erster Hand, nie in klaren Worten – aber die Erzählungen hatten sich festgesetzt, wie ein Echo, das nicht verklingt. Es hieß, dort treffe sich etwas, das keine Namen trage: Sehnsucht, Macht, Körper, Erinnerung. Es war kein Bordell, kein offizieller Treffpunkt. Eher ein Ort zwischen den Räumen, eine Chiffre. Und Anna – fasziniert, irritiert, offen – wollte nicht länger nur Zuhörerin sein. Sie wollte sehen. Spüren. Verstehen. Vielleicht sogar mitspielen, wenn auch nur mit dem Blick.


Der Regen hatte aufgehört, die Luft war dicht, fast süß. Der Parkplatz lag abseits, eingebettet zwischen Lagerhallen, anonym wie ein Versprechen im Dunkeln. Als sie ihren Wagen abstellte, blieb sie noch einen Moment sitzen. Die Finger am Lenkrad, die Kappe tief in die Stirn gezogen – ein altes Stück ihres Sohnes, das jetzt wie eine Maske wirkte. Der Mantel lag schwer auf ihren Schultern, als trüge er die Entscheidung mit sich. Doch sie stieg aus. Langsam. Kein Zögern mehr.


Sie ging ein paar Schritte, hielt an. Ihre Augen glitten über die Szenerie. Zehn, zwölf Wagen – nicht wahllos geparkt, aber auch nicht formell. Jeder schien einen eigenen Raum zu bilden, ein eigenes Licht, eine eigene Geschichte. Anna spürte, wie ihre Haut aufmerksamer wurde. Wie ihr Atem tiefer ging. Sie war nicht allein. Männer bewegten sich über den Platz. Einzelne, nie in Gruppen. Manche mit schnellen Schritten, andere zögernd. Ihre Blicke suchten, glitten über die Autoscheiben, als warteten sie auf ein Zeichen, ein kaum merkliches Nicken, ein geöffnetes Fenster, ein stummes „Ja“.


Anna hielt Abstand. Sie wollte nicht stören. Sie wollte sehen.


Am metallicblauen Volvo erkannte sie eine Frau mit dunkler Haut. Ihre Haltung war ruhig, aber wachsam. Der Fensterrahmen bildete eine Bühne, auf der kein Wort nötig war. Ein goldener Ring fing Licht. Anna fragte sich, ob er Verheißung oder Abschied bedeutete.


Im Citroën daneben war alles eine Pose. Perfektion. Die Lippen der Frau tiefrot, ihr Blick wie durch die Zeit geschnitten. Anna konnte sich kaum abwenden – nicht, weil sie die Frau begehrte, sondern weil sie deren Ruhe beneidete. Eine Ruhe, die sich nie erklären musste.


Beim BMW verharrte sie länger. Die Frau dort hatte etwas Rohes, etwas Direktes. Der Körper offen, die Haltung furchtlos. Ein Mann stand bei ihr. Ihr Finger strich ihm über das Handgelenk – kaum mehr als eine Berührung. Und doch lag darin eine ganze Geschichte. Der Mann schien sich zu entladen in dieser Geste, als hätte sie ihm gerade etwas erlaubt – oder verziehen.


Weiter vorn wanderte ein Mann in mittlerem Alter von Auto zu Auto. Sein Blick tastete, war nicht fordernd, aber hungrig. Immer wieder blieb er stehen, als wolle er etwas erkennen – oder sich selbst. Zwei jüngere Männer tauschten ein paar Worte, gedämpft, kaum hörbar. Dann gingen sie getrennte Wege, jeder einem Wagen zugewandt, wie Spieler, die ihren Einsatz prüfen.


Anna spürte, dass sie gesehen wurde. Ein kurzer Blick hier, ein Zögern dort. Niemand sprach sie an. Noch nicht. Aber sie war Teil des Bildes geworden. Nicht vollständig außen, nicht ganz innen. Genau da, wo das Schweigen am lautesten war.


Sie näherte sich dem schwarzen Audi. Der Atem der Frau beschlug die Scheibe. Ein junger Mann stand davor, starr, gefangen in einem Moment, der ihn veränderte. Anna sah, wie die Frau mit der Zunge die Scheibe berührte – kein Befehl, kein Spiel, sondern ein Akt von unverschlüsselter Intimität. Der Junge senkte den Kopf. Und Anna wusste: Es ging hier nicht um Geld. Nicht um Sex. Es ging um etwas Tieferes. Um Macht. Hingabe. Kontrolle. Einladung.


Beim silbernen Jeep wurde sie langsamer. Die Frau dort war ganz da – in ihrer Haut, in ihrer Haltung. Als ein älterer Mann nähertrat, geschah fast nichts. Und doch alles. Ein Heben der Brauen. Eine Hand, die sich an der Scheibe hob. Und er – plötzlich weich, still, verwandelt. Zwei Körper, getrennt durch Glas, verbunden durch Einverständnis. Anna stand reglos. Und sie wusste: Dieser Ort war kein Markt. Kein Theater. Kein Bordstein.


Es war ein Ritualraum. Roh, aber nicht schmutzig. Offen, aber nicht wahllos. Hier geschah Austausch – nicht Verkauf. Hier wurde nicht gegeben, sondern erlaubt. Und Anna? Sie spürte, dass sie nicht nur gekommen war, um zu schauen. Sie war gekommen, um etwas in sich zu berühren, das lange stumm war. Und jetzt zu ihr sprach – leise, fordernd, klar. Anna blieb plötzlich stehen, die Luft schien schwerer zu werden, die Wärme in ihrem Körper breitete sich wie ein Feuer aus, das sie nicht kannte und nicht einordnen konnte. Ihr Herz schlug schneller, die Hitze pulsierte durch ihre Adern, und sie spürte, wie sich ein Knoten aus Verwirrung und Verlangen in ihrer Brust formte.


Sie schloss die Augen, atmete tief durch, als wolle sie die fremde Flamme in sich bändigen. Doch die Flamme flackerte auf, stärker, unbändig. Sie öffnete die Augen wieder, suchte Halt in der Dunkelheit des Parkplatzes, in den Schatten der Autos und den Blicken der Fremden. Ihre Finger spielten nervös mit dem Saum ihres Mantels, zitterten leicht. Leicht lehnte sich an den kalten Metallzaun, der sie im Schatten verbarg. Die Dunkelheit schützte sie, gab ihr Raum, sich dem Sturm in ihrem Inneren hinzugeben. Ihr Atem ging flacher, während ein vertrautes, aber längst verdrängtes Gefühl wieder in ihr aufflackerte – die Erinnerung an die Lehrerin, an die unerbittliche Dominanz von Daniel. Wie ein Schatten legte sich diese Erinnerung über ihre Sinne, ließ die Gegenwart und die Vergangenheit miteinander verschmelzen. Überall brannte es jetzt in ihr – Verlangen, Angst, Ekel, Lust – ein chaotisches Inferno, das sie nicht zu bändigen wusste. Ihre Hände zitterten leicht, als wollte ihr Körper ihr diese verworrenen Gefühle erzwingen. Im Schatten des Zauns, verborgen und doch so nah am Geschehen, war Anna ganz bei sich und gleichzeitig irgendwo weit entfernt – in einem Raum, in dem Dominanz und Hingabe, Kontrolle und Verlangen einander umschlangen.


Sie schloss die Augen, ließ die Erinnerungen über sich hinwegrollen und dann, aus dem Dunkel tauchte plötzlich eine Gestalt auf – ein fülliger, älterer Mann, der Anna bereits aus der Entfernung bemerkt hatte. Er kam langsam auf sie zu, mit einer Mischung aus Scheu und Entschlossenheit, die Anna irritierte und gleichzeitig anzog. Seine Präsenz füllte den Schatten zwischen den Autos und als er ohne ein Wort zu sagen dastand und sie einfach nur ansah, stockte ihr der Atem. Er sah in ihre Augen, und was immer er darin fand, er griff ohne Vorwarnung nach dem Gürtel ihres Mantels und öffnete ihn, wie wenn es die selbstverständlichste Sache der Welt wäre. Ihr Herz raste, als der fremde Mann ihren Mantel öffnete, sie entblößte, ohne auch nur ein Wort zu sagen. Die Hülle, die sie so sorgfältig um sich gelegt hatte, fiel. Es war eine Grenzerfahrung – ein Moment, in dem ihr Körper mehr sagte als ihre Gedanken. Und was tat sie, sie tat nichts, sie ließ es zu, sie presste sich nur gegen den kalten Zaun, suchte Halt in der rauen Metallstruktur hinter ihr, während die Nachtluft kühl über ihre Haut strich. Ihre Gedanken rasten, widersprüchlich: Angst mischte sich mit seltsamer Neugier, Unsicherheit mit einer unerklärlichen Erregung.


Der Mann stand mit schimmernden Augen wieder einfach nur da, ohne Druck, ohne Eile. Es war, als würde er auf ein stummes Zeichen von ihr warten – eine Antwort, die sie noch nicht geben konnte. Ein Auto fuhr im Hintergrund langsam davon, die entfernten Motorengeräusche vermischten sich mit ihrem schnellen Atem. Anna schloss die Augen einen Moment, atmete tief ein und aus. Die Hitze, die durch das geöffnete Kleidungsstück an ihre Haut kroch, war nicht nur körperlich – sie war auch seelisch spürbar, wie ein Fluss, der alte Schleusen durchbrach. Sie öffnete die Augen wieder und sah den Mann an, der noch immer geduldig wartete. Seine Präsenz war unaufdringlich, fast respektvoll. Anna fühlte, wie der Druck, den sie so lange in sich getragen hatte, langsam bröckelte. Die Fassade der kontrollierten Mutter, Apothekerin, Ehefrau begann zu schwinden.


Anna spürte nun eine Bewegung, dann eine raue Berührung des Mannes, die sich tief in ihre Glieder fraß, seine Hände waren plötzlich an beiden Brüsten, an ihrer Bluse, die in Unordnung geriet. Ihr Herz schlug schnell, die Hitze in ihrem Körper breitete sich aus wie flüssiges Feuer, das alles um sie herum auszublenden schien. Erschrocken senkte sie ihren Blick auf die Hände, die fester zugriffen und dann flüsterte er mit tiefer, rauer Stimme, die kaum mehr als ein Hauch war: „Vergehst schon vor Geilheit, was?“ Seine Worte trafen sie unerwartet, ließen etwas in ihr vibrieren. Anna schluckte schwer, die Hitze in ihr wuchs, und sie wusste, dieser Moment war eine Grenzerfahrung, ein winziger Riss in der Wand, die sie um sich gezogen hatte. Ihr Kopf presste sich hart an den Zaun, spürte das raue Metall, ihr Verstand suchte Halt, suchte Gründe, warum sie weggehen sollte – doch ihr Körper gehorchte nicht. In ihrem Inneren tobte ein Sturm aus Scham, Neugier und Erregung. Sie spürte die Kälte des Zauns, der sie hielt, und zugleich das Feuer, das in ihr loderte – ein Feuer, das sich gegen jede Vernunft zu stemmen schien. Der Mann lächelte nur leicht, als er ihre harten Brustwarzen erfühlte, sie zuckte hoch, ein Fluchtreflex. „Alles gut Kleine, ich kümmere mich um dich…“


Sie musste aufstöhnen, vor echter Lust, sie schämte sich, spürte die Finger, die sich jetzt hart in ihr Fleisch gruben, ließ es zu, ein kurzer Moment noch des Genießens, dann, ihr Verstand begann die Oberhand zu gewinnen und sie sagte „Stopp“.

Anna stieg in ihr Auto, die Hände fest um das Lenkrad, als wollte sie sich davon abhalten, sich zurückzulehnen, um Luft zu holen. Die Fahrt war ein unscharfes Bild aus Neonlichtern und verschwommenen Straßen, und doch fuhr sie schneller, als sie es normalerweise tat. Ihr Puls raste noch immer, ein Nachbeben des Moments, als der fremde Mann sie berührt hatte. Ihre Haut brannte, ihr Kopf war leer, die Gedanken jagten wie ein Sturm, der keinen Halt fand.


Als sie die letzten Ausfahrten passierte, wusste sie nur, dass sie so schnell wie möglich von diesem Ort fortmusste. Weg von dem Parkplatz, weg von der Dunkelheit, weg von ihm. Ihre Finger griffen fester um das Steuer, als würde sie die Kontrolle über das Fahrzeug auch über sich selbst erlangen wollen. Der kalte Wind wehte durch das offene Fenster, doch der Druck in ihrer Brust blieb. Die Hitze war in ihr, hatte sich in jeder Pore festgesetzt, als sie endlich zu Hause ankam.


Zuhause war es still, als sie die Tür hinter sich zuschlug. Der Schalter war aus, ihre Gedanken waren es auch. Sie ging in das Schlafzimmer, legte sich ins Bett, zog die Decke über sich und schloss die Augen. Doch der Schlaf kam nicht. Die Stille war zu laut, der Raum zu groß für die Gedanken, die in ihr tobten. Die Erinnerungen an den Mann, die Hitze, die Unruhe, das Gefühl der Passivität. Sie versuchte, sich abzuschirmen, aber der Körper hörte nicht auf, sich zu melden.


In der Dunkelheit fielen ihre Gedanken auf einen anderen Punkt. Daniel. Die Erinnerung an ihn flimmerte in ihrem Inneren, ein Bild, das wie eine Melodie aus der Vergangenheit klang – scharf und klar. Ihr Körper reagierte darauf, als hätte er den Ton wiedererkannt, die feine Linie zwischen Nähe und Abgrenzung, zwischen Kontrolle und Hingabe. Doch bevor sie weiter in die Gedanken eintauchen konnte, überkam sie ein ermüdender, drückender Schlaf.


Am Morgen war es, als wäre der Traum – wenn es denn einer gewesen war – vergessen, verschwunden. Das Telefon klingelte.


Silkes Name flackerte auf dem Display, und ein Stich der Unruhe durchzog Anna. Ihre Stimme klang im Hörer ruhig, fast entschuldigend.


„Anna, es tut mir so leid, aber ich muss dich dringend bitten, heute früh zu Daniel zu fahren. Er hat angerufen, wollte kommen und die Unterlagen vorbeibringen, die ich ja heute Nachmittag unbedingt benötige. Bitte sei nicht böse, aber, das geht einfach nicht, nie wieder will ich ihn sehen.“


„Natürlich“, antwortete Anna sanft. Sie würde Silke nicht im Stich lassen. Aber sie spürte auch, wie die Angst in ihr wuchs. Der Tag, der noch so jung war, begann sich zu füllen – mit einer Aufgabe, mit einer Verpflichtung, mit einer weiteren Begegnung mit Daniel.


Anna starrte auf das Handy, das sie nach dem Gespräch in der Hand hielt. Ihre Finger waren kalt, ihre Gedanken noch immer nicht ganz bei der Nachricht, die sie gerade erhalten hatte. Sie schloss die Augen, atmete tief ein und aus. Die Hitze von gestern, die Erinnerung an den Moment auf dem Parkplatz, ließ sie nicht los. Mit einem leisen Seufzen griff sie nach ihrer Tasche, nahm den Autoschlüssel und verließ das Haus.

Sie läutete einmal, Daniel öffnete als ob er schon gewartet hatte und ließ sie ein. Er ging voran. Der vertraute Geruch von Holz, frisch gebrühtem Kaffee und einem herben Unterton, der mit Daniel verbunden war, lag schwer in der Luft. Doch es war nicht dieser Duft, der Anna innehalten ließ. Es war sie.


Die Lehrerin.


Barfuß kam sie die Treppe hinunter. Ihr Morgenmantel, hauchdünn und zart, öffnete und schloss sich bei jedem Schritt wie ein flüchtiger Schleier. Darunter trug sie… Anna stockte der Atem. Ein winziger schwarzer Mikro-Tanga, so knapp, dass das Wort „Unterwäsche“ fast zu viel war. Ihr Make-up war verwischt, Zeugnis einer langen, intensiven Nacht.


Anna wusste: Das war kein kurzer Besuch gewesen. Die Spuren auf ihrer Haut, das Glänzen in den Augen – all das verriet, dass sie offensichtlich die ganze Nacht bei Daniel verbracht hatte.


Dieses Wissen lastete schwer auf Anna. Eine Frau, verheiratet, mit all den Verpflichtungen. Eine Lehrerin, die Kindern Werte vermittelte, die für Ordnung und Disziplin stand. Daniel – roh, ungepflegt, emotional unbeholfen – schien ihr absolutes Gegenteil. Und doch war sie hier, bei ihm, und sah ihn an, als wäre er das Einzige, was in ihrer Welt noch Bedeutung hatte.


Sie nahm Anna nicht wahr. Kein flüchtiger Blick, kein höfliches Nicken. Nur Daniel.


Ihre Augen, glasig, erfüllt von einer Mischung aus Verlangen und Verlorenheit, ihre Hände, leicht zitternd, glitten über seinen groben Oberarm.


Daniel schwieg. Er stand breit, schweigsam, mit einem ruhigen Blick. Die Lehrerin legte ihre Hand auf seine Brust. Ihre Stimme war kaum mehr als ein Flüstern, brüchig, doch bestimmt: „Komm...“


Anna setzte sich an die Kante eines Sessels, doch ihr Geist war leer, ihr Blick verloren in Gedanken, damit hatte sie nicht gerechnet.


„Ich muss kurz was mit Anna besprechen“, sagte Daniel, nicht scharf, aber auch nicht einladend.


Die Lehrerin hörte ihn nicht. Sie setzte sich dicht neben ihn, ihre Hand glitt fast automatisch unter seine Kleidung, landete zwischen seinen Oberschenkeln und berührte ihn mit Verlangen und Vertrautheit. „Ich muss in einer Stunde unterrichten, Daniel...“.


„Ich sagte, später“, murmelte er leise, fast wie eine Mahnung. Anna fühlte sich wie eine Zuschauerin eines fremden Lebens.


Anna räusperte sich leise, versuchte die bedrückende Nähe zu ertragen, ohne zu zerbrechen. „Ich wollte auch nur die Unterlagen abholen“, sagte sie so ruhig wie möglich.


Daniel nickte knapp. „Ja. Klar.“ Die Lehrerin zog Daniel näher, als wolle sie ihn nicht mehr gehen lassen. Ihre Lippen öffneten sich kaum hörbar, schoben den Stoff seines Hemdes zur Seite und nahmen eine seiner Brustwarzen in den Mund.


Anna erstarrte. Sie beobachtete die Zunge, die über die Haut strich, die Nähe, die eigentlich unmöglich schien.


Daniel reagierte nicht, sondern blickte Anna an, sein Grinsen war eine Mischung aus Triumph und Herausforderung. Ihr Morgenmantel verrutschte, der schwarze Mikro-Tanga wurde wieder sichtbar, Symbol für das Netz, in dem sie gefangen war. Dann legte er grob seine Hand in ihr Haar, zog sie hoch zu seinem Gesicht. Er nahm den Blick von Anna weg und sah die Lehrerin an – ihre Augen leuchteten vor unbändigem Verlangen, funkelten wild und süchtig.


Der Griff war sicher schmerzhaft, doch sie ignorierte es, voller Hunger stöhnte sie auf, sah ihn an – sein derbes Gesicht, die Grobheit darin, keine Liebe, kein Gefühl, genau das machte sie an. Verzweifelt glitten ihre Lippen auf ihn zu und versenkte ihre Zunge tief in seinem Mund. Er spielte kurz mit, dann löste er sich aus dem Kuss. Enttäuscht keuchte sie auf. Er ließ die Hand in ihrem Haar los, und als wäre sie unter Spannung gestanden, stürzte sie zurück zu seiner Brustwarze, ihrem Zentrum, ihrem Anker. Ihre Stimme war ein kaum hörbares Flüstern: „Dein Schwanz macht mich irre.“


Daniel blickte Anna wieder direkt an: „Siehst du sie? Die brave Ehefrau, die Lehrerin vom Gymnasium? Habe sie zu meiner Hure gemacht.“


Die Lehrerin zuckte bei jedem Wort zusammen, als würden seine Sätze wie Peitschenhiebe durch ihren Körper fahren. Sie konnte nicht anders, als diese grausame Wahrheit tief in sich aufzunehmen. Ihre Stimme war brüchig: „Du Schwein.“ Ihre Augen schlossen sich kurz, ein raues, kehliges Stöhnen entwich ihr während ihre Hand langsam tiefer glitt bis sie unter der Kleidung das fand, wonach sie sich verzehrte – diesen unglaublichen Schwanz, der ihr Schmerz und Ekstase zugleich bereitete.


Daniel lächelte spöttisch, sein Blick an Anna verriet seine Gedanken: „Du bist die Nächste.“

Anna stand irritiert auf, nahm sich vom Tisch die Unterlagen, das Herz schlug wild und panisch gegen ihre Rippen. Die Lehrerin starrte jetzt gierig nach unten, ihre Augen glühten vor einer berauschenden Mischung aus Verlangen und Verzweiflung. Die Hand, die sich völlig unter Daniels Kleidung verloren hatte, bewegte sich hastig. Anna beobachtete das Schauspiel mit erstarrtem Blick, unfähig wegzusehen, gefangen zwischen Abscheu und einer schmerzlichen Faszination.


„Eine primitive Hure bin ich geworden,“ hauchte sie verzweifelt, ihre Stimme ein zerrissener Mix aus Angst und einer tiefen, dunklen Hingabe, die wie eine Pest in ihr wuchs. Daniel sah sie mit einem kaltblütigen Lächeln an, das keine Wärme kannte. „Und du genießt jede scheiß Sekunde davon.“


Anna spürte, wie ihr Magen sich zusammenkrampfte, Übelkeit stieg wie eine Welle der Finsternis in ihr auf, die Luft wurde schwer und klaustrophobisch. Der bittere Geschmack von Verzweiflung und zerbrochener Unschuld brannte auf ihrer Zunge, während ihr Blick zu flackern begann, als kämpfe sie gegen ein nahendes Unheil, das sie zu verschlingen drohte. In diesem Moment war die Lehrerin nichts weiter als ein zerbrochenes Relikt, eine verlorene Seele, gefangen in Daniels gnadenloser Dominanz und ihrem eigenen, zerstörerischen Verlangen.


„Bitte, fick mich endlich…“


Ohne sich nochmals umzusehen, wich Anna zurück, ihre Schritte hallten schwer und verzweifelt durch den Raum, während ihr Herz zwischen Entsetzen und lähmender Hilflosigkeit zerbrach.

Sie fuhr langsam zu Silkes Wohnung, das Herz schwer von den Eindrücken des Morgens. Als Silke die Tür öffnete, wirkte sie erleichtert. „Danke, dass du das noch vorbeibringst,“ sagte sie leise und nahm die Unterlagen entgegen. Anna lächelte schwach, ihr Blick war freundlich, doch die Unruhe in ihr spiegelte sich in den Augen. „Kein Problem,“ antwortete sie, ihre Stimme etwas heiser, als hätte sie zu viel unausgesprochen in sich getragen. Silke schaute sie besorgt an, wollte mehr fragen, doch Anna schüttelte leicht den Kopf und stieg wieder ins Auto.


Der Weg zur Apotheke zog sich zäh. Anna spürte, wie sich die Erinnerungen und Gefühle wie eine schwere Decke auf ihre Gedanken legten. Dort angekommen, begrüßte sie Elise und ihr Mann mit routinierter Freundlichkeit. Elise, stets korrekt und distanziert, gab keine Gelegenheit, in die Tiefe zu gehen. Herr Kramer lächelte ihr zu, bemerkte die gedrückte Stimmung, schwieg aber. Anna arbeitete den Tag über konzentriert, ließ sich von den Gesprächen ablenken, doch innerlich blieb sie gefangen in dem Echo des Erlebten.


Als sie abends nach Hause kam, war das Haus still. Stefan war noch auf Dienstreise, und Anna fühlte sich allein mit ihren Gedanken. Das Essen schmeckte fade, ihr Geist wanderte ständig zurück zu dem Parkplatz, zu der flirrenden Spannung, die sie dort gespürt hatte. Unter der warmen Dusche schloss sie die Augen und versuchte, die aufgewühlten Gefühle zu ordnen. Doch die Unruhe wurde nur stärker, wuchs wie ein stilles Feuer in ihr. Das Verlangen, diesem inneren Sturm zu begegnen, wurde zu einer drängenden Kraft. Schließlich zog sie sich an, griff nach ihren Schlüsseln und verließ das Haus. Sie war nach einer langweiligen Fahrt wieder da. Nicht wirklich geplant. Nicht wirklich bewusst. Der Parkplatz leerer als gestern. Der Geruch nach Asphalt und Abgasen war noch da, aber schwächer – als hätte die Nacht etwas mitgenommen. Anna blieb stehen. Der kalte Zaun, der gestern ihr Rückgrat gestützt hatte, stand noch immer da. Unverändert. Und doch schien alles anders. Oder sie. Sie trug heute einen anderen Mantel – dicker, verschlossener. Eine Art Panzer. Ihre Hände steckten tief in den Taschen, fest umklammert, als hielten sie etwas in sich zurück, das zu entgleiten drohte. Warum war sie zurückgekommen? Vielleicht, um Antworten zu finden. Vielleicht, um den Riss zu schließen, der sich gestern geöffnet hatte. Ein Windstoß strich ihr Haar aus dem Gesicht. Sie schloss die Augen. Wieder kam die Erinnerung. Das Flüstern. Die Hände. Das Zittern in ihren Knien, als sie nichts tat. Als sie es zuließ. Als sie nicht wusste, ob sie sich selbst verlor – oder endlich fand.


Sie atmete flach. Ihre Finger berührten unbewusst den Gürtel des neuen Mantels. Würde sie es wieder tun? Ein Teil von ihr wollte fliehen. Nach Hause fahren, alles abstreifen, was gestern war. Der andere Teil… stand einfach nur da. Wach, lauschend, erwartend. Ein Auto bog in die Einfahrt ein. Sie zuckte leicht zusammen, drehte sich aber nicht um. Sie ging am Rand des Parkplatzes entlang, den Blick gesenkt, aber wachsam. Ihre Augen glitten über die Reihen der parkenden Fahrzeuge, bleiches Metall, stumpfer Lack, dunkle Scheiben – wie verschlossene Augenlider, hinter denen sich etwas regte. Dann blieb sie stehen. Ein Auto. Silber. Vielleicht das gleiche wie gestern – vielleicht auch nur ähnlich. Es stand leicht schräg, die Fahrertür halb geöffnet. Niemand zu sehen. Anna trat näher, langsam, die Distanz hielt sie noch wie ein Sicherheitsgurt. Fünf Meter. Vier. Dann blieb sie stehen, verborgen im Schatten eines anderen Wagens. Durch die Windschutzscheibe konnte sie etwas erkennen. Bewegung. Da saß jemand – eine Frau. Jung, vielleicht Mitte zwanzig, der Kopf nach hinten gelehnt, der Hals freigelegt wie ein weiches Versprechen. Die Augen halb geschlossen. Ihre Lippen leicht geöffnet. Und da war noch jemand. Ein alter Mann, in voller Kleidung, auf dem Beifahrersitz, gebeugt über sie. Anna hielt den Atem an. Kein Ton drang aus dem Auto, nur das gedämpfte Heben und Senken der Körper, der alte Mann mit den schneeweißen Haaren fickte sie. Anna spürte, wie ihr Puls schneller wurde. Sie konnte nicht wegsehen. Nicht jetzt. Wenig später löste sie sich, ihre Füße bewegten sich wie von selbst, ruhig, gleichmäßig. Der Parkplatz lag still da, gedämpft in diesem seltsamen Zwielicht zwischen Tag und Nacht, zwischen Scham und Sehnsucht. Je weiter sie ging, desto mehr spürte sie es: Diese Stimmung hier war anders als alles, was sie kannte. Nicht hektisch. Nicht gezwungen.


Eine fast meditative Ruhe lag über allem – und doch: darunter vibrierte etwas. Eine unsichtbare Ausgelassenheit, eine Lust, die nicht laut werden musste, um spürbar zu sein.


Anna atmete tief ein. Die Luft war kühl, aber nicht kalt. Sie spürte sich. Ihren Körper. Ihre Gedanken. Und für einen Moment fühlte sich das einfach gut an. Sie ließ den Blick schweifen, nahm kleine Szenen am Rand wahr: Ein Mann, der im Auto sitzt und sich durch das Fenster mit jemandem unterhält. Eine Frau, die leise lacht, dann verschwindet. Und dann, ganz am Ende der Reihe: das letzte Auto.


Zwei Männer standen davor, Rücken an Rücken, als hätten sie sich dort zufällig getroffen. Der eine rauchte, der andere hatte die Hände in den Taschen. Ihre Körperhaltung war locker, vertraut, aber auch wachsam.


Anna trat näher. Nicht zu nah. Der eine – groß, kahlrasiert, mit einem ruhigen Blick – bemerkte sie als Erster. Kein Grinsen. Kein taxierender Blick. Nur ein leichtes Nicken. Der andere drehte sich halb zu ihr um. Etwas jünger, dunkle Haare, markantes Gesicht. Auch sein Blick war offen, aber nicht fordernd. Niemand sprach. Hinter den beiden Männern, halb im Schatten, halb im matten Licht der Straßenlaterne, stand ein älteres Modell – ein dunkler Kombi mit getönten Scheiben. Anna hatte ihn kaum wahrgenommen. Erst jetzt, da sie sich auf den Moment einließ, sah sie es: eine Bewegung hinter dem Glas. Die Männer traten leicht zur Seite, ohne sich abzusprechen. Ein stummes Einverständnis. Als wären sie nicht Wächter, sondern Teil eines Rahmens, der sich jetzt öffnete. Dann, aus dem Auto heraus, ein kurzes, eindeutiges Zeichen: Die Frau hob langsam die Hand. Die Frau hinter dem Glas lächelte. Langsam hob sie die Hand. Zwischen den Fingern hielt sie ein schwarzes Gummiteil – länglich, biegsam, schimmernd im Licht. Die Frau ließ es durch ihre Finger gleiten, rollte es zwischen Daumen und Zeigefinger, ließ es schnappen, als würde sie eine Spannung prüfen. Alles an ihr war still, präzise, voller Kontrolle.


Die Männer blickten ins Auto. Die Frau im Auto hob das Gummiteil an ihre Lippen, strich es sanft über die Unterseite, fuhr damit dann langsam über ihre Brust, über den Stoff, der sich kaum bewegte, aber alles verriet.

Anna blieb stehen, einen Schritt hinter den beiden Männern, den Blick noch immer auf die Frau im Auto gerichtet. Doch in ihr bewegte sich etwas.


Zunächst nur wie eine leise Welle – ein Zucken unter der Haut, kaum spürbar. Dann ein Pulsieren. Wärme, die sich von tief unten nach oben schob, sich zwischen den Rippen sammelte, weiterzog in den Nacken, in den Hals. Sie schluckte. In den letzten Wochen, dachte sie, war etwas in ihr anders geworden. Weicher. Empfänglicher. Feinfühliger vielleicht – wie sie es sich früher nie erlaubt hätte. Sie war anfällig geworden für diese Strömungen: für die kleinen, nicht greifbaren Zeichen, für Blicke, Spannungen, für unausgesprochene Dynamiken. Ihre Gedanken schweiften, wie von selbst. Zurück zu der Lehrerin. Diese Frau, die sich – trotz Ehemann, trotz ihrer Stellung – einem Mann wie Daniel hingab. Anna atmete langsam aus. Ihr Körper vibrierte leise, ganz innen. Kein plötzlicher Rausch, keine übermächtige Gier. Nur ein beständiger Strom – offen, klar, fordernd. Sie legte eine Hand auf ihren Oberbauch. Es war da.


Anna rührte sich nicht.


Noch immer standen die Männer vor dem Auto, ihr Rücken breit, sie hatten jetzt die Reißverschlüsse ihrer Hosen offen. Die Frau im Auto hatte die Fensterscheibe gänzlich hinuntergleiten lassen und ließ sich jetzt das Fleisch der Männer abwechselnd im Mund servieren. Anna spürte eine gewisse Seligkeit im Gesicht der Frau, und dann dachte sie wieder an sie. Die Lehrerin. Sie war hörig. Das Wort brannte jetzt in ihr auf wie ein altes Siegel, dass jemand mit Hitze neu auflegte. Anna spürte, wie sich ihre Kehle verengte. Es war so körperlich, und sie spürte plötzlich, dass es sie erregte. Tief unten, zwischen den Schenkeln. Ein Ziehen, fast schmerzhaft.


Ein Schwindel ging durch sie.


Und dann – sah sie ihn. Der füllige Mann von gestern stand am Rand des Parks, ruhig, fast unbeweglich. Sein Blick war gelassen, doch zugleich aufmerksam. Als ihre Augen sich trafen, richtete sich sein Blick langsam auf den kalten Metallzaun, an dem sie gestern zusammengestanden hatten. Ohne ein Wort nickte er leicht, eine Geste, die mehr sagte als jede Sprache – eine Einladung. Ein stummer Befehl zurückzukehren.


In Anna regte sich etwas, ein ungewohnter, tiefer Zug, den sie kaum fassen konnte. Der Zaun war plötzlich mehr als nur kaltes Metall – er war ein Symbol geworden. Sie warf ihm noch einmal einen Blick zu, dann sah sie wieder auf den Zaun. Die Stille zwischen ihnen war schwerer als jedes Wort.


Anna zögerte. Das Feuer, das in ihr loderte, die Hitze ihrer wirren Gedanken von vorhin, pulsierten noch immer, wild und unkontrollierbar. Sie hatte die Lehrerin verurteilt, die sich auf Daniel eingelassen hatte, obwohl sie verheiratet war. Und jetzt stand sie selbst hier – verheiratet, und doch genauso gefangen in diesem geheimen Spiel.


Sein Blick ruhte unverwandt auf dem Zaun, unmissverständlich. Anna spürte, wie Scham, Neugier und Verlangen sich in ihr zu einem Knoten verflochten. Ihr Herz begann schneller zu schlagen, die Luft um sie schien dicker zu werden. Noch einmal sah sie zu dem Mann, dann wandte sie sich langsam dem Zaun zu. Der Schlag ihres Herzens wurde schwerer, dröhnte in ihrer Brust. Er ging neben ihr her, ein kleiner, fülliger Mann, dessen Lederjacke sich über seinen runden Bauch spannte. Ein Mann, den man leicht unterschätzte — ein Busfahrer, ein Verkäufer hinter der Fleischtheke.


Sie standen vor dem Zaun. Er sah sie an — ruhig, suchend, als wolle er ihr Innerstes erforschen. Die Stille zwischen ihnen war unerträglich. Dann flüsterte er mit hoher Stimme: „Deine Hände an den Zaun.“


Sein Wort schlug ein wie ein Blitz. Ein Aufruhr raste durch Annas Körper, wild und unbändig. Ihr Herz hämmerte so laut, dass sie fürchtete, er würde es hören. Der Atem stockte ihr, flach und hastig. Überraschung, Empörung, Zorn – alles stürmte in ihr auf. Wie konnte er es wagen? Ihre Stirn zog sich zusammen, die Fäuste ballten sich. Ein instinktiver Widerstand riss an ihr. Doch dann spürte sie die andere Seite – ein prickelndes Feuer in ihrem Unterbauch, dass sich wie eine Flut ausbreitete und ihren Verstand überrollte. Langsam, fast widerwillig, öffneten sich ihre Finger, griffen das kalte Metall des Zauns. Ein innerer Kampf tobte: Angst gegen Verlangen, Widerstand gegen Hingabe, Kontrolle gegen Verlust.


Eine Bewegung hinter ihr, kaum spürbar, und doch verändert sich alles. Keine hastige Berührung, sondern ein leises, fast zärtliches Annähern. Seine Nähe war ein Versprechen und zugleich eine Bedrohung. Dann fragte er, kaum hörbar: „Wie?“


Anna konnte nicht sprechen. Die Worte blieben in ihrer Kehle stecken, ihre Lippen wollten sich nicht bewegen. Nach einer Ewigkeit hauchte sie: „Bitte… sanft.“ Ein Flehen, das mehr Schutz war als Bitte.


„Öffne den Mantel“, forderte er.


Ihr Griff zitterte, als sie den Stoff löste. Jeder Handgriff war ein Kampf zwischen Anstand und Verlangen, Angst und Hunger. Sie gab nach, ließ zu, wie die kalte Nachtluft auf ihre Haut kroch und sie warnte.


Wieder griffen ihre Hände den Zaun, hielten sich fest wie an einem Rettungsseil im Abgrund. Seine Hände glitten an ihre Bluse, sanft, bedächtig. So, wie sie es verlangte. Und doch spürte sie: Es war zu wenig. Zu leise. Falsch. Die Sanftheit spiegelte ihre Selbstlüge. Das Zittern in ihren Knien, das Brennen unter der Haut, das pochende Drängen – all das blieb unerfüllt. Und dann sprach sie es aus, die Worte, die alles veränderten:


„Behandle mich wie eine Nutte.“


Sie hingen zwischen ihnen, rauchig, dunkel. Roh und ehrlich.


Er hielt inne, schenkte ihr Zeit, um zu begreifen, was sie gerade gesagt hatte. Sekunden, die wie Tropfen auf heißem Stein wirkten. In ihrem Inneren vibrierte alles – zwischen Wunsch nach Ende und Verlangen nach mehr. Die Luft schien zu ersticken, doch die Hitze stieg.


Seine Hände wurden grob, zerrten an der Bluse, tasteten jede Stelle, spürten ihre Erregung, die sich gegen den Stoff presste. Die plötzliche Gewalt war wie eine Ohrfeige. Ein Teil von ihr wollte zurück, weglaufen, schreien. Doch ihr Körper rebellierte, drängte, verlangte.


Er murmelte, kaum hörbar, direkt an ihr Ohr: „So schnell geil.“


Die Worte brannten, glühten. Wut schlug in ihr auf, das Gefühl, bloßgestellt, zerfetzt zu sein.


Doch das wilde Verlangen entflammte stärker als je zuvor. Dieses Feuer, unbändig, furchteinflößend. Kein Spiel, kein Schutz mehr – nur rohe Lust und die Angst vor dem Verlust ihrer selbst. „Sag mir, ob du eine Nutte bist.“


Diese Frage durchfuhr sie wie ein Blitz. Ihr Verstand taumelte, der Wunsch, nein zu schreien, schrie tief in ihr. Doch da war auch etwas anderes: Eine seltsame Wahrheit, die sie nie zugeben wollte – dass sie manchmal genau das fühlte: Nutzbar, begehbar, bereit ohne Grund. Der Gedanke erschreckte und erregte sie zugleich.


Worte versagten ihr, ein stöhnendes Laut entwich, laut, ehrlich, unverhüllt.


Langsam hob sie die Hand vom Zaun, tastete nach einem seiner dicken Finger, führte ihn zu ihren Lippen. Ein letztes Flackern von Widerstand flammte auf, aber sie ignorierte es. Es war ein Rausch, getrieben von einer dunklen Mischung aus Abscheu und Anziehung. Das Leder, der Rauch, die raue Haut – es war widerlich und gleichzeitig heilig. Weil es sie berührte, auf eine Weise, die niemand zuvor geschafft hatte.


Zögernd saugte sie an seinem Finger, die Zunge strich über die raue Oberfläche, als wolle sie ein unsichtbares Band knüpfen. Widersprüchliche Gefühle kämpften in ihr – Verführung gegen Kontrolle, Scham gegen Verlangen.


In diesem Moment war sie nicht mehr sie selbst, sondern jemand anders – roh, entblößt, offen. Vielleicht zum ersten Mal wirklich ehrlich.


Sie überschritt eine Grenze, die sie nie zuvor gespürt hatte. Und sie wusste, es gab kein Zurück mehr. Selbst wenn sie ihn jetzt wegstieß, hatte diese Berührung etwas in ihr verändert. Endgültig.


Der Geschmack, die raue Haut, das Vibrieren seines Fingers – all das öffnete eine neue Tür in ihr, in der Angst und Erregung eins wurden. Sie fühlte sich wie ein unbeschriebenes Blatt, das sich gerade selbst schrieb.


Langsam saugte sie rhythmisch an seinem Finger, spürte, wie neben dem Zeigefinger der Daumen hinzukam – eine neue, intensivere Erfahrung, die sie gleichermaßen verunsicherte und fesselte. Der Schweiß- und Rauchgeruch vermischten sich mit dem Gefühl, an der Schwelle zu etwas Unbekanntem zu stehen, das kaum zu ertragen war.


Sie saugte weiter, fühlte sich schmutzig und lebendig zugleich, ihr Körper brannte auf eine Weise, die sie nie zuvor gekannt hatte. Plötzlich senkte er leicht den Kopf, flüsterte dicht an ihr Ohr: „Ich habe noch nie eine Frau so schnell geil werden sehen.“


Diese Worte trafen sie mitten ins Herz. Sie konnte sie verleugnen, sich schämen, wütend sein – doch sie spürte, dass sie wahr waren.


Sie umschloss seinen Daumen fester, verlor sich in diesem Augenblick, spürte die Hand an ihrer Brust, an der harten Brustwarze, die sich gegen die Bluse presste. Und dann wurde ihr plötzlich bewusst: War das wirklich sie? Das hier? War das, was sie gerade war?


„Stopp.“


Der Atem blieb ihr in der Brust stehen. Ein Gedanke schoss durch ihren Kopf: Wie weit wäre sie gegangen, wenn niemand sie gebremst hätte – nicht einmal sie selbst?


Der Mann bewegte sich nicht, sagte nichts. Er wartete. Nicht auf Zustimmung, sondern auf Wahrheit.


Anna trat zurück, löste sich vom Zaun. Ihre Fingerspitzen prickelten, als hätte der kalte Stahl ein brennendes Zeichen hinterlassen.


Sie atmete tief ein, drehte sich langsam um. Ihr Blick traf seinen.


„Danke.“

Anna fuhr nach Hause, ihre Gedanken schwer und verwirrt. Es war, als trüge sie eine Last, die sie nicht ablegen konnte. Der kalte Abend warf lange Schatten über die Straße, und sie ging in ihre Wohnung, schloss die Tür hinter sich. Es war still hier. Zu still. Der leise Klang der Uhr an der Wand tickte immer wieder wie ein ständiger Mahnruf.


Sie zog sich aus, ließ die Kleidung auf dem Boden liegen, und legte sich ins Bett. Doch der Schlaf kam nicht. Es gab zu viel in ihrem Kopf, zu viele Bilder, zu viele Worte, die zwischen ihr und der Realität schwankten. Die Begegnung mit dem Mann – das Verlangen, das sie nicht einmal vollständig verstand – sie ging immer wieder in ihren Gedanken umher, drehte sich wie ein Kreis, der nicht zu einem Ende fand.


Und dann diese Feststellung: „Ich habe noch nie eine Frau so schnell geil werden sehen.“ Dieser Moment schnitt sich in ihren Verstand, als würde er nie mehr verschwinden. Als sie es in ihren Gedanken durchging, überlegte sie, warum sie sich immer wieder in diese Richtung bewegte. War es das Verlangen nach dem Verbotenen? Nach der dunklen Seite von sich selbst, die sie nie akzeptiert hatte? Hatte sie wirklich das Gefühl, dass ihr Leben in dieser Form weitergehen konnte? Konnte sie sich selbst in diesem neuen Bild sehen – in dem Bild einer Frau, die immer weiter ging, ohne zurückzublicken? Und warum verspürte sie dann dieses verborgene Bedürfnis, sich immer weiter zu verlieren?


Der Morgen brach herein, und Anna zwang sich, aus dem Bett zu kommen. Es war Zeit, sich zu beschäftigen. Arbeit lenkte ab. Aber ihre innere Aufmerksamkeit war dann doch woanders. Wie eine Flamme, die sie nicht löschen konnte. Der Gedanke an den Mann, an die Hand, die ihre Brust berührt hatte, war ständig da, schwelend, und er überlagert alles. Später am Abend saß sie bei ihrer Freundin, Laura, zum Abendessen. Der Tisch war gedeckt, das Lächeln ihrer Freundin wie immer freundlich und warm. Doch Anna war nur halb bei der Sache. Sie hörte Laura zu, wie sie von ihrem Job und den neuesten Klatsch und Tratsch erzählte, doch die Worte prallten an ihr ab. „Du siehst aus, als ob du in Gedanken woanders wärst,“ sagte Laura schließlich, ihre Stimme ein wenig besorgt.


„Ach, es ist nichts“, antwortete Anna hastig, ein schwaches Lächeln auf den Lippen. „Einfach viel Arbeit im Moment.“


Nach dem Abendessen ging sie zurück nach Hause, setzte sich auf das Bett und nahm ihr Telefon in die Hand. Ein Anruf bei Stefan. Sie versuchte, sich in einem Gespräch mit ihm zu verlieren, wollte ein wenig Normalität zurückholen. Doch auch in der vertrauten Stimme ihres Mannes lag etwas Abwesendes. Vielleicht war es nur ihre Wahrnehmung. „Wie war dein Tag?“, fragte Stefan, mit einem leichten Lächeln in der Stimme. Aber auch das brachte nichts. Sie war zu weit entfernt, als dass sie es richtig hätte fühlen können.


„Ganz okay“, antwortete sie und versuchte, nicht zu viel in ihre Antwort zu legen. „Arbeiten, du weißt schon.“


„Klar. Was ist los, Anna? Du klingst komisch.“ Er hatte sie durchschaut. Sie wusste es. Es war nicht nur die Müdigkeit. Es war dieses unbestimmte Etwas, das sie nicht benennen konnte.


Als der Anruf beendet war und sie sich ins Bett legte, starrte sie auf die Decke. Sie wollte schlafen. Sie wollte den Raum in ihrem Kopf, in dem sich alles überschlug, endlich zum Stillstand bringen. Doch der Schlaf kam nicht. Die Gedanken zogen weiter wie ein wildes, ungezähmtes Tier, das sie nicht fangen konnte. Sie drehte sich von einer Seite auf die andere, hörte den lauten Takt ihres eigenen Atems und die Stille der Wohnung um sie herum. Es war so still, dass sie beinahe ihre eigene Unruhe hörte.


Wieder dachte sie an den Parkplatz, und wieder wuchs dieses seltsame, aufdringliche Verlangen in ihr. Es war wie ein Sog, der sie immer weiter in die Dunkelheit zog, in eine Welt, in der sie sich selbst nicht mehr kannte.


Der Raum um sie herum war noch immer von der Stille der Nacht erfüllt, doch sie konnte sich nicht mehr in dieser Ruhe halten. Das Verlangen, der Drang, etwas zu tun – etwas, das sie nicht einmal richtig benennen konnte, aber das in ihr loderte wie ein unerbittliches Feuer – war zu stark, um es zu ignorieren. Es war, als würde sie von etwas Unbekanntem, aber mächtigem gezogen, ein Magnet, der sie zu einem Punkt ohne Wiederkehr führte.


Mit zitternden Händen griff sie nach ihrem Auto-Schlüssel, zog sich die Tasche über die Schulter und verließ die Wohnung. Die Kälte draußen traf sie wie ein Schlag, doch sie nahm es kaum wahr. Ihre Schritte waren fest, entschieden – fast wie von einer inneren Kraft gesteuert, die sie nicht kontrollieren konnte. Die Straßen, die sie entlangfuhr, schienen nicht mehr dieselben zu sein. Alles war gleich und doch anders. Der Verkehr, das leise Rauschen der Autos, das gleichmäßige Geräusch des Motors – all das verblasste, während ihre Gedanken immer wieder zu der Begegnung im Park zurückkehrten. Als sie den vertrauten Parkplatz erreichte, wurde ihr bewusst, wie still es hier war. Nur das leise Summen der Neonlichter an den Wänden und das entfernte Rauschen der Straßen erinnerten an die Welt außerhalb dieses kleinen, abgeschirmten Raums. Ihr Herz schlug schneller. Sie wusste nicht genau, was sie hier tat, aber sie wusste, dass sie es tun musste. Der Drang war so stark, dass er fast wie eine körperliche Krankheit wirkte – sie konnte sich nicht mehr zurückhalten. Die Welt um sie verschwamm in einer fast betäubenden Intensität.


Anna schaltete den Motor aus und stieg aus dem Auto. Der Wind zerrte an ihrem Mantel, doch sie bemerkte es kaum. Ihre Hände waren nervös, als sie auf den Park zu ging. Jeder Schritt schien schwerer zu werden, der Knoten in ihrer Brust zog sich immer mehr zusammen, doch gleichzeitig brannte etwas in ihr, als würde sie auf eine unbestimmte, aber unaufhaltsame Weise durch den Moment gezogen. Als sie den Park erreichte, war es noch dunkler, als sie es in Erinnerung hatte. Die Bäume standen wie gespenstische Silhouetten im Dunkeln, und der Metalldraht des Zauns schimmerte unter dem schwachen Mondlicht. Ihre Gedanken rasten, der Wind blies durch ihre Haare, doch sie hatte keinen Zweifel mehr, wo sie hinwollte. Als Anna ihn sah, stockte ihr der Atem. Ein dumpfes Pochen breitete sich in ihrer Brust aus, dass ihre Gedanken wie ein Sturm durcheinanderwirbelte. Da stand er — ruhig, fast gelassen, aber für sie wie ein Magnet, der all ihre innere Unruhe, ihre zersplitterten Gefühle und ihre verborgenen Sehnsüchte in sich zog. Ihre Beine bewegten sich fast von selbst, während ihre Augen ihn suchten, fanden, und nicht mehr losließen.


Sie lockte ihn mit Blicken, verlangend, fast flehend, zum Zaun. Kein Wort, kein Zögern. Es war, als würde eine unsichtbare Kraft sie treiben, und sie hatte keine Macht, sich dagegen zu wehren. Kaum war er bei ihr, spürte sie plötzlich seinen festen, fordernden Druck, der sie sanft, aber bestimmt zu dem kalten Metallzaun drehte. Seine Stimme war ruhig, aber unerbittlich, als er flüsterte: „Hände wieder an den Zaun.“


Es war nicht mehr eine Bitte, sondern eine Aufforderung — eine Regel, eine Grenze, die sie beide kannten. Sie gehorchte. Ihre Hände fanden den Zaun, griffen das kalte Metall, während ihr Herz in der Brust hämmerte. Seine Stimme war leise, eindringlich: „Wie?“


Sie musste sich nicht mehr schützen. Dieses Mal war es anders. Kein Zögern. Ihre Stimme war fest, klar, beinahe fordernd: „Hart, nur mit Worten, ja?“


Ein kurzes Schweigen, dann ein zustimmendes Nicken von ihm. Er spürte die Entschlossenheit in ihr. Er trat dicht hinter sie, spürbar nah, aber ohne sie zu berühren. Nur seine Präsenz war da, wie eine Spannung in der Luft. Seine Stimme war kaum mehr als ein raues Flüstern, fast zögerlich, doch mit Nachdruck: „Wie bei einer Nutte?“


Kein Zweifel, kein Zögern mehr. Sie antwortete mit bebender Stimme, ihre Worte waren dunkel und offen: „Ja.“


Seine Stimme noch immer leise, aber schneidend, als er flüsterte: „Weil du eine Nutte bist, richtig?“


Die Worte trafen Anna, ein kalter Stich, der ihr Herz zusammenschnürte, sie presste die Hände fester gegen den kalten Zaun, ihre Nägel gruben sich in das Metall. „Ja. Weil ich eine Nutte bin.“


Sie hörte ihn atmen. „Beim letzten Mal hat es mich selbst überrascht... Ich habe noch nie gesehen, wie schnell eine Frau so geil wird.“ Dann:


„Reichen Worte schon aus, um dich so geil werden zu lassen? Bist du verheiratet?“


Langsam glitt seine Hand unter den Mantel, tastete die Bluse darunter ab. Seine Finger fand die harte, erregte Brustwarze. Ein elektrischer Schlag durchfuhr Anna, ihr Herz raste, der kalte Zaun unter ihren Händen verlor jegliche Bedeutung. Die Knie wurden weich, und ein wütendes Feuer breitete sich in ihr aus, dass gleichzeitig Angst und Befreiung brachte. „Frauen wie du sind immer verheiratet. Sag es.“


„Ja.“


Die Worte brachen wie Glas zwischen ihnen – scharf, schmerzhaft. Er zog seine Hand nicht zurück, spürte weiter die harte Brustwarze unter dem dünnen Stoff, als wolle er sich daran festhalten. Dann fragte er, seine Stimme noch leiser, fast wie ein dunkles Geheimnis:


„Weiß dein Mann, dass du hier bist?“


„Nein.“


„Natürlich weiß er es nicht“, sagte er langsam, fast genüsslich. „Wie sollte er auch ahnen, dass seine Frau hierherkommt um sich von einem Fremden anfassen zu lassen.“


Er löste langsam seinen Griff von ihrer Brustwarze. „Dreh dich um. Lass mich sehen, wie dich die Geilheit zerfrisst.“


Langsam, fast zögerlich, drehte sie sich zu ihm um. Ihre Augen brannten, glänzten feucht vor purem Verlangen. Ihre Lippen waren leicht geöffnet, der Atem schwer und unregelmäßig. Er ließ seinen Blick langsam über sie gleiten, seine Stimme kaum mehr als ein rauchiges Flüstern, das direkt in ihre Haut zu kriechen schien. „Du wirst jetzt deine Hand nehmen...“, seine Worte waren dunkel und fordernd, „...und sie in dein Höschen gleiten lassen.“


Seine Augen bohrten sich in ihre, suchten nach dem letzten Funken Zweifel, nach der kleinsten Rebellion. „Dann flüsterst du mir deinen geheimsten Wunsch ins Ohr. Nur mir. Nur für mich. Und dann… wirst du kommen.“


Ein Zittern durchlief ihren Körper. Ihre Hand zögerte kaum spürbar, dann glitt sie langsam, fast ehrfürchtig, unter ihren Mantel, ins Höschen. Anna wagte es, sich zu öffnen, ihre Stimme war kaum mehr als ein Flüstern, als sie ihm ihren Wunsch ins Ohr hauchte – roh, ehrlich, zerbrechlich: „Ich will die Sexsklavin von Daniel sein. Er fickt mich Tag und Nacht.“


Und während sie kam, fühlte sie sich zugleich zerstört und lebendig, gebrochen und neu geboren. An der Grenze zwischen Schmerz und Lust, zwischen Verzweiflung und Erlösung.

Am nächsten Morgen kehrte Stefan von seiner Dienstreise zurück. Er stellte seine Tasche sorgfältig ab, trat zu Anna, legte einen sanften Kuss auf ihre Stirn und fragte mit besorgter Stimme: „Wie war es?“


Anna schenkte ihm ein Lächeln, das fremd wirkte – ein Lächeln, das sie selbst kaum wiedererkannte. Ihre Stimme klang ruhig, fast gefasst, doch innerlich tobte ein Sturm, der sich nicht bändigen ließ. Der Arbeitstag in der Apotheke verstrich quälend langsam, als würde sie durch zähflüssiges Wasser waten. Jeder Schritt, jede Begegnung mit Kunden, jede Handbewegung fühlte sich fremd an, als wäre sie eine Beobachterin ihres eigenen Lebens. Nur eine Begegnung riss sie für einen Moment zurück in die Realität: Elise Kramer, ihre Chefin. Elise stand mit anmutiger Haltung in der kleinen, gedämpft beleuchteten Teeküche, die stets nach frischem Lavendel und feinem Porzellan duftete. Ihre aristokratischen Gesichtszüge waren von zeitloser Schönheit – hohe Wangenknochen, ein wohlgeformter, schlanker Nasenrücken und sanfte, klare Augen, die von großer Intelligenz und innerer Ruhe zeugten. Ihr silbergraues Haar trug sie offen und locker, weich umspielte es die feinen Konturen ihres Gesichts und verlieh ihr eine fast ätherische Aura.


Ihre Figur war bemerkenswert schlank, beinahe knabenhaft, und doch strahlte sie eine unverkennbare Grazie aus – jede ihrer Bewegungen war präzise, elegant und mühelos, als würde sie tanzen, selbst wenn sie nur eine Tasse Tee reichte. Unter dem weißen Arbeitsmantel verbarg sich stets eine schlicht-elegante Garderobe: hochwertige Stoffe in gedeckten Farben, schnörkellos und perfekt aufeinander abgestimmt. Nie auffällig, aber immer von erlesener Noblesse. Ihre Stimme war sanft und zugleich von einer noblen Gelassenheit geprägt, als sie sagte: „Du siehst erschöpft aus, Anna.“ Anna wich dem durchdringenden Blick aus, der so viel zu lesen schien. „Ich schlafe kaum, schon seit Tagen,“ murmelte sie leise. Elise schob ihr ohne Hast eine dampfende Tasse Lavendeltee zu. „Was belastet dich? Gibt es Unruhe in deinem Geist, Gedanken, die nicht zur Ruhe kommen?“ Anna nickte zaghaft, als wären die Worte zu schwer für die Stille zwischen ihnen. Sie vermochte nicht zu sprechen, doch Elise spürte die unausgesprochene Last, die tief in ihr lag. „Ich habe etwas für dich,“ sagte Elise mit einem sanften, fast ehrfürchtigen Lächeln, ehe sie sich für einen Moment zurückzog und kurze Zeit später mit einer kleinen Packung Baldriantropfen zurückkehrte. „Das ist nicht stark, aber manchmal reicht schon ein kleiner Anfang.“


Anna nahm die Packung wortlos entgegen. Nicht die Tropfen selbst, sondern die Geste gab ihr einen Funken Hoffnung — als hätte Elise verstanden, dass das Problem weit über schlechten Schlaf hinausging.

Zurück in ihrer Wohnung empfing Stefan sie mit vertrauter Wärme und Aufmerksamkeit. Er erzählte von seinen Meetings, von einem Kollegen, der gerade Vater geworden war. Anna hörte zu, nickte, doch innerlich war sie weit weg. Sie wusste, dass er nichts wusste — und genau das war fast unerträglich.


Als die Nacht hereinbrach, lag sie lange wach. Stefans Atem neben ihr war gleichmäßig und ruhig. Doch sie fand keinen Schlaf. Die Baldriantropfen standen unberührt auf dem Nachttisch. Schließlich griff sie danach, wissend, dass keine pflanzliche Medizin das Feuer in ihr ersticken konnte, das wild und unbändig loderte. Gegen Morgen glitt sie in einen bruchstückhaften Traum, aus dem sie mit klopfendem Herzen und flauem Gefühl im Magen aufschreckte. Der folgende Tag begann mechanisch – eine kalte Dusche, ein hastiges Frühstück, oberflächlicher Smalltalk mit Stefan. Dann wartete die Apotheke. Elise war bereits eingetroffen, wie jeden Morgen.


„Anna, kommen Sie bitte kurz mit?“, sagte Elise mit ihrer ruhigen Stimme, die keinen Widerspruch duldete, getragen von einer natürlichen Autorität, die tief aus ihrem Wesen kam. Anna folgte ihr ohne Zögern.


In der Teeküche setzte sich Elise gelassen auf ihren Stuhl, schlug die Beine übereinander und faltete die Hände im Schoß. Jede ihrer Bewegungen war bedacht und meditativ, als könne sie die Zeit für einen Moment anhalten. „Ich möchte noch einmal auf gestern zurückkommen“, begann sie ruhig, ohne Dramatik. „Sie wirken erschöpft, Anna. Nicht nur müde, sondern innerlich aufgewühlt, wie die Oberfläche eines Sees, die von tief unten erbebt.“


Anna senkte den Blick, unfähig, Worte zu finden. Elise nickte fast unmerklich, als hätte sie genau das erwartet. „Ich werde Sie nicht drängen“, sagte Elise, „aber heute kann ich Ihnen etwas geben, das über Lavendeltee hinausgeht.“ Sie öffnete eine kleine, sorgsam verschlossene Holzschublade und nahm zwei schlichte Probenpäckchen heraus. Ihre Bewegungen waren präzise, ruhig, fast ehrfürchtig. „Ein leichtes, pflanzlich-synthetisches Kombinationspräparat. Nichts Schweres. Es lindert Herzklopfen, wenn nachts zu viele Gedanken kommen, und hilft dem Körper, sich zu entspannen.“


Sie reichte Anna die Proben mit der Sorgfalt, als übergebe sie ein zerbrechliches Porzellanstück. „Verstehen Sie mich nicht falsch, Anna – ich glaube nicht an Tabletten als dauerhafte Lösung. Aber ich glaube an ihre Fähigkeit, eine Pause zu schaffen, einen Zwischenraum, in dem man wieder zu Atem kommen kann.“ Anna nickte dankbar, sprachlos. Etwas an Elises sanfter, zurückhaltender Art, an ihrer würdevollen Präsenz, berührte sie tief. Es war, als habe diese elegante Frau ihr für einen Augenblick einen schützenden Mantel umgelegt, unter dem sie ihre Zerrissenheit einfach ablegen durfte. „Wenn Sie möchten, sprechen wir ein andermal über das, was Sie wirklich umtreibt“, bot Elise an, ihre Stimme klang wie ein leises Versprechen, nie zu drängen. „Wenn nicht – dann ist das natürlich in Ordnung.“


Anna verließ den Raum mit den Proben in der Tasche und einem schwer fassbaren Gefühl im Herzen – kein Trost, kein fertiges Verstehen, aber ein Moment von Würde mitten in ihrem inneren Chaos.


Die Wirkung der Medikamente setzte allmählich ein, subtil und doch spürbar. Anna spürte, wie sich der innere Sturm legte. Ihre quälenden Sehnsüchte, die sie zuvor wie wildes Feuer verzehrt hatten, traten in eine Distanz, die es ihr erlaubte, sie zu beobachten, ohne sich von ihnen beherrschen zu lassen. Diese neue Klarheit ermöglichte es ihr, in eine ungewohnte Normalität zurückzufinden – vor allem mit Stefan. Zwischen ihnen herrschte wieder Vertrautheit, ein harmonischer Fluss, der wie ein beruhigendes Fundament wirkte. Die Gespräche waren leicht, ihr Zusammensein warm und entspannt. In dieser Stabilität fand Anna Kraft.

Die Wochen vergingen. Stefan erzählte ihr beiläufig, dass er sich körperlich mehr betätigen wolle. „Daniel hat mich überredet, im Boxclub mit ihm zu trainieren,“ sagte er, ohne zu merken, wie tief diese Worte in Anna eine alte Wunde aufrissen. Als Stefan dann in der Apotheke nach Verbandsmaterial und Medikamenten für den Boxclub fragte, lächelte er leicht, ahnungslos gegenüber dem inneren Kampf, den Anna noch immer mit sich ausfocht. „Könnt ihr uns vielleicht Sonderkonditionen geben? Daniel meint, das wäre wichtig.“ Anna atmete tief durch und antwortete mit einer Stimme, die sich mühsam ruhig hielt: „Das müsstest du mit Elise besprechen. Ich kann darüber nichts entscheiden. Aber ich gebe die Anfrage gern weiter. Es wird wohl ein Gespräch zwischen Daniel und Elise sein müssen.“


Während Stefan nickte und weitersprach, spürte Anna, wie ein schwerer Schleier sich über sie legte. Daniel – seine Nähe, seine Bedeutung für Stefan – und zugleich die Last seiner Geheimnisse und der Lehrerin, zogen sie unaufhörlich nach unten. Es war nicht der Schmerz, sondern das Gefühl, in einem Netz gefangen zu sein, dass sie ersticken konnte.


Dann war es soweit.


Daniel Wenzke betrat am nächsten Tag die Apotheke.


Elise Kramer hatte ihn noch nie zuvor gesehen. Doch in dem Moment, in dem er die Tür öffnete, war es, als würde die Atmosphäre schlagartig kippen – schwerer werden, dichter. Sie hob den Blick, und was sie sah, ließ sie unwillkürlich einen Hauch tiefer atmen. Nicht aus Angst, sondern aus klarem Instinkt: Dieser Mann trug eine Art physischer Wucht in den Raum, die nicht zu ignorieren war.


Ein massiger Koloss von einem Mann – über fünfzig, ein Superschwergewicht, der Körper eines Gewichthebers, die Haltung eines Kämpfers, der zu oft gesiegt hat, um noch Zweifel zu kennen. Sein Schädel war kahl und glänzte im Licht wie ein polierter Granitblock, die Haut darüber glänzend von einem feinen Film aus Schweiß. Die Gesichtszüge roh, brutal, wie grob mit einem Messer in Ton geschnitten – eine asymmetrische Kieferlinie, ein Blick von düsterer Kälte. Kein Ausdruck von Intelligenz, sondern von Erfahrung – Erfahrung im Schmerz, im Druck, in der Macht über andere.


Seine Augen, klein und tief in den Schädel versenkt, musterten alles wie ein Boxer vor dem Gong – wachsam, ruhig, aber latent aggressiv. Elise bemerkte das sofort. Es war nicht nur ein Mann, der hier stand. Es war eine Präsenz, eine Drohung, eingefasst in pure Männlichkeit.


Er trug eine speckige, an den Armen hochgeschobene aber zu enge Winterjacke, die an den Schultern spannte, das seine dicken, mit Venen überzogenen Unterarme freilegte. Auch seine Beine – schwer, breitbeinig, die Schritte wie Schläge auf den Boden – verrieten: Hier stand kein gewöhnlicher Kunde.


„Frau Kramer?“, fragte er mit brummender, kratzender Stimme, in der kaum eine Melodie lag. Eher ein Knurren, dem Worte beigemischt waren.


Elise antwortete mit jener Ruhe, die ihr immer eigen war – einer Würde, die sie wie ein Mantel umhüllte. Ihre Haltung blieb aufrecht, ihr Blick offen, ungerührt. „Ja.“


„Ich bin Daniel Wenzke. Vom Boxclub. Anna kennt mich.“


Oh, das tut sie, dachte Elise, als ihr kurzer Seitenblick die angespannte Haltung Annas einfing. Doch sie sagte nichts. Stattdessen nickte sie nur leicht, ihre grauen Augen nun ganz auf ihn gerichtet.


„Ich wollt fragen, ob Sie uns ein paar Sachen liefern könnten. Für die Jungs. Tape, Verbände, Kühlgel, Schmerzsalbe. Was man halt braucht, wenn’s kracht. Vielleicht regelmäßig. Und…“, er zögerte nicht, „…vielleicht zu einem guten Preis.“


Elise sagte nichts für einen Atemzug. Sie ließ ihn nicht aus den Augen, doch ihr Blick war nicht konfrontativ. Er war wach, scharf, klar.


„Machen Sie eine Liste, Herr Wenzke. Ich sehe, was möglich ist.“


Mehr nicht. Kein Lächeln, kein Smalltalk, keine überflüssige Freundlichkeit. Nur Klarheit. Respektvoll, aber nicht einladend.


Daniel nickte. Grob. Dann warf er einen kurzen Blick in Annas Richtung – kaum mehr als ein stummes Anerkennen ihrer Anwesenheit. Kein Gruß. Kein Wort. Nur ein Schatten, der über ihr Gesicht huschte, als hätte ein längst bekannter Schmerz sie berührt.


Elise sah es. Sie sah mehr, als ausgesprochen wurde.


Daniel drehte sich um und verließ mit schweren Schritten die Apotheke. Die Tür schloss sich hinter ihm mit einem dumpfen Laut. Ein Moment lang blieb es still.

Am nächsten Tag kam Daniel erneut in die Apotheke. Diesmal war es Dr. Kramer, der ihn mit einem höflichen, beinahe zuvorkommenden Tonfall begrüßte. „Herr Wenzke, willkommen. Meine Frau erwartet Sie bereits im Besprechungsraum. Bitte, gehen Sie einfach nach hinten.“


Daniel nickte kurz, kein unnötiges Wort, kein Lächeln. Er bewegte sich schwerfällig, aber zielgerichtet, als sei jeder Schritt das Resultat jahrelanger Gewohnheit, nicht Überlegung. Der Boden vibrierte leise unter seinem Gang.


Anna stand im Lager, tief über ein Glasbecherglas gebeugt, in dem sie eine Salbengrundlage anrührte. Ihre Finger bewegten sich präzise, ruhig – doch ihr Blick wanderte immer wieder durch den Türspalt in den hinteren Raum, in dem Elise und Daniel nun zusammensaßen.


Sie konnte ihre Stimmen nicht hören, aber sie sah genug. Elise saß aufrecht, ganz in Weiß, wie jeden Tag. Unter dem Kittel schimmerte ein dunkelblauer Seidenstoff hervor, schlicht, aber edel. Ihr silbergraues Haar trug sie wieder offen, wie ein Schleier aus Licht. Ihre Haltung war wachsam, gesammelt, die Hände ruhig gefaltet. Sie wirkte, als spräche sie mit einem Diplomaten, nicht mit einem Boxer.


Daniel hingegen nahm fast den gesamten Raum ein – körperlich, aber auch in seiner stummen Präsenz. Wie ein massiver Gegenstand, nicht wegzudenken, nicht zu übersehen. Seine dicken Beine gespreizt, die Jeans spannten stramm über die Hüfte, inmitten ein grober Umriss, eine Anomalie, eine Auswuchtung die keine Fragen stellte. Elise sprach, zeigte ihm eine Liste, deutete auf eine Stelle mit dem Finger, reichte ihm schließlich ein Klemmbrett mit einem vorgedruckten Angebot.


Daniel las es nicht lange. Dann griff er zum Stift, unterschrieb – grob, mit einem Druck, der fast das Papier durchdrang. Als er ihr das Brett zurückgab, stand Elise auf, um es zu nehmen.


Und dann geschah es. Anna hielt den Atem an.


Wie damals.


Daniel streckte die Hand aus – beiläufig, ohne etwas zu sagen, und berührte Elise an der Wade. Nicht lang, kein festes Zugreifen. Nur ein Hauch, ein Streifen mit der Rückseite der Finger, gerade so, dass man sich später fragen konnte, ob es überhaupt geschehen war.


Doch es war geschehen.


Elise erstarrte für einen Moment. Ihr Blick senkte sich nach unten, dorthin, wo die Berührung stattgefunden hatte. Doch Daniels Hand war längst verschwunden, bereits wieder am Oberschenkel, die Geste verwischt wie ein Schatten.


Anna hatte es gesehen.


Ihr wurde kalt.


Ein Echo aus ihrer Vergangenheit vibrierte durch ihren Körper, eine Welle aus Ekel und Scham, überlagert von der Erkenntnis: Er war noch immer derselbe. Noch immer übergriffig, noch immer in der Lage, Menschen mit seiner bloßen Nähe zu destabilisieren.


Doch Elise? Sie hob langsam den Kopf, so als ob sie den Moment in sich einschließen und wegsperren wollte. Ihre Miene war unbewegt. Kein Wort kam über ihre Lippen. Sie nahm das Angebot, legte es beiseite und trat einen Schritt zurück. „Dann wären wir fertig, Herr Wenzke. Morgen ist alles abholbereit.“


„Gut“, brummte er, drehte sich um und verließ den Raum, ohne sich noch einmal umzusehen.

Am nächsten Tag kam Daniel Wenzke wie besprochen am Nachmittag in die Apotheke. Die Glocke über der Tür vibrierte dumpf, als er eintrat – ein Geräusch wie ein langsamer Gong, passend zu seiner massigen Erscheinung. Er wirkte wie ein schwerer Schatten, der durch die Offizin glitt, ohne Hast, aber mit einem Gewicht, das jeder im Raum spürte.


Dr. Kramer schaute von seinem Schreibtisch auf. „Herr Wenzke. Die Sachen stehen bereit.“ Daniel nickte nur. Noch bevor Kramer etwas sagen konnte, erschien Elise im Raum. Wie immer trug sie den weißen Mantel der Apothekerin, doch heute war etwas anders. Er stand offen, darunter ein schmal geschnittener Rock in tiefem Anthrazit, knieumspielend, aus schwerem Stoff, der bei jeder Bewegung an ihr entlangglitt wie flüssiger Schatten. Ihre Beine – schlank, makellos – bewegten sich in eleganter Selbstverständlichkeit. Die Schuhe schlicht, mit einem Hauch Absatz. Kein Schmuck. Ihr Haar wie immer offen, gepflegt, eine leichte Welle, die den Schwung ihres Gesichts sanft umrahmte. „Ich begleite Sie ins Lager, Herr Wenzke“, sagte Elise ruhig.


Sie drehte sich um, ging voraus, ließ ihn folgen. Im Lager angekommen, wies sie auf den Karton auf der mittleren Ablage. „Da ist alles, wie besprochen.“


Daniel trat näher, nickte. „Gut. Schwer?“


„Ein wenig“, sagte sie und beugte sich vor, um den Karton zu heben. Und da geschah es – scheinbar beiläufig, scheinbar natürlich: Der Rock rutschte bei der Bewegung leicht hoch, kaum mehr als nötig, doch genug, dass der Ansatz der halterlosen Strümpfe sichtbar wurde. Ein schmaler Rand aus schwarzer Spitze, kontrastierend zur Helligkeit ihrer Haut, ein Hauch von etwas, das nicht hierhergehörte – aber genau deswegen wirkte. Daniel hielt kurz inne. Kein Wort. Doch sein Blick war fest. Als sie sich wieder aufrichtete, sah er in ihr Gesicht.


Sie sagte nichts. Kein Lächeln. Kein Blinzeln.


Nur: ein Blick, ruhig, mit einer kaum merklichen Senkung der Lider. „Bis morgen, Herr Wenzke“, sagte Elise schließlich, als hätte es diese Sekunden nicht gegeben.


„Morgen also“, murmelte er, trat zurück.


Dann war er fort.


Hinter einem Regal stand Anna. Unsichtbar, unbewegt. Ihr Herz klopfte in einem unklaren Takt – nicht vor Angst, sondern vor etwas anderem. Sie hatte alles gesehen. Denn was Elise da getan hatte – das konnte vieles bedeuten. Oder gar nichts. Und genau das war das Beunruhigende. Anna stand noch immer im Halbschatten zwischen den Regalen, als die schwere Tür zur Offizin zufiel und das Geräusch von Daniels Schritten langsam verklang. Ihre Finger lagen noch auf dem Glas der Salbenschalen, doch ihre Gedanken waren ganz woanders.


Sie hatte alles gesehen – oder jedenfalls mehr, als sie hatte sehen wollen. Die Art, wie Elise sich bewegt hatte. Der Rock. Der Spitzenansatz der Strümpfe. Und dann dieser Satz, so beiläufig ausgesprochen und doch nicht ohne Bedeutung: „Bis morgen, Herr Wenzke.“


Morgen? Anna wusste mit Sicherheit, dass keine weitere Übergabe geplant war. Keine Lieferung. Kein Besuch. Kein Anlass.


Ein Moment lang dachte sie, sie hätte sich verhört. Doch Elise hatte es ruhig, fast freundlich gesagt. Wie man es jemandem sagt, den man bald wiederzusehen erwartet. Nicht geschäftlich. Persönlich.


Anna trat langsam aus ihrer Deckung. Ihre Schritte waren leise auf dem Linoleumboden, ihre Stirn leicht gerunzelt, ohne dass sie es selbst bemerkte.


Sie kannte Elise. Seit Jahren. Eine Frau wie aus einer anderen Zeit. Würde, Anmut, ein stilles Lächeln. Korrekt bis in die Fingerspitzen. Liebend mit ihrem Mann, nie ein ungeduldiges Wort. Kein Skandal, keine Geschichte, nichts. Opern, Literatur, eine klare, kluge Sprache – und eine Sanftheit, die fast unberührbar wirkte.


Aber nun?


War das eben ein Moment gewesen? Ein Ausrutscher? Eine Antwort auf etwas, das Anna nicht verstand?


Oder – schlimmer – ein bewusster Schritt?


Sie wandte sich ab, ging zurück in ihr kleines Labor. Ihre Hände arbeiteten mechanisch weiter – aber innerlich hatte sich etwas verschoben. Ein feines Knirschen in ihrem Vertrauen, nicht laut, aber hartnäckig. Wie ein Sandkorn unter einer Linse.


Anna wagte nicht, sich ihre Gedanken zu Ende zu denken. Noch nicht. Noch hoffte sie, dass es eine Erklärung gab. Aber die Frage blieb.


Warum hatte Elise gesagt: bis morgen?


Und mehr noch: Was war morgen?

Der nächsten Tag war ruhig, fast schläfrig. Die Luft im Verkaufsraum der Apotheke war von getrockneten Kräutern und Desinfektionsmittel getränkt, ein Geruch, den Anna kannte wie ihre eigene Haut. Dr. Kramer war unterwegs zur Bank, Elise hatte beiläufig gesagt, sie müsse kurz nach oben in die Wohnung. Nichts Besonderes. Alltag.


Doch dann sah Anna durch die Scheibe das Auto. Daniel Wenzkes Wagen. Groß. Dreckig. Breit wie ein Schiff in einem engen Hafen. Der zweite Besuch binnen zwei Tagen – ohne ersichtlichen Grund. Keine Lieferung. Kein vereinbarter Termin. Unruhe flackerte in ihr auf, ohne sich gleich in Worte fassen zu lassen. Ein Instinkt. Ein ungutes Ziehen im Bauch. Sie wollte nachsehen.


„Ich bin gleich wieder da, nur fünf Minuten.“ Anna sprach es in den leeren Raum hinein, während sie mit einem Griff die Tür der Apotheke abschloss, das Schild auf „geschlossen“ drehte – verbotenerweise. Sie trat hinaus, umrundete das Gebäude, leise, rasch. Dann hielt sie inne. Am schmalen Seiteneingang, in der tief eingelassenen Nische zwischen Mauer und Treppenhaus, sah sie eine Bewegung. Und dann: zwei Silhouetten.


Sie erkannte Elise zuerst. Elegant, auch im Schatten. Wie sie dastand, mit geradem Rücken, ein Bein leicht vorgelagert, ihre Hand an der Steinwand. Und dann Daniel – vor ihr, viel zu nah, mit seiner gewaltigen, breiten Gestalt.


Anna duckte sich hinter das parkende Auto, tastete sich näher. Der Lack war warm von der Sonne, aber ihre Hände fühlten sich eiskalt an. Dann hörte sie es – gedämpft, doch verständlich.


„Hatte noch nie sowas Vornehmes.“ Daniels Stimme war tief, kehlig, spöttisch, wie es seine Art war. Elise stöhnte leise auf, ihre Augen auf ihn gerichtet. Ein kurzer Moment Stille. Die Augen ihrer Chefin schienen zu brechen.


„Aber ich kann in ihren Augen jetzt nichts vornehmes mehr erkennen.“ Eine Pause. Daniel lachte leise, kehlig. „Die Geilheit ist schwer zu ertragen, was?“ Elise schwieg. Die Worte waren wie Stiche in die Brust. Anna kauerte sich noch tiefer. Ihre Gedanken rasten.


„Hab’s gestern in der Apotheke gesehen. Sie halten’s kaum mehr aus als sie das gesehen haben, was?“ Eine Hand griff in den Schritt und deutete an was er meinte. Ein Moment Stille. Dann Elises Stimme – leise, fest: „Sie sind ein Schwein.“ Anna hielt den Atem an. Er sah sie nur grinsend, ja wissend an.


Elise trat näher, die Finger leicht zitternd, doch der Rücken gerade. Ihre Bluse schlicht, aber enger als sonst; der Rock tiefer geschnitten, das Make-up zurückhaltend, doch mit Absicht gewählt. Und dann passierte das Unfassbare. Elise kniete sich langsam vor ihn nieder, jeder Muskel kämpfte in ihr. Ihr Herz hämmerte so laut, dass sie glaubte, er würde es hören. Ihre Finger zupften nervös am Stoff ihres Rocks, als könnten sie so das nagende Zögern verscheuchen, das sie lähmte und zugleich vorwärtstrieb. Langsam, widerwillig und mit einer gewaltigen Kraftanstrengung hob sie das Gesicht, suchte in seinem unergründlichem Blick nach einem Anker, einem Zeichen – doch da war nichts als Stille und unerbittliche Präsenz.


Dann öffnete sie den Mund. Erst zaghaft, wie ein vorsichtig aufbrechendes Tor, dann immer weiter, bis er sich weit öffnete – so weit, wie ihr Körper es erlaubte, ohne ganz zu zerbrechen.


Die Lippen, weich, feucht und glänzend, pressten sich auf den kalten Stoff des Bereichs seiner Hose, der sich straff über die harte, unerbittliche Beule spannte, die er eben noch markiert hatte. Ein feines Zittern durchlief sie, als ihre Lippen den festen Widerstand spürten. Sie schloss die Augen. Ihre Zunge schob sich tastend und gierig über den rauen Stoff, rieb an ihm, wollte mehr als nur berühren. Sie wollte schmecken, wollte fühlen, wollte verschlingen, was sich darunter verbarg – das verbotene Fleisch, das sich ihr entgegenstellte und sie gleichzeitig verführte.


Ihr Atem wurde unregelmäßig, schnell, als der süße Schmerz der Scham sich mit einer drängenden, verzweifelten Lust vermischte. Die Finger, die zuvor noch zitternd am Rock gezupft hatten, legten sich flach auf seine Hüfte, suchten Halt in den Falten der Hose, als könnten sie sich daran festhalten. In ihr tobte ein Sturm, der sie aufriss: Die Vernunft schrie nach Abstand, doch die Sehnsucht brannte wie Feuer in jeder Faser ihres Körpers. Sie war gefangen in einem Riss zwischen der vornehmen Fassade, die sie jahrelang gepflegt hatte, und dem ungezügelten Verlangen, das ihren ganzen Körper überflutete.


Die Zeit schien stillzustehen. Es gab nur diesen Moment – das harte Auf- und Abpressen ihrer Lippen, das gierige, feuchte hoch und runter Streichen der Zunge, das Nachzeichnen der Kontur. Denn da lag, verborgen unter dem Stoff, das, was sie nicht nur fühlte, sondern förmlich schmeckte und so überaus präsent und unfassbar nah war: das schmutzige Fleisch, der Schwanz dieses Schweins, der sie so erschreckt hat und zugleich elektrisierte.


Sie wusste, sie ließ sich fallen. Tief. Ohne Netz. Ohne Halt. Die vornehme Frau, die sich immer kontrolliert und beherrscht gegeben hatte, verschwand mit jedem Atemzug mehr. Und in diesem Moment, in dem die Lust und die Verzweiflung miteinander kämpften, fühlte sie eine dunkle, gefährliche Freiheit – roh, ungefiltert, und doch so real wie nie zuvor.


Daniels Stimme traf sie wie ein Schlag, leise, präzise, grausam:


„Ja, genau das. Die feine Frau Apothekerin. Kniet vor mir wie eine Hure.“ Elise schloss die Augen und stöhnte – nicht laut, aber tief. Ein Riss zog sich durch alles, was sie war.


Daniel packte sie an den Schultern, zog sie hoch, sein Griff fest und unumstößlich.


„Je feiner sie sind, desto dreckiger wollen sie’s.“ Sie zitterte, er grinste.


„Bist klatschnass, das kann ich riechen.“


Er ließ sie los, trat zurück. Elise hob den Kopf, sah ihm direkt in die Augen, mit einer Klarheit, die nichts beschönigte: „Fick mich wann immer du willst.“


Kein Flüstern, keine Andeutung – nur ein schlichtes, wahres Bekenntnis.


Daniel blieb einen Moment stehen, sah sie unverwandt an. In ihr loderte ein Funke, der längst geschlummert hatte – wild, ungezähmt. Er hatte es von Anfang an gespürt. Sie war keine gewöhnliche Eroberung. Sie war etwas Einzigartiges. Und ihre Fassade zerbrach gerade.


„Gut“, sagte er leise, das dunkle Lächeln auf den Lippen, „wenn Ihr Mann wieder da ist. In eurem Scheiß-Lager in zehn Minuten.“

Das Lager war kühl. Kühler als sonst, oder kam es ihr nur so vor? Die Klimaanlage surrte kaum hörbar, ein Kontrast zu dem Pochen in ihren Schläfen. Elise stand mit dem Rücken zur Tür, den Blick auf die Regale gerichtet, auf die säuberlich gestapelten Kartons, die beschrifteten Schubladen. Ordnung. Struktur. Dinge, die zählten.


Ihre Hände lagen auf dem glatten Metall des Tisches. Die Ringe hatte sie vorhin abgenommen, achtlos, wie eine Haut, die sie abgestreift hatte. Ihr Atem war ruhig, zu ruhig. Die Sekunden dehnten sich. Dann hörte sie es. Schritte. Schwer. Selbstgewiss. Kein Zögern. Die Tür fiel nicht ins Schloss – sie blieb offen, ganz bewusst. Er wusste, dass das sie mehr beunruhigte als ein abgeschlossenes Versteck. Kein Schutz. Nur das Wissen, dass es jeden Moment jemand bemerken könnte. Oder eben nicht.


Daniel sagte nichts. Er trat näher, langsam, fast gemächlich. Die Spannung zwischen ihnen lag wie Strom in der Luft, nicht laut, aber in jeder Faser spürbar. „Sie warten schon so die ganzen zehn Minuten, oder“, sagte er. Er lachte leise, kein echtes Lachen – mehr ein Schnauben. Sie drehte sich nicht um. Elise schloss die Augen, ihre Haltung blieb aufrecht, aber ihre Augen waren nicht mehr dieselben. Da war etwas darin – etwas, das nicht gebrochen war, aber auch nicht mehr ganz heil.


Er stand einen halben Schritt hinter ihr, seine breiten Schultern wirkten in dem engen Raum noch massiver, sie spürte den Hauch seines Atems. Die Hitze seines Körpers. Elise spürte seine groben Finger, sie zerrten ihren Rock hoch, ihr Körper geriet dabei etwas aus dem Gleichgewicht.


„Augen auf.“


Sie gehorchte. Langsam. Ihre Pupillen wirkten geweitet, als stünde sie im grellen Licht. Aber es war nicht das Licht, das sie traf – es war das Bewusstsein, gesehen zu werden. So, wie sie wirklich war. Oder gerade nicht mehr. Dann hörte sie das Klicken seines Reißverschlusses.


„Das Höschen. Abstreifen.“


Sie schüttelte leicht den Kopf. In der Ecke des Raumes flackerte das alte Neonlicht kurz auf. Ein Geräusch aus dem Flur ließ sie erstarren – dumpfe Schritte, dann wieder Stille. Elise hielt den Atem an. Daniel sah zur Tür, dann zurück zu ihr. Was sie beide nicht wussten: Anna stand wieder dort. Nur ein Schatten im Flur, die Tür einen Spalt offen. Und wieder dieses Ziehen im Bauch, diese Mischung aus Faszination und Entsetzen.


Sie sah nur Bruchteile. Elise, mit gesenktem Blick, aber aufrechter Haltung. Daniel, dominant und präsent wie ein Steinblock in einem Bachlauf. Ihre Chefin war nicht gezwungen worden – das war das Verstörendste. Sie stand da, freiwillig. Elise streckte die Hand nach hinten, mechanisch, tastend. Ihre Finger fanden den schmalen Rand ihres Slips. Sie zögerte nur einen Herzschlag lang, dann glitt das Kleidungsstück hinab, gerademal so weit nötig war.


Dann drang er in sie ein. Ohne Ansatz, ohne Gefühl, ihr Mund öffnete sich zu einem stummen Schrei. Die Stirn sank gegen das kühle Metall der Tischplatte, ihre Finger klammerten sich an die Kante, weiß vor Anspannung. Die Bewegungen waren rhythmisch, kontrolliert, grausam. Kein Wort, kein Laut. Nur das leise Schlagen von Stoff auf Haut und das feuchte, rhythmische Geräusch, wenn er Eindrang, waren zu hören. Er stieß schonungslos zu, ihr Körper wurde vor und zurück verschoben und mit jedem neuen Stoß schien ihr Körper ein Stück mehr die Spannung aufzugeben, sich zu öffnen, bereit zu werden. Dann wurde sie weich, ihr Körper zuckte während sie sich aufbäumte und sich alles in einer einzigen Explosion entlud.


Im Türspalt stand Anna. Ihre Augen weit offen, der Atem flach. Es war keine Lust, was sie fühlte, auch keine reine Abscheu. Es war das Wissen, dass hier gerade etwas geschah, das keine einfache Einordnung erlaubte. Kein Ja. Kein Nein. Nur ein Danach, das sich nicht rückgängig machen ließ.


Zurück im Verkaufsraum roch es noch immer nach Kräutern und Desinfektion. Doch plötzlich erschien Anna der Geruch fremd. Künstlich. Wie die Kulisse eines Stücks, dessen Handlung längst entgleist war. Sie stand wieder hinter dem Verkaufstresen. Ihre Hände bewegten sich automatisch, routiniert – die Pillenboxen über den Scanner ziehen, ein kurzes Nicken, das Wechselgeld in die Hand des älteren Herrn legen. Ihr Blick wanderte kurz zu Dr. Kramer. Er saß ein paar Meter entfernt an seinem gewohnten Platz, ein Fachmagazin aufgefaltet vor sich, die Stirn in tiefe Falten gelegt. Doch seine Gedanken schienen abwesend. Vielleicht bei den Zahlen. Vielleicht bei etwas anderem.


Ein kaum hörbares Geräusch ließ Anna aufhorchen – ein Knarren auf der Treppe. Leise, fast zu leise. Doch es war da. Schritte. Nach oben. In die Wohnung.


Sie biss sich auf die Lippe. Es war nicht ihr Ort, nicht ihre Angelegenheit – und doch bewegte sie sich, fast lautlos, aus dem Verkaufsraum, den Blick über die Schulter, bevor sie sich in Richtung Treppe wandte.


Die Wohnungstür stand einen Spalt offen. Das Licht im Flur war gedämpft, warm, fast trügerisch beruhigend. Ihre Hand glitt an der Wand entlang, als müsse sie sich vergewissern, dass sie noch da war – dass sie sich nicht selbst verlor in diesem Moment.


Dann blieb sie stehen.


Die Schlafzimmertür war nicht ganz geschlossen. Ein Spalt nur – aber genug. Anna atmete flach. Und da sah sie es: ihre Chefin, liegend auf dem Ehebett, das Gesicht im Schatten versunken, nur schemenhaft zu erkennen. Auf ihr – Daniel, noch vollständig bekleidet, als ob es für ihn eine lästige Pflicht war, seine Gestalt dominierte den Raum mit einer unerbittlichen Schwere. Seine Stöße waren hart, kompromisslos – in einem Rhythmus, der sie erbarmungslos vor und zurück trieb.


Elises Beine waren weit gespreizt, jeder Millimeter trug Schmerz in sich. Ihre Hände gruben sich krampfhaft in seinen Nacken, zogen sein Gesicht verzweifelt an ihre weit geöffneten Lippen, die sich wie zum stummen Schrei öffneten. Sie küsste ihn, endlos, lang, fast brutal, kein Hauch von Zärtlichkeit. Nur rohes Begehren. Das fahle Licht des Flurs drang schräg durch den Spalt der halb geöffneten Tür und zeichnete flackernde Schatten auf die zerwühlte Bettdecke und die Körper. Der Raum war erfüllt von einem schweren Geruch nach Haut, Schweiß und etwas Undefinierbarem — eine Mischung aus Verbotenem und Verlorenem. Die Stille, durchbrochen nur vom dumpfen Klatschen der Leiber und dem rhythmische Stöhnen von Elise.


Daniel löste sich vom Kuss, sein Blick dunkel und herausfordernd, während seine Hüfte weiter die harten Bewegungen bestimmten. „Sag es“, murmelte er, die Stimme rau. Elise wandte den Kopf zur Seite und öffnete die Augen. Für einen Moment schien alles stillzustehen – das Zittern in ihrem Bauch, die flirrende Hitze in der Luft, selbst das gedämpfte Pochen in ihren Schläfen. „Ich kann nicht“, flüsterte sie, „es ist zu schmutzig…“


Daniel lachte leise. Kein Humor lag darin. Nur Triumph. „Eben deshalb,“ sagte er, während er sie fester an sich zog. „Deshalb will ich’s hören – von der noblen Apothekerin.“ Elise schluckte schwer.


„Bitte…komm in meinen Mund“, hauchte sie schließlich, kaum mehr als ein Schatten ihrer selbst, ein Flüstern voller Widerspruch – Verlangen und Abscheu ineinander verwoben. Daniel grinste, dann war er soweit. Mit einem schnellen, entschlossenen Zug löste er sich von ihr, das Bett knarrte erbärmlich unter seinem Gewicht, seine Augen glühten im Halbdunkel – hart, fordernd, kalt wie Stahl. Er wich zurück. Sie starrte ihn an, die Brust hob sich flach und hektisch, als würde sie gegen das Ertrinken kämpften. Ihr Blick war von einer Geilheit zerfressen, die ihn fast erschreckte. „Kleine Schlampe,“ entkam ihm, sie gurgelte getroffen, öffnete den Mund, noch immer kämpfend, fast widerwillig, er wartete solange es ging, und dann empfing sie den ersten, gewaltigen Strahl, direkt in den Mund injiziert. Der Geschmack traf sie wie ein Schlag – bitter, scharf, fast beißend, ein Gift, das sich in ihrer Kehle ausbreitete. Ihre Zunge tastete vorsichtig, suchte, fand und trank. Jeder weitere Strahl, jeder Tropfen war wie ein Funke, der ihre Sinne brennen ließ, zugleich Schmerz und Lust. Kalte Schauer jagten über ihre Haut, das Verlangen und die Angst verwebten sich zu einem dichten Netz, aus dem es kein Entrinnen gab.

Das Auto von Daniel verschwand ohne Aufheulen, fast lautlos, als wolle es keine Spuren hinterlassen. Nur ein kurzes Aufblitzen des Blinkers in der Nachmittagssonne, dann war er fort – wie ein Schatten, der sich zurückzog, als wäre nichts gewesen.


Im Verkaufsraum herrschte geschäftiges Treiben. Der Nachmittag war voller Kunden, das Summen von Stimmen, das Klappern von Rezeptschubladen und das gedämpfte Klingeln der Eingangstür überlagerten die Stille, die unter der Oberfläche lauerte.


Elise stand wieder hinter dem Tresen. Weißer Kittel, aufrechte Haltung, der Blick aufmerksam, freundlich, professionell. Niemand sah, wie ihre Finger sich gelegentlich an der Kante der Glasplatte verhakten – ganz leicht, fast unmerklich. Niemand hörte das feine Zittern in ihrer Stimme, dass sie durch kontrolliertes Atmen glättete, bevor es überhaupt zur Sprache wurde.


Sie arbeitete, als wäre nichts geschehen. Reichte Dosen über den Tresen, erklärte Dosierungen, lächelte die alten Damen an, als hinge das Gleichgewicht der Welt an ihrer ruhigen Präsenz.


Doch in ihrem Inneren war ein anderer Rhythmus – ein Echo dessen, was vor kaum einer Stunde in jenem Raum über ihr stattgefunden hatte. Ihre Lippen schmeckten noch nach ihm, nach der letzten Berührung, nach etwas, das sich weder benennen noch zurücknehmen ließ.


Anna beobachtete sie nur aus den Augenwinkeln. Fragend. Suchend. Doch Elise war glatt wie Porzellan, kein Riss sichtbar. Nur manchmal – wenn sie den Blick kurz senkte oder der Lidschlag einen Hauch zu lang dauerte – blitzte etwas auf: ein Schatten, eine Hitze, ein kurzer, kaum fassbarer Schmerz.


Der Nachmittag ging weiter. Niemand ahnte etwas.


Die letzten Sonnenstrahlen krochen flach über den Asphalt, als Dr. Kramer die Rollläden des Verkaufsraums herunterließ. Er warf einen kurzen Blick auf die Uhr, dann auf Elise, die bereits ihre Tasche über die Schulter warf.


„Ich gehe noch kurz was einkaufen,“ sagte sie mit jener ruhigen Stimme, die sie sich im Laufe des Tages wie eine zweite Haut übergezogen hatte. Als wäre nichts gewesen. Keine Minute zu lang, kein Blick zu tief. Nur Routine.


Anna trat aus dem hinteren Bereich. Ihre Haare lagen ordentlich, ihre Miene war ruhig – vielleicht zu ruhig. Sie nickte Dr. Kramer zum Abschied zu, bedankte sich leise für den Tag. Dann trat sie hinaus, in den weichen Abend.


Der Parkplatz lag still unter dem violett werdenden Himmel. Anna war auf dem Weg zu ihrem Wagen, die Tasche fest an die Seite gepresst. Ihre Schritte klangen hohl auf dem Pflaster, der Arbeitstag lag wie ein Nebel hinter ihr. Doch dann blieb sie stehen.


Zwei Häuserblocks weiter hielt Daniels Wagen am Straßenrand, eingehüllt in das matte Licht der untergehenden Sonne. Anna blieb wie gelähmt stehen, ihre Füße schienen im Asphalt festzuwachsen. In ihr tobte ein wilder Sturm – ein Kampf zwischen Flucht und der düsteren Faszination, die sie hier festhielt. Ihr Verstand drängte sie, weiterzugehen, sich abzuwenden, die Szene hinter sich zu lassen. Doch ihr Körper weigerte sich, ihr zu gehorchen. Jeder Schritt, den sie näher an den Wagen herantrat, fühlte sich an, als würde sie tiefer in einen Abgrund steigen, dessen Grund sie nicht sehen konnte.


Die Luft war schwer, warm und roch nach nassem Asphalt und verbrennendem Gummi – Gerüche, die Anna plötzlich bewusstwurden und sich tief in ihr Gedächtnis gruben. Ihr Herz schlug unregelmäßig, wild und unbeholfen, so als wollte es sich aus ihrer Brust reißen. Sie spürte, wie sich ihre Hände kalt anfühlten, während sie sich instinktiv an die kalte Hauswand hinter sich klammerte.


Ihr Blick fiel auf das halb heruntergelassene Fenster des Wagens. Dahinter zeichneten sich zwei schemenhafte Figuren ab: Daniel und Elise. Ein Bild roher Intensität und dunkler Begierde, dass sich wie ein Schatten in ihr Herz brannte. Elise lag über seinem Schoß, eng an ihn geschmiegt, fast gefaltet, ihr Kopf bewegte sich hastig auf und ab, als wollte sie etwas verschlingen, dass sie zugleich zerriss und erfüllte. Ihre Hand verschwand unter dem Rock, vibrierte dort – fest, verzweifelt, von innen her getrieben, als gäbe es keinen anderen Ort auf der Welt, an dem sie gerade sein könnte. Jede ihrer Bewegungen war ein stummer Aufschrei gegen das, was zwischen ihnen geschah.


Dann glitt Daniels Hand langsam zu ihrem Haar. Er packte es fest, ohne Zögern – eine Geste von erschreckender Selbstverständlichkeit, als hätte er nie etwas anderes getan – und zog ihren Kopf zurück. Sie musste innehalten, ihn ansehen. Der Moment stand still. Seine Stimme war rau, tonlos amüsiert: „Was für eine gierige Schlampe.“


Für einen Moment blitzten Elises Augen auf – eine Mischung aus Schmerz, Scham und glühender Lust. Und dann geschah etwas, das Anna beinahe den Atem raubte: Elise drückte ihren Kopf nach vorn, gegen den festen Griff in ihrem Haar, gegen den Schmerz, sie stöhnte dabei auf, ihr Kopf stürzte hinab und ihre Lippen fanden sofort wieder seinen Schwanz – und sie begann erneut zu saugen. Nicht zaghaft, nicht suchend – sondern fordernd, verschmiert, gehetzt. Ihr Kiefer arbeitete unermüdlich, ihr Speichel glänzte auf seiner Haut, während ihre Bewegungen schneller wurden, unkontrollierter, als wäre sie nicht mehr bei sich, sondern in etwas hineingestürzt, aus dem es kein Zurück gab.


Ihr ganzer Körper war in Bewegung, vibrierte unter der Wucht des Moments. Ihre Finger krallten sich in den Sitz, ihr Rücken spannte sich durch, als würde ihr Innerstes versuchen, mit der äußeren Bewegung mitzuhalten. Ihre Hüften arbeiteten unaufhörlich gegen die vibrierende Reibung ihrer Hand – eine fieberhafte Selbstberührung, roh und zitternd, die sich dem gleichen Rhythmus unterwarf wie ihr Mund.


Und sie ließ nicht ab. Im Gegenteil – sie wurde schneller, tiefer, alles an ihr war feucht, verschwitzt, zitternd, offen. Ihre Beine begannen zu beben, ihre Zehen krampften sich im Schuh zusammen, und ein unterdrückter, heiserer Laut bahnte sich seinen Weg durch ihre Nase, während ihr Mund sich fester schloss, seinen steifen Schwanz umfing – saugend, hungrig, als wollte sie ihn in sich hineinziehen, um nie wieder loszulassen.


Das feuchte Glitschen unter ihrem Rock verschmolz mit ihrem Atem – stoßweise, keuchend, immer schneller. Jeder Laut aus ihrer Kehle war ein gelebtes Bekenntnis zu dieser Gier. Ihr ganzer Daseinszweck schien sich in diesem Moment zu bündeln – in diesen unnachgiebigen Bewegungen von Lippen, Fingern und Becken. Ihre Wangen waren eingefallen vom Druck, die Lippen offen, verschmiert – feucht glänzend vom Speichel, der sich in kleinen Fäden über ihr Kinn zog. Sie wirkte nicht mehr wie jemand, der etwas tat – sondern wie jemand, der von etwas Besitz ergriffen worden war.


Ein Laut entfuhr ihr – dumpf, gepresst, fast erstickend. Ihr Körper zuckte plötzlich, heftig, ein Beben ging durch sie hindurch, als hätte sich in ihr etwas gelöst, das zu lange unter Verschluss gestanden hatte. Für einen Moment war sie nichts als Bewegung – rohes, bebendes Fleisch, überhitzt, entgrenzt, ganz da. Sie sog weiter, unermüdlich, ihre Finger zuckten, ihre Hüften rieben sich in verzweifeltem Gleichklang – bis ihr ganzer Körper sich anspannte und sie, mit einem abgewürgten Schrei, in sich selbst explodierte.


Und auch Daniels Atem ging plötzlich schneller. Er starrte auf sie hinab und etwas in seinem Blick zerfiel, die Kontrolle wich einem glühenden Druck, der sich durch seine Adern schob wie Lava.


Mit einem knappen Laut packte er erneut ihr Haar, zog sie abrupt tiefer zu sich – fester, kompromissloser als zuvor. Seine Hüften stießen ihr entgegen, hart, zitternd, seine Finger verkrampft in den grauen Strähnen. Und Elise – sie machte jede dieser Bewegungen mit, antwortete mit ihrem Mund, mit ihrem ganzen Gesicht, schloss seinen zuckenden Schwanz noch tiefer ein, sog ihn auf in einem unaufhaltsamen Rhythmus, der sich zwischen ihnen spannte wie ein glühender Draht.


Dann kam es – nicht als einzelner Stoß, sondern als ein erster, wuchtiger Strahl, der sich tief in ihrem Mund ergoss, heiß, heftig, schockartig. Daniels ganzer Körper spannte sich an, sein Rücken krümmte sich leicht, seine Bauchmuskeln zuckten unkontrolliert. Seine Finger gruben sich fester in ihr Haar, als könne er sich an ihr festhalten, ein heiseres, beinahe aufstöhnendes Knurren entrang sich seiner Kehle. Es folgten vier weitere, rasche Entladungen, jede kürzer, aber nicht weniger intensiv, in abnehmender Kraft – wie Nachbeben eines Gewitters. Und Elise – sie sog das dickflüssige Sperma auf, als wäre dies der einzige Sinn ihrer Existenz. Ihre Lippen blieben fest um sein Fleisch geschlossen, hart, unnachgiebig. Ihr Mund arbeitete unermüdlich, rhythmisch, als wolle sie nichts verpassen, nichts vergehen lassen. Sie ließ ihn nicht los, nahm alles in sich auf, als sei es ein Geschenk, das sie mit der ganzen Hingabe ihres Körpers und ihres Verlangens entgegennahm. Ihre Kehle bewegte sich kaum merklich beim Schlucken, und in ihrem Gesicht lag Ekstase, ein tiefer, vibrierender Frieden – als hätte genau dieser Moment sie vervollständigt.


Daniels Bewegungen wurden fahrig, unkoordiniert, sein Becken zuckte schwächer nach vorn, doch Elise kam ihm weiterhin entgegen. Sie passte sich seinem Nachzittern an, ließ ihren Mund über die Eichel gleiten, ohne ihn zu befreien. Ihre Lippen lösten sich nicht vom Schwanz, sie bewegten sich weiter, als wollte sie jeden Rest aus ihm herauslösen, erst als sein Körper wirklich zur Ruhe kam, löste sie sich von ihm. Ihre Lippen glänzten feucht, von Speichel, von seinen Entladungen, die sie nicht abgestoßen, sondern aufgenommen hatte. Sie schluckte ein letztes Mal, ganz ruhig, als wäre es das Natürlichste der Welt.


Anna stand am Straßenrand, der kalte Wind biss in ihre Haut, doch sie spürte nichts außer dieser drückenden Schwere, die von dem Wagen ausging. Ihr Herz hämmerte wild, schwerer mit jedem Atemzug. Sie wollte weg, doch ihre Beine gaben ihr keinen Gehorsam. Das Bild, das sie gesehen hatte, brannte sich unauslöschlich in ihre Seele – eine Mischung aus Verlangen, Schmerz und einer unergründlichen Dunkelheit, die sie zu verschlingen drohte.

Anna starrte wenig später aus dem Küchenfenster, während der Wasserkocher zischte. Ihre Hände bewegten sich wie von selbst – Brot schneiden, Teller richten, ein Rest Normalität. Stefan kam pünktlich, küsste sie flüchtig, sprach beiläufig von Trainingsplänen, Schulterrotation, Diät. Sie nickte, lächelte sogar, als würde nichts in ihr brennen. Er aß schnell, zog sich um, griff nach der Sporttasche, verschwand zur Tür hinaus.


Kaum war es still im Haus, war da nichts mehr, dass sie hielt.


Sie griff nach dem Autoschlüssel, trat hinaus in die frühe Nacht. Die Luft war kühl, die Straßen leer. Sie fuhr ohne Ziel, ließ das Fenster einen Spalt offen, als könne der Fahrtwind etwas aus ihr hinausziehen – die Bilder, die Worte, den Druck in ihrer Brust. Doch alles blieb. Elise. Daniel. Der Wagen. Diese Bewegung. Dieses Stöhnen, das sie noch zu hören glaubte.


Irgendwann bog sie auf den Weg zum Boxclub ein. Vielleicht, dachte sie, konnte sie Stefan beim Training zusehen. Ihn in dieser Klarheit sehen, in dieser Kraft, die ihr vertraut war. Etwas Reines, Anstrengung, Schweiß. Ordnung.


Der Parkplatz war fast leer. Stefans Wagen stand da, direkt am Eingang, unter dem flackernden Schild. Doch abseits – ein zweites Auto. Schwarz. Breiter. Etwas tiefergelegt. Elises Wagen.


Anna hielt langsamer, ließ den Motor laufen. Ihre Finger lagen leicht am Lenkrad, aber sie rührte sich nicht. Etwas in ihr spannte sich an.


Der Wagen stand schräg, halb im Schatten einer Kastanie, das Licht der Laterne über ihm durchbrach das Blätterdach nur vereinzelt – flackernde Inseln aus Gold und Schwarz.


Zwei Schatten auf dem Rücksitz.


Ein breiter Oberkörper, angespannt, kraftvoll. Groß. Er bedeckte fast vollständig die darunterliegende, schmalere Figur, die sich unter ihm zu winden schien. Es war nicht viel zu erkennen, und doch alles.


Denn der Wagen selbst – er bewegte sich.


Nicht durch Wind oder Vibration. Sondern rhythmisch, dumpf, getragen von der Bewegung des großen Körpers auf dem Rücksitz. Vor, zurück. Vor, zurück. Langsam, kontrolliert, mit Nachdruck. Der Rahmen des Wagens schwang sacht, als würde etwas Schweres, Unausweichliches darin stattfinden.


Ihr Herz schlug zu schnell, ihr Atem flach. Sie spürte, wie ihr Bauch sich zusammenzog. Und sie konnte nicht wegsehen. Das Auto schwankte leicht, als der große Schatten sich ein letztes Mal vorwölbte, innehielt, als würde sich alles in ihm für einen Moment still zusammenziehen – dann folgte ein Ruck, kraftvoll, ein kurzes Nachbeben, dann noch eines. Der Körper auf dem Rücksitz bäumte sich leicht auf, hielt die Linie, hielt den Druck – ehe alles langsam absank.


Die Bewegung verklang. Der Wagen wurde still. Nur das Nachzittern im Gestänge blieb, eine letzte Schwingung, bevor wieder alles wie eingefroren wirkte.


Anna saß im Halbdunkel, Hände fest am Lenkrad, den Blick auf dieses schwarze, atmende Geheimnis vor ihr gerichtet. In ihr wirbelten Scham, Neugier, Ekel, ein brennendes Ziehen, das sich nicht benennen ließ. Dann startete sie ihr Auto und fuhr davon.

Am Nachmittag des nächsten Tages betrat Anna die Apotheke.


Die Luft war wie immer leicht kühl, nach Desinfektionsmittel und getrockneten Kräutern duftend. Doch etwas war anders. Die Stimmung. Elise, die hinter dem HV-Tisch stand, sah nur kurz auf, lächelte kaum merklich, fast gezwungen.


„Anna“, sagte sie nach einem Moment, „könntest du bitte kurz mit in die Teeküche kommen?“


Anna zögerte, lächelte verhalten und folgte ihr durch den schmalen Gang. Am Ende saß bereits Dr. Kramer am kleinen Tisch, einen Tee vor sich, den er nicht anrührte. Sein Blick war ernst, offen, beinahe väterlich – und doch mit etwas, das Anna nicht einordnen konnte.


„Schön“, begann er und faltete die Hände vor sich. „Setz dich gern.“


Elise blieb stehen, an die Anrichte gelehnt. Ihre Miene war neutral, fast geschäftlich. Dr. Kramer fuhr fort: „Wir… möchten dir etwas erklären. Oder vielleicht besser: etwas einordnen. Es ist nicht dramatisch, aber… wir hatten den Eindruck, dass du gestern etwas gesehen haben könntest. Oder dass ein Eindruck entstanden ist, der… uns allen unangenehm werden könnte.“


Anna schwieg, ihre Hände lagen auf dem Schoß. Ihr Herz begann schneller zu schlagen. „Versteh uns nicht falsch“, sagte Elise ruhig, „wir wollen einfach… vermeiden, dass es zu Missverständnissen kommt.“


Kramer nickte. Dann lehnte er sich etwas vor, wählte seine Worte mit Sorgfalt: „Es ist so: Ich – wir – führen seit vielen Jahren eine… ruhige Ehe. Sehr ruhig. Genauer gesagt, ist körperliche Nähe zwischen uns nicht mehr Teil unserer Beziehung. Aus gesundheitlichen Gründen meinerseits.“


Ein kurzer Blick zwischen Elise und ihm. Keine Spur von Peinlichkeit, nur nüchterne Sachlichkeit. „Wir haben deshalb vor einigen Jahren gemeinsam entschieden, dass Elise sich… gelegentlich die Freiheit nehmen darf. Nicht nur darf“, er hielt kurz inne, „sondern soll. Es ist Teil eines Gleichgewichts, das wir uns geschaffen haben. Kein Chaos, kein Heimliches. Klar geregelt. Etwa einmal im Jahr, für einen Tag.“


Er sah sie ernst an, ohne jede Scham. „Nicht mehr, nicht weniger.“ Elise nickte nur, als wollte sie sagen: So ist es. Punkt. Anna hatte das Gefühl, sie sei in ein Schauspiel geraten, dessen Drehbuch sie nicht kannte. Ihr Mund war trocken, ihre Gedanken flirrten. Doch sie brachte ein knappes: „Ich verstehe“ hervor. Kramer lächelte jetzt. Kurz. Geschäftlich. „Gut. Dann ist alles gesagt.“


Dr. Kramer stand auf, strich sein Hemd glatt. „Dann lasse ich euch beide jetzt wieder arbeiten“, sagte er freundlich und mit einem gewissen Stolz in der Stimme, als hätte er gerade etwas Bedeutendes erklärt.


Er nickte Anna zu, dann verließ er die Teeküche – ruhig, bedacht, wie immer. Kaum war die Tür ins Schloss gefallen, war die Luft eine andere. Elise stand noch immer an der Anrichte, verschränkte nun langsam die Arme, betrachtete Anna mit einem Blick, in dem Müdigkeit lag – und etwas, das fast weich war.


„Bleib noch kurz“, sagte sie leise. Elise trat näher, ließ sich gegenüber nieder. Ein Moment verstrich in Stille, dann begann Elise zu sprechen – vorsichtig, aber ohne Unsicherheit: „Ich weiß, wie seltsam das für dich war. Was du vermutlich gesehen hast. Was du… gehört hast.“ Sie hob die Augen, sah Anna offen an. „Ich will nicht, dass du denkst, ich bin irgendwie… verloren.“


Anna schluckte, wollte etwas sagen, doch Elise fuhr ruhig fort: „Ich war es einmal. Vielleicht bin ich es manchmal noch. Aber das gestern war… mein Raum. Mein Tag.“ Ein Lächeln huschte über ihr Gesicht – müde, aber aufrichtig.


„Das ist nicht einfach nur Lust oder Wahnsinn. Das ist wie… eine Kammer in mir, die nur dann ruhig wird, wenn ich sie betrete. Verstehst du das irgendwie?“


Anna war still. Sie verstand plötzlich mehr, als sie zugeben wollte. Elise beugte sich ein wenig vor, ihre Stimme wurde leiser, wärmer: „Ich würde mir wünschen, dass wir uns besser kennenlernen. Dass du nicht nur die Anna aus der Vorstadt bist. Ich sehe, dass da mehr in dir ist.“ Ein kurzer Blick, tastend. „Vielleicht könnten wir… Freundinnen werden. Nicht in dem Sinne von Kaffeeklatsch und Urlaubsfotos. Sondern richtig. Ehrlich.“


Anna fühlte, wie ihr Brustkorb sich engte. Etwas in ihr wollte fliehen. Etwas anderes: bleiben. „Du weißt gar nichts von mir“, flüsterte sie. Elise lächelte. „Dann fang an, es mir zu zeigen.“

Anna atmete tief ein, als Elise verstummte. Es war, als ob ein schwerer Vorhang sich vor ihr öffnete, als könnte sie zum ersten Mal wirklich atmen.


Die Worte, die sie gerade gehört hatte, sie waren nicht einfach. Sie schienen Anna zu durchbohren und zu beruhigen, gleichzeitig. Sie fühlte, wie etwas in ihr nachgab, sich auflöste, dass sie nicht einmal bewusst festgehalten hatte. Eine Last, die sie gar nicht bemerkt hatte, bis sie sie ablegte.


Elise hatte ihr gerade von einer Welt erzählt, die Anna nur vom Rande her kannte – und doch war sie ihr seltsam vertraut. Die Art, wie sie es erzählt hatte: ohne Scham, ohne Zögern, als wäre es die selbstverständlichste Sache der Welt. Es war verstörend, dass diese scheinbar so perfekte, so noble Frau all dies getan hatte. Doch zugleich war es auch auf eine Weise… beruhigend. Elise hatte sich das geholt, was sie brauchte, ohne Kompromisse. Sie war selbstbestimmt. Sie hatte sich nicht verstecken müssen. Es war nicht Willkür, es war Kontrolle. Ein Leben in Balance, das in gewisser Weise – nach all den Regeln und dem Leben, das Anna kannte – bewundernswert war.


Anna blickte Elise an. Ihr Blick war sanft, nachdenklich, vielleicht auch ein bisschen bewundernd. Ein Gefühl von Respekt stieg in ihr auf. Sie hatte so oft das Gefühl, sich selbst zu verlieren – in der Routine, in den Erwartungen, die sie an sich stellte. Elise hatte sich nicht verloren. Sie war dort, wo sie sein wollte. Mit einem klaren Ziel. Sie war nicht in die Falle von Schuld und Verleugnung geraten, in die Anna sich selbst immer wieder hineinredete.


„Du hast mich zum Nachdenken gebracht“, sagte Anna schließlich, ihre Stimme ruhig, aber die Worte trugen eine unerwartete Schärfe. „Es ist irgendwie... befreiend, zu sehen, dass jemand, der so viel Kontrolle und Selbstbeherrschung ausstrahlt, auch die Freiheit hat, sich etwas zu nehmen.“


Elise nickte langsam, als wüsste sie genau, was Anna meinte. „Freiheit. Und Verantwortung. Man kann beides nicht trennen. Ich glaube, das ist der Punkt. Wir sind keine Maschinen, die nur funktionieren, weil es erwartet wird. Wir müssen uns ab und zu… befreien. Damit der Rest funktioniert.“


Anna nickte, spürte, wie sich etwas in ihr bewegte. Es war, als ob Elise einen Raum aufgeschlossen hätte, den Anna lange Zeit für sich selbst nicht betreten hatte.


„Du hast recht“, sagte Anna nach einer Pause, „es ist befreiend. Ich… ich habe nie wirklich darüber nachgedacht, wie wichtig es ist, sich Dinge zu erlauben. Auch wenn es schwer ist.“


Elise lächelte sanft, als könnte sie in Annas Blick mehr lesen, als sie es vorhatte. Dann erhob sie sich, schob den Stuhl zurück. „Ich habe viel über Freiheit nachgedacht. Und auch über Grenzen. Es ist nicht immer einfach. Aber es gibt Dinge, die sind es wert. Du wirst es sehen.“


Anna saß einen Moment still, spürte, wie der Raum um sie herum etwas enger wurde, die Luft fast elektrisiert war. Sie hatte mehr verstanden, als sie geahnt hatte, und es war ein Gefühl, das gleichzeitig aufregend und beängstigend war. Elise hatte ihr einen Spiegel vorgehalten. Ein Spiegel, der ihr zeigte, wie sehr sie selbst in ihrem eigenen Leben eingeschränkt war.


„Vielleicht… vielleicht sollte ich mir auch mehr erlauben“, murmelte Anna schließlich.


Elise nickte erneut, als hätte sie genau das erwartet. „Es ist nie zu spät, Anna. Nie.“

Anna war sich plötzlich vollkommen klar, was sie zu tun hatte.


Es war, als ob all die Fragen und Unsicherheiten, die sie über Monate gequält hatten, in einem Augenblick aufgelöst wurden. Sie fühlte sich, als hätte sie endlich einen Schritt aus der Dunkelheit gemacht. Ein Knoten in ihr hatte sich gelöst. Nach Dienstschluss fuhr sie nach Hause, duschte und zog sich um. Ihre Gedanken hatten sich sortiert – sie wusste, dass sie keine Zeit mehr zu verlieren hatte.


Der Weg zur Werkstatt von Daniel kam ihr länger vor, als er war.


Jeder Schritt fühlte sich wie ein Schritt auf unbekanntem Terrain an, als wüsste sie, dass das Unvermeidliche auf sie zukam. Sie war sich ihrer Sache sicher, doch zugleich spürte sie eine leise Nervosität, die sie unaufhaltsam vorantrieb. Als sie vor der Tür stand, atmete sie tief ein und öffnete sie dann entschlossen.


Das Büro war still, der Raum angenehm kühl, als Daniel sie bemerkte.


Er saß entspannt an seinem Schreibtisch, breitbeinig, aber seine Haltung verriet etwas – er hatte sie nicht erwartet und als er ihren Blick auffing, füllte sich der Raum mit einer plötzlichen Spannung. Er musterte sie, und auf seinem Gesicht stahl sich ein schiefes Lächeln. Doch in ihren Augen las er etwas anderes, etwas, das er nicht zu fassen bekam – eine seltsame Mischung aus Entschlossenheit und Entfremdung.


Anna trat ein, schloss die Tür hinter sich und ließ ihren Blick für einen Moment auf ihm ruhen. Sie war sich der Wirkung ihrer Erscheinung bewusst – die klare Entscheidung, die in ihrem Auftreten lag. Ihre Kleidung war keine Zufälligkeit. Der sehr kurze Rock, den sie gewählt hatte, war mehr als nur ein Kleidungsstück – er war ein Statement. Der Stoff schimmerte in tiefem Schwarz, die Länge – gerade so knapp, dass er ihr Höschen verbarg – ließ keinen Raum für Zweideutigkeiten. Ihr Oberteil, enganliegend, betonte ihre Figur und machte klar, dass sie gekommen war, um eine Entscheidung zu treffen. Keine Worte wurden mehr gebraucht. Sie setzte sich auf den Stuhl vor ihm, ließ ihre Beine ein Stück auseinander gleiten, sodass der Saum ihres Rockes sich ein kleines Stück nach oben schob. Es war ein stiller, aber eindeutiger Hinweis auf das, was sie jetzt von ihm wollte. Das Höschen, das unter dem Rock hervorblitzte, war gut sichtbar, es war genug, um die Atmosphäre im Raum zu verändern.


Die Spannung zwischen ihnen war sofort greifbar. Daniel musterte sie, seine Augen verrieten eine Mischung aus Überraschung und einer unterschwelligen Erwartung. Ohne ein Wort zu sagen, starrten sie sich an, und in der Luft lag etwas Unerklärliches. Dann brach Daniel schließlich die Stille, überrascht, aber auch neugierig: „Und Stefan?“


Anna zuckte nicht. Ihr Blick blieb fest und ruhig, ohne Scheu. Ihre Antwort kam nicht in Worten. Sie wartete, ein ständiges Verweilen zwischen den beiden, in dem der Raum von nichts als der ungesagten Wahrheit durchzogen war.


„Dann weg damit“, sagte Daniel schließlich, seine Stimme war fest, befehlend, er hatte verstanden. Anna reagierte sofort, ihre Hand glitt an den Bund ihres Höschen. Ihre Bewegungen waren so ruhig, als hätte sie diese Entscheidung längst in Gedanken vorbereitet. Der Stoff glitt unter ihren Fingern, fiel mit einem lautlosen Geräusch zu Boden. Der Rock, der so freizügig auf ihren Beinen lag, war jetzt nichts weiter als ein Hinweis auf das, was sie von ihm wollte. Ihre Augen hielten den seinen fest, während die Stille im Raum tiefer wurde. „Wenn Stefan auf Reisen ist“, sagte sie mit ungerührter Stimme, „wirst du mich ficken, Tag und Nacht. Du wirst mich wie eine Sexsklavin benutzen, ohne Rücksicht, wie in deinen Filmen.“


Es war eine Entscheidung, die keine Unklarheiten mehr ließ, und die Worte flossen kühl und kontrolliert aus ihren Lippen. Sie spürte, wie sich etwas in ihr veränderte, als sie es endlich ausgesprochen hatte. Eine Last, die sie lange getragen hatte, war nun abgelegt.


„Manchmal muss man wirklich einfach Geduld haben“, murmelte Daniel schließlich zu sich selbst, seine Augen schärften sich, als er die Veränderung in Annas Haltung bemerkte.

E N D E

Kommentare


zoopark
dabei seit: Feb '06
Kommentare: 58
schrieb am 29.07.2025:
»Großartig!«

mbzmbz
dabei seit: Mai '01
Kommentare: 3
schrieb am 30.07.2025:
»Sehr gut und fesselnd geschrieben«

xs650
dabei seit: Mär '03
Kommentare: 4
schrieb am 31.07.2025:
»Hallo,

eine wirklich klasse Geschichte! Gedanklich kann man die hier dargestellten Handlungstränge sicher noch in Fortsetzungen weiterführen... würde mich freuen!«


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