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Kommentare: 2 | Lesungen: 878 | Bewertung: 8.07 | Kategorie: Sonstiges | veröffentlicht: 10.09.2019

Der Entmannte im Eis

von

Auf Zimmer 14-095 des Polizeipräsidiums Hallburg ging es hoch her. Die ‚Soko XXL‘ feierte den erfolgreichen Abschluss des Falles, dem sie ihren Namen verdankte. Ein Serienvergewaltiger und -mörder hatte am Tatort überdimensionale Kondome mit Sperma hinterlassen und damit das Ermittlungsteam auf falsche Fährten gelockt. Denn weder war das gefundene Sperma das seine, noch war sein Penis groß genug für diese Mega-Verhüterlis. Die hatte er aus den Abfallkübeln des Bordells ‚Blauer Hibiskus‘ gesammelt, wo er als Hausmeister leichten Zugang hatte. Das Perverseste aber war, dass er mit den Gewalttaten seinen Frust zu bewältigen suchte, wenn ‚seine‘ Fußballmannschaft in der Bundesliga verlor. Erst die Neue im Team, Kriminaloberkommissarin Nina Muschetzky hatte einen neuen Blickwinkel auf die festgefahrenen Ermittlungen riskiert – und gewonnen. Die zeitlichen Übereinstimmungen zwischen den brutalen Übergriffen auf Frauen und den Misserfolgen des heimischen FC Wotania Hallburg hatten sie auf die richtige Spur gebracht. Der Rest war bloße Routine gewesen. Der Täter war gefasst und saß in Untersuchungshaft.

Die vier Musketiere, wie sie sich in Anlehnung an die richtige Aussprache von Ninas Familiennamen ‚Muschetzky‘ seit dem XXL-Fall nannten, hatten bis zum offiziellen Dienstende um fünf alle notwendigen Berichte geschrieben, alle Unterlagen in den Akten abgeheftet und nun beschlossen, den Erfolg und das Ende der Soko gebührend zu feiern. Dr. Hannes Schlechter, der Pathologe, der wegen seines Namens davor zurückgeschreckt war, sich lebenden Patienten zu widmen und Doris Fussl von der KTU waren auch eingeladen. Doris hatte die entscheidende zweite DNA auf den Riesenkondomen entdeckt und auch sonst sehr entgegenkommend gehandelt. Bald kam das Gespräch wieder einmal auf Ninas Undercover-Mission, wo sie splitternackt in den Isarauen einen aggressiven Sexualstraftäter dingfest gemacht hatte. „Wie wäre es mit einer Strip-Vorführung?“, regte Schlechter an, aber Nina lehnte zunächst kategorisch ab.

Nachdem sich aber auch Schrötter, Fussenegger und sogar Doris Fussl, die seit Jahren ein Verhältnis mit Hajo pflegte – wegen ihrer ähnlichen Namen Fussl und Fussenegger waren sie bei einem Seminar in ein angeregtes Gespräch gekommen – mehr als interessiert zeigten und Ninas aktueller Liebhaber, Kriminaloberkommissar Mike Rackelt, nur belustigt grinste, gab sie nach. Teilweise zumindest. „Okay, aber ich tu nur so, okay?“ Und ehe sich die anderen Gedanken machen konnten, wie man bei einem Striptease ‚nur so tun‘ konnte, sprang sie auf Mikes Schreibtisch und bewegte sich zu einer imaginären Musik, streifte einen ebenso imaginären Rock langsam ab und tat nun so, als knöpfe sie eine Bluse auf. Gerade, als sie einen BH öffnete, obwohl sie unter ihrem T-Shirt gar keinen trug, klopfte es an der Tür. Kriminaldirektor Friedhelm Wummerbäck, den man einzuladen ‚vergessen‘ hatte!

Der ‚Alte Wummer‘ sah sich um, schüttelte den Kopf und verkündet: „Ende der Fete, es gibt Arbeit!“ Auf die erstaunten Blicke hin erklärte er, ehe sich jemand von seiner Sprachlosigkeit erholt hatte oder darauf hinweisen konnte, dass sie allesamt außer Dienst waren: „Normalerweise hätte ich Ihnen das morgen bei Dienstantritt erklärt, aber die Umstände … Jedenfalls habe ich beschlossen, und das Ministerium ist einverstanden, dass die Soko XXL zwar aufgelöst ist, die Mitglieder aber beisammenbleiben, da sie sich bewährt haben. Ab sofort als Abteilung Gewaltverbrechen römisch vier. Und da gerade ein Fall hereingekommen ist, der wirklich prädestiniert für diese Gruppe scheint, ist das jetzt euer Fall. Es sei denn, ihr lehnt das alles ab. Dann …!“ Er wedelte mit der Hand, als sei das unvorstellbar und sparte sich die Ausführung der dahinter lauernden Drohung.

Schrötter schaute in drei erwartungsvolle Augenpaare, erkannte Freude und Zustimmung und sah dann Wummerbäck fragend an. „Worum geht es?“

„Tja, es klang ein wenig seltsam, aber anscheinend hat einer in einer total vereisten Gefriertruhe ein männliches Genital gefunden. Ob es auch eine Leiche dazu gibt, ist noch unklar. Macht euch auf die Socken. Schlechter, Sie fahren am besten auch gleich. Fussl, holen sie ihre Sachen und Verstärkung“ Ab mit euch! Morgen ganz früh Bericht, damit das klar ist. Hier ist die Adresse!“ Er reichte Schrötter einen Zettel, drehte sich um und verschwand.

„Der macht jetzt Feierabend!“, nörgelte Fussenegger, der sich auf einen kuscheligen Abend mit Doris gefreut hatte. Aber die Freude, dass sie weiterhin miteinander arbeiten durften, überwog deutlich und ‚Gewalt IV‘ machte sich ‚auf die Socken‘.

Knapp eine halbe Stunde später traf die ganze Mannschaft inklusive Gerichtsmediziner und Spurensicherung in einer Reihenhaussiedlung an der südlichen Peripherie von Hallburg ein. Auf der Stichstraße standen zwei Streifenwagen. Vier Polizisten sicherten den Zugang und schreckten neugierige Nachbarn ab. Einer kam auf die Kriminalpolizisten zu, salutierte und stellte sich als Polizeiobermeister Moosbach vor. „Erlauben Sie, dass ich zusammenfassend berichte, was wir bisher erhoben haben?“ Schrötter nickte aufmunternd. „Gut, also! Das Haus gehört einem Herrn Burgmeier, mit zwei „e“ und „i“. Ihm gehören da drei Reihen mit je sechs Häusern. Er selber wohnt gleich in der Nähe, allerdings in der Reihe, die von der parallel hierzu verlaufenden Stichstraße zugänglich ist. Das Haus hier hat er vor gut zwei Jahren an einen Italiener vermietet, einen Massimo Ardente, fünfunddreißig Jahre alt und aus Mailand. Er ist Vertreter für ‚Dolgelato‘, eine neue Speiseeismarke, die er hier in Süddeutschland platzieren soll. Als er einzog, hatte er grad mehr als zweihunderttausend Euro im Casino gewonnen. Ich habe angerufen, es stimmt. Mit Burgmeier kam er zusammen, weil der wegen der Kreditraten knapp bei Kasse war und das Dach sanieren musste. Das kam beiden gelegen. Burgmeier bekam siebzigtausend im Voraus, dafür zahlte Ardente nur zwanzig Monatsmieten für zwei Jahre. Und die Kaution war auch darin enthalten. Nach Ablauf der zwei Jahre meldete sich Ardente nicht, daher kam Burgmeier her, um anzuklingeln. Der Italiener war aber nicht erreichbar. Nicht ungewöhnlich bei einem Vertreter mit einem so großen Verkaufsgebiet. Aber Burgmeier warf eine Nachricht durch den Briefschlitz. Am Tag darauf erlitt er einen Herzinfarkt und hatte anderes zu denken als an Ardente. Immerhin hatte er ja auch noch die Kaution. Erst heute Morgen kam er wieder vorbei, diesmal mit Schlüssel. Sofort fiel ihm ein Riesenhaufen Werbematerial hinter der Eingangstür auf. Alles deutet darauf hin, dass sich Ardente aus dem Staub gemacht hatte. Burgmeier war es egal, er ging aber nachsehen, ob Ardentes Alfa noch in der Garage stand. Das tat er auch. Also war er wohl doch nicht nach bella Italia verschwunden. Hinter dem Alfa steht aber eine riesige Gefriertruhe, die auf vollen Touren lief, weil der Deckel nicht ganz geschlossen war. Der Innenraum war komplett vereist. Ein richtiger Gletscher! Burgmeier schaltete ab und ließ das Eis auftauen. Damit es schneller ging, klemmte er einen Fön zwischen Truhe und Deckel. Alle paar Stunden kam er nachsehen und schöpfte Wasser ab, das ja nicht abrinnen konnte. Irgendwann fiel ihm ein, dass da eventuell noch Probepackungen Eis drin sein könnten und fischte danach. Auf einmal hielt er einen – äh – Sch… - äh – ein Gemächt in der Hand. Fast hätte er den nächsten Infarkt bekommen, aber er begnügte sich doch damit, sein Mittagessen auf dem Garagenboden zu verteilen. Jetzt ist er daheim bei Frau und Hund. Inzwischen sieht man auch andere Körperteile, zum Beispiel einen Fuß, der das Schließen des Deckels verhindert hat. Laut den Nachbarn hat man Ardente seit ewig nicht mehr gesehen Das letzte konkrete Datum, an das man sich erinnert, ist der 2. Juni vor einem Jahr. Da hat er aus Anlass des italienischen Nationalfeiertags ein Feuerwerk abgebrannt, aber später war er auch noch da. Anscheinend hat er angekündigt, zu Ferragosto nach Hause fahren zu wollen. Seither nichts.“

„Danke, das war eine gute Zusammenfassung!“

„Ach ja, man meinte auch, Massimo Ardente wäre ein Schürzenjäger, der im ersten Jahr seines Hierseins alle paar Wochen eine neue Freundin anschleppte. So ‘ne Art Papagallo, ne? Alles richtige Zuckerschnecken, meistens verheiratet, sagt der Sohn von Nummer fünfzehn. Er ist neunzehn und auch so ein Filou. Hoffe, Sie können daraus was machen!“

„Sehr gut, Moosbach! Haben sie eine Aufstellung, wer wo wohnt und wem die Häuser gehören?“ Moosbach reichte ihm wortlos eine akribisch erstellte Liste. ‚Guter Mann!‘, dachte Schrötter und überlegte, ob er ihn mehr einbinden könnte.

Der Gerichtsmediziner war mit den Leuten von der Spurensicherung schon in die Garage vorausgegangen. Inzwischen war schon der ganze Unterschenkel frei. „Können Sie schon was sagen, Doc?“, fragte Schrötter, wie das auch alle Kommissare im Fernsehen fragen.

„Ein nackter Fuß, von einem Mann. Mehr, wenn ich ihn auf dem Tisch habe!“, antwortete Schlechter exakt nach Fernsehdrehbuch und grinste.

„Kann man das Auftauen nicht beschleunigen? Mit Streusalz oder so?“, fragte Mike.

„Mit Streusalz?“, fragte Schlechter entgeistert. „Das könnte Spuren vernichten!“

„Oder mit Mineralwasser?“, warf Nina ein. „Ich habe auf einer Flasche gelesen, dass es enteisend wirkt.“

Schlechter grunzte. Dann prustete er los. „Meine Liebe, da stand ganz gewiss nicht ‚enteisend‘, sondern ‚enteisent‘. Mit hartem ‚t‘! Das heißt, dass dem Wasser Eisen entzogen wurde, nicht Eis! Nein, nein, das muss leider mit thermischer Kraft gemacht werde!“ Er schöpfte Wasser aus der Truhe, goss eine kleine Menge in ein Glasfläschchen und den Rest durch ein feines Tuch, um alle Partikel zu sichern.

„Ich glaube, hier können wir vorläufig nicht viel ausrichten. Hajo, fahr zurück ins Präsidium und kontaktiere die Kollegen in Mailand und die Firma Dolgelato! Wir müssen mehr über diesen Ardente wissen.“

„Passender Name übrigens für einen italienischen Lover. Ardente heißt heiß, feurig, leidenschaftlich, brünstig und so weiter“, warf Nina ein, die nach der Schmach mit dem ‚enteisenden Mineralwasser‘ bemüht war, ihre Kenntnisse anzubringen.

„Hat aber auch nichts genützt“, ätzte Schrötter. „So heiß war er nicht, dass es ‚enteisend‘ gewirkt hätte. Sonst bräuchten wir keinen Fön!“ Nina schluckte eine Entgegnung hinunter. „Ich gehe davon aus, dass die Leiche in der Truhe der verschwundene Italiener ist. Ob er bei lebendigem Leib entmannt wurde oder post mortem, wird die Obduktion zeigen. Die Frage ist aber, warum? Wer macht so etwas. Für mich deutet alles auf eine Eifersuchtstat hin. Wenn man seinen Ruf bedenkt, könnte es eine Menge Männer mit Motiv geben. Wir müssen was über seine Eroberungen herauskriegen. Und deren Männer! Nina, Mike, schnappt euch diesen Moosbach und klappert noch einmal die Nachbarschaft ab. Wer hat eine seiner Freundinnen gesehen? Ich will alles wissen, was immer die Nachbarn mitgekriegt haben. Namen, Kosenamen, Aussehen, Kleider. Vielleicht hat eine Dame ein seltenes Kleidungsstück erkannt. Oder Schuhe, Handtaschen! Louboutins, Gucci oder sowas. Auto, Fahrrad, Moped, was weiß ich. Los! Ich schau, ob die Spusi schon was gefunden hat, was wir auswerten können, Computer, Tagebuch, Adressen, Handy und so weiter. Alle Erkenntnisse werden sofort ausgetauscht. Los geht’s!“

Am nächsten Morgen klopfte Tom Schrötter beim Kriminaldirektor an. „Ich möchte nur kurz deponieren, was wir bis jetzt herausgefunden haben: In der besagten Kühltruhe befand sich eine vollständige nackte Männerleiche. Die Genitalien waren aber abgeschnitten und, wie es ausschaut, auf dem Kopf des Mannes abgelegt, weswegen die zuerst gefunden wurden. Das Opfer hieß aller Wahrscheinlichkeit nach Massimo Ardente und war Vertreter einer neuen Speiseeismarke. Und außerdem ein sehr erfolgreicher Frauenheld, spezialisiert auf Verheiratete. Wir gehen davon aus, dass er eine verhängnisvolle Affäre mit einer Frau hatte, deren Gatte in einem Anfall rasender Eifersucht die Tat begangen hat. Tatort war sein eigenes Schlafzimmer. Die Spusi konnte Blutreste feststellen. Ardente wurde die Kehle durchgeschnitten und außer, dass ihm der Schwanz samt Sack abgeschnitten wurde, hat der Täter ihm auch noch das Mordwerkzeug in den Arsch gerammt. Vorher, denn es fanden sich Kotspuren in der Halswunde.“ Wummerbäck verzog in Abscheu sein Gesicht. „Vermutlich wurde er auch bei lebendigem Leib kastriert. Ob bei vollem Bewusstsein, steht noch nicht fest. Tatzeitpunkt ist nicht genau feststellbar, weil die Leiche ja gefroren war, doch nach den hinter der Tür angesammelten Werbebroschüren dürfte es etwa Mitte August gewesen sein. Also vor ziemlich genau einem Jahr. Ardente war offenbar gerade dabei zu Ferragosto nach Italien zu fahren. Ein Koffer war schon in seinem Auto.“

„Hat die Obduktion noch etwas ergeben? Tatwaffe?“

„Ja, das ist komisch! Nach den Wunden war das Instrument ziemlich lang, sehr scharf geschliffen, auf der Oberseite strukturiert und vorne etwas aufgebogen. Nicht sehr spitz. Dr. Schlechter meint, wenn es nicht so scharf wäre, könnte es ein Champagnersäbel sein, von der Form her. Aber die sind üblicherweise eher stumpf, weil man beim Köpfen den Rand nach vorne schlägt, nicht abschneidet.“

„Das ist kein Grund, der dagegen spricht. Man kann durchaus mit der anderen Seite sabrieren, mit der stumpfen. Nur muss dann der Griff so sein, dass man den Säbel von beiden Seiten packen kann. Ich habe sogar schon mal eine Flasche Bollinger mit einem Suppenlöffel geköpft, …“

„Das ist interessant, aber Champagnersäbel oder was Ähnliches haben wir auch keinen gefunden. Den hat der Täter wohl mitgenommen.“

„Habt ihr einen Ständer gefunden? Oft werden diese Dinger in Holzständern präsentiert. Das schaut dann so aus wie diese japanischen Schwerter im Miniformat.“

„Nein, auch nicht, aber wir werden danach Ausschau halten, wenn wir seine Eroberungen überprüfen. Von den Nachbarn haben wir einige Beschreibungen. Eine fuhr mit einem eher seltenen Auto, einem uralten Buckelvolvo in Weiß. Sagt zumindest der elfjährige Ralf. Der hat so einen in seinem Oldtimer-Quartett. Kriminalhauptkommissar Fussenegger ist schon in der Zulassungsstelle. Und mit der Polizei in Mailand hat er auch gesprochen. Ardente ist ein unbeschriebenes Blatt.“

„Sonst noch was?“

„Schon, aber dass Ardente die Masern hatte, die noch nicht ausgebrochen waren, hilft uns nicht weiter. Von Ärzten erfahren wir nichts, wie üblich!“

„Okay, okay!“ ‚Die Wumme‘ wedelte mit der Hand. „Ermitteln Sie weiter. Volldampf, ich will, dass die Presse nicht alles durcheinanderbringt!“

In Schrötters Büro wartete Hajo mit der Nachricht, dass es in Hallburg und Umgebung genau zwei Buckelvolvos in hellen Farben gab. Der eine war gelb und gehörte einem alleinstehenden Greis von fünfundachtzig Jahren, der andere einem Oberarzt der Klinik, Dr. Hubertus Potze, der ihn von seinem Vater geerbt hatte. Die Frau des Oberarztes, Jacqueline Potze, war Mitte dreißig und blond. „Das ist eine heiße Spur!“, rief Schrötter.

„Sollen wir den Oberarzt herholen?“

„Nein, wir beobachten zuerst die Frau. Vielleicht hat sie inzwischen einen anderen Liebhaber. Wenn wir das wissen, redet sie eher mit uns und lügt nicht ganz so viel. Mike, Nina, das macht ihr. Euch fällt es wohl nicht schwer zur Tarnung das junge Liebespaar zu mimen.“

„Wozu sollten wir uns tarnen müssen?“

„Was weiß ich, womöglich verkehrt sie in Swingerclubs ...! Ab mit euch, sondiert das Haus von diesem Potze und hängt euch an seine Frau, wenn sie es verlässt. Wir versuchen in der Zwischenzeit, weitere Freundinnen zu identifizieren. Die Verbindungsnachweise müssten ja bald eintreffen. Ich werde auch die von der Potze anfordern.“

Potzes wohnten weit außerhalb, direkt am Waldrand. Weit und breit war kein Buckelvolvo zu sehen. Alles war ruhig. Nina und Mike entdeckten einen Jägerhochstand, von dem aus man sowohl den Eingang als auch eine Dachterrasse und einen großen Teil des Gartens observieren konnte. Dort machten sie es sich gemütlich und weil sich so gar nichts tat, begannen sie, sich mit sich selbst zu beschäftigen. „Eine alte Wunschphantasie wird wahr!“, freute sich Nina. „Ich wollte schon immer mal in so einem Hochstand vögeln! Los, Mike, raus aus den Klamotten!“

„Nina, du bist völlig …!“, versuchte Mike einen lauen Protest, aber da stand seine Partnerin schon halbnackt vor ihm und streckte ihm den runden Po entgegen. Nur das dünne T-Shirt hatte sie anbehalten. „Wir sollen das Haus observieren, nicht rummachen!“

„Papperlapapp! Wenn sich was tut, sehen wir auch dann, was sich tut, wenn wir mitten unterm Vögeln sind. Ich habe da jedenfalls einen herrlichen Blick auf die Eingangstür. Die kommt nicht ungesehen raus.“

„Und dann? Bis wir richtig angezogen sind, ist sie weg!“ Aber trotzdem ließ er seine Hose runter, massierte seinen ‚Polyphem‘ in Form und ließ ihn in ‚seine Höhle‘ einfahren. Nina seufzte glücklich.

„Oh, Mike, das habe ich sooo gebraucht!“ Das Teufelsweib kriegte doch immer, was sie wollte und Mike konnte solchen Versuchungen im Grunde nie widerstehen. Weil das Geländer ein wenig wackelig wirkte, stieß er nur behutsam zu, dafür aber immer die volle Länge, was Nina sehr genoss. „Mach gerade so weiter! Das ist ideal, erstens, weil wir so den Fick schön lang dehnen können, zweitens, weil es gesünder ist, nicht durch das Geländer zu brechen und drittens, weil wir nebenbei gut beobachten können.“

„Nebenbei!“, schnaubte Mike vorwurfsvoll. „Mann, du bist schon eine Nummer! Das ‚Nebenbei‘ ist doch der einzige Grund, warum wir hier sind!“

„Hab dich doch nicht so! Und wenn es dir nicht gefallen würde, hättest du keinen Ständer, der meinen Blinddarm kitzelt!“

Mike verkniff sich eine Bemerkung über die anatomische Lage des Blindarmes und fickte schön langsam und gemütlich weiter. Eigentlich, dachte er, eigentlich gar keine so schlechte Nachmittagsgestaltung.

Die fand aber eine überraschende Unterbrechung, denn plötzlich rollte der weiße Buckelvolvo vor die Einfahrt. Eine eindrucksvolle Blondine schraubte sich aus dem Fahrersitz und eilte auf die Eingangstür zu. Sie hantierte mit einem Schlüsselbund, rief etwas durch die geöffnete Tür, lauschte. Dann winkte sie und von der Beifahrerseite kam ein schwarzhaariger Mann, Typ Latin Lover lässig zu ihr geschlendert. Sie legte ihm den Arm um die Hüfte und schob ihn ins Innere der Villa. „Das ist ziemlich eindeutig die Frau Potze und ebenso eindeutig nicht Oberarzt Dr. Hubertus Potze“, murmelte Mike, während er Nina noch langsamer bediente.

„Gib ein bisschen Gas, Mike!“, forderte Nina und wackelte mit dem Arsch. „Ich bin sooo nah dran!“

Daraus wurde aber nichts, denn Frau Potze und ihr Lover erschienen auf der Dachterrasse Sie trugen nur Sonnenbrillen, eine Flasche Sekt und zwei Gläser. Offenbar hatten sie keine Ahnung, wie gut man vom Hochstand aus alles beobachten konnte. Oder es war ihnen egal. Womöglich geilte sie der Kitzel sogar noch zusätzlich auf, eventuell einen Spanner zu erfreuen. Der Triebstau schien gewaltig vorgearbeitet zu haben, denn Jacqueline kniete sich auf eine Gartenliege, streckte ihren Hintern in die Luft, klatschte sich mit einer Hand fordernd auf die Backe und schaute ungeduldig zurück. Ihr Liebhaber fackelte nicht lange, und weil er schon ein gut gehärtetes Glied vor sich hertrug, steckte er es auch ohne zu zögern in jenes Loch, das Gott vorsorglich für solche Fälle geschaffen hatte und fing wie eine Maschine an, die Frau zu rammeln.

Mike hatte währenddessen innegehalten, weil er vom Geschehen auf der Terrasse fasziniert war. Kaum hatte ihn Nina wieder in Gang gebracht, erfolgte die nächste Störung. Ein schwarzer BMW brauste durch die Einfahrt und hielt hinter dem Volvo. Ein Mann im Arztkittel stürzte heraus und stürmte zum Eingang. Noch war die Tür nicht offen, da brüllte er schon: „Jacqueline, Jacqueline, hast du mein …!“ Auf der Terrasse entstand Hektik, Jacqueline Potze trieb ihren Lover über die niedrige Mauer. Nackt kletterte er über ein Rankgerüst in den Garten und hockte sich abwartend hinter einen kugelförmig geschnittenen Buchsbaum. Gleich darauf erschien der aufgeregte Oberarzt. „Jacqueline, hast du mein …?“ Er stutzte, als er seine nackte Frau gewahrte, die dekorativ auf der Liege posierte und sich erotisch streichelte. Dr. Potze stutzte nur kurz, dann riss er sich den Arztkittel und sämtliche Kleider vom Leib, stürzte sich rasant auf seine Frau und küsste sie stürmisch. Bis zum Hochstand hörte man sie stöhnen.

„Ich wette, sie hatte Angst, dass er sie verprügelt, weil ihm irgendwer verraten hat, dass sie eine Affäre hat. Aber er scheint davon nichts zu wissen. Jetzt jubelt sie innerlich. Mal sehen, wie sie die Situation bewältigt“, meinte Mike.

„Sie wird es genießen, sag ich dir! Sieh dir nur seinen Schwanz an! Der ist ja noch größer als deiner! Ich würde es auch genießen! Steck jetzt deinen Schwanz wieder rein, Mike! Ich war sooo kurz davor!“

„Äääh …?“

„Was äääh, hm?“ Nina drehte sich um. „Du hast keinen Ständer mehr? Hast du etwa …? Nicht wirklich, oder?“ Sie sank auf die Knie und lutschte, saugte, nuckelte und leckte intensiv, aber Mike versagte. „Das gibt’s ja nicht! Dann schau halt der Potze auf die Fotze, vielleicht bringt dich das eher in Stimmung!“ Nina war eindeutig sauer. Das Ehepaar Potze hingegen war in bester Ficklaune und wieder bot sich dasselbe Bild, nur jetzt eben mit dem doch etwas älteren Hubertus Potze hinter dem prallen Hintern seiner ficklustigen Gattin, die bald in schrilles Geschrei ausbrach, was den leicht schmerbäuchigen Oberarzt enorm beflügelte. Sehr standfest war er aber nicht und nach wenigen Minuten ergoss er sich röhrend in seine Frau.

Als Potze wieder zu Atem kam, konnte er endlich seine Frage zu Ende stellen: „Sag, liebste Jacqueline, hast du irgendwo mein Handy gesehen?“, rief er, denn die ‚liebste Jacqueline‘ war bereits ins Haus gegangen, vermutlich, um zu duschen. „Ach was? Am Frühstückstisch? Danke! Ich komme abends später!“ Und weg war er, flitzte mit seinem BMW wohl zurück in die Klinik. Und der Liebhaber seiner Frau schlich sich wieder ins Haus.

„Wetten, er treibts dort mit einer Krankenschwester?“, ätzte Nina.

„Dann wird er wohl dort auch duschen. Möchte ich jetzt auch gern tun!“

„Komm, lass uns fahren. Du kriegst keinen mehr hoch und die Potze geht heute sicher nicht mehr aus dem Haus.“ Denn der Latin Lover protzte schon wieder mit seiner Erektion.

Am nächsten und übernächsten Tag versuchte ‚Gewaltverbrechen IV‘ weitere Freundinnen von Massimo Ardente zu identifizieren. Dabei stellte sich heraus, dass er Jacqueline Potze ausgerechnet im Club ‚Amour fou‘ kennengelernt hatte, jenem Club, den Ninas gute Freundin aus Modeltagen, Marlene, leitete. Wieder einmal machten sich alte Freundschaften bezahlt. Marlene ließ sich nicht lumpen und stellte Film- und Fotomaterial aus den letzten zwei Jahren zur Verfügung. Darauf entdeckten sie nicht nur Ardente und Jacqueline, sondern auch eine Menge Eroberungen des Italieners und einige – viel weniger – der Frau Potze, unter anderem auch den aktuellen Lover. Er hatte sich als Giorgio Torello beim Club angemeldet. Marlene bezweifelte, dass das sein wirklicher Name war, denn ‚Torello‘ bedeutet ‚junger Stier‘. Er war erst vor drei Monaten aufgetaucht und hatte sich für ein halbes Dutzend Frauen interessiert, ehe er sich auf Frau Potze konzentrierte. Oder sie sich auf ihn. Da war sich Marlene unsicher, denn auch Jacqueline war stark auf Aufriss aus, wenn sie den Club besuchte. Nina hatte aufmerksame Zuhörer, als sie das der Mannschaft berichtete.

„Die Dame hat es wohl mit Italienern, was?“

„Passt ja gut. Italienische Männer stehen oft auf gut gebaute Blondinen“, warf KHK Hajo Fussenegger ein und schielte dabei auf Nina, auf die diese Beschreibung sehr gut passte. Die tat so, als hätte sie das nicht gesehen. Mike grinste siegesgewiss, denn diese ‚gutgebaute Blondine‘ gehörte trotz seines Ausfalles auf dem Hochstand ihm, nicht, weil er Italiener gewesen wäre, sondern wegen seiner anderen Vorzüge. Die Ausmaße seines ‚Kleinen Mike‘ spielten dabei keine geringe Rolle, im wahrsten Sinn des Wortes.

Die Dienstbesprechung am nächsten Morgen unterbrach ein Anruf. Tom Schrötters Gesicht erstarrte und wurde lang und länger. „Wir haben noch eine kastrierte Leiche. Ein Brotausfahrer hat sie an einem Hang unter der Straße nach Neupendorf gefunden.“

„Was macht der denn am frühen Morgen unter der Straße?“, wollte Hajo Fussenegger wissen.

„Anscheinend hatte er eine Platten, hielt am Rand an, die Straße ist ja relativ schmal und begann mit dem Reifenwechsel. Da ist ihm das Reserverad über den Rand gerollt und er musste ihm nach. Dabei hat er die Leiche gefunden. Nackt und kastriert. Los, wir treffen uns am Tatort. Zwei Streifen sind schon vor Ort, Schlechter ist unterwegs und die Spusi auch.“

Am Fundort begrüßte sie Dr. Schlechter mit grimmigem Gesicht. „Alles wie bei dem Eismann: Kehle durchgeschnitten, entmannt und ein Stich in den Anus. Auch die Fesselspuren sind identisch.“

„Fesselspuren? Davon wissen wir ja gar nichts!“

„Ich wollte gerade anrufen und es euch sagen, als die neue Leiche dazwischenkam. Die winzigen Partikel auf der Haut deuten auf gepolsterte Hand- und Fußschellen hin, so Sex-Utilities, die die BDSMler verwenden, um jemand in Kreuzform ans Bett zu fixieren. Und Knebelspuren an der Mundschleimhaut. Daher konnte er nicht schreien, als er kastriert wurde. Also alles wie beim ersten Toten. Nur sind hier die Genitalien nicht aufzufinden.“

„Trophäe?“

„Ich nehme eher an, dass die ein Tier verschleppt hat. Der Mann ist seit mehr als vierundzwanzig Stunden tot.“

„Grauslich, grauslich!“

„Fuchs, du hast den Schwanz gestohlen, gib ihn wieder her, gib ihn wieder her! Sonst wird dich der Wummer holen mit dem Dienstgewe-e-ehr!“, trällerte Nina und verstummte, als sie die indignierten Blicke aller anderen Anwesenden bemerkte.

Mike hob das Tuch auf, unter dem der Leichnam lag und prallte zurück. „Da-da-das ist der neueste Lover der Frau Potze! Der kleine Stier!“, stammelte er.

„Dann holen wir uns jetzt den perversen Oberarzt!“ rief Hajo grimmig und Tom Schrötter telefonierte mit Kriminaldirektor Wummerbäck, der zusagte, Haftbefehl, Durchsuchungsanordnung und Verstärkung zu besorgen und zur Villa der Potzes zu schicken.

Die Aktion war äußerst erfolgreich. Oberarzt Dr. Hubertus Potze beteuerte seine Unschuld, ja fiel theatralisch aus allen Wolken, als er erfuhr, dass seine ‚liebste Jacqueline‘ regelmäßig wechselnde Affären gehabt hatte. Aber niemand glaubte seiner Show. Mike entdeckte im Wohnzimmer an der Wand einen scharf geschliffenen Champagnersäbel. Die Spurensicherung bestätigte abgewischte Blutspuren an der Klinge. Nina fand die Knebel- und Fesselungsausrüstung im Schlafzimmerschrank. Hajo schleppte aus der Waschküche im Keller einen frisch gewaschenen Overall herbei, doch mit Luminol wurden auch darauf Blutspuren nachgewiesen. Jetzt wurde es eng für Dr. Potze, doch er leugnete weiter hartnäckig, obwohl ihn die beiden Kriminalhauptkommissare hart in die Mangel nahmen.

Nina streifte durchs Haus und ließ sich ungern von den Spusi-Leuten verscheuchen, die in ihr nur einen Störfaktor sahen. So lümmelte sie sich im Wohnzimmer an die Wand, hörte unaufmerksam dem Verhör zu und betrachtete den Overall. Danach rannte sie fast in den Garten und rief ihre Freundin Marlene an. „Hallo, Marlene, ich bins schon wieder! Ja, du, du kennst doch eh alle Leute. Aber kennst du die Jacqueline Potze auch näher?“

„Ja, sicher, die kennt doch hier in der Szene jeder. Damals hieß sie noch Jay Ramsey und kam aus einem Kaff in Schottland zum Studieren. Ist jetzt schon fast zwanzig Jahre her …“

Als Nina wieder ins Wohnzimmer kam, waren alle drei, Tom, Hajo und der Tatverdächtige, reichlich erschöpft. So war Schrötter froh, dass ihn Nina zu sich winkte: „Ich glaube, dass er unschuldig ist, Tom! Schau dir doch den Overall an, der ist ihm mit seinem Bauch doch viel zu eng. Und zu kurz. Der gehört nicht ihm, sondern seiner Frau. Die wurde vor exakt fünfzehn Jahren in Rimini von drei bisher unbekannten Männern brutal vergewaltigt. Dabei verlor sie sozusagen den Verstand und blieb dann über zehn Jahre in der Psychiatrie. Angeblich hat sie am Anfang ständig abwechselnd gar nichts geredet und dann wieder geschrien, dass sie ihnen den Schwanz abschneiden wird, den Scheiß-Itakern. Nur wusste sie nicht, welchen. Später hat sie dieses Verlangen immer nur zum Jahrestag der Vergewaltigung geäußert, dann gar nicht mehr. Ihren Mann hat sie auch dort in der Psychiatrie kennengelernt. Nach ihrer Entlassung haben sie geheiratet. Man dachte wohl, wenn sie unter ärztlicher Obhut lebt, hat man sie auch unter Kontrolle.“

Tom war geschockt! Solch grauenvolle Taten hätte er einer Frau, noch dazu einer so schönen, niemals zugetraut.

Kommentare


Helios53
(AutorIn)
dabei seit: Aug '11
Kommentare: 404
Helios53
schrieb am 11.09.2019:
»Leider kam Fall Nr. 2 VOR Fall Nr. 1 (Soko XXL) zur Veröffentlichung. Aber man kommt so auch mit.

Und leider habe ich auch die Kurzversion aus dem Wettbewerb (romane-forum.de, 2018) eingereicht und nicht die ausgearbeitete Langversion. Diese wird nachgeliefert.

Dieser Text war Beitrag zu einem Wettbewerb mit verschärften Bedingungen:

Thema: "Zu eng"
Wortlimit: 4.400
Pflichtwörter, unverändert im Text unterzubringen:
Masern
Reifenwechsel
enteisend
Champagnersäbel«

bolle01
dabei seit: Mär '01
Kommentare: 316
bolle
schrieb am 13.09.2019:
»Ich hatte mich schon gefragt, wo der Krimi bleibt ;-)
Ob ich mit der Entscheidung, die Story unter -Sonstiges- einzustellen, konform gehe (;-)), entscheide ich, wenn der erste Teil veröffentlicht wird. Dann lese ich.
Was für ein Wettbewerb war das denn?«


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