Bei der angezeigten Geschichte handelt es sich um eine erotische, nicht-pornographische Geschichte. Es gelten die Allgemeinen Geschäftsbedingungen und der Disclaimer von sevac.com. Sevac.com ist für den Inhalt der Geschichte nicht verantwortlich und distanziert sich von selbigem. Das Copyright liegt beim Autor. Jegliche Weiterverbreitung der Geschichte ist, wenn nicht ausdrücklich anders angegeben, untersagt.
Kommentare: 7 | Lesungen: 2679 | Bewertung: 8.80 | Kategorie: Sonstiges | veröffentlicht: 31.12.2010

Der Abspritzcontest Teil 3

von

Der Abspritzcontest Teil 3

© by andrelmanja

TUTTELSAU UND HUTZELMÄNNLEIN

„Wow!“


Schlagartig hatte Anne ihre schmerzenden Zehen offensichtlich vergessen, so fasziniert war sie von dem Geschehen in der Manege. „Das ist echt deine Freundin“, zwitscherte sie voller Enthusiasmus, wobei sich ihre Stimme fast überschlug, „und schau' mal … wie … die tanzt … puhhh! ...“

„Ja, puh!“ Nicht, dass mich Anjas heißer Tanz mit dem tansanischen Löwen, der unmöglich Jürgen sein konnte, nicht auch in den Bann gezogen hätte, doch für den Moment galt meine nicht ganz ungeteilte Aufmerksamkeit eher den beiden Uniformierten am Eingangsportal unseres Oberrangs. Das Johlen und Kreischen des in unmittelbarer Nähe sitzenden Publikums war zweifellos den Schutzmännern gewidmet … und sicher auch dem betrügerischen Gaukler und Jongleur, der zunächst einen halben Meter vor den jungen Polizisten gestanden hatte, sich aber angesichts des überwältigenden Empfangs rasch um einen ganzen Meter zurückzog.


„Feige Ratte!“, dachte ich - nein, sagte ich, denn meine neue Nachbarin zur Linken, lediglich mit einem reichlich knappen, pinkfarbenen Bikini bekleidet - der sich kaum von der Farbe ihrer von etlichen erfolglosen Diäten gezeichneten Haut abhob, und dessen Säume ihre aktuell geballte Fleischeskraft nicht so recht halten konnten - reagierte prompt. „D..d...die, die, die … wollen, f..f..., die feigen ... die suchen was“, säuselte sie mir bestätigend zu, wobei mich ihr Atem fast umgehauen hätte. Mindestens Apfelkorn, wenn nicht sogar Wodka, oder beides, oder noch was ganz anderes.


„Na klar“, antwortete ich lapidar, ohne mir der Folgen meiner Aussage bewusst zu sein, „die Bullen suchen immer was oder wen.“


„Die feigen Sch... Schhhh, Schweine!“, stammelte meine neue Nachbarin und klatschte mir dabei mit ihrer Rechten derart heftig auf die Schulter, dass ich für einen Moment um die Festigkeit meines Schlüsselbeins fürchten musste. „Sch… Schhhh, Schwester, wir verstehn uns!“


Ich ließ sie in diesem Glauben, hatte dabei erhebliche Mühe, eine gefühlte Tonne Lebendgewicht auf den Beinen zu halten. Doch mein Sinn für abwendbare Gefahren jeglicher Art verlieh mir fast übermenschliche Körperkräfte.


Keine Frage, hinter wem die von diesem schmierigen Gaukler geblendete Ordnungsmacht her war – Körperverletzung, mindestens einfache, wenn nicht vorsätzliche. Wir könnten allerdings auf Notwehr plädieren. Denn der Kerl war doch offensichtlich ein Betrüger.

„Verflucht, Anne, so hilf mir doch!!“ Allmählich konnte ich die, in meinen Armen wie Flönz in der heißen Pfanne aufgehende, neue Schwester kaum noch halten.


Doch Anne machte keinerlei Anstalten mir zu helfen. Stieß mir stattdessen in ihrer ungestümen, kindlichen Euphorie den Ellenbogen in die Flanke: „Mensch, Andrea … sieh' nur … jetzt, jetzt, jeeetzt … wow, jetzt hat er auch noch ihr Höschen ...“


Sah denn Anne gar nicht, in welch verzweifelter Lage ich mich gerade befand, und – ja – sie doch auch?


„He, Anne, die Bullen sind hinter dir her!“


Doch meine Freundin ließ sich nicht beirren. „Ach was, Bullen. Leoparden! Sieh doch mal!“


Ein zweiter Knuff in die Nierengegend ließ endgültig meine Kräfte schwinden. Ich konnte die ausgelassene Flönz nicht mehr halten, wie ein nasser Sack glitt sie an mir herunter, klammerte sich an meinem linken Bein fest, stöhnte laut auf.


„Oh, Pedro mein Sch... Schhhh, Schöpfer, w... was hast du für einen geilen Sch... Schhhh, Schwanz! Brunz' dein M... Mmm... Miststück voll, du geiler Hengst, du Sau! Zeig's dddeiner Sch... Schhhh, Schlampe!“


Als wäre das alles noch nicht genug gewesen, spürte ich auch noch ihre sabbernde Zunge auf meinem Knie. Uaah, wie eklig.


Weil ich angestrengt darüber nachdachte, wie lange meine letzte Impfung gegen Tetanus und Tollwut zurücklag, begriff ich zunächst gar nicht, was ich auf dem Videowürfel sah. Doch kein Zweifel, der auf vier Quadratmeter vergrößerte Leopardentanga konnte keiner anderen gehören als meiner Freundin Anja, deren zwischen verklärt und ekstatisch verzückt wirkender Blick als Nächstes in Großaufnahme eingeblendet wurde.


Mein Gott, Anja, du sollst doch schreiben …


Das breit grinsende Gesicht des afrikanischen Tänzers, der sich Anjas Leopardentanga als Trophäe auf den Kopf gesetzt hatte, war das dritte Bild. Arme Anja.


Allerdings: Das zweite Bild hatte mir nicht gerade den Eindruck vermittelt, dass ich mit meiner liebsten Kollegin mitleiden müsste – im Gegenteil. Während die besoffene Dicke, ich nenn' sie einfach mal Helga, obwohl ich ihren richtigen Namen nie erfahren habe, immer noch mein Knie nach der Art einer hingebungsvollen Anbläserin schleckte, redete ich mir Anjas Verzückung mit „praktischen Recherchen“ schön.


Die fundierte Recherche ist ja auch mein Metier, wobei mir durchaus heute noch bewusst ist, dass ich viel zu lange nur am Schreibtisch gesessen hatte. Solch ein Selbstversuch hat schon was! - Sei es mein Kollege Elmar Awei, der mit seiner Undercover-Mission gänzlich neue Welten des – jepp – in gewisser Weise investigativen Journalismus` aufstieß, oder meine tanzgeile Freundin und Kollegin, die sich bei der Grundlagenrecherche zu ihrem neuen Roman ganz offensichtlich dazu hinreißen ließ, der Faszination ihrer Fantasie einen realen Entwurf voranzusetzen. Kein Zweifel: Hegel'sche Philosophie! These, Antithese – Synthese.


Mein synthetisches Produkt sabberte gerade mein Knie voll, während sich die Antithese vollends ihrem rauschhaften Vergnügen hingab und sich von dem – zugegeben – sehr attraktiven, wilden afrikanischen Löwen durch die Lüfte wirbeln ließ. Allerdings war mir neu, dass Hegel von einer zweiten Antithese gesprochen hätte, doch die stand, hüpfte, johlte hinter meinem Rücken, versetzte mir in ihrer, sicherlich unbedachten, kindlich-euphorischen Emotion schmerzhafte Stöße in meine Flanken.


Nein, nein, mein lieber Georg Wilhelm Friedrich Hegel, irgendwie ist mir in Ihrem dialektischen Modell die These abhanden gekommen.


„Die These ist in sich selbst unvollständig und fordert so eine Verneinung – die Antithese. Diesen Konflikt löst die Synthese.“


So hatte es der Gute wohl gesagt, für den Moment tröstete ich mich damit, dass letztlich die Liebe Ausgangspunkt seiner philosophischen Betrachtungen war. „Der Geliebte ist uns nicht entgegengesetzt, er ist eins mit unserem Wesen; wir sehen nur uns in ihm – und dann ist er doch wieder nicht wir – ein Wunder, das wir nicht zu fassen vermögen.“


Vielleicht hatte Hegel doch recht.

Ich jedenfalls war vollkommen fassungslos. Die synthetische Helga lag mittlerweile wie ein zum Grillen auf den Rost geplättetes Spanferkel zu meinen Füßen, brabbelte irgendwas von „Brunzen“ und „Tuttelsau“, aber im Wesentlichen nicht mehr zu verstehendes Zeug.

Anne ignorierte beharrlich meine verzweifelten Hilferufe, und die beiden Polizisten bahnten sich mit höchst fragwürdigem Körpereinsatz den Weg durch die johlende, grapschende Weibermeute – näherten sich uns unaufhaltsam, offensichtlich zu allem entschlossen. Den Gaukler hatten sie wohl verloren, wahrscheinlich hatte sich der Kerl verpisst, sah ihm ähnlich, dieser feigen Ratte.

Behutsam zog ich meinen rechten Fuß, auf den die synthetische Helga ihre durch hektische Schnappatmung etwas aus der Fasson geratene, pulsierende Wange gebettet hatte, zurück. Aus Sorge, dass mir die selbsternannte Schlampe und Tuttelsau zur Krönung des Ganzen auch noch auf die Zehen kotzen könnte.

Und dann – die reichlich zerzausten Polizisten, die es aufgegeben hatten, immer wieder den korrekten Sitz ihrer Uniformen aufs Neue zu richten, waren fast bei uns – geschah das Hegel'sche Wunder, das nicht zu fassende Wunder der Liebe. Anne fasste meine Hand. Drückte sie zunächst etwas zu fest, dann aber zart, zärtlich rieb sie mit dem Daumen meinen Handrücken. Ich wölbte meine Schultern, spürte ihren Körper, fühlte die Ströme der vertrauten Wärme, die mir die Sicherheit gaben, den beiden arg gerupften Ordnungshütern mit dem in dieser Situation gebotenen Selbstvertrauen entgegenzutreten.


„Gegen Sie liegt eine Anzeige vor“, sagte der Erste, vermutlich der ältere der beiden, „wegen vorsätzlicher Körperverletzung.“


„Ja“, ergänzte der Zweite, „Sie haben einen der Schausteller vorsätzlich und ohne Grund verletzt … sind das die beiden, Herr … Westenquäl ...er?“


Er löste seinen strengen, angestrengt wirkenden Blick von uns, schaute, um Bestätigung heischend, nach hinten ... aber da war niemand.


„Das muss ein Missverständnis sein!“ Schamlos nutzte ich die Irritation aus.


„Ja, ein Missvers(t)ändnis“, krähte Anne von hinten in ihrem einzigartigen Hols(t)einer Tonfall, und dabei drückte sie meine Hand ganz fest.


„Aber ...“, stammelte der zweite der zunehmend verunsichert wirkenden Polizisten, „wo ist …?“


Dass nicht nur Anne, sondern vor allem die synthetische Helga mir unverhofft in die Karten spielen würde, war nicht zu erwarten gewesen, vielleicht eine eher glückliche Wendung des Schicksals - ihr angesichts des allgemeinen Freudentaumels über das Geschehen in der Manege kaum zu vernehmender, aber dennoch verständlicher Hinweis: „F... fick mich, du S... SS.., Sau, isch, ich … t... tr... tret' d... dir in d. ddie Eier, d. dd... du Betr... betrun..., kkk..., Betrüger!“


Und damit war sie auch schon wieder dahin geschlummert, lag erneut im Koma und hielt dabei meine Fesseln so krampfartig umfasst, als sollte ich mit meinen zarten Beinen eine bleiern schwere Ertrinkende vor dem endgültigen Untergang retten.


„Sie kann nichts dafür“, wandte ich mich der verdutzt dreinschauenden Staatsgewalt zu, „die Ärmste braucht dringend ärztliche ...“


Dass mein Hilferuf um medizinischen Beistand von einem aus tausend Kehlen hervorgestoßenen „Autsch!!“ jäh unterbrochen wurde, irritierte mich zunächst, doch dann gab mir ein flüchtiger Blick auf den Videowürfel die schreckliche Gewissheit: Die wie in Trance zu ihrem Platz wankende Anja hatte wohl einen der vielen Stützpfeiler innerhalb der Arena übersehen … Puh, das musste weh getan haben …

„Ups“, zwitscherte Anne, „jetzt tanzen die S(t)erne.“

„Hilflose Person, Oberrang 3, Sektor 5, Tor 9“, trompetete einer der beiden Polizisten, die kurz zuvor ebenfalls unisono mit der fiebernden Weibermeute erschrocken „Autsch“ gerufen hatten, in sein Walky Talky. Ganz offensichtlich meinte er Hegels Helga, die alle viere weit von sich gestreckt hatte und nicht mal mehr zuckte, geschweige dass sie auch nur einen Laut von sich gab.


Ich konnte mich der Bitte der beiden Polizisten, die hilflose Person in eine stabile Seitenlage zu bringen, nicht versagen, war jedoch auch ein bisschen missmutig, denn mein eigentliches Mitgefühl galt gerade meiner Freundin und Kollegin Anja, deren weiterer Leidensweg mir nach dem unbeabsichtigten Zusammenstoß mit den Säulen des Arena-Himmels verborgen blieb.

Dass gerade unsere jungen Kölner Polizisten sich in Erster Hilfe mit einem derart mangelhaften Ausbildungsstand selbst bloßstellen würden – hm! Das würde ich in einer meiner nächsten Kolumnen sicherlich thematisieren müssen. - Vielleicht mit einem Hauch Verständnis, denn die Alte war wirklich schwerer als der dickste Elefant aus dem Kölner Zoo.


Während ich zu Protokoll gab, dass ich aufgrund von Helgas Schilderungen einen gewissen Pedro für den Drahtzieher dieses unsäglichen Missverständnisses hielt, schleppten gleich vier stämmige Rotkreuzhelfer die mit der Tuttelsau allzu üppig belegte Trage aus der Halle.



„Ob sie wirklich Helga Hegel heißt“, korrigierte ich meine Aussage gegenüber den beiden Polizisten, „weiß ich leider nicht, und ob es diesen Pedro wirklich gibt … kann ich auch nicht sagen, sie hat mein Knie Pedro genannt ...“ Als Beweis streckte ich mein rechtes Bein vor, das beim Anwinkeln leicht spannte – Helgas klebrige Spucke war inzwischen eingetrocknet und ich sehnte mich nach einer ausgiebigen Dusche – Contest hin oder her.


„Hihi“, mischte sich Anne albern kichernd ein, „dieser Pedro ist bestimmt auch nur so ein Hirnges(p)inst.“ Und dann fiel sie mir vollends in den Rücken: „Sie müssen wissen, dass meine Freundin heute nicht zum ersten Mal Ges(t)alten sieht, die es gar nicht gibt.“

Während ich drauf und dran war, meiner Liebsten die Augen auszukratzen, riss der Protokoll führende Polizist das gerade begonnene Blatt von seinem Block und zerknüllte es vor unseren Augen. „So hat das keinen Sinn“, stellte er sichtlich entnervt fest.


Sein Kollege, dem ein paar äußerst aufdringliche Trophäenjägerinnen neben der Krawatte mittlerweile auch beide Schulterklappen entfernt hatten, pflichtete ihm bei. „Ja, lass' uns abhauen. Diese Weiber haben doch alle einen an der Klatsche. Nix wie weg!“

Während sich die beiden den Weg durch die pfeifende, kreischende und ungeniert nach allen möglichen Insignien staatlicher Macht grapschenden Meute zurück zum Ausgang bahnten, hatte ich mit meiner Liebsten ein Hühnchen zu rupfen. „Sag mal, spinnst du eigentlich?“


„Wieso sollte ich s(p)innen“, mimte Anne mit unschuldigem Blick die Ahnungslose, „ich hab' uns doch gerettet ...“


„Wie bitte?!“


„Na, ist doch ganz einfach. Also, die Bullen halten uns alle für verrückt, s(t)immts?“


Puh, das klang schon im Ansatz nach einem ihrer berühmten Lehrvorträge. Ich wollte es möglichst kurz halten. „Und?!“


„Nix und. Das ist Logik!“


„Was soll daran logisch sein?“ Ich bemühte mich, besonders genervt zu wirken, hielt gleichzeitig aber immer mal wieder Ausschau nach Anja, von der jedoch weit und breit nichts zu sehen war.


Anne setzte die in zunehmend dozierendem Tonfall vorgetragene Auslegung ihres Logik-Verständnisses fort: „Die Tatsache, dass zwei einsame Polizisten 14.000 Frauen für verrückt halten, ist an und für sich noch nicht logisch … kannst du mir noch folgen?“


„Nein.“


„Das dachte ich mir!“ - Hörte ich da etwas Triumphierendes im Klang ihrer Stimme? Wäre ich in diesem Augenblick Rotkreuzhelferin gewesen, hätte ich meine Liebste im Katastrophenfall glatt aus der Rettungskette ausgeschlossen. Doch sie ließ sich nicht beirren: „Also, da du nix vers(t)ehst, muss ich mich kurz fassen ...“


„... Na endlich!“


„He, du könntest mir echt dankbar sein.“


Also doch: Ich litt unter akuten Wahrnehmungsstörungen. Nicht Anja hatte den Pfeiler gebumst, sondern Anne. Und zwar kräftig. Von mir aus auch umgekehrt, denn so ein Betonphallus gehört da einfach nicht hin. Klarer Konstruktionsfehler, aber nicht weiter verwunderlich, denn jeder weiß ja, wie schlampig die Kölner Bauaufsicht arbeitet.


Es gab keinen Zweifel. Schadensbegrenzung war angesagt: „Ja, Schatz, das hast du großartig gemacht.“


„Jetzt überzieh' mich auch noch mit S(p)ott, nur weil du meine Taktik nicht vers(t)anden hast!“


Ich hätte ihr die Augen auskratzen können, besann mich aber stattdessen auf die Ideale meiner humanistischen Bildung, die Gewalt jeglicher Art verbieten. - Ha, das war's: „Wer hat denn diesem Arschloch in die Eier getreten?! Du oder ich?“ - Wow, das saß. Dachte ich.

„Die Tat ist nicht Gegens(t)and unserer Diskussion“, konterte Anne souverän, „sondern mein Vers(t)and ...“


„… An dem hab' ich bis gerade selten gezweifelt, also komm' jetzt endlich zum Punkt!“ Die giftigen Blicke, die unsere unmittelbaren Nachbarinnen gegen uns richteten, zwangen mich zu der Vorsichtsmaßnahme, unsere zunehmend lauter werdende – „Diskussion“, wie es Anne nannte – möglichst rasch zu beenden. In Erwartung einer gewaltigen Pointe schaute ich sie herausfordernd an: „Und?“


„Na ja ...“ Auch Anne hatte bemerkt, dass der Groll unserer Nachbarinnen unmittelbar davor stand, sich in verbalen Entgleisungen uns gegenüber zu entladen. Sie dämpfte ihre Stimme. „Nein, Liebste, was ich dir sagen wollte: Meine Taktik bes(t)and darin, die beiden feschen Schutzmänner ...“


„Holla!“


„... nein, nicht was du wieder denkst … jedenfalls, die beiden Bullen davon zu überzeugen, dass wir alle verrückt sind. Und Verrückte werden nun mal nicht s(t)rafverfolgt, beim Nachhauseweg werden sich die beiden Herren - ist das neutral genug? - sogar gedacht haben, ob sie nicht selbst verrückt sind. Natürlich tun sie mir leid, aber ich musste so handeln, sonst hätten sie am Ende noch dich verhaftet. - Du solltest mir wirklich dankbar sein, aber das war Grundkurs Psychologie, Erstsemester, wahlweise RTL II, aber davon


vers(t)ehst du natürlich nichts.“


In mir brodelte es, scheiß auf die humanistische Bildung, da gab es definitiv nur noch eine Lösung: Augen auskratzen!


Aber die schauten mich nach dieser finalen Unverfrorenheit so lieb, so schelmisch blinzelnd und damit so vertraut an, dass ich diesen unerfreulichen Disput nicht weiter fortsetzen konnte. Und auch nicht wollte.


„Arrogante Ziege!“ Das mochte ich mir dennoch nicht verkneifen - der in dieser Situation brutalst mögliche Akt verbaler Gewalt - ehe wir uns in der Gewissheit und auf den unwidersprochen kleinsten Nenner der Liebe vereint, mal wieder gemeinsam eine heikle Situation gemeistert zu haben, zärtlich in die Arme schlossen.


„Sag' mal“, wisperte Anne, deren zärtliches Knabbern an meinem Ohr ganz andere, wesentlich erfreulichere Gewalten in mir auslöste, „was sollte das eigentlich bedeuten, mit diesem Peter?“


„Pedro“, korrigierte ich, „Pedro, mein Schatz.“


„Na und? Schietegol, dann eben Pedro. Die alte Vettel hatte aber doch voll einen an der S(p)ritztüte. Sowas gehört doch weggeschlossen ...“


„Nee“, säuselte ich zurück, „davon verstehst DU ausnahmsweise mal nichts, denn Pedro ist Kult.“


„Ach?!“

„A rolling Thunder, a pouring Rain ...“ - Die Höllenglocken und die zuckenden Blitze im weiten, unvermittelt abgedunkelten Rund der plötzlich mucksmäuschenstillen Arena bewahrten uns vor weiteren unerfreulichen Dialogen. Der Abspritzcontest sah seinem Finale entgegen, doch ich ertappte mich dabei, dass meine Linke, wie von fernen Mächten gesteuert, Annes Scham umklammerte, genoss es für den Moment, dass mein Mittelfinger eintauchte in den warmen, feuchten Quell ihrer Lust, löste die Rechte von ihrer Schulter, um … auch … mich …


„Hells Beeells!“ - Diese blöden Australier in ihren komischen Schuluniformen raubten mir echt den Verstand …


„Ladies und Ladies!“ - Das kam zweifellos nicht von AC/DC, warum hätten die auch einen Stadionsprecher mit einer derart unerotischen Stimme als Leadsänger engagieren sollen?


„Heeells Beeeeeels“ - „Ladies und Ladies“ - Gleich zwei Finger meiner Rechten bahnten sich brutal ihren Weg durch meine – unverständlicherweise – noch reichlich trockenen, ungeschmeidigen Lippen, während die in schleimiger Nässe versinkende Linke meinem Kleinhirn suggerierte … Oh, der Daumen meiner rechten Hand … meine Klit … völlig unbeeindruckt von meiner mentalen Verwirrung … ich war gerade dabei, mich wundzuscheuern … vollkommen vom Irrsinn unmöglicher Lust überwältigt …

„Ladies und Ladies. Erleben Sie live das Finale der größten Wichser aller Zeiten, fiebern Sie ...“

„Ich muss mal.“


Jetzt war es vorbei.


„Schatz, ich muss mal, ich kann nicht.“


„Waaas kannst du n... nn...i nicht?“ - Ich war wie von Sinnen, zog meine triefende Linke zurück, rieb, rubbelte mit den klatschnassen Fingern meine sich zunehmend verkrampfende Spalte … „H, h... hee, ww… waaas kannst du nicht?!“

„Ich muss mal.“

Es war endgültig vorbei.


(Randbemerkung: Das Originalzitat von Thommy Lee Jones gegenüber Harrison Ford in „Auf der Flucht“ lautet: Es ist vorbei! Allerdings – off topic – hätte mich Augenblicke zuvor selbst Dr. Richard Kimble bis zur Besinnungslosigkeit vögeln können …)

„Verfluchte Scheiße!!“

„Es tut mir leid, aber ich kann's kaum noch aushalten. Du hast mit deinen Fingern meine Blase so ...“


„Das wollte ich nicht.“


„Ich weiß, aber ich kann's kaum noch aushalten, komm' bitte mit.“

Musste ich jetzt Einsicht zeigen? Ich bin heute noch ratlos, je mehr ich darüber nachdenke. Okay, Freundinnen gehen nie alleine zur Toilette, erst recht nicht bei Großveranstaltungen dieser Art. Doch ich war stur, wollte meinen Kollegen Elmar Awei beim Contest siegen sehen … „Nein, ich bleibe hier!“


„He, s(p)innst du?! Willst du mich den Schergen des Unrechts ausliefern? S(t)ell' dir vor, die s(t)ehen am Eingang …“


„Nach deiner Diktion kann da doch keiner mehr … s(t)eeheen ...“


„Du bist voll gemein, mich auch noch nachzuäffen, dabei habe ich solche Not.“


Puh, das saß. Als ob ich meine Liebste jemals im Stich lassen würde. Aus den Augenwinkeln sah ich gerade noch, wie der Erste der Spritzkünstler sein Sekret in den Sand setzte, doch dann war ich es, die meine Freundin zwischen den johlenden, „Halver Hahn“ skandierenden Weibern Richtung Ausgang 9, Oberrang 3, Sektor 5 zog.



Wie gerne hätte ich den finalen Schuss meines Kollegen noch gesehen, wobei ich bis heute nicht verstehe, warum ihm das von mir so heiß und innig geliebte Muttermal auf seinem Po damals so peinlich war. Na ja, typisch Mann. Ihr erkennt ihn an seinen Malen, die ihr geliebt habt, und ihr werdet ihn daran erkennen, wenn er euch, wie es seiner Art entspricht, ein ums andere Mal betrügt … Welch' verpeilte Feministin hatte nun wieder diesen Spruch geprägt, der im Moment mein Hirn zu verwirren imstande war?


Hatte selbst ich nicht eben noch mit Harrison Ford …?

„Komm' schnell, sonst piss' ich mir auf die Schenkel!“


Willenlos ließ ich mich von meiner Liebsten zur Toilette zerren.

Nun, ganz so eilig konnte es gar nicht gewesen sein, denn sie hatte noch genügend Muße, mindestens drei Sagrotantücher zu verschwenden.


Ich, zum Beispiel, sitze nie auf fremden Brillen, sondern hocke mit gebührendem Abstand. Im Stehen geht ja leider nicht – obwohl – einige hatten offensichtlich auch das versucht … insofern war Annes Hygiene-Attacke durchaus gerechtfertigt, selbst wenn ihr süßer Po mindestens den gleichen Abstand wahrte, wie es der meinige getan hätte.


„Ich könnte ja hintenüber s(t)ürzen, so wie du mich anschaust ...“


Ich schwieg, während ihr Strahl derart heftig ins Becken prasselte, dass ich nur voller Achtung staunen konnte, wie sehr sie ihren Blasenschließmuskel zuvor im Griff gehabt hatte.


„Jetzt glotz' nicht, gib' mir lieber Papier!“


Wortlos kramte ich zwei Tempos aus ihrer Handtasche, und dazu einen frischen Tampon. „Du musst doch sicher wechseln.“


Statt ihn zu nehmen, schob sie meine Hand sanft aber energisch zur Seite. „Du kennst deine eigene Geliebte nicht mehr … das eben hat dir wohl vollends den Vers(t)and geraubt!“


„Nein“, setzte sie ihren Vortrag nach einer kurzen Belehrung, dass mein Opel Corsa B von 1996 einen grundsätzlich intelligenteren Gesichtsausdruck hätte als ich in diesem Moment, fort, „es ist vorbei, war es schon gestern, aber in diesem Tumult hier wollte ich ganz sicher sein.“


„Anne, weißt du was?“, erwiderte ich kleinlaut, „wenn das alles hier vorbei ist, dann brauchen wir – glaube ich – erst mal zwei Wochen Urlaub, das ist doch alles nicht mehr normal.“


„Ich finde das Ganze sehr amüsant“, grinste Anne, während sie ihre Arme um meine Schultern schlang, um sich daran hochzuziehen, „du etwa nicht?“


„Doch, schon … aber jetzt haben wir vermutlich verpasst, wie Elmar ...“


„Gräm' dich nicht, meine Liebste, das ist doch eh alles abgekartet.“


„Wie meinst du das?“


„Wie ich es sage. - Schade, dass du mich für so naiv hältst, aber ich weiß, dass dieses schottische Monster ...“


„Long tall John ...“


„Genau, dass dieser Long Johl Tonn von vornherein als Sieger fests(t)and. Das ist doch alles nur Show, und wir Weiber sind so blöd, darauf hereinzufallen.“


„Warum hast du mich dann überhaupt hierher gelockt?!“ - Die letzte Aussage meiner Freundin machte mich echt wütend.


„Ich weiß es selbst nicht. Dieser Grad an Verrücktheit unseres eigenen Geschlechtes – wow, damit hätte ich auch im Traum nicht gerechnet.“


„Ist das dir jetzt peinlich?“


„Nö, für die Peinlichkeiten hab' ich doch dich an meiner Seite.“

Über diese Worte meiner Liebsten werde ich viel, viel später mal nachdenken, im Moment genoss ich es, dass wir trotz so vieler ungeklärter Fragen Hand in Hand durch die Katakomben der Köln-Arena schlenderten, während uns das Johlen, Kreischen und Pfeifen aus dem zwei Etagen höher angesiedelten Abspritzcontest wie Nachrichten aus einer fernen Welt erreichte.

„He, Andrea, schau mal da!“


Natürlich hatte ich die halb offene Tür längst gesehen, und auch gelesen, was da angeschlagen war: „Literotischer Zirkel – Kinder und Jugendliche haben freien Eintritt.“


Anne geriet ins Grübeln, ich aber musste laut lachen.


„Hey, Andrea, s(p)innst du, hast du gelesen, was da s(t)eht?!“


„Was denn?“


„Bist du blöd?! - Da s(t)eht; Kinder und Jugendliche haben freien Eintritt! Und das hältst du für normal?!“

Uuah. Meine Liebste hatte mal wieder den Moralischen. Was verstand sie denn schon von den Abgründen des Universums? Von meinem „Dejŕ vu“ in dieser Situation ganz zu schweigen? Natürlich hatten wir beide gelesen, was da stand, Anne konnte nichts damit anfangen, ich als Ehemalige aber schon. Meine Kämpfe wegen des nicht vorhandenen Jugendschutzes - so aussichtslos, die Beschimpfungen, die ich ertragen musste … Okay, ich hatte auch ganz schön ausgeteilt, aber es gibt halt Themen, da verstehe ich keinen Spaß.


Internetforen, die Vergewaltigungsorgien ebenso dulden, wie von debilen Greisen geschriebene Inzestgeschichten, die Sechsjährige lesen können, wenn sie sich als 18 ausgeben ohne sich ausweisen zu müssen. Freiheit der Meinung auf amerikanische Art. Jeder kann jedem ans Bein pinkeln, und das ganz anonym … Wenigstens waren sie hier mal ehrlich: „Kinder und Jugendliche haben freien Eintritt.“

Natürlich hatte Anne recht, aber ich hatte keine Lust, in diesem Moment mit ihr etwas zu diskutieren, bei dem wir uns ohnehin einig waren.


„Komm', lass' uns schnell weiter gehen“, sagte ich, zog dabei an ihrer Hand, wollte nur weg, auf dem schnellsten Weg.


Anne verstand nichts von meiner Agonie, denn sie hatte durch die einen Spalt weit geöffnete Tür das – wie sie meinte - Glück bringende Hufeisen entdeckt. In Hufeisenform angeordnete Tische, deren oberflächlich drapierten Kostbarkeiten selbst in mir sämtliche Säfte steigen ließen. Genau genommen, die Säfte meines Gaumens. Ein opulent ausgestattetes Buffet öffnete sich vor unseren Augen … und, immerhin – das soll jetzt keine Rechtfertigung sein - hatten wir beide seit dem Frühstück nichts mehr gegessen.

Wahnsinn! Lachsröllchen auf Weißbrot und mit Dill gekrönter Remouladenhaube, in feine Streifen geschnittene Mettwurst mit leichtem Zwiebelring und einer nach Art herbstlicher Eicheln geformten Spitze aus Löwensenf – Düsseldorfer Löwensenf aus der Tube – eine Herausforderung für jede Kölnerin, aber in diesem Moment war mein Mund größer als der Verstand. Sollen die Düsseldorfer doch wissen, dass wir Kölsche keinen eigenen Senf haben, dafür haben wir … Verflucht, jepp. Röggelchen, dick belegt mit Gouda, ganz altem Gouda, wow, furztrockenem Käse, der schon beim kleinsten schiefen Blick von selbst zerbröselt. - Oh ja, wir Kölner haben den halven Hahn, und hier gab's gleich ein ganzes Tablett davon …


„He, Anne, lass' uns schnellstens zurück in die Arena, ich habe das Gefühl, dass unser Elmar noch was reißen wird.“


„Du und deine Gefühle, ich habe Hunger!“


Unvermittelt hatte sie mich in den leicht verdunkelten Raum gezerrt, okay, nicht ganz gegen meinen Willen, schob sich genüsslich ein auf dem Silbertablett präsentiertes, mit grünen S(p)argels(p)itzen dekoriertes Parmaschinken-Canapée zwischen die Zähne, während sie mir einen ordinären Zahnstocher mit Goudawürfel, ganz jung, und mit grüner, leicht säuerlich schmeckender Weintraube gespickt, in den Mund drückte.

Was soll ich sagen? Ich will mich auch im Nachhinein nicht rechtfertigen, doch wir gebärdeten uns wie zwei ausgehungerte Löwinnen, schmatzten wie die Schweine, ließen sogar die von Anne gekonnt und lautlos entkorkte Flasche mit dem Dom Perignon von 1973 auf unseren Lippen kreisen, weil der staubtrockene Käse des halven Hahns tatsächlich unser beider Gaumen verklebte.



Während Anne in kaum zu beschreibender, unermesslicher Gier der Kopf des Flaschenhalses leicht gegen das Zäpfchen geraten war, und sie hustend und prustend das letzte Mettbrötchen samt vollständig erhaltener Gewürzgurke in den Saal spie, hörte ich Stimmen.


Nein, nicht Annes gewürgtes Stammeln „I... ich … h. hh...hasse d... ddd... deep sss, sss. Throat!“, sondern ganz gewöhnliche Männerstimmen, sehr real, sehr laut, und gar nicht so weit weg.

„He, Anne, halt doch mal endlich die Klappe!!“ -


Ich weiß, das war nicht nett, und ich entschuldigte mich auch gleich, denn ihr Teint unterschied sich kaum noch von dem unverdauten, symetrisch gefächerten Cornichon, das mitten auf einer Lache aus vormals edlem Champagner und schlampig zerkautem Brötchen mitten im Saal schwamm. Ich entschuldigte mich gleich ein zweites Mal, wobei mich Annes anhaltendes Würgen veranlasste, die mir panisch in die Hand gedrückte, erst zur Hälfte geleerte Champagnerflasche zurück auf den Tisch zu stellen. „Geht's noch, oder soll ich den Notarzt rufen?“


„N…, nei..., nnnicht nötig“, prustete Anne, die endlich wieder zur Ruhe kam, auch wenn sie das Cornichon mit dem letzten Krümel, den sie aus ihrem Hals schleuderte, lediglich um wenige Zentimeter verfehlte. „Hör' doch mal, da drinnen scheint eher ein Notarzt erforderlich zu sein …“

Ohne Zweifel: Es gab noch eine zweite Tür in diesem rundum mit dunklem Holz getäfelten Raum. In unser beider Gier auf das kalte Buffet war sie uns gar nicht aufgefallen, aber die lauten Männerstimmen, die ich als Erste vernommen hatte, kamen eindeutig aus dieser Richtung. Zunächst waren es nur Brocken, Satzfetzen, die ich aufgeschnappt hatte, doch hinter dieser verschlossenen Tür schien gerade ein Streit zu eskalieren, der uns beiden die Sprache verschlug. Dabei war ich erst einmal erleichtert, dass es meiner Liebsten wieder gut zu gehen schien.

***

„Gilipollas, du Flachwichser mit deinen Großbuchstaben, du kannst den Krieg haben, du Zwerg, du weißt, dass du mir nicht gewachsen bist, weder intellektuell noch körperlich!!! Merkst du nicht selbst, wie unsachlich du argumentierst?!“

„Dass grode du die Wresse uffreisen dust, Seggfej, eiverbibsch, des dut mich nu gornisch verwundarn! Du mit deenem Baumschulabbidur willst dich mit nem Lidderadurwissenschoftla anlegen?! Du griegst jo nicheemol zwee, dree grode Sädze ohne fählerhoffte Ordogrophie raus!“

***

Ach du Schande. Ein Sachse.


„Wusstest du, dass Sächsisch zur unerotischsten S(p)rache Deutschlands erklärt wurde?“


Nein, das wusste ich noch nicht, obwohl ich Annes grinsend vorgetragenen Einwand durchaus nachvollziehen konnte. „Ich glaube“, erwiderte ich lachend, „dass es bei diesem Disput gar nicht um Erotik geht.“


„He“, ließ Anne nicht locker, die schon wieder ganz die Alte war, „hat der erste Typ nicht ,Gilipollas' gesagt?“


„Kann schon sein, aber er hat's eher geschrien.“


„Du kapierst mal wieder garnix, das ist doch S(p)anisch! Und, weißt du, was das übersetzt bedeutet?“


Nee, wusste ich nicht.


„Arschloch!“


„Echt?“ Ich hatte es wirklich nicht gewusst. „Dann ist ,Seggfej' vermutlich ungarisch?“


„Hä, wie kommst du jetzt darauf?“


„Weibliche Intuition, mein Schatz, nur so ein Gefühl ...“


„Ach?!“


„Sag' ich doch. Die Finnen würden es ,Kuloipää' nennen!“


Unser kleiner Diskurs über die sensiblen Eigenheiten europäischer Sprachen wurde jäh unterbrochen.

***



„Offensichtlich versucht hier ein Stinkstiefel schon seit ca. 3 Wochen, einen Krieg anzuzetteln. Die Zielscheibe ist CameliaS. Dazu benutzt er andere Mitglieder, unter anderem mich, Lul und Con, aber auch Supak. Er versucht es jedenfalls. Anfangs dachte ich noch, Dupek wollte sachlich kritisieren. Inzwischen bin ich der Meinung von Fáviti: Der Kerl ist ein intrigantes Schwein!“

„Nu, donke, meen lieba Seggfej, dass du zur Sochlichgeit zurückgehren tust. Ich will geenen Grieg, ohch wenn du geene Ahnung von Lidderadur host … Du host ja nichemol deenen Brecht nich geleäsen, „DIE HEILSCHE JOHANNA DER SCHLOCHTHÖVE! Gibb's zu!!“

„Was soll ich zugeben, dass DU hinter all diesen verleumderischen Kampagnen steckst, dass DU nur neidisch bist, weil CameliaS um Klassen besser ist, als DU mit deinen kläglichen Versuchen, deine eigene Rechtschreibschwäche auf Kosten unserer ungekrönten Foren-Queen zu kaschieren?! Du Null!!“

„Nu, momendomol, meen lieba Seggfej, Die GomeliaS iss doch gor geene Frou, die issen Gerl aus Soggsen, genau do, wo ich auch hergommen tu. Wenn die Germanistik studieren tut, dann fress' ich als Lidderadurprofässor en Besen, unn zwor gwäär!“



***

Mittlerweile hatten wir fast alle europäischen Sprachen gehört: Holländisch, französisch, kroatisch. polnisch, isländisch – sogar die doppelte sächsische Verneinung, wobei uns das angelsächsische „Asshole“ bisher noch nicht untergekommen war. Aber das konnte ja noch kommen.


Anne und ich fanden diesen peinlichen Dialog höchst amüsant. Wie konnte ein vermeintlich sächsischer Literaturprofessor Brecht gleich doppelt verneinen? Okay, Bertolt Brecht war nie Sachse … aber trotzdem!

„Ein unerotischer Idiot“, stellte Anne nüchtern fest, „wir sollten schleunigst hier verschwinden! Das ist doch nur Müll, was die vielen S(t)reithähne da absondern.“


Sie hatte irgendwie recht!


Warum waren wir überhaupt hier? - Anne hatte mich hierher geschleppt, aber ich wollte es doch auch. Ein Spaß, mehr nicht. Männern passiv beim Wichsen zuzuschauen, das ist nicht gerade die Lieblingsbeschäftigung einer Frau. Als wenn es auf die Größe ankäme! Korrektur: die Länge! - und die Scham. - Nein nicht meine, jedenfalls nicht die. Und auch nicht Annes. Die Scham darüber, wie wir Frauen auf ein paar sabbernde Schwänze abfahren, wenn wir uns selbst jeglicher Bodenhaftung berauben …


Seltsam, dass mir gerade in diesem Moment meine Freundin Anja in den Sinn kam. Wo war die bloß abgeblieben? Seit ihrem unfreiwilligen Techtelmechtel mit den stattlichen Säulen der Arena hatte ich sie nicht mehr gesehen. Ich machte mir Sorgen. Krude Bilder schossen mir durch den Kopf. Nicht auszudenken, dass sie vielleicht neben dieser synthetischen Helga auf einer Trage im eigens für den Abspritzcontest errichteten Notlazarett liegen könnte.


Und überhaupt: Elmar! Vielleicht feierte er gerade den größten Triumph seines Lebens (außer dem, dass er mich verlassen hatte …) und durfte sich trotzdem nicht zu erkennen geben. Diese blöde Ledermaske!! Oder war es Latex? - Ich mag beides nicht, mein Gefühl von Erotik bevorzugt Samt und Seide, Sinnlichkeit, weiche Haut, zart, natürlich …

„He, Andrea!“


„W... www... waaas?“


„He, hör' doch mal zu, da ist noch einer, ein Bajingan, wenn ich das richtig vers(t)anden habe ...“


Die Realität hatte mich zurück. „Bajingan? - Das ist malaiisch!“


„Wie bitte?! - Seit wann vers(t)ehst du malaiisch?“


„Im Moment verstehe ich alles. Bevor ich dich kannte, hatte ich einen malaiischen Bären, ein wolliges, zotteliges Kätzchen, und das hat mir die Grundzüge malaiischer Sprache beigebracht.“


„He, du willst mich vers(p)otten, mich auf den Arm nehmen?“


„Nein, Liebste, das will ich nun wirklich nicht. Aber diese Typen sind doch alle gleich.“ Ich ignorierte die großen Augen meiner Freundin, wollte selbst wissen, was das malaiische Arschloch zu sagen hatte, die Hälfte seines Monologs hatten wir wegen meiner vorübergehenden mentalen Abwesenheit ja bereits verpasst.

***


„ … Ich glaube du solltest dir DRINGEND Hilfe holen und das meine ich jetzt wirklich ernst, dein aggressives Verhalten ist derart auffällig, das ist wirklich nicht mehr normal. Was denkst du, wo du hier bist? Und vor allem, wer du bist? Ich kann mir vorstellen, dass CameliaS solch ein Verhalten von dir auch eher abstoßend findet, MfG Babaca ...“

***


„Das war portugiesisch!“ - Diesmal war es Anne, deren triumphal vorgetragenen Sprachfertigkeiten ihr durchaus einen Platz als Ansagerin in der Sendung mit der Maus gerechtfertigt hätten. Dabei stehe ich auf dem Standpunkt, dass selbst Kinder und Jugendliche mindestens bilingual aufwachsen sollten – aber es kam noch schlimmer:

***


„Dass die Beweisführung von Babaca falsch ist, habe ich bei Dark Desire Hot Spot 2,5b von Han Mom ( … Das war vietnamesisch; Anmerkung der Maus, äh – der Verfasserin) dargelegt. Zu diesen Kommentaren kann man dort aber keine Stellung mehr beziehen, da die Kommentarfunktion im Moment blockiert ist. Die Geschichte ist aber auch sehr geil … wie der zwölfjährige, schon etwas altersschwache Rauhaardackel die 93-Jährige … das ist geil, geil, geil. - Lass dich von diesen selbsternannten Sittenwächtern, diesen Moral-Taliban, nicht verunsichern. Ihr seid doch alles Arschlöcher, ihr alle, mit eurer Doppelmoral!“

„Was verstehst DU schon von Doppelmoral, Nebelkrähezwo? Du scheinheiliger Aasfresser!!“

„Des muss'ch mer nu aba gornich mehr bieten lossen …“

***


Anne schaute mich mit großen Augen an. „Denkst du auch ...“


„... was ich denke?“, vollendete ich ihren Satz.


„Nebelkrähezwo“ hatte gerade sächsisch gesprochen, und das mit der Stimme von „Gilipollas“!

Ach, wie schön, wenn ein Paar so wunderbar ohne weitere Erklärung harmoniert, wie wir beide. Dafür hatte sie einen zärtlichen Kuss verdient … hmm, Anne schmeckte nach all den Zwiebeln gar nicht gut, ich vermutlich aber auch nicht. So waren wir uns erst einmal einig, dem Geheimnis der sonderbaren Sprachverwirrung im Nebenraum ganz sacht und vorsichtig auf den Grund zu gehen.



„Ich seh' nix“, flüsterte Anne, nachdem sie die zu allem Überfluss auch noch leicht ächzende Tür einen Spalt weit geöffnet hatte.

Wir wurden mutiger.


„Ich sehe nur leere S(t)ühle.“


„Ich auch.“ Dem Geschrei von vorhin nach zu urteilen, mussten sich dort mindestens 20 Personen aufhalten. Stattdessen sahen wir nach vollständigem Öffnen der Tür lediglich etwa 100 in 10er-Reihen angeordnete, leere Stühle, geteilt von einem schmalen Gang. Der edle Teppichboden und die dezenten, den Raum in ein warmes Licht tauchenden Deckenleuchten passten so gar nicht zu der eher schäbig wirkenden Wandvertäfelung. Ich tippte auf billigstes Furnierholz, dabei hätte doch gediegene Limousin-Eiche dem Saal ganz sicher einen festlichen Charakter verliehen.


Wer weiß, woher die dicken Schmeißfliegen stammten, die in nachgerade selbstmörderisch wirkender Art immer wieder aufs Neue versuchten, das leicht getönte Glas der Deckenleuchten zu durchstoßen.


Pok, pok, pok …


„Ist ja voll eklig“, murmelte Anne, die meinen gleichermaßen von Abscheu und Faszination umherschweifenden Blick auf das offensichtlich einzige menschliche Wesen in diesem Saal lenkte.

Tatsächlich, mitten im schmalen Gang zwischen den Stuhlreihen stand ein - uns glücklicherweise den Rücken zugewandter, relativ kleiner Mann mit blauer Pudelmütze und viel zu großer Lederjacke, die ganz sicher auch schon bessere Tage gesehen hatte.


Doch das war nicht das Entscheidende, denn in der Linken hielt das Hutzelmännlein ein … Handy … nein, ein Diktafon, das er gerade mit theatralischem Gestus, uns immer noch abgewandt, in die Höhe riss. Nachdem er mit relativ ruhiger Stimme „Schnitt, nächster Beitrag“, ins Mikrofon gesprochen hatte, setzte er gleich seinen Veitstanz fort, ruderte wie ein um sein Leben Kämpfender mit den Armen.

Pok, pok, pok … Ob das wirklich Schmeißfliegen waren?



Doch mir blieb keine Zeit über Killerbienen oder zu giftstacheligen Monstern mutierte Fruchtfliegen der Gattung Drosophila nachzudenken, denn das Kerlchen erhob in künstlich aufgebrachter Manier seine Stimme:

„So, so, SIE wollen also Krieg! Den bekommen Sie aber nicht! - Als wenn ich mich auf Ihre unsachliche, argumentations- und sinnfrei Ebene herablassen würde! Da müssen Sie sich schon andere Opfer für ihre plumpen und nicht einmal durch Voltaire, Kolle oder Kant legitimierten Beleidigungen aussuchen. (Sie werden es vermutlich nicht wissen, aber VKK, das waren die großen Aufklärer der Geschichte ... mal so BtW … Muhaha)!


Tjaja, die Null scheint IHRE ganz persönliche Kennzahl zu sein, doch eines müssen Sie wissen: ICH bin es gewesen, der sich schon mit Leibnitz und Gauss im Sandkasten geprügelt hat, und diesen Koniferen der Mathematik geduldig und mühevoll beibringen musste, dass sie noch so viele Nullen vor ihrem erbärmlich gekrümmten Komma anhäufen können ... letztlich bleibt es bei der Null. Da verwundert es mich gar nicht, dass SIE mit 10.000 englischsprachigen Geschichten beeindrucken wollen! Natürlich mussten Sie sich dabei einen runterholen, Sie haben die Geschichten ja nicht verstanden! Muhaha.


Ich hingegen habe mindestens 60.000 englischsprachige Geschichten gelesen, Sie sehen, dass Sie mit Ihrer Bildungsferne mir nicht einmal das Teewasser heiß machen können.


Außerdem verbitte ich mir derart indiskrete Angriffe auf meine Privatsphäre, indem Sie mir auch noch vorschreiben wollen, wann ich zu arbeiten habe. Als Chief Extension Officer einer der weltweit marktführenden Hersteller von virtuellen Breisaugern, Eierkochern und Schlabberlätzchen arbeite ich natürlich Tag und Nacht, 48 Stunden rund um die Uhr. Selbstverständlich können Sie Beamtenarsch sich so etwas nicht vorstellen. Vermutlich wissen Sie nicht einmal, wie man Kwalitätskontrolle korrekt schreibt.


SIE wollten den Krieg, nicht ich! Wie gesagt: Ihr mangelndes Niveau ist mir zuwider, suchen Sie sich eine andere Spielwiese gleichgesinnter Minderbemittelter, melden Sie sich von mir aus bei milupa.to an, dort werden Sie sicherlich mit offenen Armen empfangen, doch in unserem, für seine wissenschaftlich-akribisch fundierte Textarbeit berühmten, literotischen Forum haben SIE mit Ihrer sakrilegistischen Polemik keinerlei Existenzberechtigung.


"A, geh, hör doch uff", würden die Hessen sagen. Muhaha, sage ich.


Einen schönen Lebensabend noch ...“

Wow, das kleine Kerlchen musste erst mal Luft holen. Ich hatte mich ohnehin gewundert, wie er diese Tirade durchhalten … ups, er war noch nicht fertig:

„P.S. Meinen Lebensabend werde ich mir mit provenzalischen Höhlenzeichnungen, die ins Micky-Maus-Format transloziert wurden, wobei die Inhalte der Sprechblasen von mir persönlich aus dem Englischen in Keilschrift translatiert worden sind ...


Ach, was geht das euch an! Ihr seid es doch alle nicht wert!“

Anne und ich schauten uns fragend an. Vermutlich hatten wir einen der vorhergehenden Beiträge verpasst ...



„Schnitt, Cut, nächstes Posting: Wenn du wirklich Literaturwissenschaftler bist, verehrter Gilipollas, dann würdest du hier keinen derartigen Müll über unsere zweifellos beste Autorin absondern. Natürlich hast du recht, dass ihre Sexszenen sehr nüchtern, gleichsam steril wirken, doch ich vermute einmal, dass du Null, du Versager, nicht einmal weißt, dass das S in CameliaS für Stahl steht. Jawohl! Abgeleitet von den Ladies of Steel aus den amerikanischen Südstaaten. Frauen, nein Autorinnen, die in ihrem Leben viel durchgemacht haben, Frauen, nein Autorinnen, deren Schicksal sich in besonders harter, gleichsam nüchtern-steriler Erotik widerspiegelt ...“

Wie von der Tarantel gestochen, sprang das skurrile Männlein einen halben Meter zurück, wäre dabei fast rücklings in die Stuhlreihe gestürzt, konnte sich aber gerade noch fangen, um seinem Diktafon mit etwas gemäßigter Lautstärke die Anweisung „Schnitt, Cut, nächster Kommentar“ zu geben.

„Eiverdibsch, dann willst du mir also weesmochen, dass CameliaS eene Domenbinde us Stohl sein tut?!“

Anne griff meine Hand. „Ich kann nicht mehr, ich piss' mir gleich ins Höschen!“


„Du hast doch gar keins an.“


„S(t)immt auch wieder, aber der S(p)inner da vorne ist einfach zu köstlich.“


Dieser Meinung war ich allerdings auch. Obwohl ich in diesem Moment noch unentschlossen war, ob ich laut lachen oder leise weinen sollte. Anne, das stand fest, war jedoch mal wieder eindeutig zu laut beim Flüstern, so dass der „talentfreie Schaus(p)ielschüler“, wie sie ihn kichernd – in der festen Überzeugung, dass nur ich sie hören könnte - bezeichnete, erschrocken zusammenzuckte, sich um 180 Grad drehte, uns entgeistert anstierte und vor lauter Schreck sogar sein Dikiergerät aufs Parkett fallen ließ.

„He, Anne!“ - Ich musste meine sich vor Lachen bereits in unkontrollierten Bewegungen krümmende Freundin tatsächlich heftig schütteln, um sie zur Besinnung zu bringen. Aber dieses zur Salzsäule erstarrte Hutzelmännchen war einfach nur komisch. Sogar die Pudelmütze hatte sich in der Hektik der zuvor unkontrolliert ausgeführten Drehbewegung derart verschoben, dass er mit seinen schmalen, fahlen Lippen durchaus den Saum berühren konnte.

Umso überraschter war ich, wie zügig er seine Contenance zurückgewann. „Aber hallooo, die Damen, hallööchen und willkommen im Literotischen Zirkel. Sie sind die Ersten, wie ich sehe, die anderen Herrschaften werden gleich eintreffen.“

Oh ja. Schon mein Vater, immerhin Einsneunundachtzig groß, hatte mich an meinem 15. Geburtstag vor dieser Spezies gewarnt: „Kind, hüte dich vor kleinen Männern!“


Danke, Papa.


Anne schien dieses Privileg eines wohl geordneten Elternhauses nicht genossen zu haben, denn sie riss sich von meiner Hand los und steuerte, im Habitus fast schon bedrohlich wirkend, energisch auf den Zwerg zu. „Sie S(p)inner, Sie! Sie elender Betrüger!!“

Oh weh, Annes Belustigung war unvermittelt unkontrollierter Wut gewichen, das Bild des auf Knien gekrümmten Gauklers schoss mir durch den Kopf, und ich war echt nicht gewillt, sie erneut wegen schmerzender Zehen trösten zu müssen. „Anneee!“, schrie ich, „Lass' den Idioten, er ist es nicht wert!!“

Damit, dass meine zur Furie mutierende Liebste doch noch einen Funken Selbstkontrolle haben würde, hatte ich (verzeih' mir, Schatz.) nicht erwartet. Oder vielleicht doch: Wer würde schon auf ein – zugegeben – zunächst reichlich dreist auftretendes Kerlchen, das aber plötzlich wimmernd, seine Hände über den Kopf haltend, im nächstbesten Stuhl kauerte, einprügeln? - Nicht mal ich. Und außerdem war ihm seine Pudelmütze schon wieder über die Nase gerutscht.



Mittlerweile stand ich neben meiner immer noch schäumenden Freundin, doch ein flüchtiger Blickkontakt bestätigte uns darin, dass hier wohl eher Mitleid angebracht war. Obwohl ich wimmernde Kerle überhaupt nicht leiden kann.

Dass Anne unsere gemeinsame Wut mit heftigem Stampfen gegen das vor uns auf dem Boden liegende Diktafon austobte, fand ich in diesem Moment eher unangemessen. Aus therapeutischer Sicht vielleicht verständlich, denn mit dieser, gegen unschuldige Gegenstände gerichteten Tat, weckte sie die Lebensgeister des kleinen Arschlochs. „Nein! Nein!! Nein!!!“, schrie er, eher kläglich, sprang aus seinem Sitz, um sich im nächsten Moment über Annes Füße zu werfen. „Bitte nicht, bitte nicht die Arbeit zweier Wochen! Bitte nicht!!“

Dass Anne ihren Fuß zurückzog, goutierte ich mit Erleichterung. Die kleine Spitze: „Jetzt spürst du endlich, wie es mir eben bei der Tuttelsau ergangen ist“, konnte ich mir dennoch nicht verkneifen. Damit war auch das geklärt, und mit vereinten Kräften platzierten wir den dreisten Kerl, der sich, noch in aussichtsloser Position zu unseren Füßen liegend, schon wieder über „zwei lecker geil rasierte Kätzchen“ amüsiert hatte, zurück auf seinen Stuhl.

Unter Tränen gestand das Hutzelmännlein, dass er, Alfred Schmitz aus Köln-Poll, sich eigentlich „Anonymous“, wahlweise „Anonymos“, nennen würde, vor zwei Jahren seinen Job als Herren- und Damenausstatter verloren habe, was aber nie sein Traumjob gewesen sei. „Ich war am Boden, am Ende, alles hatte ich verloren … das können Sie mir glauben, die Damen!“

„Nein!“ - Ach wie schön, wenn Freundinnen sich doch so einig sind und mit einer Stimme sprechen …

„Wie?!“ Der Kleine schaute uns entgeistert an, vergaß sogar für ein paar Sekunden, dass er eigentlich in Tränen aufgelöst sein sollte, besann sich kurz, und setzte seinen Vortrag in bewährt schluchzendem Tonfall fort: „Ich war am Ende, verzweifelt, am Boden, doch, wie so oft, wenn es keinen Ausweg mehr gibt, tut sich ein kleines Lichtlein auf, das Leuchten am Ende des Tunnels ...“

„He, willst du uns verarschen?“ - Hm. Im Moment schämte ich mich sogar für den vulgären Ausbruch meiner Liebsten, kannte sie denn gar kein Erbarmen? - Mir tat das Kerlchen leid, und mit einem energischen Ellbogencheck in Annes Rippen machte ich ihr deutlich, dass meine humanistische Ader Gewalt jeglicher Art grundsätzlich ausschließt: „Halt' die Klappe, lass' uns doch mal hören, was der Herr zu sagen hat ...“

„Danke, Herrin!“

Wie konnte Anne über diesen Anflug von Devotismus jetzt so zynisch lachen, wo ich doch gerade im Begriff war, selbst an den Werten und Idealen, die mir meine Eltern mit auf den Weg ins Leben gegeben hatten, zu zweifeln? „Erweise jedem Menschen den gebührenden Respekt, auch wenn er dir noch so klein und mickrig erscheint, aber sei auf der Hut, denn gerade diese kleinen Typen sind aufgrund ihres mangelnden Selbstwertgefühls extrem gefährlich ...“


Jepp, das hatte mein Vater gesagt, dabei konnte ich mit solchen Dom-Sub-Situationen noch nie was anfangen. Anne auch nicht, aber ihr fehlte der humanistische Hintergrund: „Komm' endlich zum Punkt, du mieses Schwein, sonst gibt’s was auf die Zwölf!“

Zum Glück hatte das Hutzelmännlein von meiner Agonie nichts mitbekommen, wie sollte es auch? Unbeirrt setzte es seine Schilderungen, die mich verdächtig an diesen … wie hieß er noch gleich? … Ach ja, Franz Szymankowiak, diesen debilen Squirting Arrow, erinnerten, fort: „Was denken sich die Damen eigentlich, wie ein Mann, der in der Talsohle seiner Existenz angekommen ist, seine Familie über Wasser halten soll?“

Nee, das wussten wir nicht.

Langsam löste sich das Kerlchen aus seiner Schockstarre: „Es war ein glücklicher Zufall und eine, vermutlich von meinem Großvater mütterlicherseits ererbte, gewisse literarische Begabung, die mir das Licht am Ende des Tunnels entzündete, dieses Licht … Können die Damen mir folgen?“


Ja, das konnten wir.


„Danke! - Mein Gott, dieses Licht, diese Gönner aus Amerika, diese beiden wunderschönen Heuschrecken … sie sind es gewesen, die meine Begabung erkannt und gefördert haben. 30 Dollar pro Kommentar, mindestens 15 pro Tag … wissen die Damen, was 15 mal 30 ergibt?“

Ich wusste es auf Anhieb nicht, Anne rechnete etwas schneller, aber sie schwieg und lauschte andächtig grinsend den weiteren Ausführungen des Hutzelmännleins: „Es war so einfach, 15 zusammenhanglose Kommentare in wechselnden Rollen … Mein Gott, welcher halbwegs literarisch bewanderte Schauspieler wünscht sich nicht eine derartige Traumrolle? Ein bisschen vulgär, dicht unter der Gürtellinie … Mein Gott, die Rolle meines Lebens, aber ihr ...“ Erneut setzte er sein erbarmungswürdigstes Schluchzen auf, „aber ihr, ihr habt meine Existenzgrundlage zerstört, mein Leben, die sieben hungrigen Mäuler, die ich zu stopfen habe, wie soll ich jetzt meine Familie noch ernähren?“

Bis dahin hatte ich aufmerksam zugehört, ja, war sogar bereit gewesen, alle Schuld auf Anne zu schieben, schließlich hatte sie das Diktiergerät mutwillig zerlegt, doch dann wurde selbst mir bewusst, dass ich die Geschichte von den sieben hungrigen Mäulern heute schon einmal gehört hatte. Und Anne auch, doch die musste ich mit einem zweiten Ellbogencheck davor bewahren, erneut in einen unkontrolliert krampfenden Lachanfall zu fallen.

Was im Moment zählte, das waren Fakten. „Was soll denn, wenn ich Ihnen glauben darf“, widmete ich mich dem vermeintlichen Alfred Schmitz aus dem Nachbarstadtteil Poll, „dieser ganze faule Zauber von wegen Literotischer Zirkel?“


„Alles nur Fake“, grinste das ob unserer Zweifel sichtlich erholte Hutzelmännchen dreist, „mein Arbeitgeber hat das so verlangt, er hat 97 Teilnehmer angemeldet, ich war nur zu blöd, die Tür abzuschließen.“

„Aha!“ - Wow, Anne hatte ihren neuerlichen Lachanfall überwunden. „Ihre Auftraggeber s(p)ekulieren wohl an der Börse?“


„Was meinen Sie damit?“


„Na, so ein opulentes Buffet für eine Person ...“


„Nein, für 97.“


„Aber es sind doch keine 97 Personen gekommen.“

Jetzt wurde der Kleine auch noch unverschämt: „Das ist nicht mein Problem.“


„Moment mal.“ Ich sah mich veranlasst, ganz energisch einzuschreiten, „hier wurden edelster Champagner und feinster halver Hahn für tausende von Euronen aufgebaut … nur als … Fake?!“ Ich war echt wütend, eine derartige Verschwendung kostbarer Lebensmittel kann ich nie und nimmer tolerieren. Gefakte Kommentare auf literotischen Boards hin oder her, aber bei kostbaren Nahrungsmitteln hört der Spaß auf. „Und, wer zahlt dafür? - Ich meine, für dieses sündhaft teure Buffet? - Ihre komischen Heuschrecken aus Amerika doch ganz sicher nicht ...“

Vorsorglich hatte Anne, der dieses krasse Missverhältnis offensichtlich im gleichen Moment aufgegangen war, den Kerl an seiner schmuddeligen Lederjacke gepackt. Doch der wand sich mit behänder Leichtigkeit aus der ihm ohnehin viel zu großen Jacke, stand bereits in der Tür und rief uns triumphierend zu: „Ihr zahlt natürlich! Wer hat denn davon gefressen, ich doch nicht!“



Damit war er weg, und wir beide standen wie begossene Pudel zwischen leeren Stühlen. Selbst das Diktafon, unser vielleicht einziges Beweismittel, war zerstört. Das Handy, das in einer der Innentaschen steckte, interessierte uns nicht weiter, schließlich sind wir diskret. Dummerweise war es ohnehin abgeschaltet ... und ohne PIN? - „Glückwunsch, Anne, da hast du ganze Arbeit geleistet ...“

Natürlich entschuldigte ich mich gleich, das war auch höchst unfair. Sollten wir hier stehen bleiben, und auf potenzielle Gläubiger warten? Nein, nix wie weg! Vielleicht würden sich ja bei der VIP-Party noch ein paar hungrige Mäuler finden. Ob allerdings wir beide uns da noch blicken lassen könnten …


Wir schnappten uns noch schnell ein paar Canapés, ließen die abgerissene Lederjacke mangels Mülleimern im Gang fallen und eilten stante pede zurück zu Tor 9 im Oberrang.

Wesentliches hatten wir nicht verpasst … Squirting Arrow stülpte gerade seine Gummimuschi über … Und von unseren Nachbarinnen kam auch nichts Neues: „Oh Gott, ihr schon wieder!“


******************************

NATURAL BORN DEALERS

Abgesehen davon, dass mein Leopardentanga als Trophäe des Tansanischen Löwen irgendwo im Nirwana verschwunden war, glich alles hier der Situation vor der Pause. Der Ansager drosch seine Sprüche raus, und die Gladiatoren rüsteten sich für den Endspurt.

„Darf ich dich mal was fragen, Blondie?“


„Nein!“


„Du weißt schon, dass du ein bisschen was an der Klatsche hast?“


„Wieso?“, fragte ich. „Nein! Lass es! Ich diskutier' doch nicht mit einer imaginären Besserwisserin.“


„Okay, dann wirst du halt nicht erfahren, was ich dir sagen wollte …“


Ich starrte weiterhin auf die Bühne … Der Sekundenzeiger der Uhr brauchte eine Ewigkeit für einen Umlauf …


„Okay, Voice. Spuck’s aus!“


„Du schreibst doch Sexgeschichten …“


„Nein!“


„Sondern?“


„Geschichten halt!“


„Oh, welch emphatische und weitschweifige Auskunft.“


Ich verdrehte die Augen. „Na schön, ich würde sie als blogartig angehauchte, ironische, dialoglastige Kurzgeschichten aus dem Leben, mit einer Prise Erotik bezeichnen.“


„Wow! Na gut, aber du könntest ruhig mal mehr abgehen. Zum Beispiel als nymphomane Krankenschwester, oder notgeile Lehrerin – das kommt immer an. Dazu ein bisschen Gruppensex und Rudelbums …“


„Darf ich vielleicht das schreiben, was mir gefällt? Brauchst es ja nicht zu lesen …!“


„Oh je, oh je. Jetzt zick’ doch nicht gleich wieder rum, Blondie. Ich versuche ja nur dir zur helfen.“

Ein Raunen der Zuschauerinnen lenkte mein Augenmerk auf die Bühne. Long Tall Johns verzweifelter Blick sprach Bände. Der des obersten Zeitnehmers ebenfalls. Anni gab alles, aber auch sie erkannte den Ernst der Lage.


„Zwanzig … neunzehn … achtzehn ...“ Der Meister wurde angezählt.


Das Drama ließ die Frauen verstummen, viele erhoben sich von ihren Plätzen, gedrückte Daumengelenke knackten, vereinzelnde Anfeuerungsrufe verloren sich in der Halle. Mittlerweile hatte John die Sache selbst in die Hand genommen.


„Elf … zehn ...“


Wie ein wilder Stier versuchte er alles – oder zumindest – etwas - aus sich rauszuholen.


„Vier … drei ...“


Einen markerschütternden Brunftschrei ausstoßend, schaffte es John in buchstäblich letzter Sekunde der Disqualifizierung von der Schippe zu springen. Die indiskutable Weite bescherte ihm ein mitfühlendes Aufstöhnen seiner zahlreichen Fans.


„Dieser verfluchte Journalist! Wenn ich ihn erwische, schlag ich ihn tot!“, tobte der gedemütigte Athlet.


„Merkt ihr was? Es war nicht seine Schuld, sondern die der Presse“, meinte Tina vorwurfsvoll.


„Wobei, ohne ’Presse’ hätte er es nicht geschafft!“, gab ich ihr zwinkernd recht. Voice war kreidebleich und starrte auf die Bühne.

„Was ist denn?“


„Ich will wissen, ob sein Schwanz noch dran ist, oder ob er ihn kaputt gemacht hat.“


Er war noch dran, und ein erleichtert klingendes Raunen ging durch die Reihen. Er hatte sein Problem gelöst, meines war noch in weiter Ferne, und ich machte mir ernsthaft Sorgen wegen des Leopardentangas.


„Habt ihr schon eine Idee?“, fragte ich nach einer Weile,


„Ja, ich habe mir überlegt, dieser Annie ihr transparentes Blüschen und das ultrakurze Röckchen zu klauen und mich vor Long Tall John hinzuschmeißen“, erklärte mir Tina allen Ernstes.


„Du Miststück! Das war meine Idee! Meine! Meine! Meine!“, fauchte Voice, und die beiden lieferten sich einen heftigen verbalen Schlagabtausch.

Ich verdrehte die Augen und schaute zu den beiden Lederladys. Sichtlich entspannt, leicht verstrubbelt und mit knallroten Bäckchen kuschelten sie sich aneinander.


„Na? Während der Pause gut amüsiert?“


„Oh, ja! Wir haben eine Flasche Rotwein intus“, erklärte Schweinebacke nicht ohne Stolz und demonstrierte das Pausenhighlight mit der dazugehörenden Handbewegung.


„Die haben wir natürlich vorher ausgetrunken, stimmt’s mein in Olivenöl frittiertes Hühnchen-Schlegelchen …“

Wieder fühlte ich diese unbeschreibliche Leere in meinem Kopf. In Gedanken schwebte ich durch ein Raum-Zeit-Kontinuum, bis mich ein Wurmloch zurück in die Realität sog …

„Was rutscht du so auf dem Stuhl rum, Blondie? Pussy nass?“


Für Voices unangebrachten, dummen Spruch strafte ich sie mit einem verächtlichen, herablassenden Blick.


„Jetzt schau doch nicht so böse. Meine ist klatschnass. Hast’ ne Idee, was ich dagegen tun könnte?“


„Ja! Da hinten an der Treppe ist ein Geländer – rutsch runter.“


„Wua wua wua – ganz schön lustig, Blondie. Wenn ich dir helfe, dein heiß geliebtes Höschen wieder zu kriegen, bist du dann lieb und nett zu mir?“


„Vielleicht.“

Die und mir helfen können? Mit ihrer großen Klappe, oder was? Ruhig bleiben, Anja.


Sich aufzuregen bringt dich nicht weiter.


Während ich mich in Gedanken verlor, ging die Bühnenshow mit unveränderter Härte weiter. Ich konnte den sich überschlagenden Ereignissen kaum noch folgen.

In meiner internen Wertung war Squirting Arrow mit seiner Gummimuschi die unangefochtene Nummer eins, dann folgte der Schlaksige mit der Ledermaske, oder eben wegen der Ledermaske, aber Big „The Boss“ Bull lief ihm gerade den Rang ab. Besser gesagt: seine Begleiterin. Den Pokal der ältesten Contest-Besucherin hatte sie sicher – gesponsert von blend-a-dent Super-Haftcreme. Aber so einen Sponsor hatte wohl auch Captain „Heavy“ Hunters Anbläserin, die sein Glied erst gar nicht mehr aus dem Mund bekam …

Ich gab auf … „Ja!!! Ich bin wieder lieb zu dir.“


Voice grinste wie das sprichwörtliche Honigkuchenpferd: „Geh zur Wahrsagerin!“


„Wahrsagerin?“


„Ja, Esmeralda! So eine alte Schatulle, gefühlte 129 Jahre alt, mehr Krater im Gesicht als der Grand Canyon an den Füßen. Ein Kopftuch, wie bei der Hexe aus Hänsel und Gretel, ein Buckel wie bei Quasimodo, eine Katze auf der Schulter ... und sie bezieht ihr Wissen aus einer Kristallkugel.“


„Toller Vortrag, Voice. Aber wozu erzählst du mir das …?“


„Du bist wirklich blond, oder, Blondie? Also nicht brünett und nur gefärbt?“


„Ja klar! Dunkelblond, obwohl einige der Meinung sind, es handele sich eher um Hellbraun, was natürlich Blödsinn ist, allerdings ist meine Haarfarbe im Winter - zugegeben - etwas dunkler als im Sommer …“


Genervt sprang Voice vom Stuhl auf und zog mich nach draußen ins Foyer. Mein innerliches Grinsen entging ihr. Es ist toll, blond zu sein, denn die Erwartungen an unsere Intelligenz sind so niedrig, dass es ganz einfach ist, die Leute hereinzulegen. Die ganze Idee von ihr war ohnehin Schwachsinn, aber erstens klammerte ich mich an jeden Strohhalm, der mich meinem Tanga näher bringen würde, und zum Zweiten brauchte die Autorin auch noch etwas Text …

„Ich bin Esmeralda … nehmen Sie Platz“, empfing uns eine monotone Krächzstimme der in jedes Klischee passenden Vorhersagerin, als wir vor ihrem klapprigen Campingtischchen standen.

„Wir suchen …“


„Lass mal, Voice. Da sie ja eine richtig schöne Glaskugel hat, wird sie schon wissen, was wir suchen, stimmt’s?“ Ich grinste, und meine Tonlage war vielleicht eine kleine Nuance zu schnippisch. „Aber erst mal das Geschäftliche. Was kostet denn der … Service?“


„Einfache Auskunft: 30 Euro. Mit Zwischenfragen und Kartenlegen 50. Handlesen nur mit Gummihandschuhen, die Viertelstunde 75 Euro.“


„Steuernummer und Gewerbeschein haben Sie parat?“


„Aääähhh … Ich wollte sagen, ich lese umsonst die Zukunft, und Sie geben mir eine freiwillige Spende.“


„Dann schießen Sie mal los.“


„Es geht um einen …. Mann … er sieht sehr gut aus … er … er ist muskulös, er hat das gewisse Etwas …“


Das hochnäsige Grinsen des schwarzblonden Geschöpfs zu meiner Rechten war mir auch ohne direkten Blickkontakt allgegenwärtig.

„Haben Sie etwas von Ihrem Mann dabei?“, überraschte mich die ’Seherin’.


„Von meinem?“, fragte ich sicherheitshalber nach.


„Ja. Ich brauche etwas, was Ihr Mann angefasst hat.“


„My tits?“, fragte ich abfällig.


„Haben Sie nichts anders?“


Ich stand auf. „So etwas nennt man auch Kunstfehler. Einen gut gemeinten Rat, anstelle einer ’freiwilligen Spende’ … Wenn Sie ein Buch mit dem Titel »Vorhersagen, die immer eintreffen« schon offen auf dem Tisch liegen lassen … lesen Sie es doch auch.“


Ich ging einfach weg, blieb nach ein paar Schritten stehen und sah mich um. Voice hockte noch am Tisch und rief mir zu: „Ich komme gleich nach, Blondie.“ Dann widmete sie sich wieder der Wahrsagerin. „… hast du was an den Lauschern, Alte? Long Tall John heißt der Traummann und ich will wissen …“

Ich schüttelte den Kopf und ärgerte mich darüber, dass ich mich von einem imaginären Gewissen zu einer derartigen Albernheit verleiten ließ. Plötzlich stach mir am letzten Stand dieses Gaukler-Areals ein Buch ins Auge. Auf dem Einband fletschte ein indischer Guru die Zähne, die Sterne drum herum stellten Euro- und Dollarzeichen dar, darunter der Titel - »Vorhersagen, die immer eintreffen« von Reniar Llüm.

Der Typ hinter dem Bücherstand glich dem abgebildeten Autor wie ein Ei dem anderen. Aber er sah auch aus wie jemand, den ich vor kurzem erst, in einem völlig anderen Outfit, gesehen hatte. Neugierig musterte ich ihn. War das etwa braune Schuhcreme in seinem Gesicht? Definitiv! Das Toupet und das angeklebte Bärtchen waren wohl Requisiten aus einer drittklassigen Bollywood-Produktion.


Die wachen Augen blitzten kurz auf, als er mich näher kommen sah. Das Schildchen über seinem kleinen Bücherstand wies den Mann als Reniar Llüm aus.


„Tarot-Karten, Karma, Orakel, heilende Edelsteinarmbänder, Kabbala-Lehre, Phrenologie …“, stellte er mir sein Sortiment vor.


„Phreno… was?“


„Keine Ahnung! Ich habe auch nicht alles … im Schädel.“

Der als indischer Guru kostümierte Mann ahnte, dass ich ihn erkannt hatte, aber wir spielten unser Spiel erst einmal weiter.


„Nur 49 Euro? Nur?“


„Sind gesuchte Sammlerstücke, ich habe nur noch sehr wenige davon.“


Ich nahm eins, drehte es um. Der ursprüngliche Preis war mit „Preisreduziertes Mängelexemplar - Nur 0,99 Euro“ überklebt. Hastig nahm Reniar Llüm es mir aus der Hand und legte ein neues Exemplar auf den Tisch. Der Buchrücken war beschädigt, als ob etwas Kantiges dagegen geschlagen worden war …


„Von Madam Eso Terik. Priesterin des westafrikanischen Santeria-Kults“, erklärte mir der Guru.


„Und was heißt das auf Deutsch?“


„Voodoo-Hexe!“


Ich verzog das Gesicht. „So mit Tieropfer und so …?“


„Nein, Madam war Tierfreundin und nebenbei auch Vegetarierin.“


„War?“


„Ja, … ist verschollen …“


„Und Voodoo funktioniert ohne Blutrituale?“


„Hmmm, bis zu dem dummen sprachlichen Missverständnis“, gab der Guru zu und verfiel in Erinnerungen. „Wir gaben eine Séance. Der Saal war bis auf den letzten Platz gefüllt, nur ein betrunkener Spinner störte … ich sagte zu meinem Assistenten, er soll jetzt den Kohlkopf holen, damit wir mit der Zeremonie beginnen können …“


„Ahhh? Und …?“


„Nun ja, während ich mich in Trance versetzte, ging er ins Publikum schnappte sich den Hohlkopf … und opferte ihn.“


„Autsch.“


„Oh ja. Brachte dem Assi 15 Jahre Zuchthaus und mir … ähh, Madam Eso Terik lebenslanges Berufsverbot. Ich … Sie musste Haiti so schnell verlassen, konnte nur den Kohlkopf mitnehmen …“


„Das ist ja schrecklich, und dann …?“


„Ich schrieb ein neues Buch – Hundert leckere Kohlgerichte.“


„Unglaublich!“


„Fand ich auch … das Gemüse auf meinem Schreibtisch hat mich wahnsinnig inspiriert.“


„Das meinte ich nicht! Haben Sie sich gar nicht um Ihren Assistenten gekümmert? 15 Jahre in einem Knast sind kein Zuckerschlecken, und in Haiti bestimmt noch weniger.“


„Er saß nur ein paar Tage …“


„Puh! Dann hat es sich also aufgeklärt?“


„Nicht ganz. Der Mob stürmte das Gefängnis und lynchte ihn.“


„Das ist ja furchtbar … und dann?“


„Habe ich den Kohlkopf bei eBay versteigert. Rubrik: Ritualmörder und Zubehör.“


„Autsch.“

„Ist es das? Ist es das wirklich?“, eine völlig aufgedrehte Dame drängte mich zur Seite, riss das Belegexemplar vom Tisch und fuhr über den Riss im Buchrücken …


„Das Original, Madame!“, flüsterte der Guru.


„Wie viel soll es kosten? Ich muss es haben!“


„Pssst …“, ermahnte sie Reniar Llüm. „Nun ja … Sie wissen, dass ich mich unter normalen Umständen nie von dem Buch trennen würde … fün… tausend Euro …“


Sie gab das Buch nicht mehr aus der Hand, öffnete umständlich ihr Portemonnaie und zwei große Scheine wechselten den Besitzer. Irritiert und fasziniert zugleich schaute ich ihr hinterher.

„Nachzulesen bei Wikipedia. Die Vita der Madame Eso Terik. Das Buch war damals auch auf der Insel und wurde bei der Séance durch eine Machete beschädigt … DER Machete.“


Während er mir zuzwinkerte, rubbelte Reniar Llüm, oder Rainer Müll wie er sich auch zu nennen pflegte, das Preisschild von einem weiteren Buch, legte es auf den Tisch, zog ein Küchenmesser hervor und hieb in den Buchrücken.


„Das glaube ich jetzt nicht …!“


Er zuckte nur mit der Schulter.


„Okay, okay, hab’s geschnallt. Alles klar! Und Sie Herr … Llüm, Sie sind also Autor?“


Er grinste über beide Backen. „Mein neuestes Werk. Astrologie - In sieben Schritten vom Loser zum Winner, vom ESO-Buchdienst.“


„Und das bringt jemandem was?“


„Mir brachte es einen Vorschuss von 25.000 Euro.“


„Cool! Wirklich cool!“


„Was sind Sie für ein Sternzeichen?“


„Ich glaub nicht an den Schwachs… ähhh … Hokuspokus.


„Ich glaube auch nur an das positive Denken.“

„Ein eigenes Buch ist auch mein Traum, natürlich in einem anderen Genre“, versank ich für einen Moment in Gedanken.


„Tun Sie’s. Schreiben Sie es fertig und gehen Sie Klinkenputzen damit, aller Anfang ist schwer.“


„Ich weiß nicht so recht. Wenn es keiner verlegen will?“


„Dann ist es halt so. Wenn Sie es nicht probieren, finden Sie es auch nie heraus. Steht übrigens auch in meinem Schreibratgeber: »Schreiben leicht gemacht für jedermann«“


„Wow! Sie haben auch einen Ratgeber geschrieben?“


„Nein, nur allgemeingültige Aussagen zusammengesucht, in Kapitel gepackt und meinen Namen darunter gesetzt – von … Sol SoSein.


„Das ist doch kriminell!“


„Nein! Legal – zwar ethisch verwerflich, aber noch legal.“


Ich schüttelte nur den Kopf. Allerdings war ich Rainer Müll nicht böse. Er war kreativ und verdiente seinen Lebensunterhalt mit der Dummheit der Leute.

Während ich einen Moment nachdachte, fiel mir ein Flyer auf dem Verkaufsstand auf. Über dem Hochglanzfoto eines japanischen Autos prangte das Wort „Hauptgewinn“ und ein Schriftzug: Für einen Einkauf ab 25 Euro verlose ich ein Toy-Joda.


„Kaum geklaute Geschäftsidee“, sagte ich kopfschüttelnd. „ist doch bestimmt auch nicht legal.“


„Völlig legal. Eventuell leicht irreführendes Hintergrundbild, aber legal und lustig. Wollen Sie ihn mal sehen?“


Ohne meine Antwort abzuwarten, krabbelte Rainer Müll unter seinen Tisch und zog raschelnd einen Karton hervor.


„Eine niedliche Spielzeugpuppe des berühmten Jedi-Meisters. Ist er nicht goldig?“


„Eher grünlich! Und hart an der Schmerzgrenze!“, zwinkerte ich ihm zu.


„Meine Arbeitsmethode ist hart an der Schmerz-Grenze, aber nicht darüber. Genauer gesagt, 200 Meter vom Ortsteil Schmerz entfernt, mitten in Gossa im Verwaltungsbezirk Muldestausee-Schmerzbach am Rande der Dübener Heide in Sachsen-Anhalt“, zitierte er fehlerfrei aus seinem neuesten Roman.

Ich lachte, verabschiedete mich und ging ein paar Schritte, als ich plötzlich einen penetranten Geruch in der Nase hatte. Ein weiterer Aussteller stand stocksteif vor einem Minitischchen. Das Namenschild am Sakko wies ihn als Hein Krähenbusch aus.


„Ich habe einen Artikel über Selbstbeweihräucherung geschrieben, haben Sie Interesse?“, sprach mich der Typ an, zündete ein weiteres Räucherstäbchen an, wedelte sich damit vor dem Gesicht herum und sog den Rauch ein.


„Ähh … nein!“


„Ja aber“, murmelte er, „erkennen Sie nicht die kosmische Strömung?“


„Für mich ist es eher eine komische Störung.“

Ping – Ping – Pong


Sie suchen einen einfühlsamen, verständnisvollen, kinderlieben, häuslichen, treuen, fleißigen, talkshowliebenden, zärtlichen Mann? Gutaussehender Typ wie Georg Clooney, Johnny Depp oder Brad Pitt. Sorry! Nicht lieferbar. Zaubern können wir leider nicht!


Aber die Athletik-Poppguys-Agency bietet das Beste an Mann, was es für Geld zu kaufen gibt.


Besuchen Sie uns Im Foyer Stand 27 oder im Internet unter APA - Athletik-Poppguys Agency dot com slash das Beste an Mann.


30 Jahre Garantie auf Material und Funktion.

Die dröhnende Lautsprecherstimme hallte nach, und ich hatte mich tatsächlich in der größten deutschen Multifunktionshalle verlaufen. Ich beschloss, jemanden zu fragen und steuerte den Stand – Nummer 26 an.


Eine Oma im Minikleid wühlte auf dem Sortimentstisch.


„Nette Strapse! Vom Erotico-Versand?“, fragte ich.


„Nein, von der AOK. Das sind meine Thrombosestrümpfe.“


„Oh – ja, nett.“


„Dankeschön“, antwortete sie und wandte sich an die Verkäuferin. „Haben Sie auch etwas, das den Penis meines Mannes vergrößert?“


„Selbstverständlich. Die Carl Zeiss 2010. Fünffache Vergrößerung, incl. einer kleinen Taschenlampe.“


„Großartig!“, freute sich die Oma. „Die nehme ich dann zur CeMent-Salbe noch dazu.“

„Ich brauche dringend eine kurze Pause“, murmelte ich vor mich hin.


„Was kann ich für Sie tun, meine Dame?“


Vorsichtshalber sah ich mich erst einmal um. Aber der Typ mit den lichten aschblonden Haaren und dem viel zu weiten Polyesteranzug meinte definitiv mich.


„Mein Name ist Kurt C. Pause. Ich bin der Vertriebsleiter von Athletik-Poppguys Agency. Was kann ich für Sie tun?“


„Mir verraten, ob es den Anzug auch in deiner Größe gibt“, dachte ich und wollte gerade nach dem Weg zurück in die Arena fragen, als er mich am Arm packte und zu einer halb nackten, lebensgroßen Gummipuppe zerrte.


„Interesse?“


„Nein danke …“


„Wenn Sie heute bestellen, bekommen Sie …“


„Nein Danke, ich bin verheiratet.“


„Das mag ein Grund sein, aber beileibe kein Hindernis. Ist er nicht ein Traum?“, begann der Vertreter zu schwärmen. „Das Model »The Man« können wir Ihnen morgen liefern. Finanzierung über die Gebr. WuCher-Kredit-Bank AG, nur 60 kleine Monatsraten a 200 Euro.“


Ich überschlug die Summe und schaute den Vertreter mit offenem Mund an.


„Jetzt sind Sie sprachlos. Aber es ist wahr. Wir kennen alle Träume unserer Kundinnen und … wir erfüllen sie.“ Er bugsierte mich vor das lebensgroße Modell der Kollektion. „Ist das ein Mann oder ist das ein Tier? Fühlen Sie!“ Wieder nahm Kurt C. Pause meine Hand und führte sie an die Brust des Topmodels. „Echthaar, Brustbehaarung und Vollbart als Zubehör. Alle Gelenke voll beweglich, eine besondere Kautschukmischung sorgt dafür, dass er sich echter als echt anfühlt. Die Muskeln wurden mit einer CeMent-Schicht überzogen, für die mächtigen Hände stand der berühmte Long Tall John Pate“, erklärte mir der Vertriebsleiter, „und nicht nur für die Hände!“ Er zog die Shorts der Sexdoll etwas herunter und zwinkerte mir zu. „Alle unsere Models sind serienmäßig in XL-Ausstattung, gegen geringen Aufpreis aber auch als XXL lieferbar.“


Er schaute mich mit strahlenden Augen an, besser gesagt starrte er mir sabbernd in den Ausschnitt. Dass ich noch keine richtige Begeisterung zeigte, entging dem gewieften Profi nicht. Blitzschnell spielte er einen weiteren Trumpf aus. „Oder doch lieber unser Model »The Surfer«?“

Ich blickte dem Fingerzeig nach, und ein langhaariger, blonder, sonnengebräunter Jüngling sah mich mit strahlend blauen Plexiglasaugen von einem Surfbrett an.


„Leider zurzeit ausverkauft, aber wenn Sie heute bestellen, bekommen Sie zehn Prozent Rabatt. Natürlich sind alle unsere Modelle vom Bundesministerium für Frauenangelegenheiten und dem Verbraucherschutz zertifiziert.“


Ich wollte nur noch weg, drängte mich an Herrn Pause vorbei, als ich abrupt stehen blieb. Ein weiteres Model, das sich in jeder Hinsicht von den anderen unterschied, das aber dennoch von einer größeren Gruppe Frauen umlagert war. Neugierig schaute ich genauer hin.


Das Anti-Model hockte im speckigen Feinrippunterhemd auf einem Lehnstuhl. Bierbauch, schlecht rasiert, 5,50 Euro Haarschnitt und ein Sixpack Bier auf dem Schoß.


„Interesse?“


„Um Gottes willen“, zuckte ich zusammen.


Kurt C. Pause grinste über beide Wangen. „Das ist »Heinz-Hubert«, unser meistverkauftes Model, dabei hat er nicht einmal unser patentiertes Big-Schick-Dick …“


„Aha.“


„Ja. Er ist kein Sexobjekt.“


„Es wird Sie jetzt wundern, aber zu dem Schluss bin ich auch grad gekommen“ antwortete ich.


„Zum Lieferumfang gehört ein Memorandum mit den übelsten Beleidigungen für Eheleute, das Buch, 1001 Möglichkeiten einen Mann zu drangsalieren und ein Nudelholz, aus bester deutscher Eiche …“


„Dieses Buch … das ist nicht zufällig von Rainer Müll?“


„Woher wissen Sie das?“


„Nur so eine weibliche Intuition. Aber ich muss jetzt wirklich gehen.“


Wieder drängte ich mich am Verkäufer vorbei.


Plötzlich fiel mir die Kinnlade runter. Langsam lief ich auf ein weiteres Ausstellungsstück zu.


„Uiii, uiiii, uiii, ich hätte es wissen müssen“, gluckste Pause. „Sie stehen auf »The Mandingo«.“


Ich starrte auf den schwarzen Astralkörper, der im traditionellen Lendenschurz eines afrikanischen Kriegers vergangener Epochen eine animalische Wirkung ausstrahlte.


„Interesse? Wir haben … Moment bitte.“ Pause schaute in ein Notebook. „Ja, genau. Wir haben »The Mandingo« noch auf Lager. Nicht 10.000, nicht 9.500 nein … für sensationelle 8.950 Euro … wenn Sie jetzt gleich unterschreiben.“


„Nicht gerade billig, oder?“


„Nein. Aber es entspricht der Firmenpolitik der Athletik-Poppguys Agency. Reich ist besser als arm – schon aus finanziellen Gründen.“


„Ach so. Ja, dann passt es ja“, gab ich zu.


„Eben. Und der Hammer bei dem Model, ist schlichtweg gesagt – der Hammer.“ Herr Pause zog den Lendenschurz beiseite, nahm meine Hand und führte sie in den Schritt des Mandingos. „Serienmäßig mit dem patentierten Big-Schick-Dick ausgestattet. Massieren Sie mal seinen Hodensack!“


Als ob ich nichts besseres zu tun hätte, als die Glocken einer Puppe zu kraulen … Uii – fühlte sich tatsächlich sehr real an. Noch mal ein beherzter Griff, selbstverständlich rein aus informationstechnischen Gründen, und das Ding richtete sich rasant auf. Erschrocken zog ich meine Hand weg.


„Ist das geil, oder ist das geil? Je stärker Sie massieren, desto härter wird der patentierte Big-Schick-Dick.“


Und er hatte recht, das Ding war wirklich steinhart, und fühlte sich dabei noch sehr authentisch an.


„Eine Frage … der Mann … äh … das Modell kommt mir irgendwie bekannt vor.“


„Aleeke, der starke Löwe aus Tansania. Er hatte übrigens heute einen Auftritt als Tänzer und Feuerschlucker … Wenn Sie ein Autogramm von ihm wollen, ich könnte da was machen.“


„Wissen Sie, ob er noch einen Auftritt hat?“


„Ich weiß definitiv, dass er später auf der VIP-Aftershowparty ist.“


Ich grinste. Hatte sich der Kurztrip ins Foyer doch gelohnt. Davon überzeugt, noch in dieser Minute einen Abschluss tätigen zu können, gab mir der Verkäufer eine Freikarte der Athletik-Poppguys Agency für die VIP- Lounge.

„Da bist du? Ich irre durch die Halle … wow!!! Der sieht ja aus, wie die schwarze Perle, die deinen Tanga erbeutet hat“, meinte Voice mit heruntergeklapptem Unterkiefer. „Und was für ein Ständer. Was hast’ vor, Blondie?“


„Nichts!“


„Wie bitte?“, fragte der Vertreter.


„Ich habe nichts gesagt.“


„Willst’ dich von dem ficken lassen?“, fragte Voice.


Irritiert sah mich Herr Pause an. „Ich bin Hetero. Aber wir haben auch denfFeminine »Detlev«, sehr sanfte Oberfläche, frisierbares Echthaar, lackierte Fingernägel und als Standardkörperhaltung – auf allen vieren – Doggystyle, wie man so schön auf Deutsch sagt. Er ist noch im LKW, weil er hier wohl keinen Stich machen kann … Sie verstehen … Stich …“


„Wer redet denn mit dir, Pausen-Clown? Frag doch mal, wo du das Teil testen kannst, Blondie.“


Der Vertreter schaute mich von oben bis unten an und grinste. „Ich verstehe. Diskretion ist unser oberstes Gebot. Darf ich bitten?“


Gerade erst war mir bewusst geworden, dass der Verkäufer das imaginäre Gewissen zwar nicht sehen, aber trotzdem hören konnte …


„Unsere Vorführmodelle sind selbstverständlich desinfiziert und betriebsbereit. Die Kondome sind leider notwendig, im normalen Hausgebrauch dann allerdings nicht erforderlich.“

Ehe ich mich versah, stand ich mit Voice in einem Kämmerchen und das seltsame Geschöpf riss sich euphorisch die Kleider vom Leib, genau genommen, nur seinen Lendenschurz.


„Ohhhh …. Jaaa … du geiler Hengst … fick mich, f**** mich durch ...“, schrie Voice, die sich sofort in bester Reitermanier auf die Mandingo-Sexpuppe geschwungen hatte. Es folgte ein kurzer, bitterböser Blick. „Danke fürs zensieren, du prüdes Huhn!“


Ich nickte nur, und war von der Szene – irgendwie – gefangen. Immerhin poppte ein imaginäres Wesen eine Gummipuppe, die allerdings einen sehr realen Eindruck hinterließ.


Dem abwechselnden „ja, jaa, jaaaah“ folgte ein Stöhnen und Keuchen und wieder eine Folge undefinierbarer Wortfetzen.

„Welches Modell wird denn da gerade getestet?“, hörte ich eine Frauenstimme und im selben Moment gefror mir das Blut in den Adern. Das Stoffzelt war nicht wirklich schalldicht.


„Eigentlich egal. Ich kaufe es! Hier meine Karte wegen der Formalitäten.“


„Das ist ein Anwaltsbüro?“, entgegnete Kurt C. Pause.


„Seit der Trennung von meinem Mann wird jeder notwendige Verkehr durch meinen Rechtsanwalt erledigt.“


Die Minuten zogen sich ewig hin und endlich hatte Voice genug. „Meine Fresse, ich bin sieben, achtmal gekommen.“


„Erstens, nicht so laut, bitte. Und zweitens – das ist zwar eine Parodie, aber bleib wenigstens halbwegs realistisch.“


Das hätte ich genauso gut einer Wand erzählen können. Voice galoppierte wie ein junges Fohlen aus dem Zelt und ich wurde mit den zahlreichen Blicken neuer Kundinnen übersät.


„Sie waren vollauf zufrieden?“, fragte mich eine schüchterne Rothaarige.


„War es so gut, wie es sich anhörte?“, wollte eine Mittvierzigerin wissen.


„Was macht das Herz, Kindchen?“, interessierte eine Oma, die sich lässig auf ihre Gehstütze lehnte.

„Leider hat der geile Hengst nicht abgespritzt!“, erklärte mir die zurückgekehrte Voice beiläufig, und da nur ich sie sehen, aber auch einige andere sie hören konnten … Ich wäre am liebsten im Erdboden versunken, aber die vorwurfsvollen Blicke galten ausschließlich dem Vertreter der Athletik-Poppguys Agency.


„Keine Sorge, meine Damen. Das war wohl ein Missverständnis. Unsere Modelle spritzen 300 Milliliter, in verschiedenen Stufen und Geschmacksrichtungen … hinter den Ohren befinden sich Sensoren. Wenn Sie mir bitte folgen würden, dann demonstriere ich …“

Während die Meute dem Verkäufer ins Zelt folgte, machte ich mich aus dem Staub. Das riesige Schild, das den Weg in die verschiedenen Sektionen der Arena wies und mir wohl vorher wie ein Brett vorm Kopf hing, führte mich wenige Minuten später in die Arena. Allerdings ein anderer Eingang. Ich suchte nach unserer Sektion … die Halle tobte.


Es stand ein Mann auf der Bühne, der sein Ding durchzog.


Im wahrsten Sinne des Wortes. Unter ohrenbetäubendem Getöse gab der Lokalmatador alles.


Kusshändchen ans Publikum verteilend, verneigte sich der Halve Hahn nach allen Seiten.


Der Seriengewinner Long Tall John rastete aus und zerdepperte einen Sessel auf der Bühne.

Ping – Ping – Pong


Feilen Sie gern? Nageln Sie gern? Wollen Sie ein Rohr verlegen, oder einfach nur herumschrauben? Ob Silikon- oder Gummimuffe … für jeden der gern selbst Hand anlegt …


Toby – der Baumarkt für Selbermacher

Nun ja, wenigstens die Werbung funktionierte noch einwandfrei. Die Zuschauerränge glichen einem Hexenkessel. Inmitten des Eklats entdeckte ich ein bekanntes Gesicht. Andrea und eine offensichtlich schwer betrunkene, korpulente Dame, vor der sie und Anne flüchteten. Eine rücksichtslose Meute, wie man es ansonsten nur aus Zeiten des Winterschlussverkaufs bei C&A kannte, stürmte die Treppe herunter. Mit einem Sprung brachte ich mich in Sicherheit. Als ich nach einer Minute wieder die Deckung verließ, war Andrea verschwunden.

******************************

DAS GROSSE FINALE

Die Pause hatte mir gut getan. Vor allem die letzten Minuten mit den beiden schönen Frauen, die mich besucht hatten. Noch immer war mir so, als hätte ich keineswegs geträumt.


Doch jetzt musste ich zurück in den Hexenkessel. Trotz des großen Schreckens, den ich hatte ausstehen müssen, als plötzlich meine Kollegin Andrea mir vom Bildschirm herab in die Augen schaute.

Ja, Hexenkessel traf ziemlich genau, wo ich mich gefühlsmäßig im Moment befand. Mitten unter mehreren tausend Hexen, die sich über meine Bemühungen und die der anderen Helden amüsieren wollten.


Meine Mitstreiter hatten inzwischen ihre verbalen Kämpfe eingestellt und präsentierten sich, als seien sie die besten Freunde. Die Fassade musste stimmen, es war nicht anders als überall auf der Welt.

Als bereits alle anderen auf der Bühne waren und LTJ gerade seinen Mantel in Wrestlermanier von den gewaltigen Schultern gleiten ließ, hetzte Squirting Arrow auf die Bühne. Wo hatte er sich nur herumgetrieben? Er war mir nicht mehr auf dem Gang begegnet. Und wo war sein Schrott geblieben? Hatte er am Ende alles verkauft? Ein einträgliches Geschäft mit Devotionalien entdeckt? Ich staunte Bauklötze. Die Frauen mussten verrückt nach ihm sein, wenn sie ihm solches Zeug aus den Händen rissen. Vor allem die unsägliche Gummipuppe, deren Grinsen mit dem fürchterlichen Mund mich so erschreckt hatte.

Noch eine weitere Tatsache erstaunte mich. Squirting Arrow war eindeutig der älteste Teilnehmer des Wettbewerbs, doch seine Potenz schien einem wesentlich jüngeren Manne angemessen. Als er sich aus seinem Bademantel schälte, stand sein Schwanz bereits kerzengerade empor. Was hatte er nur in der Pause getrieben? Ob ihn seine Hermine besucht hatte? Oder waren ihm beim Verkauf seiner Kultobjekte einige Damen an die Wäsche gegangen? Unter den fast 15.000 wild gewordenen Weibern gab es sicher einige, die auf ihn standen und einiges springen ließen, um ihm ein bisschen beistehen zu dürfen.

Ein Glück, dass ich als Letzter dran war. So konnte ich noch ein wenig Kraft schöpfen und vielleicht von den anderen Teilnehmern letzte Kniffe abschauen. Immerhin waren alle außer mir Profis.

Als Erster trat LTJ an die Abschussrampe, wie die etwas erhöhte Plattform mit der weißen Linie im Wichserjargon heißt. Seine Anbläserin Annie, deren bezaubernden Reize nur spärlich von einem durchsichtiges Negligče verhüllt wurden, kniete sich wie ein Hündchen vor ihren Herren und wartete auf das Startzeichen. Wenn der Startschuss wie bei einem Hundertmeterlauf abgefeuert war, hatte John maximal zehn Minuten Zeit, bis er abschießen musste. In den ersten Durchgängen hatte niemand diese Zeit voll ausgeschöpft. Doch jetzt musste sich Annie ernsthaft anstrengen, denn obwohl sich Johns Speer recht schnell aufgerichtet hatte, gab es offensichtlich Probleme mit der erforderlichen Härte.

Johns verzweifelte Blicke sprachen Bände. Die Arme in die Seiten gestützt, drängte er Annis willigem Mund entgegen, und sie half mit ihren an diesem Riesengerät klein wirkenden Händchen eifrig nach. Ihr Kopf ruckte vor und zurück und ihr Pferdeschwanz wippte im gleichen Rhythmus auf und nieder. Ein erhebender Anblick, wenn einem Johns immer offensichtlicher werdendes Missgeschick gleichgültig war.


„Wichs ihn fester!“, forderte er Anni, die ohnehin Schwerstarbeit leistete, auf. Mittlerweile hatte jede Frau im Publikum realisiert, welches Drama sich dort unten auf der Bühne anbahnte. Tausende Fans skandierten: „Long Tall!, Long Tall!“, immer wieder. Der Ruf übertönte jedes andere Geräusch und war sicher noch in Overath zu hören. Allerdings hatte ich nicht den Eindruck, dass diese Geräuschkulisse positiven Einfluss auf Johns Indisponiertheit hatte.

Die Zeit wurde knapp, zum ersten Mal begann der oberste Zeitnehmer rückwärts zu zählen.


„Zwanzig, neunzehn ...“


Mit wilder Verzweiflung riss John seinen Schwanz aus Annis Mund, rubbelte selbst wie ein Wahnsinniger daran herum.


„Elf, zehn ...“


Noch konnte er es schaffen, es genügte, wenn der Orgasmus eingeleitet war und der erste Spritzer das Rohr verlassen hatte.


„Vier, drei ...“


Mit einem Urlaut, der besser in die Steinzeit als in dieses Ambiente gepasst hätte, begann Long Tall John, der König unter den Wichsern, zu ejakulieren. Doch bereits der zweite Spritzer war ein Rohrkrepierer, denn er schaffte es kaum noch über die Ein-Meter- Marke.


Auch der erste war deutlich unter Johns üblicher Weite geblieben. Das wurde äußerst knapp. Jetzt hatten alle anderen doch noch eine Chance erhalten. Ein enttäuschtes „Ohhhh“ aus Tausenden Frauenmündern stieg in den Himmel über Köln. Der Held hatte zwar nicht gänzlich versagt, doch seine Allmacht hatte Risse bekommen.

„Dieser verfluchte Journalist!“, brüllte John durch die Arena, „wenn ich ihn erwische, schlag ich ihn tot!“


Mir wurde heiß unter der Maske. John kam einen knappen Meter an mir vorbei, als er sich zu seinem Sitzplatz begab. Er stützte seinen Kopf in die Hände und hatte nicht mal mehr einen Blick für seine Anbläserin, die betrübt von dannen schlich. Ja, für ihn war das eine Tragödie.


Entsprechend freudig waren die Gesichter seiner Konkurrenten.

Als nächster trat Crazy Dick an, der mittlerweile auf den siebten Rang zurückgefallen war. Er musste Heroisches leisten, um sich noch um einige Plätze verbessern zu können. Seine Anbläserin Quendolin-Chiara hatte mir schon vor und in der Pause die Augen aus dem Kopf quellen lassen. Atombusen war das richtige Wort für das Gebirge, das sie mit sich herumschleppte. Wie hatte Andrea solche jedes Maß sprengende Busen immer kommentiert: „Man bekommt schon Kreuzschmerzen vom Anschauen.“

Mit entblößtem Oberkörper kniete sie sich vor CD hin und hob ihm mit beiden Händen ihre Bälle entgegen. CD ließ einen dicken Batzen Spucke darauf fallen und fädelte sein durch Handbetrieb bereits hinreichend erigiertes Rohr in die Spalte, die eher einem Tal im Hochgebirge glich, ein. In voller Länge passte sein doch nicht unansehnlicher Schwanz hinein und nicht mal ein Zipfel schaute oben heraus. Mit Inbrunst begann er zuzustoßen, ja wippte sogar auf die Zehenspitzen, um noch mehr Wucht zu entfalten. Wow, die hielt was aus, diese Frau. Dass sie Crazy Dicks dichte Behaarung nicht kitzelte, wunderte mich. Doch sicher war sie sein Gewölle gewohnt, denn dass die beiden nicht zum ersten Mal zusammen auftraten, konnte man an der Routine, mit der sie ihm half, erkennen.

Und wieder trug CD die ominösen Kopfhörer, ließ sich nicht nur durch die Schlucht in Quendolin-Chiaras Bergwelt stimulieren, sondern zusätzlich durch ... ja was eigentlich?


Dass nicht nur ich neugierig war, sondern jede und jeder andere auch, wurde mir sogleich vor Augen geführt.


Damit er nicht durch lästige Kabel beeinträchtigt wurde, hatte CD Funkkopfhörer und die Quelle der Musik, oder was auch immer er da hörte, stand neben seinem Sessel. Eine Technikerin hatte sich herangeschlichen und stöpselte eine Klinke in die Ausgabebuchse. Sofort dröhnte durch die gewaltigen Lautsprecher der Arena, was auch Crazy Dick berieselte.

Der simultane Aufschrei, der durch das Publikum ging, erstaunte mich keineswegs, denn auch ich hatte mitgeschrieen. Einige hundert Zuschauerinnen zuckten so sehr zusammen, dass ich es von meinem Platz aus registrieren konnte.


Es klang, als führe ein Autorennen mitten durch die Köln-Arena. Heiße Motoren heulten, Autoreifen quietschten, und als meine Ohren sich langsam an das wahnsinnig laute Geräusch gewöhnt hatten, war mir klar, dass es sich um ein Formel 1 Rennen handeln musste. Oder den Stereomittschnitt einer ähnlichen Veranstaltung.

Crazy Dick hatte nicht bemerkt, dass auch alle anderen in der Arena seine „Musik“ mithörten, auch wenn Quendolin-Chiara es ihm verzweifelt zu signalisieren versuchte.


Auch Crazy Dick brauchte länger als in den vorherigen Runden, doch er musste nicht angezählt werden. Offensichtlich war die unglaubliche Geräuschkulisse, die ihm die Ohren volldröhnte, sein ganz spezielles Aphrodisiakum. Die Geschmäcker waren doch wirklich verschieden.

Noch bevor sein letzter Spritzer im Sand gelandet war, verstummten die Geräusche wieder, denn die Technikerin hatte den Stöpsel wieder entfernt.


Nicht schlecht, der Versuch, obwohl er insgesamt nicht an LTJ herankam. Ob sich CD damit verbessert hatte, würde sich erst am Ende zeigen.

Es folgte Squirting Arrow, der mit seiner Gummimöse wieder einmal einige Frauen in der Runde gegen sich aufbrachte, ohne dass ihn das gestört hätte. Im Gegenteil, er provozierte die aufkreischende Horde noch, indem er seine Zunge in das eklige Gerät einführte und verzückt die Augen verdrehte. Sicher hatte ihm seine Hermine verboten, eine Anbläserin zu engagieren, und selbst musste sie ja zu Hause auf die Kinder aufpassen. Fünf an der Zahl, wie er mir im Interview verraten hatte. Ab und zu musste er also auch außerhalb eines Wettbewerbs Leistung bringen.

Mir war aufgefallen, dass sein Schwanz seit Betreten der Bühne keine Ermüdungserscheinungen gezeigt hatte. Wie schaffte er das nur? Hatte er am Ende etwas eingeworfen? Viagra womöglich? Doch ob ihm das half, war fraglich. Denn für Weite sorgte kein Mittel der Welt, da waren andere Dinge gefragt.


Die Gummimöse in seiner Hand flog so schnell, dass die Konturen vor meinen Augen sich verwischten. Mannomann, er verausgabte sich völlig. Die Augen standen ein wenig vor dem Kopf und als die Zeit, die ihm zur Verfügung stand, langsam zu Ende ging, sah ich Schaumbläschen in seinen Mundwinkeln. Ich ertappte mich dabei, wie ich mit dem Unterkörper nach vorne zuckte, ihn quasi symbolisch unterstützend. Ich wollte, dass die Quälerei ein Ende hatte.

Ähnliches fühlten wohl auch die Zuschauerinnen im weiten Rund, denn es war mucksmäuschenstill geworden. Das Quietschen der Gummimöse war dadurch noch besser zu hören und die Schlagfrequenz von Squirting Arrow erheischte Hochachtung, auch wenn man sein Konkurrent war.


Gerade wollte der Oberschiedsrichter zu zählen beginnen, da schmiss Arrow seine Möse in hohem Bogen in Richtung der teuersten Plätze im Zuschauerrund und der erste Spritzer flog in den Sand.

Eben noch hatten sie ihn wegen ihr ausgezischt, doch jetzt balgten sie sich um seine Gummimöse. Die Kameraleute waren schnell, denn sofort wurde die Balgerei auf dem Videowürfel übertragen. In Großaufnahme war zu verfolgen, wie eine beringte Hand nach dem Gummiteil griff, wie ein grell geschminkter Mund in den Daumen besagter Hand biss und die Möse auf diese Weise die Besitzerin wechselte.


Plötzlich befand sich das unsägliche Teil hoch in der Luft und eine junge Frau, die größtenteils unbekleidet war, sprang am höchsten. Sie packte die Möse, schnappte sie und schob sie unter ihren Hintern, als sie wieder Platz nahm. Die Mitkonkurrentinnen um das Andenken an diesen denkwürdigen Abend rätselten offensichtlich, wo es geblieben war, obwohl alle anderen in der Arena es wussten. Schallendes Gelächter durchflog das Rund und es dauerte eine Zeitlang, bis sich die Aufmerksamkeit wieder dem Geschehen auf der Bühne zuwandte.

Dort hatte sich inzwischen ein Drama abgespielt, denn Squirting Arrow, der mit seinem Schuss noch hinter Crazy Dick zurückgefallen war, musste ärztlich versorgt werden. Sanitäter betteten ihn auf eine Trage, hoben ihn hoch und trugen ihn von der Bühne. Als die Ohhhs und Ahhhs des Publikum an sein Ohr drangen, richtete er sich auf der Trage auf und winkte fröhlich in die Runde. Offensichtlich genoss er die Aufmerksamkeit der versammelten Weiblichkeit und mir drängte sich der Verdacht auf, dass er die Unpässlichkeit nur markierte, um seiner besseren Hälfte zu signalisieren, dass er alles getan hatte, was in seiner Macht stand, ja sogar noch mehr als das.


„Eine Schande ist das“, hörte ich Captain „heavy“ Hunter schimpfen. „Kein Wettbewerb, in dem er nicht irgendeine Nummer abzieht, um im Mittelpunkt zu stehen. Ich könnte ihn erwürgen!“

Lange währte Squirting Arrows Ruhm allerdings nicht, denn eben betrat Big „The Boss“ Bull die Szenerie. Er reichte seiner Anbläserin, die er mit Agatha Zölestina begrüßt hatte, galant die Hand, als sie, von den Helferinnen begleitet, am Rand der Bühne erschien, und führte sie zur Rampe. Es schien mir durchaus angebracht, sie zu führen, denn die Gute wirkte reichlich gebrechlich, auch wenn ihr Gang gemessen und würdevoll war. Wo hatte er die Frau von Methusalem nur aufgetrieben, und wie hatte er sie dazu überreden können, diese doch etwas anrüchige Aufgabe zu übernehmen? Bei ihrem hohen Alter konnte man nur hoffen, dass das Gebiss sich nicht verkantete, wenn sie ihre Arbeit aufnahm.



Als die beiden an unseren Sesseln vorbeischritten, kam es zu einem üblen Affront.


„Die Alte sollte sich lieber selber auf die Würmer vorbereiten, als den Versager Bull aufs Abspritzen.“


Wenn mich nicht alles täuschte, hatte Chief Checker diese bitterbösen Worte von sich gegeben, und auch Bull schien ihn als Urheber ausgemacht zu haben, denn er funkelte ihn an und polterte grimmig:


“Das wirst du mir büßen, du Hurensohn!“

Toll fand ich, dass die wie eine Königin dahinschreitende Agatha Zölestina keine Reaktion zeigte. Wow, ihr Gleichmut gegenüber dieser wirklich üblen Attacke - das war Grandezza. Lass den Hund ruhig in die Ecke pinkeln, wenn er glaubt, es zu müssen. Das ficht eine Dame von Welt nicht an.


Ganz anders reagierte „The Boss“! Als er an Chief Checker vorbei war und dieser seine Aufmerksamkeit bereits wieder anderen Dingen zugewendet hatte, trat Bull mit voller Wucht gegen Chief Checkers Sessel, sodass dieser hintenüber kippte und mit ohrenbetäubendem Lärm auf den Boden krachte. Weder ich noch die anderen Konkurrenten konnten uns ein Grinsen verkneifen. Geschah ihm recht, diesem Looser. Was konnte denn Agatha Zölestina für sein miserables Abschneiden.

Wiederum zeigte die alte Dame keine Reaktion und mir kam ein Verdacht, der bald zur Gewissheit wurde. Die alte Dame war stocktaub. Weder Chief Checkers ungehörige Bemerkung, noch sein grandioser Sturz waren zu ihr durchgedrungen. Und wenn ich in Betracht zog, wie vorsichtig sie die Stufen zur Rampe erklomm, war sie auch mindestens halb blind.


Ob sie überhaupt wusste, wo sie hier war? Sicher war ihr klar, dass es Zuschauer gab bei dem, was sie sich zu tun anschickte, doch dass sie sich hier in der Köln-Arena befand und mehr als 14.000 aufgepeitschte Weiber ihr bei dieser Tätigkeit sozusagen über die Schulter schauten ... davon hatte sie bestimmt keine Ahnung. Bull hatte ihr vermutlich einen Sack voller Lügen aufgetischt, damit sie ihn nicht im Stich ließ. Doch warum er ausgerechnet sie brauchte, um sich in Stimmung zu bringen?



War es vielleicht ihre jahrzehntelange Erfahrung? Denn die schien sie zu haben. Was sie mit Bulls Anhängsel anstellte, sah geil und aufregend aus. Im Nu hatte man vergessen, dass es keine junge, knackige Schlampe war, die Bulls Schwanz bearbeitete, sondern eine alte Dame, die jedem Adelshaus zur Ehre gereicht hätte.


Dabei handelte es sich bei dem Werkstück nicht um ein x-beliebiges, wie meines etwa, sondern um den Hochpräzisionsschwanz eines Profiwichsers, der zudem LTJ-Ausmaße hatte. Chapeau für Agatha Zölestina.

Ohne Probleme verblieb Big „The Boss“ Bull im Zeitlimit und er schob sich noch vor Crazy Dick, auch wenn er John nicht gefährlich wurde.



Als Captain „Heavy“ Hunters Anbläserin erschien, konnte ich es wieder nicht begreifen. Sie wirkte noch deplatzierter hier als Bulls Urahnin. In mausgrauem Rock, weißer Bluse, mit Hornbrille und Dutt in den Haaren wirkte sie wie eine biedere Hausfrau, die sich aus lauter Schusseligkeit hierher verirrt hatte. Doch sie hatte ihre Qualitäten, denn sie ließ sich vom Captain tief in ihren Mund penetrieren, ohne die Hände zu Hilfe zu nehmen, während der Captain erst seinen Blick durch die Ränge schweifen ließ, um dann beim Videowürfel zu verweilen, wo eine Großaufnahme seines penetrierenden Schwanzes zu sehen war. Wow, selten hatte ich ein solch selbstverliebtes Gesicht gesehen. Er bewunderte sich aufrichtig, das sah man ihm deutlich an.

Fast erging es ihm wie weiland Narcissus, der einen bösen Unglücksfall produziert hatte, als er sich in sein Spiegelbild vernarrte. In allerletzter Sekunde erst riss er sich von der Betrachtung seiner Großaufnahme im Videowürfel los. So verschenkte er den ersten Spritzer, der teils auf der Wange seiner Partnerin landete, teils auf den Schuhen des Linienrichters, der kontrollierte, dass niemand die Abschusslinie übertrat.


“Verfluchte Scheiße!“, brüllte er auf und hüpfte wie ein Angestochener umher, was Lachstürme beim Publikum hervorrief. Trotz meiner Anspannung musste auch ich grinsen. Wie konnte jemand mit solch einer ausgeprägten Spermaphobie in diesem Wettbewerb Linienrichter werden? Eine eklatante Fehlbesetzung.


Die restlichen Spritzer schoss der Captain jedoch in die richtige Richtung und landete in der Gesamtwertung denkbar knapp hinter Big Bull. Zweimal bestand er darauf, nachzumessen, ob die beiden fehlenden Zentimeter nicht doch auf einer falschen Messung beruhten.


„Das ist Schiebung!“, brüllte er in Richtung Tribüne. „Bull ist ein Schwachkopf und impotenter Pfau, der kann jemanden wie mich nicht schlagen.“


“Wie nennst du mich, du ... du ... Windelwichser.“

Wow, sehr originell. Das Publikum raste vor Begeisterung. Hier wurde ihnen wirklich etwas geboten. Nase an Nase standen die beiden Gladiatoren und funkelten sich gegenseitig an. Sofort waren einige weibliche Hilfssheriffs zur Stelle und trennten die Kampfhähne, während die aufgeheizten Frauen „Buh ...“ und „weitermachen ...“ schrieen.


Endlich kehrte wieder Ruhe ein und der Wettkampf konnte weitergehen.



Jetzt gab es nur noch zwei Profiwichser, die vor mir antreten mussten. Und ich gestehe, mein Adrenalinpegel stieg mit jeder Minute, die mein ultimativer Abschuss näher kam.

Noch hatte ich jedoch eine kleine Gnadenfrist, denn jetzt trat der Jager von Soest an. Er hatte realistisch gesehen als Einziger noch die Chance, an Long Tall John vorbeizuziehen. Doch dazu musste er die Weite seines eigenen zweiten Versuches mindestens egalisieren, was noch niemand vor ihm gelungen war.

Als der Startschuss gefallen war, legte der Jager los, als sei eine wilde Meute Hunde hinter ihm her. Er bearbeitete sein bereits zu voller Größe ausgefahrenes Rohr abwechselnd mit der linken und der rechten Hand. Kein Lefthand und kein Righthand, ein echtes Double. Ein ungeahnter Vorteil.


Im Gegensatz zu den ersten beiden Runden ließ er seine Augen nicht zwischen uns anderen Teilnehmern hin und her schweifen, sondern sie fixierten einen Punkt in weiter Ferne. Was gab es da nur zu sehen?


Und dann wusste ich es. Sein Freund Jonathan hatte sich hereingeschlichen und stand etwa einen Meter vor dem Vorhang, der die Bühne vom Backstage trennte. Und er feuerte seinen Freund auf eindringliche Weise an, indem er Jager den Rhythmus vorgab, denn er hatte die Hose heruntergepellt und spielte den Vorwichser. Das Publikum konnte ihn nicht sehen, doch als auch die anderen Kombattanten erkannten, was sich da abspielte, kam Unruhe auf.

“Ist das erlaubt?“, fragte der Chief Checker. „Männer haben hier nichts verloren, das muss verboten sein.“ Bevor ich mich wundern konnte, dass er uns acht nicht als Männer ansah, brüllte er in voller Lautstärke los:


„Schon wieder Schiebung! Wichsen ohne Erlaubnis ist verboten!“


Wow, welch unglaublich tief schürfende Erkenntnis gab er da zum Besten. Und das Publikum amüsierte sich noch mehr als ich, denn da sie Chief Checkers Objekt der Verärgerung nicht sehen konnten, musste dieser Ausbruch für sie noch grotesker wirken.


Als der dann noch begann, wie ein Schulbube mit einer Hand zu strecken und mit der anderen in Richtung Jonathan zu zeigen und den Schiedsrichtern „Da, da, da“ zuzubrüllen, hatte er den Hexenkessel endgültig zum Überkochen gebracht. Selten hatte ich so viele weibliche Schenkelklopfer gesehen.

Noch ehe einer der Offiziellen reagieren konnte, verschwand Jonathan hinter dem Vorhang und als wäre es die leichteste Übung der Welt, dreimal innerhalb einer derart kurzen Zeit abzuspritzen und Rekordweiten zu erzielen, schleuderte der Jager von Soest sein Sperma sogar noch einige Zentimeter weiter als im zweiten Versuch. Triumphierend rannte er mit immer noch wippendem Schwanz und erhobenen Armen durch die Arena, vollführte urkomisch anzusehende Freudensprünge und ließ sich feiern. Er lag ganze zehn Zentimeter vor dem großen John. Wow, wer hätte das gedacht.


Hinter der Bühne hörte ich Jonathans Jubelschreie. Wie schön, dass er sich für seinen Freund mitfreuen konnte. Und seine eigenen Verdienste waren ja nicht eben gering gewesen, auch wenn sie vielleicht nicht ganz legal waren.


Auch das Publikum honorierte Jagers grandiose Leistung und feierte den neuen Helden, während John zusehends depressiver wirkte. Ja, das Leben war ungerecht.



Chief Checker war an der Reihe, sein dritter und mithin letzter Versuch, sich vom derzeit achten Platz zu lösen. Sein Dopingmittel schien heute nicht die volle Wirkung zu entfalten. Ob der Stier, der seine Hoden hatte spenden müssen, eine Geschlechtskrankheit hatte oder schlicht ein Ochse gewesen war?


Chief Checker lag fast aussichtslos hinten, er musste sich etwas einfallen lassen. Sicher aus diesem Grunde probierte er eine neue Technik. Während er seinen Dicken mit Inbrunst wichste, trat er fünf Schritte von der Abschusslinie zurück und stürmte plötzlich nach vorne. Verflixt, er probierte die Sperrwerfertechnik, wenn das mal gut ging?!

Ging es nicht! Beim letzten Schritt kam er ins Straucheln, konnte sich fast noch fangen, doch weil er partout das Wichsen nicht sein lassen wollte, riss es ihm die Füße unter dem Leib weg und er stürzte mit einer formvollendeten Pirouette um seine senkrechte Achse auf den Rücken, direkt vor die Abschusslinie. Jetzt erst stellte er das heftige Rubbeln an seinem Schwanz ein, doch es war bereits zu spät.


„Nein, nicht!“, brüllte er durch die Arena, doch es nützte nichts mehr. Mit stierem Blick aus hervortretenden Augen verfolgte er, wie das Elixier in mehreren Fontänen aus ihm heraus schoss. Er brachte eine beachtliche Höhe zustande ... bevor er sich von Kopf bis Fuß besudelte.

Ein homerisches Gelächter brandete auf, lief die Reihen der Arena entlang, und stieg in den unschuldigen Himmel über Köln. Einige Zuschauerinnen wurden fast hysterisch und kreischten, als sei der Jüngste Tag angebrochen. Während der ganzen restlichen Veranstaltung hörte man immer wieder ein Glucksen und vereinzelte Lachanfälle. Ja, einen grandiosen Erfolg hatte der Chief Checker da errungen.

Wie ein begossener Pudel schlich er von dannen. Er tat mir leid, vor allem, weil die Schiedsrichter es sich nicht nehmen ließen, mit todernster Miene den Erfolg seiner Aktion akribisch zu messen.


„Fünf Komma vier“, man konnte das breite und schadenfrohe Grinsen des Sprechers förmlich hören, „Zentimeter!“, schmetterte der Ausrufer durchs Mikrofon, und die Fröhlichkeit in seiner Stimme gab Chief Checker den Rest. Mir jedoch blieb das Lachen im Halse stecken, als ich realisierte, als nächster und letzter Teilnehmer zur Rampe zu müssen. Schlechtester konnte ich nicht mehr werden, und realistisch betrachtet auch nicht mehr Erster. Alles andere war noch drin.

Als ich nun vortrat, mit bereits halb erigiertem Schwanz, peitschten mich die Kölner Frauen mit ihrem hysterischen Geschrei vorwärts. Die Mösen La-Ola lief um das Stadium, und unter den Anfeuerungsrufen der wild gewordenen Meute trat ich an die Abschusslinie vor und versuchte, das Letzte aus mir herauszuholen.


„Dominique! Vera! Steht mir bei!“, schickte ich ein Stoßgebet gen Himmel.

Und da sah ich sie, ganz vorne im Publikum. Sie lachten mich an, lupften ihre Röckchen und präsentierten mir ihre Wahnsinnsmuschis. Wow, das riss mich in Richtung Orgasmus. Erst recht, als sie simultan begannen, mit der flachen Hand über ihre Schnecken zu reiben und mich durch ihre eigene Masturbation anzufeuern.


„Halver Hahn“, schrieen sie, „zeig uns, was du draufhast!“

Schon die Vorstellung, dass die beiden gleich für mich abspritzen würden, sorgte für einen Adrenalinstoß und die gleichzeitige Ausschüttung sämtlicher sonstigen Hormone, die einen Superorgasmus begünstigen. Man muss darüber ja nicht im Detail Bescheid wissen, Hauptsache es klappt.


“Spritz ab, halver Hahn, gib uns deine Sahne!“, feuerten sie mich an. Und erst jetzt wurde mir klar, dass ich keineswegs träumte, dass diese beiden jungen Frauen real waren. Sie ähnelten nur entfernt dem Traumgebilde, das mich in der Pause heimgesucht hatte. Die beiden waren urkölsche Mädcher, die ihren Favoriten anfeuern wollten.


Oh diese Lokalpatriotinnen, taten für ihren Helden einfach alles, auch wenn die halbe Welt ihnen dabei zusah. Denn mittlerweile konnten alle Zuschauer ihre Mösen in Großaufnahme auf dem Videowürfel begutachten.

Das gab mir den Rest, schob mich über den Rand.


Mit einem brünstigen Stöhnen, das selbst den beachtlichen Lärmpegel der anfeuernden Frauen übertönte, spritzte ich los. Fest, weit und unglaublich befriedigend. Wow, das war mein bester Versuch, obwohl es der dritte war. Sicher hatte ich mich nach vorne geschoben, doch wo war ich gelandet?

Eine Sensation bahnte sich an, und das Publikum raste. „Kölle! Kölle!“, war ebenso zu hören wie „Halver Hahn! Halver Hahn!“


Und trotz meiner Skepsis der Veranstaltung gegenüber, die sich in der Pause erheblich verstärkt hatte, konnte ich nicht umhin, mich über den insgesamt zweiten Platz zu freuen. Ich hatte den großen Champion LTJ um genau einen Zentimeter geschlagen. Dankbar für die prächtige Unterstützung durch das heimische Publikum, verneigte ich mich nach allen Seiten und warf Kusshändchen ins Rund der Arena.

Und das verkraftete LTJ nicht. Seine bisherige Resignation schlug in rasende Wut um. Mit einem Riesensatz sprang er auf, packte seinen Sessel, stemmte ihn in den Himmel und warf ihn mit voller Wucht auf den Boden, sodass Splitter nach allen Seiten spritzten.


“Aaaaaarrrrrgggghhh!“ so ungefähr klang das, was er von sich gab. Wie weiland der rasende Roland stürzte er zum Ausgang, die Helferinnen, die ihn besänftigen wollten, unsanft beiseite drängend.


Wow, welch ein Abgang. Und welch ein Eklat.



Selbst Karl der Große und Ludwig XIV können keinen größeren Erfolg bei ihren Untertanen gehabt haben, als ich in diesem Moment bei den Kölner Weibern. Jedes Mal, wenn ich ins Publikum winkte, raste die wild gewordenen Meute und schrie sich die Seele aus dem Leib. Einzelne Worte waren nun nicht mehr zu verstehen, die Kakofonie war zu groß.


In einer Viertelstunde gab es die Siegerehrung, und wir Athleten begaben uns zwischenzeitlich zu einem kleinen Sektempfang hinter der Bühne.


Als wir Aufstellung nahmen, um die Bühne zu verlassen, hatten sich die außer Rand und Band geratenen Frauen auf einen Ruf geeinigt, den sie rhythmisch skandierten:


„Köööööölle, Köööööööölle!“, tönte es durch die Arena, nur unterbrochen von Jubelgeschrei, wenn ihr ungekrönter König geruhte, ihnen Kusshändchen zuzuwerfen. Und plötzlich ertönte im Überschwang der Gefühle die Melodie von Viva Colonia, der Kölner Nationalhymne, allerdings hatten einige besonders pfiffige Weiber den Text geringfügig verändert: „Wir lieben das Leben, die Liebe und den Tanz und den halven Hahn, mit seinem geilen Schwanz.“ Stolz schwellte meine Brust, denn wann hatte jemals jemand spontan ein Gedicht auf mich verfasst.

Wenn Jagers Blicke mich hätten töten können, wäre ich nicht weit gekommen.


„Du lausiger Amateurwichser“, glaubte er mich demütigen zu können, „kannst mich mal am Arsch lecken.“


Das hätte er wohl gerne gehabt. Doch ja, ich verstand seinen Ärger nur zu gut. Er hatte gewonnen, ohne Frage. Den Contest jedenfalls. Doch ich hatte die Herzen erobert, und das verzieh er mir nicht.

Während mich die Ovationen der Köllsche Mädcher fast schweben ließen, zogen mich düstere Gedanken auf die Erde zurück. Wenn ich entdeckt wurde, war ich verloren, der Job war sicher futsch, und das schadenfrohe Grinsen der dann ehemaligen Kollegen ... schon die Vorstellung ließ mich schaudern. Ich musste weg hier! Zu viele Unwägbarkeiten kamen auf mich zu.


Wenn ich Jager in die Finger fiel oder gar diesen tollwütigen Weibern, dann ging es mir an den Kragen. Ob ich nicht lieber den Sektempfang und die Siegerehrung sausen ließ und mich aus dem Staub machte? Verdammt, ich war hin und her gerissen. Den Triumpf auskosten und etwas riskieren ... oder den Schwanz einziehen und halbwegs auf Nummer sicher gehen?

„Zwei Seelen wohnen, ach! in meiner Brust.“ Schon wieder stimmte dieser Satz, und die Betonung lag eindeutig auf dem „ach!“.

******************************



SEKTEMPFANG UND SIEGEREHRUNG

War ich wahnsinnig? Wie sonst war es zu erklären, dass ich hier war und nicht einige Kilometer entfernt und in Sicherheit. Wo es doch ganz unversehens eine gute Möglichkeit gegeben hatte zu verschwinden. Als die schnuckeligen Mädel mit den Tabletts hereinspaziert kamen und der verschollen geglaubte Long Tall John plötzlich zwischen ihnen auftauchte, konnte die letzte in der Reihe ihre Augen nicht von seiner hünenhaften Gestalt wenden und stolperte über seine Haxen. In der Folge gab es ein solches Kuddelmuddel, dass es ein Leichtes gewesen wäre, mich ungesehen zu verdrücken. Doch ich ... stand da wie gelähmt, rührte mich nicht von der Stelle.

Das gab mir zu denken. War ich wirklich so geil auf die Siegerehrung? Oder auf den Sektempfang hier und jetzt? Was um Himmels willen versprach ich mir davon? Ich musste komplett verrückt geworden sein.

Und wie sehr hatte ich bisher eitle Männer verspottet. Lächerlich waren sie mir vorgekommen, wie aufgeplusterte Pfauen. Und nun stand ich hier, stieß mit dem Impresario an und zuckte zusammen, als er mir verschwörerisch zuzwinkerte.


„Na, hab ich nicht gesagt, Sie werden es schon reißen?“


„Wenn nur niemand erfährt, wer unter dieser Maske steckt!“, beschwor ich ihn im Flüsterton.


„Von mir sicher nicht. Sie haben der Veranstaltung genau die Note verliehen, die sie braucht. Ich werde doch mein bestes Pferd im Stall nicht vergraulen.“

Da hatte ich es. Das beste Pferd im Stall eines Wichtigtuers und geschäftstüchtigen Niemand, so weit hatte ich es gebracht. Ich hätte kotzen können, doch da dieser Wicht mich in der Hand hatte, machte ich gute Miene zu dem beschissenen Spiel. Obwohl es unter der Maske gar nicht zu erkennen war, entblödete ich mich nicht, ihn anzugrinsen.

„Da kommt übrigens Frau Silberling von der ZEITUNG. Ich habe ihr ein Interview mit dem neuen Stern am Wichserhimmel versprochen. Das macht Ihnen doch nichts aus?“

Spätestens jetzt hätte ich ihn erwürgen können. Die aufgetakelte Blondine, die sich mir näherte, und deren Name wohl eher Silberblick hätte sein sollen, weil sie ständig auf die Stelle meines Bademantels schielte, die auszubeulen ich sicher in den nächsten zehn Tagen nicht mehr in der Lage sein würde, war mir auf Anhieb so sympathisch wie ein Alligator beim Fressen. Und ungefähr konnte ich die Gefühle des lebendig verschlungenen Opfers nachempfinden. Was nur hatte mich dazu getrieben, hier zu bleiben? Die Strafe für diese Sünde der Eitelkeit folgte auf dem Fuß, und ich durfte nicht einmal den Impresario dafür verantwortlich machen. Ich! Ich selbst hatte mir diese Suppe eingebrockt.


Nur mein Löffel war so verdammt winzig.

„Hi, Halver Hahn, gratuliere zu dem grandiosen Erfolg. Damit gerechnet?“


Oh, wie ich diese halben Sätze hasste. Dieses „Alles?“ an der Wursttheke. Diese Verhunzung der schönen deutschen Sprache. So arg weit war der Vergleich mit der Metzgerei gar nicht hergeholt, denn ich fühlte mich, als sollte ich zu Hackfleisch verarbeitet werden. Und die wasserstoffoxidblonde Frau mit dem aufgepumpten Busen würde mich mit Vergnügen zum Frühstück verspeisen.


„Nein“, war meine lakonische Antwort. Die einzige Art, die ich sah, ihren Fragen einigermaßen aus dem Weg zu gehen, war drastische Kürze der Antworten. Mit Interviewern kannte ich mich immerhin aus.

„Überraschungssieg also?“


„Zweiter!“, korrigierte ich ihre Fragestellung.


„Und wie fühlt man sich nach solch einem Sieg?“


„Gerädert“, verzichtete ich auf eine weitere Korrektur.


„Ach! Ich dachte, das sei eine der leichtesten Übungen für Profiwichser. Etwa gar keiner?“


„Nein.“ Wenigstens bekam ich langsam Spaß an dem Spiel mit den Stenogrammantworten..


„Und weshalb die Maske?“


„Akne, frisch aufgeblüht.“


„Dann sind Sie noch jung? Pubertät?“


„Manchmal“, ließ ich sie im Unklaren. Wenn sie so blind war, dass sie beim Wettbewerb mein Alter nicht hatte einschätzen können, bestand noch Hoffnung, dass sie von dannen schleichen musste, ohne einen Schimmer zu haben, wen sie da vor sich hatte. Oder hatte sie der Veranstaltung gar nicht beigewohnt und war erst zum Sektempfang aufgetaucht?

„Und welches Training, Halver Hahn?“


„Ich habe eine Anbläserin, die allerdings nicht mit auf die Bühne kommt. Dort helfe ich mir selber“, log ich das Blaue vom Himmel. Alles Verschleierungstaktik.


„Ich habe mich schon immer gefragt, wie ihr Profiwichser eurer Anbläserin signalisiert, dass ihr bald so weit seid?“


„Wie es die anderen machen, weiß ich nicht, bei mir ist Outadaway das Zauberwort.“

Schon während ich diesen verhängnisvollen Satz von mir gab, wurde mir mein eklatanter Fehler bewusst. Ohne nachzudenken hatte ich Long Tall John nachgeplappert. Und der stand nur einen Meter neben mir, wie ich plötzlich bemerkte. Er hatte sich wohl herangeschlichen, um mich zu belauschen. Seine Augen funkelten böse, und der plötzlich triumphierende Ausdruck darin blieb mir nicht verborgen. Er wusste es! Hatte erkannt, wen er da vor sich hatte. Auf der Bühne war ein solcher Lärm, dass sein „Zauberwort“ nur von Annie gehört werden konnte. Woher also kannte ich es?


Und genau das war sein Ziel gewesen, das war mir nun klar. Er wollte mich um jeden Preis enttarnen und mein Geheimnis der Welt zur Kenntnis bringen, aus Rache für mein gutes Abschneiden. Und nun, da er wusste, dass ich der „verfluchte Journalist“ war, der angeblich hauptverantwortlich für seine Misere war, erst recht. Oh, was für ein heimtückischer, übler Kerl. Dabei hatte ich gerade ihn noch am meisten von dieser illustren Wichserbande geschätzt. So konnte man sich täuschen.



Mir wurde schlecht, schlagartig. Ein Gefühl, als wären meine Beine aus Wackelpudding und mein Gehirn zu Sülze geronnen.


Ohne mich weiter um die Silberling zu kümmern, wankte ich auf LTJ zu und wollte ihn ... ja, was eigentlich? Flehentlich bitten, mich nicht zu verraten? Ihn erwürgen, um meiner Schande zu entgehen? So lächerlich letztes Unterfangen auch gewesen wäre, angesichts der Unterschiede unserer körperlichen Statur. Mit dem kleinen Finger hätte er mich an die Wand drücken und ersticken können.


Ich wusste selber nicht, was ich mit dieser Verzweiflungstat erreichen wollte. Und musste auch gar nicht entscheiden, was ich im Zweifelsfall getan hätte, denn LTJ entwand sich meiner nach ihm greifenden Hände, grinste mich spöttisch an und verschwand in der Menge. So heimtückisch, wie er mich angeblickt hatte, ging er ohne Zweifel mit seiner exklusiven Information unverzüglich an die Öffentlichkeit. Genauso gut hätte er mir den Schierlingsbecher reichen können. Die Katastrophe war perfekt!



Mein plötzlich trockener Hals lechzte nach Flüssigkeit, und ich griff mir gleich zwei Sektgläser vom nächsten vorbeischwebenden Tablett. Schneller als mir gut tat, stürzte ich den Inhalt die Kehle hinunter und verschluckte mich derart, dass ich in den nächsten fünf Minuten damit beschäftigt war, wieder zu Atem zu kommen. Nur so ist es zu erklären, dass ich immer noch anwesend war, als der Impresario verschwand und einige Helferinnen uns Athleten in einer Reihe aufstellten. Immer noch nach Atem ringend, ließ ich mich fast willenlos einreihen.

Während mir diese Schnepfe von der ZEITUNG durch den Kopf geisterte, marschierte ich mit den anderen zurück in die Arena zur Siegerehrung. Mir graute davor, und dass ich beim Einmarsch stolperte und mit dem Kopf so heftig gegen den vor mir gehenden Chief Checker prallte, dass ich Sternchen sah und mir übelste Flüche vom Chief anhören musste, sah ich durchaus als schlechtes Omen an.


„Nicht mal im Gleichschritt marschieren kann der Idiot“, hörte ich noch eine weitere Stimme.


Ich hatte es deutlich verstanden. Squirting Arrow war ein Giftmolch, ihn hatte ich doch gar nicht berührt. Wieso waren sie nur alle solch neidzerfressene Zeitgenossen? Hatten am Ende diejenigen recht, die geistigen Schaden prophezeiten, wenn man Hand an sich selber legte? Oder ging es generell im Sport so zu und dieser Umgangston war Normalität? Ach, es war mir egal, nur jetzt alles schnell hinter mich gebracht!

***

Acht waren ausgezogen, die höchste Wichstrophäe zu erobern, sieben traten nun an, um das offizielle Ergebnis zu erfahren. Denn Long Tall John war und blieb verschwunden. So sehr der Offizielle, der uns in die Arena führen sollte, auch tobte, LTJ blieb verschollen. Besonders peinlich, weil wir unter die Bühne geführt wurden und dort acht Plattformen vorbereitet waren. Jeder von uns Helden sollte sich auf die für ihn vorgesehene stellen und jetzt blieb eine leer.


Das verzweifelte Gesicht des Verantwortlichen hellte sich auf, als er in einer Ecke die Überreste des vom berserkerhaften LTJ zertrümmerten Sessels entdeckte. Mit einem kurzen Befehl veranlasste er zwei dienstbare Geister, sie auf der achten Plattform zu deponieren.

„Meine sehr verehrten Damen! Ich bitte um vollkommene Stille!“, ertönte die Stimme des Arenasprechers.


„Die besten Athleten des WIXA-Verbandes werden in Kürze wieder erscheinen und die wohlverdienten Preise in Empfang nehmen.“


Tatsächlich trat augenblicklich Stille ein, und als sich über mir eine Öffnung auftat und die Plattform sich langsam nach oben bewegte, verstand ich auch, wieso. Es war vollkommen dunkel im Stadion, alle Lichter waren gelöscht worden.


Als die Plattform zum Stillstand kam, ertönte aus den Lautsprechern die herrliche Musik von Queen: „We are the Champions“.

Wow, trotz meiner seit Stunden latent vorhandenen Panik, bekam ich eine Gänsehaut. Theatralik pur, doch sie verfehlte nicht ihre Wirkung. Auch nicht bei den Zuschauerinnen. Erst vereinzelt, dann an immer mehr Stellen im Rund flackerten Wunderkerzen auf. Noch nie war ich Mittelpunkt solcher Aufmerksamkeit gewesen. Dazu musste ich erst auf diese Veranstaltung geraten und vor einer Horde wilder Weiber mein Sperma dreimal versprühen. Die Welt war ein Irrenhaus und ich ... passte wunderbar hinein, war ein würdiger Bewohner. Die ganze Köln-Arena war eine einzige Gummizelle.

Plötzlich ein Lichtkegel. Doch er erfasste nicht uns sieben, sondern den Impresario, der es sich nicht nehmen ließ, die Preisverteilung selber vorzunehmen. Doch welch wundersame Verwandlung war mit ihm vorgegangen!?


Als ich ihn zuletzt gesehen hatte, war er in Anzug und Krawatte gekleidet, trug schwarze Schuhe und hatte eine kurze Stoppelhaarfrisur. Jetzt aber war er kaum wiederzuerkennen: Bis zum Nabel aufgeknöpftes Hawaiihemd, dunkle Sonnenbrille, eine im Scheinwerferlicht funkelnde Goldkette, behaarte Brust und ... eine blonde Mähne, deren Locken den meisten Frauen in den Zuschauerrängen gut gestanden hätten. Gab es denn überhaupt irgendetwas bei dieser Veranstaltung, das echt war? Ich meine außer meinem an Echtheit nicht zu überbietenden Schiss.

„Meine Damen, Sie sind Zeuginnen eines der denkwürdigsten Wettbewerbe aller Zeiten geworden. Die größten Wichser des Jahrhunderts haben Ihnen gezeigt, was sie aus sich herausholen können.“


Langsam schwoll der Lärmpegel wieder an, vor allem beim letzten Satz.


„Hier sind Sie also wieder, die Lieblinge der Damenwelt und die größte Versuchung seit es wirkliche Männer gibt. Feiern Sie mit mir unsere Hengste, pardon Helden. DA SIND SIE!“

Geblendet fuhr ich zurück, als plötzliche grelle Helligkeit mich umfing und die Musik so laut wurde, dass selbst das Geschrei und Gekreisch der Zuschauerinnen übertönt wurde. Völlig falsch hatte ich mich benommen, ging mir endlich auf, denn meine Kollegen und Mitstreiter stellten sich in Siegerposen zur Schau, während ich mich eher wie ein verschrecktes Häuflein Mensch präsentierte, das sich immer noch und immer wieder fragte, wie es hierher geraten war. Und genau so war es auch, der Anschein entsprach der Wirklichkeit.

Langsam wurde der Lärm ein wenig erträglicher, und der Impresario schrie seine nächsten Sätze ins Mikrofon.


„Fast tragisch und unendlich nervenaufreibend die Berg- und Talfahrt unseres langjährigen Champions und heutigen Dritten: LONG TALL JOHN“


Oh weh, der Ärmste. Hatte noch nicht realisiert, dass der allseits beliebte Champion das Hasenpanier ergriffen hatte. Der Lichterkegel, der auf seinen Platz gerichtet wurde, zeigte nur die Trümmer von etwas, das mal ein Sessel gewesen war. Und trotzdem waren hysterische Schreie aus dem Publikum zu vernehmen. Sicher Fans, die von Wettbewerb zu Wettbewerb reisten, um ihrem Helden nahe zu sein.

Mit ernster Miene und die ungewöhnliche Situation mit Bravour meisternd, schritt der Impresario zu Johns Trümmerhaufen und stellte den Pokal auf die als einziges heilgebliebene Sitzfläche des desolaten Möbelstücks. Dann begab er sich gemessenen Schrittes zurück zum Mikrofon.

Jetzt kam er also, der Moment, den ich herbeisehnte und zur gleichen Zeit fürchtete wie der Teufel das Weihwasser. Würde ich das durchstehen? Und vor allem ... würde das Publikum es durchstehen? Ohne Eklat, obwohl es schon jetzt außer Rand und Band war?

„Ladies aus Köln und Umgebung, die ihr mit eurem unermüdlichen Anfeuern einen neuen Stern am Wixahimmel habt aufgehen lassen, hier ist er, der neue aufstrebende Wichsathlet, der auf Anhieb den zweiten Platz in diesem hervorragend besetzten Contest errungen hat. Begrüßen Sie mit mir den Senkrechtstarter dieses Turniers, den Lokalmatadoren und Superhelden ... den HALVEN HAHN“.


Oh ja, man konnte die Großbuchstaben förmlich hören. Doch für die nächsten Minuten waren es die letzten Worte, die zu verstehen waren. Ohrenbetäubender Lärm schwappte durch die Arena. Überall gestikulierende Weiber, erhitzte Gesichter, obszöne Gesten, entblößte Muschis. Als der Stadionsprecher versuchte, wieder zu Wort zu kommen, schrieen die Furien nur noch lauter. Also wartete der Impresario nicht länger und kam auf mich zu, drückte mir den fein ziselierten Pokal in die linke Hand, während er mir demonstrativ die rechte zerquetschte und schüttelte, als wollte er mir den Arm aus der Schulter reißen.

Vielleicht wäre alles gut abgegangen, wäre die fatale Verkettung von Ereignissen noch zu vermeiden gewesen, wenn der vor Zorn fast gelbgesichtige Jager von Soest nicht einen fatalen Aussetzer gehabt hätte. Doch die Eifersucht des Schönlings auf mich, der ich doch nur Zweiter, und damit Siebtletzter geworden war, überwältigte ihn und setzte seinen Verstand vorübergehend außer Betrieb. Ich stahl ihm die Show, entzog ihm die wohlverdienten Sympathien des Publikums und machte ihn dadurch mehr oder weniger zur Witzfigur oder tragischen Gestalt, ganz wie man es betrachten wollte.


Ich hatte schon vorher bemerkt, dass er sich kaum noch beherrschen konnte. Er ballte die Fäuste und öffnete sie wieder, im steten Wechsel. Als ich nun ins Publikum winkte und der Jubelschrei der ekstatischen Menge trommelfellgefährdende Ausmaße annahm, musste sich seine Aggression irgendwie entladen. Mit Riesenschritten stürzte er auf mich los, schubste den immer noch meinen Arm als Pumpschlegel benutzenden Impresario unsanft beiseite und – ich rechnete schon mit einem Faustschlag – hielt mir den Stinkefinger direkt unter die Nase.

Und das mit einer Vehemenz, dass ich heftig zurückzuckte. War der Kerl wahnsinnig geworden? Von Weitem sah das wohl so aus, als habe mich mein Kontrahent mit der Faust mitten ins Gesicht geschlagen und zwar so gewalttätig, dass ich davon zurückgeschleudert wurde.

Jetzt kochten die Emotionen endgültig über. Das Geschrei vor allem auf den billigen Plätzen wurde ohrenbetäubend, und über der Köln-Arena schwebte eine kollektive Zorneswolke, die sicher noch in Bad Boll zu sehen war. Zwei Frauen aus dem extrem teuren Logenbereich übersprangen die Barriere und versuchten, auf die Bühne zu stürmen. Erst unmittelbar vor den Stufen schafften es die herbeieilenden Ordnerinnen, sie abzufangen und festzuhalten. Mit allen Kräften versuchten die beiden sich loszureißen, und jetzt aus der Nähe erkannte ich die zwei Frauen wieder, die mir mit ihrer aktiven Unterstützung das ansonsten eher sportliche Ereignis zu einem sexuellen Erlebnis hatten werden lassen. Um sie zu beruhigen, winkte ich ihnen, freundlich lächelnd und so meine Unversehrtheit demonstrierend, zu.

Was ich nicht hätte tun sollen, denn diese Geste, die wohl als Wink, zu mir zu kommen interpretiert wurde, spornte die beiden an, noch intensiver zu versuchen, dem Würgegriff der wie eine Proficatcherin aussehenden und handelnden weiblichen Riesengestalt zu entkommen. Sich windend und um sich tretend entblößten sie sich mehr und mehr, denn die ohnehin spärliche Bekleidung löste sich nach und nach in Fetzen auf.


Erstes Gelächter brandete auf, und plötzlich, wieder mal in der Westkurve beginnend, waren menschliche Laute zu ahnen, die sich nach und nach zu einem Wort verdichteten, das von immer mehr Frauen aufgegriffen wurde und mir wie Donnergetöse in den Ohren klang.

„Ausziehen! Ausziehen!“

Keinen Augenblick zweifelte ich daran, dass dieser Ruf, ja Befehl, mir galt, und niemand anderem. Doch wieso? Hatten sie denn nicht bereits genug gesehen? Mehr als mir beim Wichsen zuschauen zu lassen, hatte ich nun wirklich nicht zu bieten. Mehr konnte ich mich doch nicht entblößen. Aber gut, wenn sie mich noch einmal nackt sehen wollten, gab es keinen triftigen Grund, es ihnen zu verweigern. Mit einem Schwanz in Hab Acht Stellung rechnete sicher keine aus der Meute.


Mit langsamen Bewegungen öffnete ich den Gürtel des Bademantels, ließ das gute, vorne und hinten mit „WIXA“ bestickte, flauschig weiche Kleidungsstück von den Schultern gleiten und präsentierte mich, wie meine Mutter mich zum ersten Mal gesehen hat. Und die Größe meines männlichsten Attributs wich sicher nicht so sehr von damals ab.

Doch zu meiner unendlichen Verblüffung hörten die Rufe nicht auf.


„Ausziehen! Ausziehen!“


ohne Unterbrechung und in zunehmender Lautstärke.


„Ausziehen! Ausziehen!“

Es dauerte eine Weile, bis ich begriffen hatte. Mittlerweile hatte ich mich so sehr an die Maske gewöhnt, dass ich sie gar nicht mehr bewusst wahrnahm. Doch als ich jetzt in beginnendem Verstehen mir an den Kopf griff, schwoll der Lärmpegel wieder bedrohlich an und bestätigte meine Vermutung. Da waren sich alle einig, Große und Kleine, Dicke und Dünne, Geile und Obergeile. Nur ich armes Würstchen wollte genau das um keinen Preis. Um überhaupt gar keinen. Noch nie hatte ich ein Stück Leder so lieb gewonnen wie dieses, es war mir geradezu ans Herz gewachsen.

Mein Kopfschütteln wurde registriert, doch keineswegs akzeptiert. Im Gegenteil! Weitere wild gewordenen Furien rissen die Barriere zur Arena nieder und liefen auf die Bühne zu. Sofort waren hilfreiche Geister zur Stelle, doch der Ansturm ließ sich kaum bremsen. Angst schnürte mir die Kehle zu und mein Herz donnerte unter dem Rippenbogen wie eine geborstene Glocke, deren Missklang den läutenden Küster zu immer neuen Anstrengungen reizte. Was sollte ich nur tun, wie mich retten? Denn dass die Hilfssheriffs über kurz oder lang dem Ansturm der Meute nichts mehr entgegenzusetzen haben würden, wurde immer wahrscheinlicher. Selbst die überwältigende Statur der Catcherin hielt immer mehr Frauen nicht weiter davon ab, ihren Sitzplatz zu verlassen und zur Bühne zu drängen.

Mit steigendem Entsetzen sah ich eine Frau aus den höher gelegenen Sitzregionen sich von Stuhlreihe zu Stuhlreihe schwingen, und, mit fuchtelnden Händen das Gleichgewicht haltend, sich in rasendem Tempo auf mich zu bewegen. Ihr langer Mantel wehte hinter ihr her, sodass ich an Spiderwoman in einem Comicstrip denken musste. Doch dieser Eindruck verflüchtigte sich, als sie näher kam, denn weder benutzte die weibliche Kultfigur einen Pelzmantel aus früheren Jahrhunderten, noch hatte sie derartig viele Runzeln im Gesicht. Auch schien die Heranstürmende sich bei ihrem Sturmlauf die Ränge herab völlig verausgabt zu haben, denn kaum war sie unten angekommen, stürzte sie der Länge nach hin und einige Nachahmer ihres Kraftaktes, die ihr dicht auf den Fersen gefolgt waren, stolperten über sie hinweg und begruben sie unter sich.

Selbst von ihrem museumsreifen Pelzmantel war nichts mehr zu sehen, und erst als sich der Menschenknäuel langsam entwirrte, tauchte sie wieder auf. Die Wette, dass ihr Elan damit verpufft war, hätte ich verloren. Denn kaum stand sie wieder wackelig auf den Beinen, nordete sie sich kurz ein und schwankte weiter in meine Richtung. Dass sie mich meinte und nicht etwa Squirting Arrow oder einen anderen meiner Kollegen, war mir sonnenklar, denn kaum hatte sie mich wieder im Fokus, schien sie nicht einmal mehr zu blinzeln.


Ihre fanatischen Augen brannten mir fast Löcher in die Haut und als sie nur noch wenige Meter entfernt war, blieb sie zu meinem großen Glück in der Menge der anderen Heranstürmenden stecken. Nicht auszudenken, wenn sie ungehindert durchgekommen wäre.

Trotz des unbeschreiblichen Lärmpegels übertönte sie die Furien um sich herum, und ihr „Halver Hahn, warte, ich komme“ ließ mir das Blut in den Adern gerinnen. Ein Schreckensszenario lief vor meinem inneren Auge ab, bei dem mein derzeitiges Ein und Alles, die Maske nämlich, in Fetzen ging, und das kaum aufzuhaltende, wild durch die Menge drängende Weib sich wie die Ratte in Winston Smith’ Alpträumen in mein Gesicht hineinfraß. Sie war der personifizierte Horror. Mehr als alle anderen fürchtete ich sie und ihren unverkennbaren Fanatismus.

Langsam, die Meute nicht aus den Augen lassend, bewegte ich mich rückwärts, mich an den Pokal klammernd, als könnte er mir irgendwie Rettung bringen. Fast wäre ich über den Bademantel gestolpert, den ich gerade eben noch so nonchalant hatte zu Boden gleiten lassen. Ohne den Blick von dem auf mich zukommenden Unheil abzuwenden, bückte ich mich und hob ihn mit bebenden Fingern auf.

Ob der Mob sich mit diesem Fanartikel zufriedengab? Einen Versuch war es wert. Mittlerweile waren die Ordnerinnen so weit zurückgedrängt worden, dass die vordersten Frauen bereits die ersten Stufen der Treppe erklommen hatten und ich ihre verzerrten Gesichter aus allernächster Nähe sah. Und, oh weh, der Pelzmantel hatte bereits die zweite Reihe erreicht. Mit aller Kraft, die mir noch geblieben war, schleuderte ich den Bademantel samt Gürtel in hohem Bogen in die brodelnde Menge. Wie die Hyänen stürzten sie sich darauf und im Nu war der schöne WIXA-Bademantel wie durch einen Reißwolf gedreht. Angesichts dieses Spektakels wurde mir noch schlechter, als mir ohnehin bereits war, und das wummernde Herz sank mir in die Hose, die ich nicht anhatte.

Weg! Nichts wie weg!


Jede Sekunde, die ich länger hier verweilte, verkürzte mein Leben um Monate, wenn nicht Jahre. Die hinderlichen Badeschlappen schleuderte ich ebenfalls in Richtung der wilden Meute, in der minimalen Hoffnung, damit wenigstens einen kleinen Vorsprung zu erhalten. Und richtig, auch diese Utensilien bildeten zwei Häufungspunkte im ansonsten formlosen Gemenge.


Wann habe ich je in nacktem Zustand 100 Meter schneller zurückgelegt?


Den Pokal fest umklammernd rannte ich in Richtung meiner Kabine. Dort waren meine Kleider deponiert, und ohne sie war ich endgültig verloren. Ganz war mein Verstand noch nicht paralysiert, immerhin.

Fast wäre ich in sie hineingerannt. Denn urplötzlich standen mir drei hübsche, junge Dinger im Weg. Was sie hier im Gang zu suchen hatten, wusste ich nicht, doch als ich an ihnen vorbeisteuerte, sah ich zwei von ihnen heftig auf die Dritte einreden. Letztere war irgendwie seltsam. So ... ätherisch. Und dann die schwarzblonden Haare. Ihr sollte mal jemand ins Gewissen reden, mit so einer Frisur kann man doch nicht herumlaufen.


Mit Mühe und Not konnte ich ihnen ausweichen und nahm wieder Fahrt auf. Außer Fluchtgedanken hatte jetzt nichts mehr Platz in meinem Kopf.



Offensichtlich leisteten die Hüter der Contestordnung erbittert Widerstand, denn ich hörte nicht, dass mir jemand hätte folgen können. In Sicherheit war ich jedoch noch lange nicht, und so reduzierte ich die Fluchtgeschwindigkeit um keinen Deut, als ich in den Gang zu den Kabinen einbog. Was ich vielleicht besser getan hätte. Denn mit voller Wucht raste ich gegen die Tür zu Long Tall Johns Kabine, die dieser gerade mit Vehemenz von innen her öffnete.


„Verdammt, warum gehen die Türen hier zum Gang hin auf ...?“, waren meine letzten verwirrten Gedanken, bevor es dunkel um mich wurde.

******************************

JÄGERIN DES VERLORENEN TANGAS

Ich schnappte Tina, und zerrte sie mit in Richtung der großen Leuchtreklame.


VIP-Party !!!


Schnell noch mein Eigentum zurückholen und die klitzekleine Hoffnung, meine Freundin dort wieder zu finden.


„Nur mal so am Rande, Blondie. Deinen Tanga hat doch der Löwenmann?“, fragte Voice alias imaginäre Nervensäge.


„Ja.“


„Das heißt, du hast keinen an.“


„Ja. Und weiter?“


„Nichts weiter. Ich stell’s mir nur grad vor und es macht mich geil. Sabber, sabber.“


„Du hast wirklich was an der Klatsche, Voice.“

Vor dem Tor zu den heiligen Hallen herrschte bereits großer Trubel, und eine seltsam gereizte, ja fast schon bösartige, Stimmung.


„Die VIP-Karten sind leider gefälscht“, erklärte uns die Security-Kraft mit monotoner Stimme.


„Wie bitte? Das ist unmöglich!“, beharrte Tina.


„Wo haben Sie die Karten her?“


„Ähh … erworben!?“


„Von einem Typ, der den gleichen weißen »Security« Schriftzug auf einem schwarzen T-Shirt hatte?“


„Ähh … ja … der hat sie uns verkauft.“


„Die VIP-Karten sind leider gefälscht.“


„Sagtest du schon, aber ich muss unbedingt da rein.“


„Die VIP-Karten sind leider gefälscht.“


„Soll ich der Schnecke eins auf die Zwölf hauen?“, fragte Voice und begann in bester Boxermanier hin- und herzuhüpfen.


Ich zog die Hobbyboxerin zur Seite, und die nach uns wartenden Frauen bekamen die gleiche Auskunft.


„Die VIP-Karten sind leider gefälscht.“


„Ihr Argument ist wirklich schwach“, erboste sich die Nächste. „Das akzeptiere ich nicht. Für solche faulen Ausreden müssen Sie sich eine Dümmere suchen, aber die werden Sie hier kaum finden.“

Fieberhaft überlegte ich nach einer Möglichkeit, als Tina, die sich mittlerweile nur noch schwankend aufrecht halten konnte, auf mein Dekolleté zeigte.


„Ist das ein Preisschild?“


Ich schaute an mir runter und … Bingo.


Es gibt zwei Kategorien von Frauen, die einen mit gefälschten und somit wertlosen Karten, und dann die anderen, mit einer Freikarte von Herrn Kurt C. Pause, dem Vertriebsleiter der Athletik-Poppguys Agency.

Für einen kurzen Moment war mir, als würde uns ein maskierter, völlig nackter Mann mit umarmten Pokal umrennen. Dann eine wilde Meute, die sich aber in den unendlichen Weiten der Kölnarena verlief …. Kann natürlich auch nur Einbildung gewesen sein.

Eine Minute später war ich im VIP-Bereich. Als sich die massive Tür hinter mir schloss, änderte sich auch die Frequenz der lautstark durcheinander plappernden Frauenstimmen. Hier drinnen waren sie friedvoller, allerdings in der Tonlage noch ein paar Nuancen höher, obwohl die massiven Möbel und die Geräusch dämmende Innenverkleidung vieles rausfilterten.


Im Hintergrund lief Musik.

… Ja in Schwabing gibt's a Kneipen die muss ganz was bsonders sei,


da lassens solche Leit wie di und mi erst gar net nei, in 'd Schickeria, in 'd Schickeria.


Jeder spielt 'n Superstar und sauft an Schampus an der Bar,


in der Schickeria ...


Brust raus, Bauch rein und Kopf hoch. Mit der richtigen Körperspannung läuft es sich auch in High Heels sicher.


Kein Mensch, auch keine Frau, die halbwegs bei Verstand ist, kann einen so genannten Star anhimmeln. Selbstverständlich war mir auch klar, dass diese von kreischenden Frauen umgebenen Typen keinesfalls tiefsinniger sind. Meist sogar noch geldgierig, publicitysüchtig und oft auch völlig talentfrei.


Und es gab auch Wichtigeres, als diesem Kasper hinterher zu rennen, diesem starken Löwen aus Tansania ...


„Aleeke!!! Hier, hier bin ich!!!“

Gerade wollte ich mich ins Getümmel werfen, als sich mir ein untersetzter Mann in den Weg stellte. Graue Hochwassercordhose, altmodische, viel zu enge Strickweste und riesige Brille.


„Halt!“, befahl der Typ mit leicht geöffnetem Mund und heraushängender Zunge. „Schultze mit ’tz’ – ehrenamtliches Mitglied der AzVeL – den Beweis bitte vorzeigen!“


„Sonst geht’s Ihnen noch gut?“, fragte ich.


„Ja, danke. Mein Kreislauf macht mir zwar hin und wieder zu schaffen, besonders wenn ich mich schnell bewegen soll, das kommt allerdings auch nur selten vor und gelegentliches Sodbrennen, wenn ich zu fett esse … Den Beweis bitte vorzeigen. Ich bin vom AzVeL, der Abteilung zur Verhinderung erschlichener Leistungen. Bitte den Rock lupfen, damit ich sehe, ob Sie sich an die Vorgabe des reduzierten Eintrittspreises halten.“


„Unglaublich …!“, stieß ich hervor.


„Ja. Sie glauben ja gar nicht, wie viele einen Ersatzschlüpfer dabei haben!“, meinte Schultze mit ’tz’ und schielte mir völlig ungeniert in den Ausschnitt.


„Ihnen ist schon aufgefallen, dass wir hier im VIP-Bereich sind, der nichts, absolut gar nichts mit den Bedingungen des Eintrittspreises zu tun hat?“


„Ich bin nicht fürs Denken hier, sondern um zu kontrollieren. Und von mir aus können wir das die nächsten zwei Stunden gerne ausdiskutieren. Ich bin vom AzVeL und im Privatleben bin ich Beamter beim Finanzamt Nord, Abteilung 347 … korrekter gesagt – Assessor und späterer Diplom-Finanzwirt.“


Und diese Typen können extrem stur sein … um nicht noch mehr Zeit unnötig zu vergeuden, biss ich in den sauren Apfel.


„Und, geht Ihnen jetzt wenigstens schön einer ab dabei?“, fragte ich McGeifer.


„Oh ja … und wie … uuuuund wie.“


Die Zunge hing fast am Bauchnabel, die Atmung forcierte, die Augäpfel verdrehten sich in eine so unnatürliche Stellung, dass es schon beim Hinschauen weh tat. Die seltenste Flüssigkeit des gesamten Universums bildete sich auf seiner hohen Stirn ... Mit letzter Kraftanstrengung zog er ein abgenutztes Lederbüchlein aus der Innentasche der Strickjacke, fischte einen akkurat angespitzten Bleistift in Normlänge aus der Hosentasche und machte eine Notiz.


„Zum fünften Mal heute, mein persönlicher Rekord.“


„Und so ein Amateur wie der Jager von Soest gewinnt den XX. W.I.X.A. Abspritz-Contest“, kommentierte ich die bemerkenswerte Leistung des deutschen Beamtenanwärters. Ja, man sollte sie wirklich in kein Klischee stecken.


Ich ordnete mein Kleid und überließ ihn seinem Schicksal.

Wie ein Wesen aus einer anderen Welt stand das Bild von Mann, dessen aus Stein gemeißelter Astralkörper von Dutzenden von Frauen umringt war, und badete förmlich in der Menge. Einen kurzen Blick erhaschte ich auf den knappen Lendenschurz. Das Gekreische nahm von Minute zu Minute im Quadrat zu. Die Weiber gebärdeten sich schlimmer als ein Schwarm Teenies beim Konzert ihrer Lieblings-Boygroup.


Den aus dunklem Ebenholz geschnitzten Sexgott zu erreichen, war völlig aussichtslos. Außerdem strömten immer neue Besucherinnen in den VIP-Raum, und so mancher Ellenbogen traf mich. Die rabiaten Hardcore-Fans versuchten, sich den Weg freizuboxen …


Wie erbärmlich. Welch armselige egoistische Ellenbogengesellschaft. Sie kamen keinen Deut näher an Aleeke, und ich gab meinen favorisierten ersten Gedanken wieder auf.

Fieberhaft verrenkte ich mir den Hals nach dem Tänzer, aber das, was ich suchte, sah ich nicht. Ich musste unbedingt mit ihm sprechen.


Ein unangemeldetes Interview mit Barack Obama zu führen, wäre realistischer, und sein Secret-Service hätte hier bestimmt die allergrößten Schwierigkeiten, ihren Herrn vor der hysterischen Meute zu schützen, die jetzt auch noch damit begann, sich die Kleider vom Leib zu reißen.


„Ich liebe dich, Aleeke.“


„Ich will ein Kind von dir!“


„Aleeke - Fick mich.“

„Wozu hast du eigentlich eine imaginäre Nervensäge erfunden?“


„Voice?“


„Nein! Mutter Theresa vom Orden der barmherzigen Schwestern.“


„Wie bist du denn hier ohne Karte reingekommen?“


„Meine Fresse, Blondie. Du bist wirklich nicht die Hellste. Imaginär. Soll ich es dir buchstabieren?“


„Einspruch!“


„Und wer zum Henker bist du denn?“, fragte Voice einen im dunklen Frack, mit Melone und Spazierstock ausstaffierten Mann, der wie aus dem Nichts erschienen war.


„Darf ich vorstellen, Voice – das ist Herr Ko’mmentar, Behörde für literarische Anomalien …“


„Mister Ko’mmentar bitte“, korrigierte mich die ebenfalls imaginäre Person.


„Und was willst du, Pinguin? Siehst du nicht, dass sich hier zwei Damen unterhalten?“, schnauzte ihn Voice an.


Er räusperte sich diskret. „Ich will gar nicht weiter stören. Entschuldigen Sie bitte, ich bin Mr. Ko’mmentar, Beamter von der B.L.A. Um etwas Ordnung in den Plot hineinzubringen, empfehle ich ein optisches Unterscheidungsmerkmal. Sophies Gewissen sollte blond sein, ihre Triebe dementsprechend schwarzhaarig. Sind Sie damit einverstanden?“


„Grundsätzlich ja“, antwortete ich, „nur haben Sie sich in der Geschichte geirrt.“


„Oh? Das ist gar nicht die Gemeinschaftsarbeit des S-Teams?“


„Hast du’s an den Lauschern, Pinguin? Hat doch Blondie eben klar und deutlich gesagt, und jetzt schwirr ab, wir haben hier noch zu tun.“


„Entschuldigen Sie bitte die Störung. Das ist mir jetzt sehr unangenehm.“


„Kein Problem. So haben wir jetzt wenigstens ein bisschen Werbung gemacht.“


Mr. Ko’mmentar nickte, tippte sich an die Melone und war ebenso schnell verschwunden, wie er überraschend aufgetaucht war.


„Wer ist überhaupt diese Sophie? Verheimlichst du mir da etwas, Blondie?“


Ich verdrehte die Augen. „Wenn es dich interessiert, such’ die gleichnamige Geschichte und lies sie … Aber zurück zum Thema … was machen wir jetzt?“


„Ich werde mir von dem Neger das Hirn rausfi… Ich werde mit dem dunkel pigmentieren Mann den Koitus vollziehen und erwäge, mir dabei den Verstand herauskopulieren zu lassen. Political correct?“


„Ich meinte eigentlich – wegen meines Höschens?“


„Gute Frage. Ich mag dich, Blondie. Aber nicht so sehr … man sieht sich …“


Bevor ich etwas erwidern konnte, stürzte sich das nimmersatte Wesen wie ein Panther auf den Löwen.

Am Eingang der Lounge kam es zu Tumulten. Die gefälschten VIP-Karten wurden zu einem ernsten Problem. Aufgebrachte Frauen versuchten, den Raum zu stürmen. Die Security war hoffnungslos überfordert, und in wenigen Minuten würde hier das absolute Chaos ausbrechen. So dachten wohl auch viele der anwesenden VIPs, die von einem halben Dutzend schwarz gekleideter Herren aus Sankt Augustin-Hangelar durch eine Nebentür herausgeschleust wurden. Und nur die Stargäste, die Frauen wurden alle abgewiesen … Meine Chancen schmolzen dahin.


Wieder hatte es eine durch die Security-Reihe geschafft, und dabei lediglich einen Büschel Haare und eine blutende Nase als Tribut gezollt.


Plötzlich hatte ich eine Idee.


„John!!! JOHN LONG … irgendwie. Hier ist Long Dong John.“


Der Ring um Aleeke zerfiel wie ein poröser Gummi. Die Weiber stürmten zum Haupteingang, und wiederum konnte ich mich nur mit einem gewagten Hechtsprung in Sicherheit bringen.

Die Nachricht über die Anwesenheit von Long Tall John war das Zünglein an der Waage. Die beiden Blöcke der Hardcore-Groupies wirkten wie die Energie zweier aufeinander zurasender Galaxien und lösten beim Aufeinandertreffen eine Supernova aus.


Schlecht, um nicht zu sagen, ganz, ganz schlecht für die zwischen die Fronten geratenen Security-Kräfte … nun ja, jedem kann man’s nun wirklich nicht recht machen …


Doch der Superstar der W.I.X.A. Szene war nirgends zu sehen und das Wort „Betrug“ raste wie ein Steppenbrand durch die Menge. Es folgten lautstarke Beleidigungen, die selbst einem feucht fröhlichen Männerstammtisch die Schamesröte ins Gesicht treiben würden.

Der Löwe aus Tansania schaute fasziniert zu, und war sich nicht wirklich bewusst, was im wahrsten Sinne des Wortes gleich auf ihn zukommen würde.


Die Männer vom BKA beschworen ihn eindringlich, sich in Sicherheit zu bringen, und ich nutzte die Gelegenheit und hakte mich in Aleekes Arm ein.


„Keine Groupies!“, knurrte mich einer der Schwarzgekleideten an.


„Ich bin seine Frau! Wir sind verheiratet.“


Der Beamte starrte mich ungläubig an.


„Ja. Ist geile Frau“, bestätigte Aleeke, der nicht wirklich deutsch sprach.


„Den Beweis bitte vorzeigen“, meinte der Mann aus Sankt Augustin-Hangelar.


Nicht schon wieder … um diesmal einer endlosen Debatte aus dem Weg zu gehen, fasste ich an den Saum des Kleidchens.


„Ist bereits überprüft, werter Kollege“, erklärte der Anwärter für die höhere Beamtenlaufbahn. Seine Zunge hing mittlerweile wie ein Schal um seinen Hals, und die Pupillen berührten die Gläser seiner Brille.


„Ich würde es aber gern schwarz auf weiß sehen.“


Zaghaft lupfte ich mein Kleid ein paar Millimeter …


„Schon erledigt, Herr Kollege, ich habe mich eigenäugig von der Richtigkeit der gemachten Angaben überzeugt.“


Der BKA-Mann sah den AzVeL-Beauftragten irritiert an, als uns ein lauter Knall zusammenschrecken ließ.


Eine Frau, mit einer Axt – Modell Schädelspalter – begann, im Takt der Musik, die Theke in Kleinholz zu zerlegen.

… Ja mei, wie kommst denn du daher? A weng ausg'flippt musst scho sei, sonst lasst die der Gorilla an der Eingangstür net nei,


in d' Schickeria … in d' Schickeria …

„Achtung! Waffe!“, schrie der Schwarzgekleidete.


„Keine Sorge. Es handelt sich bei der Axt um ein Werkzeug. Außerdem kann sie eine Quittung vorlegen“, erklärte ich.


„Ach so. Das wusste ich natürlich nicht.“


„Kein Problem. Man kann schließlich nicht alles wissen.“


„Gute Frau … viel Gut!“, brachte sich der afrikanische Feuerspucker wieder ins Gespräch, und meinte zweifelsohne die Kampfamazone.


Der Antiterrorbeamte war wieder voll in seinem Element „Ja, schon klar, gute Frau, schön für Sie. Gehen Sie jetzt … und Sie Herr Schultze mit ’tz’ sollten sich auch aus der Gefahrenzone evakuieren.“


„Gleich, ich will noch einen persönlichen Rekord verbessern, aber das ist jetzt zu persönlich“, meinte dieser und ward nie mehr gesehen …

Wir verließen die VIP-Lounge eilig durch den Seitengang.


„Wenn du es mit Aleeke treibst, Blondie … dann kannst du dein blaues Wunder erleben.“


„Wie ich schon eingangs erwähnte, Voice, bin ich glücklich verheiratet …“


„Ja, ja, Blondie, du sagst viel wenn der Tag lang ist. Und was sollte das eben mit der Axt – Modell Schädelspalter?“


„Kleiner running gag aus den vorherigen Teilen. Stichwort: Kanadische Holzfäller-Ausrüstung und Garderobentür von Rainer Müll.“


„Mir ist das klar, aber denkst du, ein Leser weiß das noch?“


„Sicher, wenn er aufmerksam mitgelesen hat.“


„Wenn überhaupt einer den Quatsch noch liest.“


Ich schaute das Gewissen böse an, dann grinste ich breit: „Du weißt, dass Long Tall John hier ist?“


„John? Hier? Wo?“


Und weg war die Nervensäge.

Wir folgten den BKA-Jungs durch ein Labyrinth verzweigter Gänge, oder anders gesagt, wir liefen mehr oder weniger ziellos durch die Katakomben der Köln-Arena. Aus unerklärlichen Gründen fühlte ich mich wie Samweis Gamdschie, als er seinen Herrn Frodo Beutlin nach Mordor begleitete. Ich drehte mich um, und sah immer wieder einen Schatten … wie Gollum, der uns verfolgte.


Verfolgt wurden wir in der Tat, und der Bezug zum ehemaligen Ringträger war angesichts der Körpergröße gar nicht mal so abwegig. Ein unscheinbares Hutzelmännchen mit blauer Pudelmütze hastete von Nische zu Nische, immer bedacht, nicht entdeckt zu werden.


Wir erreichten einen der zahlreichen Konferenzräume, der als Sammelstelle diente. Mir war er irgendwie vertraut.


Teurer Teppichboden und moderne Beleuchtung standen in krassem Kontrast zu den billig wirkenden Holzvertäfelungen an den Wänden. Die etwa einhundert modernen Stühle waren ungeordnet, teilweise umgeworfen und Reste von Papier und Tesafilm zeugten von den zahlreichen Postern, die hier gehangen hatten. Die Erinnerung kam zurück. Poster mit dem Portrait des Bestsellerautors Rainer Müll. Auf dem Teppich lag ein abgegriffenes, zerstörtes Diktaphon.

Dann ein Schrei ... und ein Poltern. Das kleine Hutzelmännchen hatte wutentbrannt einen metallenen Mülleimer zur Seite geschubst und umarmte eine nicht mehr ganz neue Lederjacke, die förmlich an der Wand stand. Er griff in die Innentasche und zog freudestrahlend ein Mobiltelefon heraus.


„So schön, so prächtig. Oh mein Schatzzzzz …"


Also doch eine Reinkarnation von Gollum alias Sméagol. Ob sich J.R.R. Tolkien in seinem Roman wohl auch von solchen Szenen aus dem realen Leben hatte beeinflussen lassen?

Ich hatte aber wahrlich andere Sorgen. Mir lief die Zeit davon. Tina hatte ich zwar ins Foyer geschickt, aber weiß der Geier, wo sie letztendlich rauskam …


„Ich möchte meinen Leopardentanga zurück“, sagte ich kurz angebunden zu Aleeke, doch der glotzte mich nur lächelnd an. Mit Händen und Füßen versuchte ich ihm zu erklären, worum es mir ging, aber sein Gesichtsausdruck änderte sich nicht. Schon leicht verzweifelt zog ich den Ausschnitt meines Kleids ein wenig runter, zeigte auf den gemusterten BH und dann in meinen Schritt … Das Grinsen wurde breiter, richtig breit und sofort waren seine forschen Hände an meinem Po.


„Nein! Das meinte ich nicht … nein … NEIN … AUS!!!“


Er zuckte zusammen und blickte mich verständnislos an.


„Mein Tanga. Zurück! Du verstehen?“


Er verstand kein Wort …


Also lupfte ich mein Kleid, um ihm zu zeigen, was ich brauchte.


Das verstand er dann …


Sofort wanderte seine Hand nach vorne, und eh ich Luft holen konnte, blieb sie mir vollends weg.


„Gut? Ist gut?“


Aleeke wusste genau, wo er hinfassen musste, und ich tauchte leicht stöhnend in ein Meer aus Licht und Farben … Seine Hände wurden fordernder, ich schwamm im Meer aus Licht und Farben. Als ich Bekanntschaft mit seinem Speer machte, wurde ich unter Wasser gedrückt, verlor völlig die Orientierung und stemmte mich gegen das kurze, aber heftige Sommergewitter …

„Du hinterhältiges, kleines Miststück!“, brachte mich eine helle Stimme wieder an die Wasseroberfläche. Aleeke war mit sich und dem Ergebnis zufrieden, was seine breites Grinsen und die aufblitzenden weißen Zähne deutlich zeigten.


Die schwarzblonde Nervensäge lehnte neben mir an der Wand und hatte noch ihre Hand im Schritt. Frech grinste sie mich an. „Ich habe zugeschaut und es mir ein bisschen selbst besorgt. War deine Pussy auch so nass wie meine?“


Erschrocken sah ich mich um.


„Keine Sorge, Blondie. Ich bin für die meisten hier unsichtbar … im Gegensatz zu dir …“


Während sich Voice genüsslich die eigenen Finger ableckte, katapultierte mich der Donnerschlag vollends in die Realität zurück.


Ein paar der VIPs zwinkerten mir zu, für die meisten war es wohl aber nicht weiter spektakulär. Zuviel hatten sie schon auf ihren zahlreichen Partys gesehen.


Schnell wollte ich meine spärlichen Klamotten ordnen, als mir schlagartig bewusst wurde, dass ich selbst über die nicht mehr verfügte. Mein Kleid lag wenigstens noch direkt vor mir auf dem Boden, der Leoparden-BH aber steckte wie der Skalp eines indianischen Kriegers im Gürtel seines knappen Lendenschurzes. Aleeke sammelte schließlich Trophäen, das hatte ich fast schon wieder vergessen.


Schnell hüpfte ich in mein Kleid, schnappte mir den BH und forderte vehement die Herausgabe meines Höschens.

„Ich dachte, du wolltest nichts von dem tansanischen Löwen?“


„Du gehst mir jetzt echt auf den Senkel, Voice!“


„Ich mach' doch gar nichts.“


„Doch! Du bist eine Stalkerin.“


„Ich bevorzuge den Begriff: abgrenzungsgeschädigt.“


„Voice! Verschwinde! Such’ Tina.“


„Schon vergessen? Ich bin eine Stalkerin.“


„Verschwinde lieber …“


„Wieso?“


„Vertrau mir!“


„Na gut, Blondie. Wir sehen uns dann im Foyer.“


Weg war sie.


„Und jetzt zu uns“, widmete ich mich Aleeke, „zum letzten Mal – ich will meinen verdammten Leopardentanga wieder haben!!!“


Endlich dämmerte es und er schüttelte den Kopf. „Tauschen …“


„Nein, ich tausche grundsätzlich keine Unterwäsche.“


„Nein. Aleeke haben tauschen …“ Umständlich kramte er ein Buch unter seinem Lendenschurz hervor, und ich frage mich, wie das da drin noch alles Platz hatte …


„Starke Medizin. Tauschen mit heilige Mann. Von Madame Eso Terik, Priesterin von die westafrikanischen Santeria-Kult“, erklärte mir Aleeke voller Stolz.


Ich zeigte auf die deutliche Einkerbung. „Haiti?“


„Ja, die originale Buch von die Séance. Die letzte Séance.“


Ich war beeindruckt …


„Mit einem indischen Guru getauscht? Wo kann ich ihn finden?“


„Nein, nix mehr finden. Einzige Buch von die Welt.“


Ich nickte, zeigte mit dem Daumen nach oben und trauerte meinem Tanga nach. „Wusstest du eigentlich, dass es im US-Staat Maryland gesetzlich untersagt ist, einen Löwen mit ins Kino zu nehmen? Kein Witz! Habe ich letztens erst gelesen.“


Aleeke verstand kein Wort und grinste nur breit. Ich verabschiedete mich mit einem Kuss auf die Wange und folgte den fluoreszierenden Notfalltafeln zum Hauptausgang.

***

Bevor ich sie sah, hörte ich die beiden schon. Lautstark berichtete Voice mitten im Foyer der neugierigen Tina alle Einzelheiten - einschließlich der dazu gedichteten - meines kleinen Techtelmechtel mit Aleeke. Da Voice aber für die Masse der Leute unsichtbar war, sah das für eben diese Masse der Leute schon recht seltsam aus. Ich wollte gerade zu den beiden rübergehen, als ich meinen Augen nicht traute.

Ein Typ in weißer Hose, einem roten Gehrock und einem schwarzen Zylinder auf dem Kopf stand an der Wand. Vor sich ein kleiner Verkaufsstand in Form einer antiken Schatzkiste.


Er grinste mich durch seinen Zwicker blickend frech an.


„Jetzt als Dagobert-Duck-Parodist unterwegs, Herr Müll?“


„Oder Scrooge McDuck oder Uncle $crooge. Nomen est omen.“ 


„Das erwähnten Sie bereits.“


„Ach ja, ich erinnere mich.“


Die geöffnete Schatztruhe war mit goldfarbenen, kitschigen Münzen gefüllt, die allesamt die Prägung »Glückszehner« trugen. Auf einem Beistelltisch lagen Dutzende gleicher Bücher mit aufgedruckten Dollarzeichen unterschiedlicher Größe.


„Der sicherste Weg zum Reichtum“, las ich laut. „Von Mar$el Reich Raffquicki.“ Ich schlug das dünne Buch neugierig auf. „Die beste Voraussetzung … Man werde als Kind steinreicher Eltern geboren … der Rest ergibt sich zwangsläufig.“


„Und das war’s?“, fragte ich mit halb offenem Mund nach.


„Klar. Ist ja alles Wesentliche gesagt.“


„Und das kauft jemand?“, verlor ich zunehmend mein Vertrauen in den Verstand und die Vernunft der Gesellschaft.


„Sicher. Es gibt ja noch einen Glücksbringer kostenlos dazu“, meinte der vielseitige Autor und zeigte in die Schatztruhe. „Und jeder Kunde bekommt einen Geschenkgutschein für mein Folgewerk – »Geldspeicher als Eigenheim« gratis dazu, lediglich 7,95 Euro für Porto und Verpackung.“


Ich wollte gerade etwas erwidern, als ich den herben, medizinischen Geruch eines Parfüms roch.


„Kann ich damit reich werden?“, fragte eine aufgetakelte alte Fregatte in ihrem vollgekleckerten russischen Barguzin-Zobelmantel.


„Verzeihen Sie, Kundschaft“, zwinkerte Rainer Müll mir zu und wandte sich zur Quelle des penetranten Geruchs. „So reich wie Onkel Dagobert, meine Teuerste …“


„Geh’ mit Tina schon mal zum Auto, Voice“, rief ich dem Gewissen wohl wissend zu, dass ein Eklat nicht zu vermeiden wäre, wenn meine beste Freundin die Alte im Pelzmantel wiedererkennen würde …

„Vorab ein Schlückchen handgeschüttelten Krimskoye, meine Teuerste?“


„Aber gern, aber gern. Stößchen, mein Liebster, Stößchen. Wie viel Geld besitzt der Emporkömmling überhaupt?“


„Die Angaben sind widersprüchlich“, erklärte der Autor, und rieb nachdenklich über sein Kinn. „Während Ducks Vermögen bei Barks mit 788.423.000.017,16 Talern angegeben wird, legt Rosa in einer Biografie die Zahl neun Fantasticatillion, vier Billion Jillion Centrifugalillion Dollars und sechzehn Cent zugrunde. In der Serie DuckTales ist von 607 Tillion 386 Zillion 947 Trillion 522 Billion Dollars und 36 Cent die Rede.“


Das pseudointellektuelle High-Society-Individuum war beeindruckt, Rainer Müll schenkte einen weiteren Schluck des erlesenen Sektes nach, den Madame gierig herunterstürzte, und reichte ihr eins seiner Exemplare. „Mit Widmung, meine Teuerste?“


„Aber gern, mein Liebster, aber gern.“


„Nehmen Sie doch drei Exemplare. Dann würden Sie dreimal so reich werden“, erwähnte ich mit zynischem Unterton.


Mich traf ein prüfender, herablassender Blick, und dann ein feistes Lächeln. „In der Tat, ein exzellenter Tipp. Ich nehme zwanzig Exemplare, mein Liebster.“


„Mit Widmung, meine Teuerste?“


„Aber gern, mein Liebster, aber gern.“


Ich musste mich beherrschen, nicht laut herauszubrüllen, aber als der Autor dann ohne mit der Wimper zu zucken zwanzig Euro pro Buch verlangte, war ich sprachlos.


Zufrieden dackelte die Kundin weiter, und Rainer Müll steckte die Scheine in seine Innentasche.


Ich streckte meine Hand aus, rieb mit dem Zeigefinger am Daumen und grinste breit. „Provision!“


„Die elementaren Grundbegriffe des Kapitalismus sind Ihnen also auch bekannt“, meinte der Bestsellerautor und gab mir meinen Anteil. „Dass ich aber sieben hungrige Mäuler zu stopfen habe …“


Zufrieden zuckte ich mit der Schulter und steckte die zusammengefalteten Banknoten in den BH.


„Jetzt noch eine Kleinigkeit … ich will mein Eigentum zurück!“


„Ich weiß nicht … wovon Sie reden.“


Das kurze Stottern, des ansonsten so wortgewandten Mannes verriet ihn, und das war Herrn Müll auch sofort klar. Er setze sein Standardlächeln auf.


„Aleeke war lediglich Besitzer, nicht aber der Eigentümer und somit rechtlich gar nicht berechtigt, meinen Tanga weiterzugeben“, erklärte ich.


„Wir sind hier nicht vor Gericht, oder doch?“


„Dann anders formuliert: Was einem nicht gehört, kann man auch nicht verschenken.“


„Nun ja, geschenkt bekam ich ihn ja auch nicht.“


„Ich weiß, und das macht es im Grunde sogar noch verwerflicher.“


Müll zuckte mit der Schulter … Davon lebe ich nun mal, und nicht einmal schlecht. Und Aleeke ist nun stolzer Besi… Eigentümer der Vita der Madame Eso Terik.“


„Und sogar vom ’Original’. Hab’s gesehen. Ändert aber nichts an der Tatsache, dass ich jetzt das Leopardenhöschen zurück will.“


„Das geht leider nicht. Sie wissen ja, ich schreibe viel und benötige Inspiration. Sie erinnern sich, wie damals der Kohlkopf, der mich zu diesem großartigen Kochbuch inspiriert hat.“


„Das ist mir piepegal.“


„Gutes Argument. So habe ich das noch gar nicht gesehen. Aber ich sag nur – fuck.“


„Wie bitte?“


„F.U.C.K., Ferlag Unterirdischer Crammatik Konstruktionen“, erklärte Rainer Müll. „Ich habe einen Vorvertrag mit denen, und muss Ende des Monats abgeben. Somit wären wir wieder bei der zwingend notwendigen Inspiration.“


„Interessiert mich sehr … ich will meinen Tanga haben!“


„Geht leider nicht, aber als kleine Entschädigung kann ich Ihnen ein handsigniertes Vorab-Exemplar meines allerneuesten Werks anbieten. Sie verpflichten sich lediglich, mir eine wohlgesinnte, 100 Wörter umfassende, Rezension bei Amazon zu schreiben. Interesse?“


„Nein!“


„Es ist diesmal ein anspruchsvoller Roman mit Migrationshintergrund.


Stellen Sie sich vor … Ägypten, antikes Weltreich, uralte Kultur, das Land der Pyramiden und Pharaonen. Der einheimische Grab- und Höhlenforscher Tomb Pfarrer-Oh verliert wegen einer Sandstauballergie seinen Job und somit seine Existenzgrundlage. Er reist nach Chikago, an die Viagra Wasserfälle, um die Standfestigkeit von Flüssigkeiten zu erforschen.“


„Oh Gott!“


„Oh, ja. Und es wird noch besser. Pfarrer-Oh mutiert zum Superhelden … er löscht die Wasserfälle, rechnet die Formel 1 aus und erobert Amerika. Ganz Amerika? Ja!! Ganz Amerika.“


„Passt ja sehr gut in Ihr Programm.“


„Pseudointellektueller …“


„Müll!“


„Verehrte Signorina, ich muss doch sehr bitten. Schon als Student erstaunte mich die Stupidität der anderen Subjekte, wenn auch erst subkonszient. Summa summarum - meine Ideen sind wie eine Symbiose, oder besser gesagt, eine systematische Synthese in süffisanter Art, die ich sukzessive erweitere“, erzählte mir der Autor, und es bildeten sich die ersten Schaumbläschen vor seinem Mund.


„Okay, okay, aber dass tangiert mich peripher. Und um das Ganze abzukürzen … ich habe ja nicht Ihre Rhetorik drauf, und im Fremdwörterbuch auch nicht das Kapitel mit dem Buchstaben ‚S’ auswendig gelernt …“


„Achtzehnte, auf der Grundlage der amtlichen Neuregelung der deutschen Rechtschreibung überarbeitete und erweiterte Auflage der Dudenredaktion bitte … soviel Quellenangabe muss sein“, unterbrach mich der Meister mit erhobenem Zeigefinger und einem diebischen Augenzwinkern.


„Also gut … von mir aus … die Konversation verläuft im Nirwana, oder salopp gesagt; Mir geht das Gelaber jetzt total auf den Sack, und wenn ich nicht sofort mein Höschen bekomme, schlag' ich Ihnen aufs Maul.“


„Oh, welch frappierende Wendung. Als Pazifist beuge ich mich der Gewalt.“


Rainer Müll zog seinen Zylinder vom Kopf, zauberte mein Höschen heraus und sah es mit großen Augen und einem leichten Aufstöhnen an.


„Sie werden jetzt nicht noch dran schnuppern wollen?“, fragte ich vorausahnend.


Er zuckte mit der Schulter. „Natürlich nicht … habe ich doch schon längst. Aber ich habe eine neue Idee … ein Buch über die Gesetze der Serengeti – ein Leopardenweibchen namens Tanga lebt unter falschem Pelz in einer Antilopenherde …“


„Okay, cool. Ich muss jetzt los … Viel Erfolg noch.“

Ich eilte ins Parkhaus, wich einem guten Dutzend draller Frauen undefinierbaren Alters des Kegelclub „Bütz de Klötz“ aus Köln-Nippes aus, hörte am Aufzug dem Gesang der Damen des Frauenchors „Immerfroh“ aus Wenden im Sauerland zu und geriet in eine handfeste Keilerei der ehemaligen Freundinnen der Kegelschwestern „Pudelfeen“ aus Lindenthal“.


Ein letztes Mal ertönte der lautstarke Klang der Werbeindustrie …

Ping – Ping – Pong


Sie müssen auf ihre alten Tage noch länger und härter arbeiten, als Sie es heute schon tun. Ihre Renten- oder Pensionsansprüche – falls es überhaupt noch Geld gibt - werden weit niedriger sein, als Ihr jetziges schon klägliches Einkommen. Müssen Sie sich das antun?


Nein. Wir haben die Alternative für Sie.


Haben Sie einen Herzschrittmacher? Asthma? Eine attestierte Krankheit, bei der Sie jeglichen Stress vermeiden müssen? Dann lädt Sie Räded die Rände™ kostenlos ins »Mysteryland« ein. Toben Sie sich aus! Hauen Sie auf unsere Kosten auf den Putz! Vögeln Sie sich den letzten Rest Verstand aus dem Hirn!


Teilnahmebedingungen in Internet, unter: Räded die Rände™

Cool. Endlich haben sie eine Lösung gefunden. Besser als im Science-Fiction-Film »Jahr 2022… die überleben wollen«. Wobei Soylent Green ja recht schmackhaft sein sollte … aber lassen wir das.

Ich fand den Mercedes und winkte Voice und Tina zu.


Vor lauter Freude, dass meine Mission erfolgreich war, hob ich mein Kleidchen, ließ mein Becken kreisen, wackelte mit dem Hintern und posierte ein wenig vor den beiden …


Ein lauter Knall erschütterte die Fundamente des Betonpfeilers. Ein Auto war jetzt geschätzte dreißig Zentimeter kürzer. Weißer Wasserdampf stieg aus dem leckenden Kühler. Im gleichen Moment fiel mir auf, dass ich ja den Leopardentanga noch in der Hand hielt … Ups – aber nicht meine Schuld. Ein Verkehrsteilnehmer muss so fahren, dass er jederzeit vor einem Hindernis zum Stehen kommt!


Ein relativ kleiner Mann mit blauer Pudelmütze und viel zu großer Lederjacke, die mit Sicherheit schon bessere Tage gesehen hatte, sprang aus dem Wagen, riss sich die Jacke vom Leib, warf sie auf den Betonboden und begann wie wild darauf rumzuhüpfen.


Irgendwie kam er mir bekannt vor …


Plötzlich hielt er inne, sank fast schon weinerlich auf die Knie und tastete die Jacke ab, hastig zog er ein Handy aus der Innentasche, quittierte den unversehrten Zustand des selbigen mit einem erleichternden Aufstöhnen: „So schön, so prächtig. Oh mein Schatzzzzz …" Dann wählte er eine gespeicherte Nummer. „Alfred Schmitz aus Köln-Poll hier, ich muss einen Unfall melden …“

„Wir sollten schleunigst hier abhauen“, meinte ich zu den beiden.


„Darf ich fahren, darf ich fahren? Bitte, bitte, bitte“, bettelte Voice und hüpfte – mal wieder - vor Freude auf und ab.


Tina konnte nach reichlichem Genuss von erlesenem Krimskoye eh keine vernünftige Entscheidung mehr treffen und ich hatte von dieser Parodie so langsam die Nase voll.


An der Unfallstelle mussten wir kurz anhalten, weil jemand rückwärts ausparkte. Das Kerlchen mit der Pudelmütze hatte mittlerweile einen hochroten Kopf und brüllte ins Handy: „Zum letzten Mal. Ich war an dem Unfall nicht schuld! Schuld hatte die junge Frau im Minikleid. Wenn Sie ein Mann wären, wäre jede weitere Erklärung überflüssig, da Sie aber eine Frau sind, verstehen Sie es sowieso nicht. Muhaha.“


Daraufhin warf er das Mobiltelefon auf den Boden und sprang wie Rumpelstilzchen darauf herum …

Voice steuerte den Sportwagen – gemäß ihrem Temperament - durch die Stadt, und dass ein Mercedes SLK keine Rückbank hat, lassen wir, ebenso wie das Schicksal von Herrn Alfred Schmitz aus Köln-Poll, mal galant unter den Tisch fallen.

„Rechts! Wir müssen abbiegen“, kreischte Tina urplötzlich vom Rücksitz.


„Sicher! Wenn du zwei Stunden im Stau stehen willst. Bei Radio Kölle habe sie’s grad durchg'sagt ...“


„Na klasse. Als ob du ein Wort von deren Slang verstehen würdest. Außerdem ist das ein 399 Euro teures, supermodernes Navigationssystem.“


„Am Anfang der Geschichte kostete es noch 499!“


„Seit wann achtet da ein Leser drauf?“

„ … datt woren de aktuellen Staumeldungen von Radio Kölle, ührem Sender der Region. Jetz kütt jet Werbung … Radio Kölle präsentiert: Neu von DoT-com: Was sich liebt, das leckt sich. Vol. 7 mit den Newcomers des Jahres - Mandy, Sandy und Candy.


Das neueste Meisterwerk des genialen Popp-Gitanes – von DoT-com – Delikates ohne Tabus. Coming soon. Sperma die Lauscher weit uff Vol.1 – Mysteriöses aus der Welt der Stars und Sternchen.


Nach einer Idee des Autorenteams andrelmanja.“

„Wie hat’s dir eigentlich gefallen, Voice?“, fragte ich unsere neue beste Freundin.


„Gut!“


„Gut? Nur gut?“


„Wieso? War es nicht gut?“


„Doch, schon!“


„Na also!“


„Eben.“


„Also ich hatte jede Menge Spaß … wua wua wua … Nein, war Spaß. Und dir Blondie?“


„War doch geil, das kannst du mal deinen Enkeln erzählen“, meinte Tina.


„Ich erzähl es erst mal meinem Psychiater.“

******************************

NEUE FREUNDE

Durch den dämmrigen Nebel drangen kaum verständliche Worte an mein Ohr.


„Supak ... oh, ein Han Mom ... Lul und Con, welche Wonn’ ...“


Wer um alles in der Welt mochte das sein? Ein Wortakrobat oder ein Verrückter? Wobei das sich ja nicht unbedingt ausschloss. Und wo befand ich mich? Rätsel über Rätsel.


Die Stimme wurde lauter, also schien sich der Wortschöpfer mir zu nähern.


Eine blaue Pudelmütze war als Erstes genauer zu erkennen, doch noch bevor ich den darunter befindlichen Kopf näher in Augenschein nehmen konnte, vernahm ich den ersten zusammenhängenden Satz, den ich mangels anderer Anwesender auf mich bezog.



„Du bist ein ausgemachtes Arschloch!“


Dieser mir wohlbekannten Tatsache hatte ich nichts entgegenzusetzen, obwohl ich ein weniger aggressives und etwas abmilderndes Adjektiv wie etwa ‚ziemlich’ oder gar das sich selbst karikierende ‚jesusmäßig“ dem doch arg verletzenden ‚ausgemacht’ vorgezogen hätte.


Doch trotz der dem Wahrheitsgehalt dieses Satzes gegenüber positiven Grundhaltung wollte ich wissen, wer es wagte, mir solche unangenehmen Wahrheiten ins Gesicht zu schleudern.


„Und wer bist du, wenn man fragen darf?“


„Ich bin ein one-way ticket, ein ganz normaler Rotarsch“, erhielt ich zur Antwort und schaute mir den Kerl daraufhin etwas genauer an. Ein winziges Hutzelmännlein, dem ich solch eine freche Attacke auf mein Selbstwertgefühl gar nicht zugetraut hätte.


„Ich könnte wetten, du kennst dich mit Arschlöchern nicht aus, stimmt’s?“ fragte mich der bei genauerem Hinsehen etwas durchsichtige Gnom.


„Ich hab von so vielem keine Ahnung“, gab ich salomonisch zur Antwort.


„Man misst sie in Litern, nicht in Metern oder so. Ich zum Beispiel bin ein ganzer.“


„Was?“, fragte ich fassungslos, „Ein ganzer Liter Rotarsch?“


„Du hast es erfasst! Doch welche spezifische Sorte Arschloch bist denn du?“

„Ich bin gar keins“, log ich dreist, ohne zu ahnen, welche Konsequenzen diese Antwort nach sich ziehen würde.


„Was?!“, brüllte der kleine Geistesriese und brachte es fertig, dass nach diesem einzigen geschrienen Wort bereits der Schaum vor dem Mund stand. Mit einer heftigen Bewegung riss er sich das blaue, überaus hässliche Ding vom Kopf und verbiss sich hinein wie ein aufmerksamer Wachhund in den Schuh eines Einbrechers.


„Kopfbedeckungen isst man mit Messer und Gabel! Hat man dir denn in deiner Jugend gar nichts beigebracht?!“, wagte ich ihn zu belehren und rüstete mich, einer Attacke des Hutzelmännleins auszuweichen. Doch das erwies sich als überflüssig, weil er sich wie weiland das HB-Männchen in Luft aufzulösen begann.


Gut, den war ich los!

Doch ich hatte mich zu früh gefreut, denn durch meine letzte Äußerung hatte ich neue Plagegeister auf den Plan gerufen. Am Horizont tauchten ein riesenhaftes Messer und eine dazu passende Gabel auf. Die beiden bedrohlich wirkenden Essutensilien näherten sich mir mit großem Tempo. Die Gabel lief auf den beiden äußeren Zinken während die mittleren sich schon darauf zu freuen schienen, mich aufzuspießen, und das Messer schwebte knapp über dem Boden, die Schneide genau auf meinen Kopf ausgerichtet. Ihre Absicht war keineswegs ein unlösbares Rätsel. Sie hatten es auf mich abgesehen. Unverkennbar.

Ohne noch länger zu zögern, nahm ich die Beine in die Hand und rannte los, so schnell ich es vermochte.


„Ich bin kein halver Hahn!“, versuchte ich mich verbal zu verteidigen, und hatte das dumpfe Gefühl, schon wieder gelogen zu haben. In meinem Kopf musste einiges durcheinander sein, sonst hätte ich sicher nicht als Nächstes versucht, die beiden Verfolger mit dem Hinweis „Ich bin doch Vegetarier!“ von ihrem blutrünstigen Vorhaben abzuhalten. Zum Glück war ich immerhin noch so sehr bei Sinnen, dass ich trotz dieser etwas hilflosen Verteidigungsversuche meinen Lauf nicht abbremste, sondern im Gegenteil noch einen Zahn zuzulegen versuchte.

Doch trotz meiner beachtlichen Geschwindigkeit kamen die beiden mordlüsternen Esswerkzeuge näher und näher. Wenn sie mich erwischten, stand auf meinem Grabstein: „Er kam um durch Messer und Gabel“, was ja eher auf einen Vielfraß oder einen extrem ungeschickten Menschen hinwies, als auf das Mordopfer lebendig gewordenen Bestecks, als welches ich mich bereits sah.

Gerade als die Riesengabel zustach und ich für mein Leben keinen Pfifferling mehr gab, verhedderte ich mich mit den Füßen in einem undefinierbaren Etwas, stürzte und fiel, fiel endlos, weiter und weiter. Na, wenigstens hatte ich den beiden mir nach dem Leben trachtenden Spießgesellen ein Schnippchen geschlagen, auch wenn ich nicht wusste, ob meine jetzige Lage auch nur um einen Deut besser war.


Während ich noch darüber sinnierte, wie flach ich nach dem unvermeidlichen Aufprall wohl sein werde, schlug ich recht unsanft auf einer schrägen Metallfläche auf und rutschte auf ihr in rasendem Tempo bergab. Eine zu der schiefen Ebene senkrecht stehende Metallfläche beherrschte meine Gedanken, auf der ich einen roten Tintenklecks hinterlassen würde.

„Lieber Gott, lass mich nicht hier elend verrecken!“, betete ich zu einer höheren Instanz, an die ich sonst keinen Gedanken verschwendete.


„Ha, du Wurm!”, ertönte eine Antwort in meinem Kopf. „Erst läufst du nackt mit einer Maske herum und versündigst dich gegen meinen Schöpfungsplan, indem du das kostbarste Sekret dieser von mir geschaffenen Welt nutzlos und schamlos verschleuderst, und dann willst du von mir gerettet werden? Vergiss es! Und jetzt verpiss dich, du Arsch.“


Endlich hatte ich einen Beweis für seine Existenz, und sofort wurde mir klar, dass ich vorher besser dran gewesen war.

Wenn ich mich retten wollte, musste ich selbst etwas unternehmen. Also erst mal die Umgebung sondieren! Trotz der rasenden Fahrt konnte ich erkennen, dass rechts und links zwei Hügel aufragten und ich sozusagen durch das Tal dazwischen sauste. Und plötzlich, wie ein Geistesblitz durchzuckte mich die Erkenntnis, dass es sich bei den Hügeln um weibliche Brüste aus Stahl handelte. Und ich sauste durch die dazwischen liegende Schlucht abwärts. Wenn mich meine Kenntnis der weiblichen Anatomie nicht trog, geradewegs auf den Nabel zu, der bei diesen Größenverhältnissen und meiner Geschwindigkeit zu meinem Grab werden musste.

Mit Vehemenz wollte ich die Füße gegen das Metall pressen, um wenigstens ein wenig Reibung und damit Bremswirkung zu erzielen, doch der Stofffetzen, der mich zum Stolpern gebracht hatte, verhinderte dies. Trotz der rasenden Geschwindigkeit, mit der es mit mir bergab ging, gelang es mir, den Stofffetzen von meinen Füßen zu lösen und ich nahm ihn in Augenschein. Verflixt, wie kam dieses Utensil an meine Füße? Ein Leopardenstringtanga?!


Ich führte ihn zur Nase und … klares Urteil: Getragen!


Er roch eindeutig nach … Zwiebeln? Gebratene Zwiebeln?!



Doch noch während ich versuchte, dieser völlig unerwarteten Sinneswahrnehmung auf den Grund zu gehen, riss mich jemand von der Stahlplatte und ich erkannte den Riesen Long Tall John, der sich über mich beugte. Böse funkelten mich seine Augen aus kürzester Entfernung an und seine Stimme klang wie Glockengedröhn in meinen Ohren. Alle Laute verschwammen ineinander, sodass ich kein Wort verstehen konnte. Seltsamerweise konnte ich mich kaum rühren, und als ich den Arm zu heben versuchte, um seinem Gesicht, das direkt vor meinem schwebte, zu entkommen, musste ich mit Entsetzen registrieren, dass es nur unendlich langsam vonstattenging.

Mit Schwung warf LTJ mich über seine Schulter und hastete los. Was hatte er mit mir vor? Wohin brachte er mich? Entsetzen durchflutete mich. Konnte mir denn niemand helfen?!?

„Lass ihn runter, du Tier!“


Ganz unvermittelt stoppte LTJ und mein Kopf prallte gegen seinen breiten Rücken.


„Outadaway“, knurrte der riesenhafte John mit tiefer Stimme. Sein breiter Brustkorb war ein ungeheurer Resonanzraum, und da mein Ohr an seinem Rücken lag, klang dieses Wort bedrohlicher als das Brummen eines Grizzlybären, der beim Fressen gestört wird. Und so ganz abwegig war diese Metapher nicht, denn wenn er mich auch nicht selbst verspeisen wollte, mich der Meute zum Fraß vorzuwerfen, war auch nicht angenehmer.

„Wenn du uns nicht augenblicklich den halven Hahn übergibst, werden wir dich zu Hundefutter verarbeiten und kostenlos an Not leidende Hundebesitzer verteilen.“


Die Stimme kam mir seltsam bekannt vor.


„Outadaway!“ Der bedrohliche Unterton hatte noch einen Zahn zugelegt.


„Bringst du Affe nichts anderes über die Lippen? Her mit dem Federvieh, sag ich!“

Trotz meiner misslichen Lage musste ich grinsen. Nichts Federvieh, Brötchen mit altem Gouda! Doch jetzt wusste ich endlich, wer sich da für mich einsetzte. Die Stimme gehörte zu Dominique, und die zweite Person musste Vera sein. Ein unzertrennliches Paar, wie ich aus Erfahrung wusste. Wo nahmen sie nur den Mut her, diesem wandelnden Gebirge aus Muskeln die Stirn zu bieten? Wenn er einmal fest pustete, flogen sie bis Pont ŕ Mousson. Dafür brauchte er mich nicht mal abzulegen, was mir immerhin die Chance auf eine Flucht eröffnet hätte.

Wie sehr ich mich da getäuscht hatte, erfuhr ich sogleich. Plötzlich strauchelte mein Träger und das Gebrüll, das er ausstieß, ließ mich erschaudern. Ein verletzter Löwe, der von einer Horde Hyänen angegriffen wird, kann nicht wütender fauchen. Aus den Augenwinkeln erkannte ich Vera, die um den Hünen herumtänzelte, und dass LTJ jetzt in die Knie ging, war wohl Dominiques Intervention zu verdanken.


Klar, kam es mir wieder in den Sinn, die beiden waren ausgebildete Nahkämpferinnen. Still beglückwünschte ich mich dazu, denn immerhin hatte ich ihnen die Lektionen bei Anja verschafft. Dass mir das in einer völlig anderen Geschichte ein zweites Mal aus einer prekären Situation helfen sollte, war zwar nicht vorherzusehen gewesen, doch wohl mehr als ein bloßer Zufall.

Und schon wankte der Riese, war angeschlagen. Wütend schlug er mit der freien Hand um sich, ohne allerdings eine der lästigen Mücken, die ihn umschwirrten, im Geringsten zu gefährden. Im Gegenteil, die Stiche, welche die beiden Biester ihm verpassten, saßen passgenau, während die Stabilität seiner eigenen Stellung allmählich verloren ging. Trotzdem ließ er mich nicht los, sondern wirbelte um die eigene Achse, dass mir schwindelig wurde. Gerade sandte ich ein Stoßgebet gen Himmel, dass er beim unausweichlichen Fallen nicht auf mich stürzte, da geschah es schon. Mit vollem Gewicht fiel er auf mich drauf und begrub mich unter sich. Die Luft ging mir aus, und erst als Veras liebes Gesicht vor meinen Augen auftauchte und sie LTJ von mir herunterwälzte, kam ich wieder zu Atem. Mit unendlicher Erleichterung genoss ich die ersten Atemzüge und ließ es willenlos geschehen, dass mir die Maske abgenommen wurde. Vor meinen Retterinnen brauchte ich mich nicht zu verstecken, sie wussten ohnehin, mit wem sie es zu tun hatten.

„Gib mir fünf!“, forderte mich Dominique auf, und als ich versuchte ihrer Aufforderung nachzukommen, erkannte ich mit Schrecken, dass ich keinen Finger rühren konnte.


„Hilfe! Hilfe!!!!!“, brach es aus mir heraus. Ein Glück, die Stimmbänder waren noch einigermaßen intakt.


„Was ist mit dir?“, fragten die beiden wie aus einem Mund. Doch obwohl ich antworten wollte, bekam ich nur ein weiteres gekrächztes „Hilfe!“ zustande.


„Bitte beruhigen Sie sich doch.“


Ich wollte mich aber nicht beruhigen! Und so bemühte ich mich um einen weiteren Hilferuf.


„Sie sind hier in Sicherheit, Herr Awei. Niemand tut Ihnen etwas.“

Das war nicht Dominiques Stimme. Und Veras auch nicht. Und Johns erst recht nicht, denn diese zärtlichen Untertöne brachte er nicht mal mit einer Dosis Helium in den Lungen zustande. Obwohl ich gedacht hatte, die Augen offen zu haben, machte ich sie in diesem Moment auf und ...


Annie! Sie stand an einem Herd und brutzelte Zwiebeln in einer Pfanne. Wie kam sie hier her? Oder besser, wie kam ich hierher? Und wieso sprach sie perfekt Deutsch? Und was wollte Sie von mir? Und – plötzliche Panik kam auf – wieso wusste sie, wie ich hieß?

„Keine Sorge, Herr Awei, der liebe John hat Sie zu uns ins Hotel gebracht. Und niemand ist ihm gefolgt.“


Der liebe John? Den kannte ich nicht, der war mir bisher noch nicht begegnet.


„Wer ... wie?“, versuchte ich mich zu artikulieren, doch mehr als ein Krächzen bekam ich nicht heraus.


„Einen Moment, hier ist etwas zu trinken. Dann geht es besser mit dem Sprechen“, flötete Annie mir ins Ohr. Gierig trank ich aus dem dargereichten Becher, und obwohl es sich um Mineralwasser handelte, schien es mir ein köstlicher Trunk, denn meine Kehle fühlte sich an wie ein Reibeisen. Und mein Kopf schien in einer Schraubzwinge zu stecken.


„Ich habe Ihnen eine Kopfwehtablette darin aufgelöst, denn ich kann mir vorstellen, wie Sie sich fühlen müssen.“

Die Fürsorge einer Frau ist das beste Heilmittel für Männer, das wusste schon Hippokrates. Und so wird es niemand verwundern, dass ich bald in der Lage war, Fragen zu stellen. Denn mehr als mein körperliches Wohlergehen interessierte mich, was geschehen war. Und ob ... John mich bloßgestellt hatte.


„Wie komme ich hierher, und wo bin ich überhaupt?“


„Ich habe dich hergebracht.“ Das war seine Stimme, ohne Zweifel. Auch wenn ich ihn vom Bett, auf dem ich lag, nicht sehen konnte, es war Long Tall John, der mir geantwortet hatte.


Nun trat er in mein Blickfeld und sein Grinsen schien mir vollkommen deplatziert.


„Sie sind in unserem Hotelzimmer“, ergänzte Annie Johns Auskunft.

„Du bist mit voller Wucht gegen meine Garderobentür gerannt und ohnmächtig geworden. Ich konnte dich doch nicht einfach liegen lassen“, kam LTJ meiner Frage zuvor.


„Aber wieso ...?“


„John kann keiner Fliege etwas zuleide tun, Herr Awei, und so hat er Sie hierher zu mir gebracht. Damit ich Sie wieder auf die Beine bringe.“


Wieder flößte Annie mir ein wenig von dem Mineralwasser ein, hielt dabei meinen Kopf mit ihren schönen Händen. Kaum vorzustellen, dass diese Hände und ihr Mund noch vor wenigen Stunden mit etwas ganz anderem beschäftigt gewesen waren. Doch noch weniger war vorstellbar, was ich zur gleichen Zeit getan hatte. Schamesröte kroch über meinen Körper und konzentrierte sich in meinem Gesicht.


„Ah, langsam bekommt er wieder Farbe“, kommentierte Annie und ich musste wider Willen lachen. Was mir nicht gut bekam, denn es löste einen Hustenanfall aus.

„Ich wusste, wer du bist, als du dieser Silberdame Dummheiten erzählt hast“, klärte mich John auf.


„Und? Hast du es publik gemacht? Oder wirst du es noch tun?“


„Ich hatte es vor, das gebe ich unumwunden zu“, erklärte John, „Ich hatte mich maßlos über dich geärgert, weil du ... Ach was, ich war ja selber schuld, das hat Annie von Anfang an gesagt.“


„Genau, aber du ... Aufbrausend wie immer. Und so wahnsinnig ehrgeizig.“


Ja, das konnte ich mir vorstellen. Sieggewohnt, wie er war.


„Doch dann, als ich dich vor mir liegen sah, brachte ich es nicht fertig“, fuhr John fort. „Nachdem ich dir die Maske abgenommen und dein gehetztes Gesicht gesehen hatte, ging mir auf, welche wahnsinnige Tat ich vorhatte.“


„Wo ist die Maske? Und hat mich jemand ohne Maske gesehen?“


“Ich habe dich in deine Garderobe gebracht. Dort hab ich die Maske liegen lassen, dir die Kleider notdürftig angezogen und dich dann zum Hinterausgang geschleppt. Gerade noch rechtzeitig, denn ein Haufen wild gewordener Weiber suchte nach dir. Sie streiften durch alle Gänge. Doch den Kerl, den ich über meiner Schulter trug, verdächtigte niemand.“


Jetzt wusste ich also, warum ich das Hemd über dem Pullover trug. Das hatte mich schon gewundert und an meinem Geisteszustand zweifeln lassen.



„Danke, mein Freund, du hast mir das Leben gerettet. Mindestens!“


„Eine Alte im Zobelpelz hat dann doch noch Verdacht geschöpft, doch als ich einmal die Tür erreicht hatte und draußen war, hatte sie keine Chance mehr, mir zu folgen.“


„Und auch sie hat mich nicht erkannt?“


„Sie hat dein Gesicht nicht gesehen, denn das lag ja an meinen Rücken gepresst.“


„Hast du Hunger? Oder Durst?“, mischt sich Annie wieder ins Gespräch, ebenfalls zum Du wechselnd.


„Nein, aber mich interessiert, wer ihr seid. Ihr macht auf mich den Eindruck eines lange verheirateten Ehepaars, und nicht den eines Wichschampions mit seiner geilen Anbläserin.“


„Wenn das die Zuschauerinnen wüssten“, lacht Annie sich ins Fäustchen. „All die weiblichen Fans, die ausflippen, wenn er seinen Schwanz auspackt und am liebsten die Bühne stürmen, um sich ein Kind von ihm spritzen zu lassen. Wir sind seit 15 Jahren glücklich verheiratet und haben drei Kinder.“

„Wahnsinn, und wie habt ihr euch kennen gelernt und seit wann tourt ihr auf Wichsfestivals herum?“


„John studierte damals in Berlin Musik und ich Englisch. Dieser Riesenkerl mit der Violine, die in seinen Händen wie ein Spielzeug wirkte, und der ein lustiges Deutsch sprach, dem man den schottischen Einschlag allzu deutlich anhörte, brach in mein bis dahin behütetes Leben ein wie der Fuchs in den Hühnerstall.“


„I wo, umgekehrt war es. Sie war es, die aus meinem der Musik gewidmeten Leben ein Tohuwabohu werden ließ.“


„Siehst du, das ist unsere ewige Diskussion. Wer hat wen damals umgekrempelt. Jedenfalls waren wir ziemlich knapp bei Kasse, denn weder seine Eltern, noch meine waren in der Lage, uns zu unterstützen. Und so kam John auf die Idee, uns ein Zubrot auf der Bühne zu verdienen. In privaten Sexklubs. Damals haben wir öffentlich gefickt, und unser Sebastian wurde unter den Augen von mindestens hundert Leuten gezeugt.“

„Danach war erst mal Schluss mit der Bühnenfickerei“, übernahm John in mittlerweile wirklich passablem Deutsch das Gespräch, „doch als unser Benjamin, der Jüngste, drei war, und ich meine Stelle als Orchestermusiker wegen Auflösung des Orchesters aus Geldmangel der Stadt verlor, kam mir die Idee mit der Tour.“


„Erst war ich ja überhaupt nicht begeistert. Immerhin waren wir keine Studenten mehr. Doch dann erinnerte ich mich daran, wie es damals gewesen war, und wie viel Spaß es uns beiden gemacht hatte, uns den Leuten zu zeigen. Also ließ ich es auf einen Versuch ankommen“, ergänzte Annie.


„Ja, und der Erfolg gab uns recht“, bestätigte John grinsend.

Bis spät in die Nacht blieben wir wach und unterhielten uns. Bilder ihrer beiden Jungs und des Mädchens schauten wir uns an und leerten zwei Flaschen Wein. Wir verstanden uns bestens und trennten uns als Freunde. Lediglich Annies schottische Spezialität, die sie mir zu Ehren auftischte, fand nicht so ganz meinen Zuspruch. Haggis ist etwas Schaudervolles, wenn man sich üblicherweise vegetarisch ernährt.


Als ich mich verabschiedete, drückte mir John den Pokal in die Hand.


„Hier, du hast ihn dir ehrlich verdient. Halt ihn in Ehren, denn dass du mich geschlagen hast, wird ein einmaliges Erlebnis sein“, grinste er mich breit an.


„Angeber!“, schimpfte ihn seine Ehefrau, nahm mich in ihre Arme und drückte mich an ihren wundervollen Busen.



Ich schlief fast gar nicht in dieser Nacht. Und schlecht noch obendrein. Ständig wachte ich schweißgebadet auf und musste mir wieder und wieder selbst versichern, dass mich ganz sicher niemand erkannt hatte, dass diese blödeste Idee, die ich je gehabt hatte, ohne negative Folgen bleiben würde.

Die Zeiger krochen übers Ziffernblatt, doch endlich war es sechs Uhr und ich flüchtete aus dem Bett. Alles war besser als diese Albträume. Eine kalte Dusche vertrieb die letzten Bedenken und ich fühlte mich wieder frisch wie ein Fisch im Wasser. Das Frühstück ließ ich heute ausfallen und machte mich auf den Weg zur Arbeit.


Als ich auf die Straßenbahn wartete, kam mehr und mehr eine Hochstimmung auf. Genau genommen hatte ich eine tolle Leistung erbracht. Hatte gegen die besten Wichser Europas mitgehalten. Und das, obwohl ich unter der Ledermaske und im Rampenlicht schwitzen musste wie ein Schwein.


Was war aus ihr geworden? Der Maske. Ob sie noch in der Garderobe lag? Egal, vielleicht hatte eine der wagemutigsten Fans, die bis zu den Kabinen vorgedrungen waren, sie als Souvenir mit nach Hause geschleppt. Ich musste lachen, als ich mir vorstellte, wie die Maske einen Ehrenplatz im Schlafzimmer bekam und als Wichsvorlage für eine geile, gut aussehende Frau diente. Quatsch, Männerträume! Ich wusste es, und doch ...

Mit den Gedanken war ich noch bei der gut aussehenden, onanierenden Frau, als mein Blick zufällig auf die Zeitung des mir gegenübersitzenden Geschäftsmannes fiel. Es war die Zeitung mit den großen Schlagzeilen und ich musste mich nicht anstrengen, um die Riesenlettern zu entziffern.


„WER WAR DER HELD MIT DER MASKE?“


Beinahe verlor ich die Kontrolle über die Funktion wichtiger Muskeln. Oder anders formuliert: ich machte mir fast in die Hose. Wenn DIE hinter einer Information her waren, gab es fast kein Entkommen. Es gab immerhin Möglichkeiten, mir auf die Schliche zu kommen. Sicher, Gotthardo würde aus eigenem Interesse dicht halten, und der Impresario auch, denn sonst würde ihm sicher niemand mehr aus der Bredouille helfen. Und John sowieso, von ihm war ich als Freund geschieden. Doch Andrea? Hatte sie mich wirklich nicht erkannt? Und wenn doch, hatten wir noch eine Rechnung offen? Nicht dass ich wüsste. Oder doch?


Wir hatten uns im Guten getrennt, waren in all den Jahren seither kameradschaftlich miteinander umgegangen. Ja, waren gewissermaßen Freunde geblieben.

Und dennoch beschlich mich ein ungutes Gefühl. Die Zeitung auf den Spuren des Maskenwichsers! Oder ging es hier um einen anderen Fall, und die Maske war eine zufällige Koinzidenz?


Ich kniff die Augen zusammen und versuchte, die darunter stehenden, etwas kleineren Buchstaben zu entziffern.

Nichts bewegt die Kölnerinnen heute mehr als ihr Held in der Maske! Doch niemand kennt ihn, keiner hat sein Gesicht gesehen. Hier ein paar Stimmen begeisterter Fans:


„Er war so klasse! Wie toll er abgespritzt hat! Ich hab mir fast in die Hose gepinkelt vor Begeisterung!“


„Diese Lässigkeit im Handgelenk, einfach grandios. Da hatte selbst der große John keine Chance. Ein waschechter Kölner, natürlich.“


„Ich hätte ihm so gerne einen Heiratsantrag gemacht. Leider war er verschwunden, als ich es endlich bis in seine Kabine geschafft hatte.“

Uff, welch ein Glück, dass ich mich sofort dünne gemacht und die Siegerehrung fluchtartig verlassen hatte. Die wild gewordene Meute geiler Weiber hätte mir ganz sicher die Maske vom Gesicht gerissen.


Mit immer noch wackeligen Knien betrat ich das Verlagsgebäude und hoffte inbrünstig, dass mich die nächste Reportage in ein Nonnenkloster führen würde. Wenn ich mich da nicht in Frauenkleidern einschleichen musste. Der Gedanke belustigte mich, und so hatte ich ein Grinsen auf den Lippen, als ich das Verlagsgebäude betrat.

Mein Chef, Herr Nisser, wunderte sich erheblich, wie ich an all die Insiderinformationen gekommen war, doch meine geheimniskrämerische Antwort: „Man hat so seine Methoden“, nahm er grinsend zur Kenntnis. Sicher dachte er in die völlig falsche Richtung. Dass ich nämlich einige Spioninnen eingesetzt, oder mich gar selbst als Frau unter die wahnsinnigen Weiber geschlichen hatte. Und die nahe liegende Frage, warum er nicht Andrea für diesen Job eingeteilt hatte, verkniff ich mir wohlweislich.

An sie dachte ich also, als ich um die Ecke bog und den Gang in Richtung Großraumbüro betrat.

******************************


VON VERLEGERS GNADEN

Ups. Elmar rannte mir fast in die Arme. Ich hatte ihn zuerst gar nicht erkannt, so in Jeans und grob kariertem Holzfällerhemd.


„Hey, guten Morgen mein Held!“ Zugegeben, meine Begrüßung fiel etwas zu betont euphorisch aus, dementsprechend musste ich mich über seine schüchterne, eher zaghaft vorgetragene Antwort nicht wundern.


„Ach, hm. Hallo Andrea, du auch hier ...“


Oh Gott, der arme Kerl.


„Rein zufällig arbeite ich hier.“


„Ach.“


Ich weiß nicht, welcher Teufel mich in diesem Moment ritt, doch Elmars Verunsicherung reizte mich, das Spiel auf die Spitze zu treiben. „Du hast einen neuen Job, habe ich gehört ...“


„Wir kommst du denn darauf?“ Seine Empörung wirkte echt, die Gegenfrage klang fast vorwurfsvoll. Erstaunlich, dass seine Stirn auch ohne Maske derart spontan so viele Schweißtropfen bilden konnte.

***

Innerlich musste ich schmunzeln, doch ich wollte mir nichts anmerken lassen. Er konnte sich glücklich schätzen, mir nicht bereits gestern Abend in die Hände gefallen zu sein.


Ach ja, der Abend, diese unsägliche VIP-Party.


Ich hatte eigentlich gar keine Lust mehr, doch der Wunsch, meine Freundin Anja vor ihrer Abreise noch einmal zu treffen, war einfach größer. Nach diesem aufreibenden Abend hätten sie und Tina bei uns übernachten können, was Anne äußerst s(p)annend fand. Noch mehr ges(p)annt war sie allerdings darauf, den Mann kennenzulernen, mit dem mich eine drei Monate währende, innige Liebesbeziehung verbunden hatte. „Der Mann„ der es geschafft hat, dich flachzulegen, muss ein ganz Wunderbarer sein“, hatte sie auf dem Weg zum VIP-Raum gesagt, und ich stand wieder einmal kurz davor, ihr die Augen auszukratzen.


„Ja, ein himmlischer Mann“, hatte ich stattdessen geantwortet, „stark und mutig. Welcher Mann hat schon den Mut, vor 15.000 raderdollen Weibern zu masturbieren, wenn es nicht gerade seiner beruflichen Berufung entspricht.“


„14.500“, korrigierte Anne, „das ist ein kleiner Unterschied.“


„Immerhin steht die Null hinter dem Komma“, erinnerte ich sie an die theatralisch zelebrierte Schauspieleinlage des Hutzelmännleins …


„Dieser elende S(p)inner!“


Ehe wir unseren – sagen wir mal: Dialog – fortsetzen konnten, steckten wir mitten in den Tumulten vor der VIP-Lounge. Alle Eintrittskarten seien gefälscht, hieß es, doch dieses Gekreische und Geschrei volltrunkener, jeglicher Selbstkontrolle entrückter, nach Schwänzen gierender Weiber machte mich ratlos. Und wütend.


Und verzweifelt. Und perplex.


Wie hatte es Anne bloß geschafft, dass wir beide unmittelbar vor einem schwarzgewandeten Glatzkopf, dessen ans Revers, unmittelbar über einen goldunterlegten schwarzen Adler gestickten Namenszug „Heinrich Blödorn, Bundespolizei“ zum Stehen kamen?


„Sie können hier nicht rein.“


„Warum?“


„Weil Ihre Karten gefälscht sind.“


„Das kann nicht sein.“


Etliche blaue Flecken, die meinen Rücken auch heute noch zieren, waren Beweis genug, dass andere Frauen ähnliche Gedanken hatten. Es kann nicht sein!


Aber, warum mussten sie ausgerechnet auf mich einprügeln? Ich wollte mich doch gar nicht vordrängeln. Selbst Anne, die ebenfalls kräftig ausgeteilt hatte, war mittlerweile ratlos. „Andrea, so tu doch was, sag' was.“


Das war das Signal zum Angriff. „Hören Sie, da drinnen ist mein Mann, er ist zwar nur Zweiter geworden, aber ...“


„Muhaha“, entgegnete der feist grinsende Kleiderschrank, „das sagen alle. Sie können hier nicht rein! Kapiert?!“


„ … aber, er hat mindestens 90.000 englischsprachige Geschichten gelesen ...“


„... und vers(t)anden!“, ergänzte Anne.


„Wow!“ Heinrich Blödorn wirkte für einen Moment beeindruckt, spannte allerdings seine Brustmuskulatur bis zum Bersten der Knöpfe und herrschte uns an: „Verpisst euch!!“

Diesmal war es wiederum Anne, die einen grenzgenialen Einfall hatte, um den zunehmend ausfallend werdenden Security-Man in die Schranken zu weisen: „Wenn er selbst nicht begreifen mag, dass es sich hier um eine höchst erotische Begebenheit handelt, in die höchst s(t)ehende Kölner Persönlichkeiten involviert sind, dann hol' er uns den Geschäftsführer … Oder: Will er die nächsten zehn Jahre das Damenklo putzen wollen?“


Wow. Zum nächsten Geburtstag würde ich Anne einen Barguzin-Zobel schenken, sie hatte ihn verdient. (Anmerkung: Natürlich würde ich ihr keinen echten Pelzmantel schenken, schließlich mag ich Pelze nur, wenn sie frei herumlaufen.)


Okay, es war nicht die Vision des Kleiderschranks, von einer hochgradigen kölschen Persönlichkeit desavouiert werden zu können, es war eher die Vorstellung …


„He, Chef, hier sind zwei bekloppte Weiber …“


Interessant, dass plötzlich der Maitre de Plaisir vor uns stand. Sonnengegerbt, Goldkettchen, Hawaiihemd … das ganze Programm, ich erwähnte es bereits …


„He, dieser Con will mich nicht zu meinem Mann lassen ...“ - bewusst wählte ich die französische Sprachvariante, „dabei hätte mein Mann, der halve Hahn, um ein Haar den Contest gewonnen ...“


„Ja“, ergänzte Anne, „nur ein vierter S(p)ritzer noch ...“


Dicke Schweißperlen formierten sich auf der in Sorgenfalten gekräuselten Stirn des Impressario: „Was wollen Sie, ist es Geld, wollen Sie mich erpressen, wissen Sie ...“


„He, bleib' mal cool“, mimte meine Freundin die alles im Griff Habende, „meine Freundin will nichts weiter, als ihrem Mann zu gratulieren … passt das noch??!“


„Aha … welchem Mann?“


War ich nicht schon wütend? Ja, aber jetzt, und nein, doch Anne kam mir erneut zuvor: „He, S(p)atzenhirn, wenn du uns nicht sofort durchlässt, dann lassen wir deinen ganzen Schwindel auffliegen!“


„So beruhigen Sie sich doch ...“


„Nein!!!“


„Aber, lassen Sie sich sagen ...“


„Halt die Klappe!“


Das ging jetzt selbst mir zu weit. Ich stehe immer auf dem Standpunkt, dass selbst die übelsten Verbrecher vor Gericht einen Grund ihres schändlichen Tuns äußern können dürfen …


„Sorry, die Damen, aber ihr Mann ...“ - damit meinte er mich, „ist spurlos verschwunden, ich muss ihnen sagen, nein, ich hoffe, dass er … sorry, aber das ist das Einzige, das von ihm übrig … geblieben … es tut mir ja, glauben Sie mir ... so leid ...“


Ich spürte, dass es Krokodilstränen waren, die er vor uns vergoss, doch mit der Plastiktüte, die er mir in die Hand drückte, erwachten meine fürsorglichen Instinkte …


Die feige Ratte!


Nein …

***

Ich fühlte einen Anflug von Mitleid, andererseits den Drang, die für Elmar höchst pikante Situation bis ins Letzte auszukosten. „Ja, hast du denn die Boulevardpresse noch nicht gelesen?“


„Was denn?“


Das Zittern in seiner Stimme verriet mir, dass er längst wusste, worauf ich hinaus wollte.


„Die Schlagzeile des Tages ...“


Er geriet ins Stottern. „F ... f ... flüchtig ...“


„Was heißt hier f ... fff ... fffflüchtig?“, äffte ich ihn nach, „die paar Buchstaben können deinem befreiten Blickfeld doch nicht entgangen sein.“


„Ich weiß nicht, was du von mir willst!“, reagierte er äußerst ungehalten.


Typisch Mann, einmal ertappt und in die Enge getrieben, starten sie gleich eine Gegenoffensive.


Doch nach Streiten stand mir gar nicht der Sinn, vielmehr wurde mir wieder mal bewusst, dass versteckte Anspielungen bei Männern meist ihre Wirkung verfehlen.


„Soll ich sagen ...“ Ich griff seine Hände und wechselte meine Strategie, selbst wenn ich das Gefühl hatte, gerade zwei vor lauter Fett triefende Hähnchenkeulen zwischen meinen Fingern zu spüren. „Nein, mein Lieber, du warst großartig ...“


„Jawohl, großartig!“

Gerade bog Horst Nisser um die Ecke, unser aller Chefredakteur. Manche nannten ihn wegen seines Namens „die Hornisse“ oder „Mörderbiene“, andere, wegen seiner schleimigen und mitunter hinterhältigen Art schlicht „die Filzlaus“. „Wie ich höre, Andrea, gratulieren Sie gerade unserem neuen Chefreporter zu seiner exorbitanten Leistung.“


„J.. Ja“, stammelte ich, „war gerade dabei ...“


„Ach was, dabei!“, herrschte mich die Mörderbiene herablassend an, „was wissen Sie und Ihre dämliche ,Frau und Gesellschaft'-Redaktion denn schon, was es heißt, dabei gewesen zu sein? Sie sind doch nur in der Lage, irgendwelche Phrasen aus Agenturmaterial zusammenzubasteln, aber was verstehen Sie denn schon vom wahren, authentischen Leben?“


Für einen Moment, da lag die Filzlaus richtig, verstand ich gar nichts mehr, weder vom wahren, noch vom authentischen Leben. Elmar wich meinen fragenden Blicken aus, selbst seine triefnassen Pfoten waren meinen Händen entglitten.


Hatte er am Ende alles gebeichtet?


Das konnte ich mir nicht vorstellen, und ich sollte Recht behalten.


„Allererste Sahne, Awei! Solch eine spritzige Reportage, mitten aus dem prallen Leben, habe ich noch nie zuvor gelesen ... und dass Sie sich dann noch als Frau ... hö, hö, ... einfach genial, mein Lieber, einfach genial.“



„Was meinen Sie mit ... als Frau ...?“ Diesmal war die Irritation auf meiner Seite.


„Ja, da staunen Sie, Sie desorientiertes Nischenprodukt, Sie!“, griff mich die Hornisse an.


Er wusste ja nicht, dass mir das „Sie ... Sie!“ noch aus einem ganz anderen, nicht minder widerwärtigen Zusammenhang gegenwärtig war. Sein penetranter "Duft" erinnerte mich irgendwie an die pelzige Tosca-Lady, und er hatte vermutlich den Dosierstöpsel aus dem Flacon seines billigen Rasierwassers mutwillig entfernt oder schlicht verloren ...


Doch seine Tirade vermochte selbst ich nicht zu bremsen, während Elmar, feige grinsend, den weiß leuchtenden Neonröhren an der Decke des Flures seine ganze Aufmerksamkeit widmete.


„Ja, da staunen Sie, was?“, putzte mich unser Chefredakteur weiter runter, „auf diese geniale Idee muss man erst mal kommen, sich bei den Akteuren durchzufragen und dann, das ist der Clou, sich als Frau verkleidet unters Publikum zu mischen ... 14.500 wahnsinnige Weiber und unser Elmar Awei mittendrin ... das können Sie mit Ihrem engen Horizont sich vermutlich gar nicht vorstellen!“

Jetzt ging er eindeutig zu weit.


Und ich tappte in die Falle.


„Das kann ich mir sehr gut vorstellen“, entgegnete ich trotzig, kam mir dabei allerdings vor, als würde nicht ich, sondern irgend eine ferngesteuerte Stimme neben mir sprechen, „ich weiß es nur zu gut, denn ich war eine der Wahnsinnigen, wie Sie sagen.“

Für einen Moment hatte es selbst Horst Nisser die Sprache verschlagen, doch dann polterte er umso heftiger los: „Sie?! ... Was hatten Sie dort zu suchen? Wie können Sie den guten Ruf unserer Zeitung derart leichtfertig aufs Spiel setzen? Sie sind wohl verrückt geworden! Sind bekannt wie ein bunter Hund, und dann lassen Sie sich bei einer derartigen Sauerei sehen? Das, mein verehrtes Fräuleinchen, gibt eine ganz dicke Abmahnung, darauf können Sie sich verlassen. Eine ganz dicke, am liebsten würde ich Sie gleich rausschmeißen ...“


„Wenn ich auch mal was sagen darf“, mischte sich Elmar ein, und, wow, soviel Rückgrat hatte ich ihm schon gar nicht mehr zugetraut. „Dort waren die höchsten Damen der Kölner Gesellschaft vertreten, sogar die Gattin einer hoch gestellten Persönlichkeit ... mit ihrem gesamten Damen-Kegelklub, den ehrbaren Pudelfeen, die Sie vielleicht auch kennen."

Ich hätte ihn knutschen können, in diesem Moment. Komisch nur, dass ich die Gattin der hoch gestellten Persönlichkeit nicht erkannt hatte ... oder ... war es am Ende die ... das Autogramm ... aber nein, lassen wir das lieber.

„Sie hören“, konterte ich dreist, „dass auch die gnädige Frau, die Chefin der in unserer Stadt wegen ihrer Wohltätigkeitsveranstaltungen so sehr geschätzten Pudelfeen dort gewesen ist. Und, wissen Sie was, sie hat mich in der Pause sogar eingeladen, Krimskoye, wenn Sie überhaupt wissen, was das ist.“

Wow. Jetzt hatte ich, dank Elmars Hilfe, den Spieß umgedreht. Ich wollte noch hinzufügen, dass wir uns jetzt Adelheid und Andrea nennen, aber das wäre wohl zuviel des Guten gewesen, denn die Schockstarre in Horst Nissers Gesicht löste sich relativ rasch. „Aber, aber“, stammelte er, „die gnädige Frau ... mein Gott ... nicht auszudenken, wenn ...“


„Wenn der Herr Gemahl das erfahren würde“, vollendete ich seinen Satz, war dabei heilfroh, dass die Abmahnung kein Thema mehr zu sein schien. „Er wird es sicher erfahren“, fuhr ich fort, „Köln ist klein, sehr klein. Aber Sie, seien Sie auf der Hut, kein Sterbenswörtchen aus Ihrem Mund, das könnte in den falschen Hals geraten, und Sie wissen doch, wie radikal unser allseits geschätzter Herausgeber sein kann, wenn es um gesellschaftliche Verpflichtungen geht ...“


„Selbstverständlich, selbstverständlich“, stotterte die urplötzlich zahnlose Filzlaus, besann sich aber recht schnell wieder ihrer mir vorgesetzten Position. „Dieses vertrauliche Gespräch muss absolut unter uns bleiben, verstanden?“


„Ehrensache, absolut vertraulich“, antworteten Elmar und ich fast zeitgleich, und dabei mussten wir beide grinsen.

„Noch eins“, legte ich nach, ehe sich Horst Nisser aus unserer Dreierrunde lösen konnte, „die Sache mit der Beförderung zum Chefreporter gilt doch offiziell, oder?“


„Natürlich, selbstverständlich“, entgegnete er, fast empört, dass ich an seinem Wort zweifeln konnte. „Das ist schon mit dem Herausgeber abgesprochen, mit seiner grandiosen Reportage hat sich Herr Awei für höhere Weihen nachgerade aufgedrängt.“


Elmar strahlte wie Bolle, seine eben noch hängenden Schultern drängten jetzt die stolz geschwellte Brust heraus. Sagen wir: Hähnchenbrust, denn von der Statur eines Athleten war er so weit entfernt, wie ein Bindfaden vom Segeltau.



„Sie werden“, wand sich die Filzlaus erneut dem neuen Chefreporter zu, „selbstverständlich keine überzogenen Gehaltsforderungen stellen, Sie wissen ja, wir haben alle zu kämpfen.“


„Natürlich, Chef, natürlich.“


Hm. Im Moment hätte ich ihn mal wieder hassen können, dieses Devote, Unterwürfige, diesen Hundeblick, den ich zuletzt bei Squirting Arrow und dem Hutzelmännlein gesehen hatte. Aber hier gab's kein Leckerli sondern Prügel.

„Sagen Sie nicht Chef zu mir“, zwitscherte die Hornisse kurz vor seinem Abgang, „ab sofort ist Andrea Ihre Chefin, als Chefreporter sind Sie selbstverständlich ihrem Ressort unterstellt.“


Und, an mich gewandt: „Schonen Sie ihn nicht, meine Verehrteste, der Kerl kann was, kitzeln Sie alles aus ihm heraus, was drin ist.“


Und dann war er, nicht ohne ein reichlich debil klingendes „Höhöhö“ zurückzulassen, auch schon in den Weiten des Ganges entschwebt.

„Was war das denn?“ Elmar konnte die gesamte Situation noch gar nicht fassen. Ich hatte Verständnis, Männer brauchen halt immer etwas länger ...


Dabei war ich ihm unendlich dankbar, schlang meine Arme um seinen Körper, zog ihn, der keinen Widerstand leistete, eng an mich. „Du hast mich gerettet, mein Schatz, weißt du das eigentlich?“


Dass gerade in diesem Moment einer unserer Kollegen mit der überaus blöden Bemerkung „Oho, alte Liebe rostet nie“, an uns vorbeischwirrte, war mir ziemlich egal, und Elmar tangierte es auch nicht weiter. „Nein“, säuselte er, wobei er meinem überaus empfindsamen Ohr mit seinen Lippen bedrohlich nahe kam, „du hast mich gerettet, du hast mich nicht verraten. Oh, Andrea, können wir nicht, ich meine ...“

Ich muss zugeben, dass es mir verdammt schwer fiel, energisch seine Hände von meinem Po zu lösen und meinen Hals aus seinem heißen Atem zu winden.

„Entschuldige, Schatz, das habe ich ... ich meine ...“


„Lass die alten Geschichten ruhen, mein Lieber“, erwiderte ich, wobei mich sein sofortiger Rückzug, sein Verständnis, einmal mehr beeindruckte. Ja, er konnte ein echter Gentleman sein, ein „Frauenversteher“, wobei ich bis heute nicht begreifen mag, warum ausgerechnet dieses Attribut so diffamierend als Schimpfwort für eine durchaus wunderbare männliche Eigenschaft eingesetzt wird.

„Du hast eine sehr hübsche Freundin ...“


„Wie, du hast uns gesehen?“


„Klar, in Großaufnahme.“


„Ach?“


„Ja, und dabei ist mir der Schreck in die Glieder gefahren ...“


„Anscheinend nicht in alle.“


„Hmmm ...“


„Und dein verfluchtes Muttermal hat bei Anne und mir eine mittelprächtige Krise ausgelöst.“


„Wie das, welches Muttermal?“


Oh weh. Männer! Mir war durchaus bewusst, dass er seinen eigenen Arsch nicht ständig vor Augen hatte, aber dass er meine Küsse von damals so vollständig verdrängt zu haben schien ...

„Willst du gar nicht wissen, wo deine Maske ist?“


„Ich hab' sie verloren. Vermutlich hat sie diese Boulevard-Tusse, jedenfalls war sie da heute Morgen groß abgebildet.“


„Quatsch, das war irgendeine Maske, die sehen doch alle gleich aus, alles Fake ...“


„Du weißt ...“


„Ich weiß nicht, ich habe!“


„Was?“


„Die verdammte Maske!“ Oh, wie begriffsstutzig können doch Männer sein. Dummerweise hatte mich Elmars geistige Ladehemmung dazu veranlasst, besonders laut zu werden.

„Hey, ihr wisst, wem die Maske gehört, ihr wisst, wer der halve Hahn ist?“ Zu allem Überfluss hatte Kevin, unser Volontär, meine letzten Worte aufgeschnappt, na, und dieses insistierende Nachfragen, das hatte ich ihm höchstpersönlich als gutes journalistisches Handwerkszeug beigebracht.


Vielleicht hätte ich auch Elmar zu der einen oder anderen Unterrichtsstunde einladen sollen, aber dazu war es jetzt zu spät.


„Hey, Kevin, komm mal her.“ Ich winkte unseren Volontär heran, gab gleichzeitig Elmar ein eindeutiges Zeichen, nur ja die Klappe zu halten.


„Hör' mal Kevin“, erklärte ich, „wir wissen es nicht, aber wir haben eine Ahnung. Du hast doch sicher mitbekommen, dass ich eben von Fake gesprochen habe ...“


Kevin nickte.


Wow. Dieser kleine Spanner hatte vermutlich viel zu viel gehört.


„Und auch, dass ich gesagt habe, ich habe ...“


Kevin nickte erneut.


„Ja, und ich habe einen Verdacht, eine ganz große Nummer ...“


Ich sah förmlich den Geifer aus Kevins Mundwinkeln rinnen.


„Ein ganz dickes Ding, das wir leider nicht veröffentlichen dürfen, Order von ganz oben.“


Kevin gierte danach, Interna aus dem Verlagswesen zu erfahren.


„Was ich dir jetzt sage, das ist absolut vertraulich, kapiert!“


Kevins Nicken schien einem nicht mehr von ihm zu steuernden Reflex zu gehorchen.


„Dieser so genannte halve Hahn war gar kein Kölner, der Veranstalter hat ihn eingesetzt, um möglichst viel Quote in Köln zu machen, in Wirklichkeit war der halve Hahn ein furztrockener ...“


„... Saarländer“, ergänzte Elmar, obwohl ich ihm doch verboten hatte, den Mund aufzutun.


„Ja, aber“, stammelte Kevin, „das ist doch die Sensation, die absolute Nachricht, von der Sie mir immer so vorgeschwärmt haben. Damit könnten wir doch dieser ,Karla Kolumna', wie Sie selbst unsere Boulevard-Kollegin Frau Silberling immer nennen, absolut was vor den Latz knallen.“


Wow, im Volontärsunterricht hätte ich dem jungen Kollegen jetzt eine glatte Eins gegeben, sein Eifer ehrte ihn, doch im Moment passte er weder mir noch Elmar.


„Sensation hin oder her“, versuchte ich, ihn zu beruhigen, „aber diese Kolumna, die nicht mal einen korrekten Satz mit mehr als 13 Wörtern formulieren kann, ist nicht unser Maßstab, wird es auch nie sein, klar soweit?"


Seinem Gesichtsausdruck entnahm ich, dass er gar nichts verstand, er nickte wiederum stumm und begriff offensichtlich nichts von dem, was ich sagte. Dabei hatte ich doch selbst Generationen von Volontären darauf gedrillt, alles, aber auch wirklich alles in Frage zu stellen.

„Nun“, fuhr ich fort und wurde förmlich, „hier sind Sie mit einer Ausnahmesituation konfrontiert, in der Sie das Wohl oder Wehe Ihres eigenen Arbeitgebers abwägen müssen. Ich gehe davon aus, dass Sie sich für das Wohl entscheiden werden ...“


„Jawohl“, stammelte Kevin, und ich kam mir äußerst schäbig vor.


„Es ist ja nicht nur diese dämliche Silberling“, setzte ich meinen schmutzigen Vortrag fort, „es geht um Personen, die auch Ihr ganz persönliches Wohl und Wehe im Auge haben. Klar soweit?“


„Vollkommen klar.“


„Dann schwirr' endlich ab und kümmere dich um die unglückselige Ampelschaltung auf der Rheinuferstraße, heute Abend erwarte ich einen ausgewogenen Bericht.“


„Jawohl.“

„Mensch Andrea, was kannst du nur für ein Dreckschwein sein ...“ Elmar war sichtlich erschüttert, doch ich ließ seinen – berechtigten – Einwand nicht gelten. „Dreckschwein, meinst du?“, keilte ich zurück, „so, so, du meinst also, dass es besser wäre, allen hier den halven Hahn als labberiges Milchbrötchen mit Schmelzkäse auf dem Silbertablett zu präsentieren?“ Zugegeben, das Schmelzkäse-Zitat stammte nicht von mir, sondern von meiner Liebsten. Sie hätte mir diese „Anleihe“ sicherlich verziehen, denn sie passte so überaus treffend zu Elmars momentanem Gesichtsausdruck.


Ich zog ihn in mein Büro, doch dummerweise waren wir dort nicht alleine.


Ich öffnete die unterste Schublade meines Schreibtisches und überreichte dem verdutzt dreinschauenden Elmar die prall gefüllte Alditüte. „Hier, mein Lieber, hier sind alle Zutaten und die seltenen, scharfen Gewürze für das Rezept von Hühnerklein auf indische Art, Anne und ich harren Ihrer Einladung.“


„Es wird ein Festessen“, frohlockte Elmar, der mir die Plastiktüte fast aus der Hand riss, „natürlich sind Sie und ihre Lebensgefährtin herzlich eingeladen.“


„Hey“, meldete sich Christoph, mein Schreibtischnachbar und Fotograf zu Wort, „seit wann kann Elmar kochen, und vor allem: Seit wann seid ihr per Sie?“


„Hm“, entgegnete ich, „du würdest dich über seine Kochkünste wundern. Elmar würde selbst eine zähe Ledermaske noch in ein zartes Lendensteak verwandeln ...“


„Ey“, frozzelte Christoph, „dieser beschissene Abspritzcontest mit dem ominösen Maskenmann scheint euch ja echt schwer im Magen zu liegen, aber, eins muss ich sagen, alle Achtung, Elmar, deine Story war echt geil ... Du als Frau ... Mannomann, da könnte ich ja noch echt schwach werden. Megageile Nummer ... Als Hahn im Korb unter 14.500 nach Sex gierenden Weibern ... Wow. Dass du mich nicht als Fotografen mitgenommen hast, das verzeih' ich dir allerdings nie.“


„Hey Christoph, lass' deine blöden Chauvi-Sprüche mal stecken“, fuhr ich ihm in die Parade, „du darfst unseren neuen Chefreporter gerne auf seiner nächsten Mission begleiten ...“


„Wie, was, Chefreporter?“


„Ja, richtig gehört, die Filzlaus hat unsere Lady Elma befördert, jetzt gehört der Westentaschen-Wallraff zu uns. Frau und Gesellschaft ist sein neues Thema."


„Wow, geil ... Glückwunsch, mein Lieber!“


„Danke ... Aber ... Moment ...“ Unserem Elmar schien die gesamte Situation nicht gerade angenehm zu sein, er klammerte sich derart krampfhaft an die Aldi-Tüte, als müsse er die darin befindlichen, imaginären Kronjuwelen unter Einsatz seines Lebens verteidigen. „W... wwaas meinst du mit Mission, Andrea?“


Männer können ja so begriffsstutzig sein.


„Na, du weißt doch, diese verschwundenen Spendengelder in Sankt Claustrophobia, dem Nonnenbunker ...“


„Aber ... das ... das ist doch eine Klosterschule ...“


„Jepp. Voll die Zehn!“


„D ... dd ... da sind aber doch nur Nonnen ...“


„Das sollte eine besondere Herausforderung für dich sein.“


„Du tickst doch nicht sauber“, mischte sich Christoph ein, „wie sollen wir als Männer denn da rein kommen?“


„Wie alle Nonnen.“


„Nein, das ist nicht dein Ernst“, protestierte nun auch Elmar, „ich schleich' mich doch nicht als Nonne in eine Klosterschule ein ...“


„Genau das wirst du tun. Du weißt doch, wie die Kirche mauert, da ist von außen nix rauszukriegen, und mittlerweile geht es um sechsstellige Summen, da hilft nur undercover.“


„Warum machst du das nicht selber oder schickst eine Kollegin?“ - Dass Christoph aber auch immer so pragmatisch denken musste.


„Weil sie mich ... Verdammt noch mal, das ist jetzt euer Auftrag", erwiderte ich scharf, „wer ist denn hier der Chefreporter, wer der Starfotograf - und wer die Chefin?“


Die beiden Herren sahen ein, dass ich keinen Widerspruch duldete. „Gleich morgen früh“, erklärte ich, „werdet ihr als hospitierende Schwestern Hildehart und Hannelore vom Orden der Barmherzigen Jungfrau Andrea voll der Gnaden dort antanzen ...“

Wenn Männerblicke töten könnten.


Aber das ist eine andere Geschichte, eine ganz andere ...

******************************

Ein paar Gedanken zum Abschluss ...

So wie Elmar Awei, der wagemutige und spritzige Reporter in dieser Story, keine Ahnung hatte, was er da tat, als er sich voll und ganz auf den Contest einließ, hatte auch ich keinen Schimmer, was auf mich zukommen würde, als Andrea mit der Idee einer Persiflage auf das Pornogeschäft daherkam.


Der Plot klang so simpel: Einige Männer wichsen profimäßig vor ein paar raderdollen Weibern um die Wette. Und was ist draus geworden? Eine Story, die uns mehr als ein Jahr in Atem hielt, bei der wir voneinander lernten, unsere Freundschaft wuchs und am Ende etwas herauskam, das wir vor einem Jahr mit Sicherheit für unmöglich erklärt hätten.


"Was soll ich da nur schreiben?", fragte ich mich. Als abgeklärten Wichsprofi konnte und wollte ich meinen Protagonisten, der ja immerhin meinen Namen trägt, nicht ins Spiel bringen. Doch als eigentlich inkompetenten Ersatzmann ... das passte. So bestand die Möglichkeit, aus erster Hand zu berichten und dennoch ein Leben neben dem Contest zu haben, wodurch erst die Szenen mit LTJ und seiner Frau Annie ihren Sinn bekamen.


Es war mir eine große Freude, mit Anja und Andrea zusammenzuarbeiten und wir planen bereits Folgeprojekte. Zudem möchte ich mich bei allen bedanken, die bis hierher durchgehalten haben.



LG aweiawa

Im Anfang stand der Entschluss von Anja, Elmar und mir, gemeinsam eine Geschichte zu schreiben. Den Impuls, der zum Plot führte, gab eine Veranstaltung der „American Dream-Boys“, die mit einer Men-Strip-Show regelmäßig durch die Lande tingeln. Eine Spur deftiger sollte unsere Story allerdings schon sein, und so entwickelte sich allmählich die Idee zum Abspritzcontest. Bei diesem Titel verstand es sich von selbst, dass es eine Persiflage auf das Pornogeschäft werden musste – wobei mir persönlich in vielen Sexgeschichten eines fehlt, und das ist Humor und auch ein gehöriges Quäntchen an Selbstironie.


Dass in meinem vorletzten Part Pedros „Tuttelsau Helga“ eine Gastrolle hat, geschah mit Einverständnis des Autors. Deswegen hier einen lieben Dank an Pedro.


Der Hutzelmännlein-Part im „Literotischen Zirkel“ mag sich vielleicht eher denjenigen erschließen, die dieses de facto ohne Jugendschutz auskommende Board mit all seinen anonymen Kommentar-Auswüchsen kennen – Gut, dass hier so etwas nicht möglich ist.


Irgendwo in einem Kommentar zum zweiten Teil des Contests hat der Schreiber „ein klares Feindbild“ vermisst. Dem sei im Nachhinein gesagt: Es sollte auch gar keine Feindbilder in der Geschichte geben!


Einfach ein Spaß – nicht mehr und auch nicht weniger.

LG andreashava

Auch wenn euch unsere Parodie zu durchgeknallt erscheint, glaubt mir, ich kann’s selbst noch nicht richtig fassen, was wir da produziert haben.


Als mir Andrea eines Abends im Chat von einer sehr skurrilen Idee erzählte, musste ich schmunzeln. Als sie fragte, ob ich mitschreiben würde, sagte ich spontan: Ja.


Allerdings dachte ich eher an eine kurze Gastrolle. Bisschen auf der Tribüne sitzen und lästern. Rausgekommen ist dann ein über 100 Seiten Werk, gemischt mit Satire und Klamauk.

Ein Projekt, das mir sehr viel Spaß bereitet, mich aber auch als Autorin gefordert hat. Die imaginäre Voice wuchs mir ebenso ans Herz, wie der Bestsellerautor Rainer Müll in seinen verschiedenen Rollen. Das Ganze dann auch noch als „Einheit“ zu verweben, und dabei den eigenen Stil zu behalten war eine sehr interessante Erfahrung für mich.

Ich denke, es ist für die Leser sehr schwierig, das alles beim ersten Mal zu verstehen, und man darf es auch ein zweites oder drittes Mal lesen.


Autoren sind eigenartige Leute, die alleine vor einem Monitor hocken und wie wild auf die Tastatur einhämmern.


Wenn mich jemand fragt, was mir am besten gefallen hat … dann gibt es nur eine Antwort: Das Vertiefen unserer Freundschaft, die mittlerweile weit über „Geschichtchen“ schreiben hinausgeht und auch das Feedback der Leser, die unseren Humor teilen und sich gut amüsiert haben.

LG Mondstern

Ein ganz besonders lieber Dank gilt unserem Beta-Leser und Korrektor Egon und auch unserer Autorenkollegin Catsoul, die diese Geschichte Beta gelesen hat.

LG Andrelmanja

Kommentare


Georgmueller332
dabei seit: Mär '06
Kommentare: 32
schrieb am 06.01.2011:
»Hallo Ihr Autoren,

das ist wirklich nicht sehr einfach zu lesen. Aber das macht es gerade interessant. Ich finde es prima und sehr witzig.

Liebe Grüsse

Georg«

hg1
dabei seit: Dez '04
Kommentare: 66
HG1
schrieb am 09.01.2011:
»Nur ein Kommentar? Was ist mit euch Lesern los?? Könnt ihr eine solch aufwändige Geschichte nicht würdigen? Ich bin enttäuscht, sehr enttäuscht. Das ist kein gutes Zeichen für Autoren, die "gute" Geschichten schreiben wollen.«

astweg
dabei seit: Jun '01
Kommentare: 152
TetraPack
schrieb am 13.01.2011:
»Liebes Autorenteam,
einerseits kann ich eigentlich nur wiederholen, was ich schon zuvor zu den anderen Teilen der Geschichte geschrieben habe. Nun, da ich die ganze Geschichte kenne, muss ich noch einmal euren Ideenreichtum loben. Vielleicht wäre es besser gewesen, wenn ihr den letzten, doch sehr lang geratenen Teil etwas gekürzt oder zumindest nicht in einem Stück veröffentlicht hättet. So lange Geschichten liest kaum mehr jemand online. Ich fühlte mich am Ende des letzten Teils so erschlagen, dass mir kaum ein vernünftiger Kommentar dazu einfallen wollte. Vielleicht ist das mit der Grund, dass es so wenige Kommentare zu diesen Teil gibt, mal ganz abgesehen davon, dass Geschichten, die im Bereich "Sonstige" veröffentlicht wurden von den Lesern leider oft stiefmütterlich behandelt werden.

Liebe Grüße
astweg«

goreaner
dabei seit: Nov '06
Kommentare: 67
goreaner
schrieb am 13.01.2011:
»Gratuliere!

Wieder mal hervorragend. Diese Parodie gemixt mit etwas Lokalkolorit... nicht zu vergessen all diese Helden aus anderen Storys, die hier einen wohlverdienten Carneo-Auftritt haben. Köstlich dieser moderne "Gollum" ("so schön, so prächtig .... mein schatzzz!") Apropos, dieser Aleeke.. der kommt mir bekannt vor???
Und Voice war wieder unschlagbar. Fährt doch glatt nach Hause ROFL

Weniger gut fand ich die Passage mit dem Buch auf dem Trädemarkt oder was,, war mir irgendwie zu lang (aber manche Sprüche erkannt ich wieder (Sämtlicher Verkehr wird durch meinen Anwalt erledigt)

Der Traum mit LTJ hat mich etwas irritiert, weil ich zuerst eirgendwie nicht erkennen konnte, dass es nur ein Traum war.

Wie ich dir bereits geschrieben habe, bin ich entsetzt, wie schwach die Resonanz ist auf ein solches komplexes Werk!
Leute, überlegt euch eines: Hier sitzen drei verschiedene AutorInnen mit unterschiedlichen Ideen, Schreibstil und Hintergrund. Das unter einen Hut zu bringen ist alles andere als einfach. Die Kanten müssen überall abgeshliffen werden, der Schreibstil vielleicht sogar etwas angepasst und und und...
Ich wage es mir gar nicht vorzustellen, wie lange die drei da dran gesessen haben. Mindestens ein halbes Jahr, eher mehr und das wird mit drei vier Kommentaren belohnt, während Einhandleser-Geschichten von 1nderhalb Seiten Länge mit Lob überhäuft werden. Und das, obwohl sie grammatikalisch betrachtet sogar einem Zehnjährigen die Schamesröte ins Gesicht treiben würden.

So, habe mich ausgepowert...

Wunderbar gemacht, ihr drei.

Tal

goreaner«

mondstern70
dabei seit: Sep '04
Kommentare: 441
Mondstern
schrieb am 22.01.2011:
»Hallo und vielen Dank für eure Kommentare.
Über die Resonanz - ja, ich bin entsetzt !!! Mehr als 1000 Klicks hatten wir nicht erwartet, aber schon deutlich mehr Feedback. Sicherlich ist das eine Geschichte, die man nicht so "nebenher" lesen kann, dazu ist sie zu komplex.
Ich habe aber immer noch die Hoffnung, das sie in der verstaubten "Sonstiges-Kategorie" noch von dem ein oder anderen entdeckt wird.
LG Mondstern«

aweiawa
dabei seit: Sep '04
Kommentare: 214
aweiawa
schrieb am 30.07.2021:
»Wer die ganze Geschichte als E-Book oder als Taschenbuch besitzen will, kann mal hier schauen: https://www.amazon.de/gp/product/B07L1B2KJ6/«

Bombi1982
dabei seit: Dez '18
Kommentare: 21
schrieb am 09.01.2023:
»Der Tanz von Anja war sicher der eigentliche Höhepunkt der Veranstaltung. ;-)«


Kommentar verfassen Kommentar verfassen
AutorIn schreiben AutorIn schreiben
Autorinformationen Autorinfos
 Geschichte melden
 loading...
MehrteilerAlle Teile in einer Übersicht