Auseinandergelebt - Der Weg zurück
von Hassels
Schleichend, auf leisen Sohlen, hatte es sich in unserer Beziehung ausgebreitet. Ein lähmendes Gift hätte nicht erbarmungsloser zuschlagen können. Der Alltag, Arbeit und Karriereleiter, hatte sich Stück für Stück mehr Platz verschafft, die menschlichen Gefühle konterkariert. Wenn nicht der Zufall Pate gestanden hätte... .
Angespannt warteten alle Beteiligten auf die Verkündung des Urteils, das Gremium tagte schon mehr als zwei Stunden hinter verschlossenen Türen. Obwohl ich geständig gewesen war, schon bei der Befragung durch die Beamten hatte ich den Einbruch zugegeben, wurden eine Unmenge an Zeugen angehört. Der Verhandlung war ich nach meiner Aussage nicht mehr gefolgt, hatte alles Revue passieren lassen, das 'Warum' ich überhaupt hier saß.
Vor neun Monaten, der neue Oberarzt hatte schon drei Tage früher seinen Dienst zur Einarbeitung angetreten, erlaubte ich mir einen früheren Feierabend. Nach zwei Tagen wusste ich, ich kann ihm bedenkenlos die Chirurgie überlassen. Da ich Claudia noch in ihrer Anwaltskanzlei vermutete, vor siebzehn Uhr war sie wochentags nie Daheim, wollte ich mich auf der Couch in meinem Arbeitszimmer ein wenig entspannen. Federnd leicht, wie es schon immer meine Art gewesen war, lief ich geräuschlos die Stufen ins Obergeschoss, als ich ein Wimmern vernahm. Vorgebeugt saß sie vor ihrem Laptop und rieb sich die Augen. Nur durch ihre Haltung bedingt, gab mir der rückwärtige Spiegel einen Einblick auf die aufgerufene Webseite. Die biologische Uhr konnte doch noch nicht abgelaufen sein, wir waren doch erst fünfunddreißig. Als ich näher trat, immer noch mit den Gedanken auf dieser Adoptionsseite, klappte Claudia den Laptop zu. Sie erzählte mir eine zu Tränen rührende Story, ein Klient dessen Namen sie natürlich nicht erwähnte. So weit waren wir also schon, den Partner einfach mit einer Ablenkung belügen. Ich nahm es so hin, brauchte Zeit zum Nachdenken.
Für das Wochenende teilte ich mir den Bereitschaftsdienst komplett zu. Auf unserem AB hinterließ ich Claudia eine diesbezügliche Nachricht. Da überraschend wenig zu tun war, nur zwei Unfälle mit chirurgischen Eingriffen, hatte ich viel Zeit unsere Situation auszuleuchten. Während der Studienzeit hatten wir uns vor fünfzehn Jahren kennengelernt, eine gemeinsame Bekannte hatte eine Party ausgerichtet. Schon beim Augenkontakt hatte es gefunkt. Jede freie Minute verbrachten wir zusammen, wussten schon bald alles vom Anderen, ohne das Studium zu vernachlässigen. Zeitgleich machten wir den Abschluss vor elf Jahren, planten unsere Zukunft. Verliebt wie am ersten Tag heirateten wir im Folgejahr. Weitere zwei Jahre später hatte ich den Facharzt geschafft und Claudia war in der Staatsanwaltschaft aufgestiegen. Die Karriereleiter schritten wir Sprosse um Sprosse nach oben. Als ich vor sechs Jahren die Oberarztstelle bekam, ein gut dotiertes festes Einkommen, wagte Claudia den Schritt in die Selbstständigkeit. Mit der Erfahrung aus der Staatsanwaltschaft war sie bald eine begehrte Strafverteidigerin, ihre Kanzlei brummte ab dem zweiten Monat. Fast zeitgleich, vor drei Jahren, mit dem Doktortitel erhielt ich die Chefarztstelle in der Chirurgie. Trotz der deutlich erhöhten Bezüge, mein sicheres Einkommen war nur noch ein Klacks gegenüber Claudias, aber das störte mich nicht.
Noch immer suchte ich schon fast verzweifelt nach dem Beginn der Entfremdung. Im Bekanntenkreis war das Sexleben auch mit der Zeit sehr eingeschränkt worden, andere Werte zählten mehr. Aber nach längerem Überlegen stellte ich fest, der letzte Sex war schon über ein Jahr her. Auch davor waren wir nicht allzu aktiv gewesen, wenn ich da an die Anfänge denke. Mit glasigem Blick schaute ich in den Spiegel, die Tränen, meine Tränen zeigten mir, dass ich sie immer noch abgöttisch liebe. 'Nur nicht die Augen verschließen', schoss es mir durch den Kopf. Mich selbst hart ins Gericht nehmend, brachte mir auch keine Antwort.
Sicher, mit der stetig gewachsenen Verantwortung, waren unsere freien Zeiten deutlich geschrumpft. Unsere freien Zeiten verbrachten wir auch heute noch zusammen, und doch war es ganz anders geworden. Unwohlsein und damit verbundene Rücksichtnahme, vielleicht findet sich ja hier ein Ansatz. Im Zeitraffer eines Schnelldurchlaufs, mein Gehirn sortierte schneller als meine Gedanken einhergingen, landete ich bei unserem Kenia Urlaub. Zu Anfang war es herrlich, das Wetter war angenehm und der Nationalpark ließ keine Wünsche offen. Dieser Zoo ohne Gitter, sich des erhöhten Risikos bewusst, war ein hinreißendes Erlebnis. Einzig der erkältete Reiseleiter störte, sein häufiges Niesen scheuchte einige Tiere davon. In der dritten Woche, leider konnte ich den Urlaub nicht länger dehnen, erkältete Claudia sich. Wieder in Deutschland zurück, Claudia suchte ihren Frauenarzt auf, wurden bei ihr die Röteln festgestellt.
Damals hatte ich mir nichts weiter dabei gedacht, oftmals hatten Eltern es versäumt ihre Kinder Impfen zu lassen, griff ich mir nun die Fachliteratur. Obwohl nur überfliegend, in mir keimte ein grausamer Gedanke. Im Nachhinein war es dieser bombastische Urlaub, an dessen Folgen sich unser Glück verhakt hatte. Mit dem schlimmen Gefühl im Bauch, das Wochenende war überstanden, rief ich den Frauenarzt meiner Frau an.
Eigentlich war es naiv von mir, hatte ich doch erhofft eine Auskunft zu bekommen. Die Krankenakte wegen eines Notfalls einzufordern konnte ich auch nicht, zu sehr würde der Ruf der Klinik bei Bekanntwerden darunter leiden. So prokastinierte ich mein Begehren, wartete auf eine passende Gelegenheit. Nur drei Tage später suchte eine von mir operierte Patientin, sie war neu in der Stadt, einen Frauenarzt. In meiner Freistunde fuhr ich sie zu Dr. Goller, inspizierte dabei die Räumlichkeiten. Was ich nicht bedachte, die installierten Kameras dienten auch zur nächtlichen Überwachung.
In unserem Keller übte ich das Knacken von Schlössern, mein chirurgisches Feingefühl half mir schnell Erfolg zu haben. In der Nacht zum nächsten Sonntag, ich hätte Claudia ja etwas von Notfall erzählen können, verschaffte ich mir in kürzester Zeit den Zugang zu ihrer Krankenakte. Die Bestätigung für meine Vermutung, sogar noch weiter reichend, hatte ich schwarz auf weiß vor mir. Knapp ein Jahr vor dem Urlaub hatte Claudia die Pille abgesetzt, wir waren uns einig, bereit für Nachwuchs. Aber erst in der ersten Woche unseres Kenia Urlaubs hatte es dann geklappt, wie ich der Akte entnehmen konnte. Die Röteln hatten dann, in diesem frühen Stadium, zu sichtbaren Fehlbildungen geführt. Einsam, Claudia wusste wie sehr ich mir den Nachwuchs wünschte, hatte sie dann die Abtreibung vornehmen lassen. Das emotionale Loch, sie war auch an einen Psychologen überwiesen worden, hatte ich als natürliche Hormonschwankungen einer Frau wahrgenommen.
Montag, am späten Nachmittag, wurde unser Oberbürgermeister als Notfallpatient eingeliefert. Schwerste Verletzungen durch einen Verkehrsunfall, beinahe ein Wunder dass ich ihn retten konnte. Die fünfstündige Marathonoperation, das Leben hing am seidenen Faden, hinterließ deutliche Spuren der Erschöpfung. Dienstag wurde ich am Krankenbett mit unserem OB von der Presse abgelichtet, was in der Mittwochausgabe zu sehen war. Mittwoch, der OP-Tag war gerade beendet, besuchten mich zwei Kriminalbeamte im Dienstzimmer. Anhand des Fotos in der Tageszeitung hatten sie mich erkannt.
Dem Klinikchef hatte ich nach dem Besuch der Beamten mein Fehlverhalten mitgeteilt. Zu meiner Überraschung wurde ich nicht suspendiert, er wollte den weiteren Verlauf, wenn es nicht in die Presse geriet, bis zum Urteil abwarten. Mit der so gewonnenen Zeit, irgendwann musste ich es Claudia beichten, wollte ich um sie kämpfen. Meinen neuen Oberarzt, ihn hatte sie bisher noch nicht zu Gesicht bekommen, schickte ich mit einem sehr persönlichen Auftrag in ihre Kanzlei.
Die große braune Holztür ging auf, der Richter und die beiden Schöffen traten zur Urteilsverkündung ein. Als alle im Saal befindlichen Personen wieder saßen, man hätte eine Feder fallen hören, öffnete der Richter seine große Kladde.
„Im Namen des Volkes ergeht folgendes Urteil: Der Angeklagte ist schuldig nach...“ Ähnlich der Anklageschrift wurden eine Unmenge an Paragraphen und Absätzen angeführt. Im Magen wurde mir flau.
„Daher verurteilen wir den Angeklagten zu sechzig Stunden Sozialdienst, welche bedarfsorientiert im Heim St.Josef abzuleisten sind.“ Es fiel mir ein Stein vom Herzen, ich wäre so nicht vorbestraft.
„Zur Urteilsbegründung: Die von der Staatsanwaltschaft angeführte psychologische Körperverletzung hat sich nach unserer Überzeugung nicht eingestellt. Unter Berücksichtigung des bisherigen tadellosen Werdegangs, keine Versuche etwas zu beschönigen oder gar zu verbergen, und das sofortige Geständnis bei der ersten Vernehmung, wäre eine geringe Bewährungsstrafe eigentlich herausgekommen. Meine beiden Schöffen, sie haben auch schon bei Kapitalverbrechen Erfahrungen gesammelt, verwiesen auf den seelischen Zustand zum Zeitpunkt der Tat. Ein Gutachter hätte auch eine situative Unzurechnungsfähigkeit feststellen können. Dass die Verteidigung diese Möglichkeit nicht genutzt hat, wie eingeräumt auf Wunsch des Angeklagten, hat meinen Schöffen eine ganz eigene Perspektive eröffnet. Die Schöffen waren somit ihre besten Verteidiger. Gegen das Urteil kann innerhalb einer Woche Berufung eingelegt werden!“
„Die Staatsanwaltschaft verzichtet!“
Das Urteil, ob es nur Erleichterung war, trieb mir Tränen des Glücks in die Augen. Am liebsten hätte ich den oder die Schöffen vor Dankbarkeit geküsst. Schulterklopfen allenthalben, selbst der Staatsanwalt gratulierte, ließen mich meine Hände vors Gesicht schlagen. Nichts mehr um mich herum wahrnehmend hatte ich den Rest dieses Films abgespult.
„Die Verteidigung verzichtet ebenfalls!“
„Damit ist das Urteil rechtskräftig!“
Ich schaute zu Claudia, sie saß auf der Zeugenbank, in deren Gesicht ein Strahlen auf zog. Es war genauso erfrischend wie bei der Aufarbeitung unserer Beziehung, am Tag der Zustellung des Gerichtstermins. Das Damoklesschwert hatte lange über mich gekreist. Aber ab diesem Zeitpunkt warteten wir gemeinsam auf diese im Raume stehende Hinrichtung, der ich meine ganze Karriere möglicherweise geopfert hatte. Es verknüpfte unser Band wieder.
Claudia kümmerte sich um mein Seelenheil, ich mich um ihres. Viele Kuscheleinheiten begleiteten unseren Weg, bis heute. Der diagnostizierte, irreversible Schaden an ihrer Gebärmutter, bei der Ausschabung verursacht, war eine Fehleinschätzung des Gynäkologen. Eine Zyste hatte ihn dazu veranlasst. Ein kleiner Eingriff bei mir in der Klinik, meine Frau und ihre Psyche waren wieder vollkommen hergestellt.
Mit dem guten Gefühl des Tages waren unsere Glückshormone freigesetzt worden. Sie hatte alle Termine verlegt und auch ich hatte Dienstfrei. Daheim angekommen gab es kein Halten mehr, die Ungewisse Zukunft hatte wieder rosigen Zeiten Platz gemacht. Alle bisherige Zurückhaltung deshalb wurde ad acta gelegt, die Gier der Leidenschaft hatte uns wieder.
Stürmisch rissen wir uns die Klamotten vom Leib, gaben den Trieben freien Lauf. Nach ersten wilden Kuss-Attacken, gegenseitigem Fingern, bekam die sanfte, liebevolle Note wieder Übergewicht. Zärtliches Streicheln, ihre Knospen standen knüppelhart, ähnlich reagierte mein Klappdolch. Mein Kopf wanderte nach einer weiteren Kuss-Einheit, über die Spitzen ihrer Kugeln bis an den Hügel der pulsierenden Lust. Zentimeterweise tastete sich meine Zunge bis an den weichen Schlitz, entlockten ihrem Mund eine Gefühlsarie. Wie eine Saugglocke nahm mein Mund ihren Schlitz in Besitz, meine Zunge suchte und fand ihre Perle, den Rohdiamant den es zu bearbeiten galt. Ihr ganzer Körper wurde zum Spielball, spannte, zitterte oder wurde wieder weich, immer meiner Zunge Tribut zollend.
Das Vorspiel, dieses ineinander aufgehen, dauerte länger als der Sex der letzten zwei Jahre seit dem Kenia Urlaub. Claudia hatte sich komplett fallen lassen, war nur noch meinen Liebkosungen hörig. Mehrfach starb sie den kleinen Tod, unüberhörbar, und streichelte meinen Kopf wenn sie sich wieder gefangen hatte. In meinem Mund befand sich noch ein Rest ihres Liebessaftes als sie mich zu sich hoch zog um mich zu küssen. Ihre Arme hatten mich umschlungen und ihre Fingernägel pressten sich in meinen Rücken als mein Rohr in ihre Höhle eindrang.
Wie in Zeitlupe bewegte ich mein Becken, nur allmählich steigerte ich das Tempo. Mein Rücken wurde zum Indikator ihres sich erneut nähernden Höhepunkts. Mit Mühe konnte ich meinen Orgasmus hinauszögern um dann gemeinsam den Blitzeinschlag zu spüren. Während ich vermutlich die Aufstauung von zwei Jahren in sie pumpte, Schwall um Schwall, Welle um Welle, malträtierte ihre Lust meinen Rücken. Ihre Fingernägel gruben sich, über meinen Rücken fahrend, ein.
Nach einer kleinen Erholung kümmerte Claudia sich u mein Wohlbefinden. Sie drehte mich auf den Rücken und begann mich vom Kopf abwärts mit Küssen einzudecken. Mein Luststab bekam eine mündliche Nachbehandlung, war ganz schnell wieder gewachsen und einsatzbereit. Dem zärtlichen Kraulen und ihrer Zungenbehandlung hatte ich nicht viel entgegenzusetzen, schon nach kurzer Zeit schwappte meine Eiweißnahrung in ihrem Mund. Sie saugte mir den Schwengel leer als wenn sie einen Proteinmangel ausgleichen müsste. Ihr verklärter Blick, ihre streichelnden Hände, ließen mich in einer fernen Galaxie schweben. Allen Schmerz und Leid vergessend, im Hormonrausch, bemerkte ich erst nach Claudias Aufschrei ihren entsetzten Blick. „Schatz Du blutest. Das ganze Laken ist rot!“
„Für unser wiedergefundenes Glück ist mir jeder Aderlass recht.“, sprach's und nahm sie zum Kuscheln in den Arm.
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