Die Busfahrerin
von perdimado
Mir ist gerade nicht nach hartem Sex und doch kann ich meine Gedanken nicht bremsen.
Hier also etwas für die Gefühle.
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Die erste Begegnung
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„Nächster Halt: Am Nonnenbusch“, plärrte der Lautsprecher hinter mir, „hier endet ihre Fahrt, bitte alles aussteigen.“ Aussteigen konnte gerade keiner, denn ich saß alleine im Linienbus. Heute war so ein Tag, an dem kaum jemand einstieg. Diese Haltestelle hatte aber einen Vorteil, hier konnte ich endlich einmal Pause machen.
Da es draußen sehr schön war, schnappte ich meine Thermoskanne und setzte mich auf die Bank neben der Haltestelle. Die Tür vom Bus hatte ich offengelassen, damit sich der ganze Mief verflüchtigen konnte.
Gerade hatte ich meine Tasse gefüllt, da sah ich einen Radler ankommen, und als er auf meiner Höhe war, nickten wir uns gegenseitig zum Gruße zu. Dieses Begrüßen entgegenkommender Menschen war eine Höflichkeitsform, die ich schon als Kind beigebracht bekommen hatte. Jeder Mensch freut sich, wenn der Gegenüber ihm einen schönen Tag wünscht. So begrüßte ich auch jeden Fahrgast, der meinen Bus betrat. Die Ignoranz vieler Großstädter war nicht mein Ding, obwohl ich selber in so einer Umgebung aufgewachsen war und jetzt noch lebe.
Kaum war der Radler an meinem Bus vorbei, bremste er, drehte und kam direkt auf mich zu. „Machen sie gerade Pause?“, fragte er, als er bei mir war. Als ich nickte, reichte er mir eine Tüte vom örtlichen Bäcker und fragte: „Mögen sie dabei ein Teilchen essen?“ Verwundert sah ich ihn an, da erzählte er: „Ich war gerade bei meiner Freundin, äh, Exfreundin, und wollte mit ihr Kuchen essen.“ Kurz zögerte er und überlegte wohl, ob er mir das sagen sollte. „Na ja, stattdessen hat sie mit mir Schluss gemacht. Nun habe ich zwei Teilchen, und als ich sie sah, dachte ich mir, vielleicht wollen sie ja eins davon essen.“ Wieder zögerte er und wurde leicht rot. „Ich will sie jetzt hier nicht dumm anbaggern, oder mich bei ihnen ausweinen. Ich dachte nur, die schöne Frau würde sich in ihrer Pause über ein Stück Kuchen freuen und anschließend werden wir uns wohl nie wiedersehen.“
Obwohl es entgegen jede Vernunft sprach und in der Tüte ja sonst was sein könnte, griff ich danach und zog mir eine Quarkmohnschnecke raus. „Eine gute Wahl“, meinte der junge Mann, als er in die verbliebene Puddingschnecke biss. „Meine Ex mochte keinen Mohn, da war ich mir bisher immer meines Stückes sicher.“ „Äh sorry“, tat es mir jetzt leid, dass ich mir sein Stück genommen hatte. „Ne, schon gut, es ist nur ein Zeichen, das sie noch sympathischer macht.“
Als ich das letzte Stück in meinen Mund steckte, war meine Pause um. Während ich noch den Zucker von meinen Fingern leckte, verabschiedete ich mich dankend von ihm. „Ich habe zu danken, sie waren mir ein Lichtblick an diesem düsteren Tag“, erklärte er schnell, schwang sich auf sein Rad und war schon verschwunden, bevor ich die Bustür erreicht hatte.
Ein Lichtblick war er für mich auch, obwohl ich nichts von ihm wusste und ihn auch nie wiedersehen würde. Ich hakte ihn einfach als einen besonders liebenswerten Menschen ab, von denen wir viel zu wenig auf der Welt haben.
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Die zweite Begegnung
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Diese unerwartete Einladung zu einem einfachen Stück Kuchen hob meine Laune, so konnten weitere nörgelnde Fahrgäste diese nicht trüben. So unverbindlich diese Begegnung war, so nagte doch in mir das Interesse an diesem Mann. Apropos, obwohl ich den Mann hier immer als jungen Mann bezeichne, war er jetzt nicht oder nicht viel jünger wie ich, nur kannte ich seinen Namen nicht. Das war auch nicht wichtig, wir werden uns niemals wiedersehen, hatte er mir jedenfalls gesagt und anders hätte ich mich garantiert nicht auf ihn eingelassen. Viel zu viel Angst hätte ich vor einem möglichen Stalker.
Überhaupt, er hätte mir etwas in das Teilchen tun können, mich vergiften, oder mir ein Betäubungsmittel verabreichen können. Hm, unwahrscheinlich, ich hatte das Stückchen ausgesucht und in das Andere hat er zuerst gebissen. Gut, ein Risiko bestand, er brauchte ja nur das nicht vergiftete Stück essen, er wusste ja, welches Teil genießbar war. Kurz schallt ich mich einen Narren, ein unverbesserliches, leichtgläubiges Dummchen.
Wie dem auch sei, ich hatte einen wunderschönen Arbeitstag und auf meiner letzten Fahrt, strafte ich den jungen Mann einen Lügner. Jetzt nicht bewusst, das war eher ein Zufall und diese Begegnung hätte ich verhindern können, verhindern müssen, denn ich verhielt mich nicht korrekt.
Auf meiner letzten Tour, ich war gerade von der Nachbarstadt auf der Landstraße unterwegs, sah ich auf halber Strecke einen Fahrradfahrer sein Rad schieben. Sofort erkannte ich meinen Radler vom Nachmittag und überlegte nicht lange. Bis zum Stadtrand, also der nächsten Haltestelle, waren es noch über fünf Kilometer und es dämmerte bereits. Auf seiner Höhe blieb ich stehen und öffnete die Türen, obwohl andere Fahrgäste maulten. „Komm steig ein, ich nehme dich mit“, rief ich ihm zu, doch er schüttelte den Kopf. „Geht nicht, ich habe kein Geld dabei.“ „Steig ein, das mache ich schon“, sollte er auch mal etwas Lohn für seine Freundlichkeit bekommen. Er stieg hinten ein, blieb aber bei seinem Fahrrad, damit es nicht umfallen konnte.
Das Schicksal meinte es nicht gut mit meinem jungen Mann, denn an der nächsten Haltestelle standen zwei Kontrolleure. Einer von ihnen war ein ganz scharfer Hund und den Anderen kannte ich vom Betriebsrat. Schnell drückte ich den Fahrscheinautomaten und druckte den Schein aus, noch bevor der Wagen die Haltestelle wechselte. Der scharfe Hund stürzte sich sofort auf meinen jungen Mann und der Andere stieg vorne ein, wie üblich, damit keiner vorne entkommen kann. Schnell reichte ich ihm den Fahrschein und erklärte: „Der mit dem Fahrrad ist mein Freund, und da er keine Tasche hat, habe ich den Schein hier behalten.“
„Ein Freund oder dein Freund oder nur Mitleid“, fragte der nette Kontrolleur und die einzige Antwort durfte nur „mein Freund“ sein, sonst hätte man mir einen Strick daraus drehen können. Erst schaute er zum Fahrradfahrer, grinste mich darauf an und erklärte: „Schnuckeliges Kerlchen, gute Wahl.“
Darauf ging er zu seinem Kollegen, nahm ihm den Notizzettel weg und reichte ihm den Fahrschein, worauf dieser genau auf die Stempelzeit schaute. Muffelnd gab er den Schein an den jungen Mann weiter und kontrollierte andere Fahrgäste. Der nette Kollege redete aber auf den jungen Mann ein, dass ich dachte, er bekäme gerade eine Moralpredigt mit Androhung bösartiger Konsequenzen.
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Die Aussprache
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Als die beiden Kontrolleure den Bus verließen, klemmte der junge Mann sein Fahrrad fest und kam zu mir nach vorne. Auf den vordersten Sitz schräg hinter mir setzte er sich und fragte: „Kann das sein, dass sie mich gerade vor ihren Kollegen als ihren festen Partner vorgestellt haben?“ Zum Glück durfte ich mich nicht umsehen, sonst hätte er gesehen, wie rot ich angelaufen war. Voll auf den Verkehr konzentriert, wagte ich keinen Blick zur Seite, geschweige denn nach hinten.
„Du kannst mich übrigens duzen, ich bin die Aileen“, versuchte ich aus der Situation zu kommen. „Ich bin der Dominic“, antwortete mir der junge Mann, „aber das tut nichts zur Sache. Dein Kollege hat mir gedroht, wenn ich dir genauso weh tue, wie dein Letzter, könnte ich mich auf etwas gefasst machen, schließlich habe er ja inzwischen meine Adresse.“
„Ja wo musst du denn jetzt eigentlich hin“, wich ich seinem Vorwurf aus, „ich meine, wo soll ich dich mit deinem Fahrrad rauslassen?“ „Bergstraße, Bergstraße sieben“, ließ er sich sogar ablenken und ich nutzte die Gelegenheit: „Das passt gut, nach der Endstation muss ich den Bus zum Depot bringen und da komme ich an der Bergstraße vorbei.“
Dominic entspannte sich, jedenfalls sah ich im Spiegel, wie er sich zurücklehnte. „Du bist mir schon eine Nudel, jetzt wird wohl nichts mehr daraus, ein kleiner Pausensnack und man geht seines Weges.“ „Warum“, fragte ich scheinheilig, wobei mir ganz recht war, dass wir jetzt Zeit miteinander verbrachten. „Ganz einfach, dein Kollege hat jetzt meine Adresse und ich will nicht die nächsten Tage einen Schlägertrupp vor meiner Tür haben.“
Den Rest der Fahrt schwiegen wir, aber irgendwie fühlte es sich gut und richtig an, ihn in meiner Nähe zu haben. Wie abgesprochen hielt ich vor seiner Haustür, auf der Bergstraße sieben, an, weit ab von jeder Bushaltestelle. Als ich die Tür öffnete, schauten einige Passanten verwundert zu uns.
Bevor Dominic den Bus verließ, stellte ich ihm noch eine Frage:
„Und wenn ich gleich vor deiner Tür stehe?“
„D. Lange, erste Stock links, bis gleich, Mäuschen.“
©Perdimado2020
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PS: Ausgelöst wurden meine Gedanken, als ich an einem schönen Tag mit dem Fahrrad an der besagten Haltestelle vorbeifuhr und einen pausierenden Busfahrer sah. Auf der Tour hatte ich einen Platten und musste mein Rad nach Hause schieben. Auf dem langen Heimweg setzte auch noch Regen ein. Warum soll man sich da nicht etwas Schönes ausdenken und die beiden Teilchen hatte ich auch dabei. Was wäre, wenn ich bei dem Busfahrer geblieben wäre und mit ihm geteilt hätte.
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Pidder«
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Vor allem die Vorstellung das alle Menschen nett zueinander sind! Bis auf den einen Kontrolleur..
Danke.«
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