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Kommentare: 14 | Lesungen: 5162 | Bewertung: 9.06 | Kategorie: Lesbisch | veröffentlicht: 24.01.2011

Die Hochzeitsreise, Kapitel 4

von

© andreashava, 2009 – 2011

Alter Schwede, und damit meine ich nicht die beiden skandinavischen Mädels Maja und Elsa, sondern meine Ehefrau Anne und die Hängematte, die eben unser anregendes Liebesspiel auf schmerzhafte Art unterbrochen hatte …


Als wären der betörende Duft der meterhoch wuchernden Rosmarinbüsche inmitten dieses von mächtigen Pinien umgebenen Ferienhauses und das fast schon ohrenbetäubend laute Liebeskonzert der Zikaden nicht genug an Hochzeitsgeschenk gewesen, zeichneten sich in der Tür zum Balkon die sinnlichen, erregenden Körper der lasziv tänzelnden Maja und ihrer Freundin Elsa ab, beide mit nichts als kunstvoll gebundenen, rosa Schleifen bekleidet.


Ist es moralisch vertretbar, auf der Hochzeitreise eine andere zu begehren, selbst wenn alles in gegenseitigem, wenn auch unausgesprochenem Einverständnis geschieht?


Anne schien derartige Bedenken nicht zu haben … Und ja, Maja sah fantastisch aus, zum Anbeißen schön, und während ich noch leicht die schmerzende Stelle an meinem Hinterkopf massierte …

* * *

ECHTERNACHER SPRINGPROZESSION

Mir ging das alles viel zu schnell.


Auch Maja, deren kunstvoll gebundene Schleife ich gelöst und auf den Boden hatte gleiten lassen, zögerte beim endgültigen Öffnen meiner Jeans, schaute mir schüchtern, ja, fast verängstigt in die Augen. Ihr Lächeln wirkte alles andere als lüstern, eher verlegen.


Behutsam griff ich nach ihren Händen, umschloss sie mit meinen Fingern, führte sie vorsichtig zu meinem Mund, küsste zart ihre Fingerspitzen mit leicht geöffneten Lippen, spürte dabei ihr Zittern, ihre Unsicherheit.

Ein Fest sollte es werden, unsere erste gemeinsame Nacht.

Das laute Konzert der Zikaden betörte meine Sinne. Der sanfte, schmeichelnde Wind, der die Hitze des Tages allmählich verdrängte ...


Majas Hände lösten sich aus meinem Griff, glitten über meinen Hals, meine Schultern, verharrten, mit leicht kreisenden, massierenden Bewegungen auf meinen Brüsten.


„Es sollen doch sein ... euer Geshenk.“


Ich war hin und her gerissen. Meine Ohren gierten danach, dem intensiven, alles übertönenden Zirpen des Zikadenorchesters zu lauschen, meine Nase wollte all die neuen Düfte einsaugen, diesen einzigartigen, sinnlichen Duft des Südens ...


Maja hatte auch den zweiten Reißverschluss meiner Jeans geöffnet, strich mit gespreizten Fingern über meine Lenden, ihre Hände wanden sich unter den Saum meiner Hose, schoben den eng anliegenden Stoff mit rotierenden Bewegungen tief und tiefer. Gleichzeitig schmiegte sich Maja mit ihrem nackten Oberkörper eng an mich, ich fühlte ihre harten Knospen, die sich auf meinem leicht verschwitzten T-Shirt rieben, den weichen Busen, der meine Brüste massierte - lüstern, fordernd, geil.

Meine Güte, was war los mit mir?


Ich war wie gelähmt, unfähig, ihrem Drängen nachzugeben, dem lasziven Gurren, diesem höchst erregten Werben, Keuchen, Stöhnen, das mich noch vor einigen Minuten in Ekstase versetzt hätte.


Ich spürte das Beben in ihrer Brust, den heftigen Schlag ihres Herzens, den heißen, fast glühenden Atem auf meinem Hals, die Zunge, die sich, von wollüstigen Lauten begleitet. meinem Ohr näherte … „Nimm' mich, Andrea, nimm' mich, ich bin dein!“


Majas Zunge, die mich elektrisierte, mich taumeln ließ, diese geile, fordernde Zunge, die es darauf anlegte, den Knoten meiner Gedanken zu lösen, meine Lust zu wecken, höchste Lust, ekstatisch, hemmungslos …

Und dabei wirkte dieses Geschenk des Himmels gleichzeitig so verunsichert, ja, sie zitterte vor Angst – Angst, sich zu verlieren in ihrer Lust.


Sie war geil, fordernd, und doch gleichzeitig voller Scham, sich uns – im Grunde immer noch zwei Wildfremden – so splitternackt und aufreizend zu präsentieren. Das hatte ich vorhin bereits gespürt, doch jetzt hatte ich Gewissheit.


Ich wollte nicht, dass unser erstes Mal so verkrampft ablaufen würde, wehrte ihren Versuch, meine Hand in ihren Schritt zu führen sanft aber energisch ab, schloss sie in meine Arme, streichelte zärtlich, beruhigend über ihr Haar: „Maja, wir haben Zeit … viel Zeit.“

Sie bäumte sich nicht einmal auf, ließ sich stattdessen in meine Arme sinken - kuschelnd, Schutz suchend. Ich hatte befürchtet, dass sie meine Abfuhr verletzen oder zumindest beschämen würde. Das Gegenteil war der Fall, ihr Puls beruhigte sich allmählich, ein wohliges, zartes „Aaaah“ entfuhr ihrem Mund, als meine Hände, eher wärmend denn erregend, über ihren Rücken strichen.

Sie war mir immer noch fremd, und je mehr meine eigenen Gelüste unter unserem zärtlich-kindlichen Kuscheln abebbten, desto deutlicher erschien ihre innerliche Zerrissenheit vor meinem geistigen Auge. Das Bild einer schönen, sinnlichen Frau, die noch auf der Suche nach ihrer Mitte ist, die … mich erneut aus meinen Gedanken riss, indem sie sich aus der Umklammerung löste, mir schelmisch grinsend ins Gesicht trällerte: „Shade, Andrea, meiner Andrea mögen diese Art, es machen ihn ganz wild auf meine Körper ...“

Für den Bruchteil einer Sekunde hätte ich sie ohrfeigen können, ob dieser Aussage … und ihren verfluchten Kerl gleich mit. Und … mich selbst … sowieso!


Instinktiv hatte ich ihr vermeintlich laszives Werben richtig gedeutet, hätte mich ihr fast hingegeben, ihrer künstlichen, gespielten Lust. Wütend und enttäuscht stieß ich sie zurück, doch sie lächelte mich an, fast hündisch wirkte der Blick ihrer wasserblauen, tiefen Augen, gar nicht böse, eher verletzt, dabei Mitleid heischend, ängstlich. Die dicken Tränen, die über ihre Wangen kullerten, puh, die waren echt. Oder doch nicht? Tränen eines Chamäleons, als das Anne und ich Maja während der Fahrt durch die Alpen empfunden hatten? Krokodilstränen einer gespaltenen Persönlichkeit, die sich selbst am meisten im Wege stand? Deren Seele zutiefst verletzt wirkte, und gleichzeitig war sie unfähig, das zum Ausdruck zu bringen. Typische Symptome einer Depression, die am Ende noch ansteckend war, denn auch ich begann, mich in meinen Grübeleien zu verlieren. Außerdem brummte mein Schädel, der Absturz aus der Hängematte war offensichtlich doch heftiger ausgefallen, als ich es zunächst wahrgenommen hatte.

Was war mit Anne?


Nein, es ging um Maja!


Anne und ich hatten sie herausgefordert.


Die Liebe einer Frau zu empfangen, diese schöne Lust – die sie vielleicht gar nicht wollte, der sich zu entziehen, sie aber zu ängstlich war. Ich drückte ihren Kopf behutsam gegen meine Schulter. „Maja, pass' auf, du musst nichts tun, was du nicht möchtest. Die Idee mit den rosa Schleifen war schön, sehr schön. Verzeih' mir bitte, dass ich einen Moment so perplex war, aber lass' uns doch Zeit. Die Zeit zum Ankommen.“


„Was heißen perplex?“


„Keine Ahnung, was das auf schwedisch heißt. Perplex eben, ist doch auch kein deutsches Wort, unsicher, überrascht, nicht vorbereitet … Elsa weiß es ganz sicher ...“

Wo steckte die überhaupt?


Und wo war Anne?


Weder sah ich beide, noch hatte ich etwas von ihnen gehört.


Maja grinste mich verschmitzt an, während sie sich mit dem Handrücken die letzten Tränen von den Wangen rieb. Offenbar hatte sie meinen irritierten Blick richtig gedeutet. „Da hinten, da gerade, da sein deine Frau.“

Mir gefror fast das Blut in den Adern. Anne und Elsa standen, uns den Rücken zugekehrt, eng umschlungen an der Brüstung des Balkons und schauten in den klaren, von funkelnden Sternen übersäten Nachthimmel. Eigentlich ein wunderschöner, sinnlicher Anblick – Elsa splitternackt, Anne in Jeans und T-Shirt.


Das war aber noch nicht alles! Elsa bettete ihren Kopf auf Annes Schulter, die mit ihrer Linken Elsas Rücken mit kreisenden, kräftigen Bewegungen massierte. Irgendetwas hatte sie in der Hand, ich konnte es nicht genau erkennen, etwas rosafarbenes … na klar, die rosa Schleife.


Wie romantisch!

„Mir sein auch kalt“, wisperte Maja, die erneut versuchte, sich an mich zu kuscheln, doch ich stieß sie grob zurück, erschrak selbst über meine schroffe, unbeherrschte Art. Andrea, was bist du doch für eine dumme Ziege! Schäumst vor Eifersucht, weil deine Liebste mit einer – im Grunde immer noch fremden Frau – so zärtlich verträumt, so vertraut, ein paar Meter vor dir steht und den Sternenhimmel genießt.


Ich war mir fremd, ja, ich ekelte mich vor mir selbst, vor meinen niederträchtigen, besitzergreifenden Gefühlen.

Wie sehr hatte ich mich auf diesen Moment gefreut. Unseren ersten Abend in der Toskana. Wie sehr hatten wir beide in den letzten Monaten davon geträumt, uns gesehnt nach diesem romantischen Augenblick, der uns für all das entschädigen sollte, was wir in den drei Jahren unserer Ehe an Entbehrungen hatten hinnehmen müssen. Mein Gott, das war unsere Hochzeitsreise ... Unsere!

Ein bisschen Sex mit anderen, ja.


Ein bisschen Gruppensex … das auch. Sich den körperlichen Gelüsten hingeben, der Gier und Geilheit, die keine Grenzen kennt, aber dennoch ein Spaß ist, zärtliche und wilde Orgasmen ohne Anspruch auf mehr.


Oder doch?


Okay, damals, unsere ausschweifenden Orgien zu viert, zu sechst, zu acht – aber wir wussten doch, wo wir hingehören. Nein, wir hatten uns sogar gefunden, unsere Liebe war mit dem Ablegen jeglicher Hemmungen erst gewachsen, hatte sich in diesen unvergesslichen Mai-Tagen in Onkel Tons Hütte mehr und mehr gefestigt: Claudia und Lisa, Yasmina und Aishe – Anne und ich.

Wir beide hatten uns auf den ersten Blick unsterblich ineinander verliebt. Ihre Autopanne – für uns beide ein Geschenk des Himmels!


Wie oft haben wir später darüber gesprochen, dass wir beide vielleicht sogar der Schlüssel dafür waren, dass sich auch die beiden anderen Paare so klar und eindeutig als füreinander bestimmt finden konnten. Meistens einigten wir uns jedoch darauf, dass wir alle sechs Schlüssel waren, Universalschlüssel für das große Tor der Liebe.

Und meist endete unser kleiner Disput in einer wüsten, von heftiger, geiler Sehnsucht getriebenen Balgerei im Bett mit den schönsten Geschenken der Wollust, wobei die Erinnerung an die Orgien vergangener Tage unserer Fantasie zusätzliche Flügel voller Wonne und Sinnlichkeit verlieh, uns eintauchen ließ in ein unendlich tiefes, heißes Meer aus innigster Liebe und Leidenschaft.

Was hätte ich dafür gegeben, wenn jetzt im Moment unsere liebsten Freundinnen hier gewesen wären. Wir Sechs, die unzertrennliche, wilde, geile Mädchenbande.


Wir hatten zwar noch regelmäßigen und auch sehr herzlichen Kontakt, doch bei den jährlichen Himmelfahrtstreffen in Oostkapelle hatten wir stets gefehlt. Einmal, weil ich nicht konnte, zweimal wegen Anne und ihrem aufreibenden Beruf.


Anne. Ich wollte sie verwöhnen, sie auf Händen tragen, so, wie ein Mann seine Braut über die Schwelle des gemeinsamen Zuhauses trägt, um all das Böse, was unter den Balken in der Unterwelt lauert, von ihr fernzuhalten.


Doch jetzt …


Jetzt hatte ich Anne verloren. Unseren Abend, den wir uns noch vor wenigen Wochen in den schönsten, schillerndsten Farben des Regenbogens ausgemalt hatten, teilte sie mit einer anderen. Einer Fremden.


Ich konnte nicht einmal mehr über unsere kleine Sex-Panne von vorhin schmunzeln, sah nur die auf dem Boden in sich verknäuelten Taue der Hängematte, ein Sinnbild des Verlustes, eine Allegorie des durch ungezügelte Gier ausgelösten Versagens, das in stille Abkehr und letztlich in Vergessen mündet …

* * *

„He, Andrea, du hast 'se doch nicht mehr alle, bist wohl vollkommen übergeschnappt!“


Nein, das waren nicht meine wirren Gedanken, die mich innehalten ließen, meine zum letzten Kampf gespannten Muskeln lähmten … das war eine reale, menschliche Stimme, eine Frauenstimme, ein bisschen schrill, aber doch sehr klar, energisch. Fremd, wegen des barschen Inhalts, aber doch irgendwie vertraut.


„L … Lisa?“ - Ja, das war eindeutig Lisas Stimme, die mich von hinten derart schroff angeblafft hatte, dass ich für einen Moment gar nicht in der Lage war, den alles entscheidenden Sprung einer jagenden Löwin zum finalen Biss in Elsas Halsschlagader auszuführen.

„Habe ich dir nicht tausendmal gesagt, dass zur Liebe auch loslassen können gehört?! Waren wir uns da nicht einig? Was baust du da für einen Popanz auf, gestehst dir selbst zu, was du deiner Liebsten versagen willst!? Was bist du doch für eine bigotte Heuchlerin geworden! Ein besitzergreifendes, eifersüchtiges Monster, eine scheinheilige, elende ...“

„He, jetzt ist aber Schluss!!“


Empört über Lisas unverschämte Tiraden und gleichzeitig schwer getroffen, löste sich meine zum Äußersten gespannte körperliche und auch geistige Starre, wich blanker Wut, gesteigert in blinden Zorn. Wie konnte sie mir so in den Rücken fallen, ausgerechnet Lisa, meine beste Freundin!


Wie war sie überhaupt hierher gekommen?


Was gab ihr das Recht, auf meiner gekränkten Seele derart schamlos und brutal herum zu trampeln?


Ich würde ihr die Augen auskratzen.


Meiner besten Freundin, meiner Seelenverwandten.


Was wollte sie hier, was wollte sie von mir?


Aua, mein Kopf …


Sie musste doch spüren, dass ich etwas angeschlagen war!


Vorhin hatte ich sie noch herbei gewünscht, ja, aus selbstsüchtigen, nostalgischen Erinnerungen … nein, aus Freundschaft und tief empfundener Liebe, Sehnsucht nach unseren alten, unbefangenen Zeiten. Nach unbeschwerter, fröhlicher, frecher, frivoler Lust. Lust, die alle konventionellen Grenzen überschreitet, und doch die eine Grenze, die Grenze der Verantwortung, des füreinander Einstehens, des Respekts vor der Persönlichkeit der Anderen, auf nachgerade selbstverständliche Art achtet und liebt.


Aber, wie konnte es sein, dass ich mir im tiefsten Jammertal meiner Gefühle meine treueste Freundin herbeisehnte, und plötzlich war sie da?


1300 Kilometer räumlicher Distanz im Nullkommanichts überwunden?


Ihre Stimme, so klar und deutlich, so vertraut, und dann fiel ihr nichts Besseres ein, als mich aufs Übelste zu beschimpfen und zu beleidigen?

* * *

„Lisa, du Biest!“

„He, ich heiße immer noch Anne!“


„Und ich immer noch Elsa ...“


Wie vom Donner gerührt, zuckte ich zusammen. Drehte mich erschrocken um und blickte in zwei grinsende, aber auch etwas besorgte Gesichter.

„Ich … ich habe doch ganz deutlich ...“


„Oho“, fiel mir Anne ins Wort, „wenn du schon Stimmen hörst, dann wird es bedenklich, das kann leicht chronisch werden, wenn wir nichts dagegen unternehmen.“


„Oh, ja“, ergänzte Elsa, „meine Tante war sogar in Behandlung, weil sie ständig Stimmen hörte, die es gar nicht gab.“


„Lisa gibt’s ja wirklich“, erklärte ihr Anne, „sie ist eine unserer liebsten Freundinnen. Du musst wissen, dass ich des dem äußerst glücklichen Umstand einer zutiefst unglücklichen Autopanne zu verdanken habe, auf Andrea und ihre verruchte, keinerlei Tabus achtende Mädchengang getroffen zu sein ...“


„Wow, das klingt spannend, erzähl' mehr davon!“


Doch Anne wiegelte Elsas Neugier elegant ab: „Später mal, Süße, vielleicht später ...“

Ich zitterte am ganzen Körper, als mich Anne sanft und fürsorglich in ihre Arme schloss. „Mein Gott, Liebste, du bist ja fix und fertig. Was ist denn los mit dir?“


„Ich, ich weiß nicht ...“


„Komm' her.“ Zärtlich drückte sie meinen Kopf gegen ihren Hals, strich mit der anderen Hand behutsam durch mein Haar. „Ich glaube, du grübelst mal wieder zuviel.“

„Ich lasse euch mal ein Weilchen alleine und seh' nach, wo Maja steckt“, rief Elsa und warf uns zwei flüchtige Handküsse zu.

„Oh Gott … Maja!“


„Was ist mit ihr?“


„Ich glaube, ich habe sie vor den Kopf gestoßen.“


„Wie meinst du das?“


„Ich … ich habe sie weggeschubst, ich wollte nicht, ich konnte nicht ...“


„Waaas, du?! Nee, das glaub' ich nicht.“ Anne entließ mich aus ihrer Umarmung und schaute mich schelmisch blinzelnd von oben bis unten an.


Für ihre Späße hatte ich im Moment wirklich keinen Sinn: „Mir doch egal, was du glaubst, es ist aber so.“


„He, ich hab' doch nur Spaß gemacht.“ Anne fasste meinen Kopf und drückte einen zarten Kuss auf meine Stirn. „Du bist ja vollkommen überreizt, ich aber auch ein bisschen, wir sollten uns erst einmal von den Reisestrapazen erholen.“

„Maja ist mir trotz allem fremd“, ignorierte ich Annes Einwand, „du hättest mal ihre Augen sehen sollen, ihr hämisches ,Da hinten, da sein deine Frau!' ...“


„Ah. Daher weht der Wind!“ Anne atmete tief ein, und presste die verbrauchte Luft betont laut zwischen ihren nur leicht geöffneten Lippen wieder heraus. „Sag' bloß, du bist eifersüchtig?“


Ich nickte verlegen. „Ziemlich schlimm sogar ...“


„Das ist jetzt nicht dein Ernst. Du bist eifersüchtig auf Elsa? Ich fass' es nicht!“


„Dafür kannst du mich gerne verurteilen. Aber so zärtlich umschlungen, wie ihr da gestanden habt … Das war doch unser Moment … sollte er gewesen sein ...“


„Du bist wohl vollkommen übergeschnappt!“ Barsch stieß mich Anne zurück. „Glaubst du wirklich, dass ich uns das nehmen lassen würde? Dann enttäuschst du mich aber sehr!“ Wortlos wandte sie sich von mir ab und ging zurück zu der Brüstung des Balkons, dorthin, wo sie eben mit Elsa gestanden hatte. Sie stützte ihre Hände auf den breiten Eichenbalken, stierte gedankenverloren in die Nacht.

Was war ich doch für eine Idiotin.


Seit unserer Ankunft in der Casa Porta hatte ich nichts als Pannen produziert. War dabei über nichts unglücklicher als über mich selbst. Gefangen in meiner eigenen Erwartungshaltung. Alles hatte ich minutiös geplant, mir ausgemalt in den schönsten Farben der Sinnlichkeit, unfähig, mich aus dieser Starre zu lösen, die sogar in einen Anflug von Schizophrenie gemündet hatte. Mein Gott, Lisas Stimme! – Ich hatte sie tatsächlich gehört. So real, und sie hatte auch noch recht!

„Anne?“


„Was ist?“ Sie machte nicht einmal Anstalten, sich mir zuzuwenden.


„Anne, verzeih mir.“


„Nein.“


„Bitte! Ich bin, ich war vollkommen durchgedreht.“


Anne schwieg.


Minutenlang, es war zum Verzweifeln. Was hatte ich da bloß wieder angerichtet? Minuten, die mir wie Stunden vorkamen. Mein Herz raste, und selbst das allmählich abebbende Konzert der Zikaden erschien mir in dieser angespannten Situation wie schiere Lärmbelästigung. „Anne, so sag' doch was!“


„Nein!“


„Warum nicht?“


„Weil ich sprachlos bin. Ich kann's nicht fassen ...“


„He, du sagst ja doch was.“ Mir war gleich bewusst, dass dieser Versuch einer kleinen Spitzfindigkeit nicht geeignet war, eine extrem verzwickte Lage auf unseren gewohnt unbefangenen, fröhlichen und humorvollen Pfad zu lenken, wohl dosiert inszenierten Zickenkrieg, mit dem wir so manches Mal unser Umfeld narrten, um uns wenig später in kindlicher Freude umso näher zu sein.


Nein, diesmal funktionierte es nicht. Meine Eifersucht hatte unserem vertrauten Spiel einen tiefen Riss zugefügt.


„Anne. Liebste. So begreif' doch … es ist, weil … Maja ...“


„Was ist mit Maja?“


„Nun ...“


„Was jetzt?!“ Anne wurde energischer, löste ihre Hände von der Brüstung des Balkons, machte aber immer noch keine Anstalten, mir etwas Anderes als ihren abweisenden Rücken zu präsentieren.


„Maja … es war … ich wollte, nein, sie wollte … eigentlich wir beide … aber ...“


„Was denn, was wolltet ihr? Ficken?“


„Anne, bitte ...“


„Was denn? Natürlich wolltet ihr ficken, sie hat sich dich als Kerl vorgestellt, und du hast keinen hoch gekriegt! Ist doch so, oder?!“


„Anne, nein, so war es nicht ...“


„Natürlich war es so!“ Urplötzlich hatte sich Anne auf den Fersen gedreht und sandte mir einen schneidenden, eiskalten Blick zu, der mir fast das Blut in den Adern gefrieren ließ. „Schließe wenigstens deine Hose, wenn du so vor mir stehst.“ Ihre Stimme klang dabei schon wesentlich sanfter, eher belustigt. Kleine Lachfältchen legten sich um ihre Augen, als sie mit beiden Händen beherzt zum Bund meiner noch auf halb Acht hängenden Jeans griff, sie mit einem Ruck richtete und die Reißverschlüsse mit spitzen Fingern schloss. „Nicht, dass da noch was rausquillt!“

Wie peinlich.


War ich doch tatsächlich mit halb über die Backen gestreifter Hose hinter ihr hergelaufen, ohne mir dabei bewusst zu sein, wie lächerlich mein Aufzug wirken musste.

Doch Anne trieb ihr perfides Spiel weiter auf die Spitze, stieß mir ihre zu einer Zange geformte Linke fast brutal in den Schritt: „Hmmmm, Andrea, ich will dich … jetzt, sofort! Stoß deinen harten Schwanz in meine brodelnde Grotte, ja, jaaa, jaaaahaaa! Tiefer, fester! Fick' mich, du geiler Hengst, du gehörst mir, nur mir, jaaaaaah, du bist mein, gib’s mir, mach' mich fertig, lass' deine dicken Bulleneier gegen meine zuckenden, vor Geilheit triefenden Lippen klatschen … jaaaaaah …“


Ich versuchte verzweifelt, die vollkommen von Sinnen scheinende Anne von mir wegzustoßen. Abscheu und Ekel kochten in mir hoch, sie war mir absolut fremd, so weit weg, so vulgär, und nicht nur in ihrer brutal klingenden Stimme, ihrer befremdlichen Sprache. Am liebsten hätte ich mit blanken Fäusten auf sie eingeschlagen. Doch ich konnte nicht, war wie gelähmt, ihr harter, fester Griff wirkte wie ein Schraubstock, der sämtliche Muskeln erschlaffen ließ.


Ich wollte schreien. „Anne, hör' auf, bitte!!“, doch statt des um Hilfe rufenden Aufschreis brachte ich lediglich ein klägliches Wimmern zustande, das zwischen Zunge und Lippen unartikuliert gefangen blieb. Ein Albtraum! Schreien ohne Stimme …

Doch Anne ließ nicht locker, fixierte stattdessen mit ihrem eisigen, starren … ja, irrsinnigen Blick meine Augen, die nicht standhalten konnten und trotzdem, wie in Hypnose, musste ich die letzte, finale Unverfrorenheit ertragen, bis sie, in weiterhin gekünsteltem aber deutlich lasziver wirkendem Tonfall den Schraubstock ihrer Hand löste: „Ohh, da ist ja gar nichts, was mich glücklich machen könnte … Oh, wie schade ...“

Ihr Zynismus, ihr boshaftes Grinsen, ihr diabolisch funkelnder Blick gaben mir die Kraft des Widerstandes, die Kraft, mich aus ihrer Zange zu lösen und sie mit beiden Händen von mir wegzustoßen. Sie geriet ins Trudeln, Stolpern und – au weh, das hatte ich nicht gewollt – prallte mit dem Hinterkopf gegen den Querbalken des Balkongeländers. Zum Glück hatte sie sich noch mit beiden Armen abfangen können und damit den ungebremsten Schlag ihres Kopfes abgefedert.

„Anneee!!“


In Bruchteilen von Sekunden war all der Irrsinn der letzten Minuten nicht mehr wichtig, vergessen, vergeben … Nein! Nicht ganz, denn sie hatte mich zutiefst in meiner Seele verletzt, warum auch immer. Doch ich hatte mich zu einem Akt körperlicher Gewalt hinreißen lassen, von ihr provoziert, ja, sicher, aber … was hatte dieser Abend nur aus uns gemacht?


Das waren doch nicht mehr wir. Anne und ich. Deren Liebe, deren Zärtlichkeit füreinander, selbst in den schwierigsten Situationen und Lebenslagen … Trösten, Auffangen, sich fallen lassen können, geborgen sein und Geborgenheit gebend …

„Anne, komm'!“


Ohne Zögern griff sie meine Hand, ließ sich auf die Beine helfen … ein kurzer Blick … ja, ein Augenblick ohne den Schleier, der uns vor wenigen Minuten noch so meilenweit voneinander getrennt hatte, ein Blick, so vertraut, verwandt, voller Liebe …

Schluchzend fielen wir uns in die Arme.


Keine Worte.


Einfach nur Wärme.


Zwei zitternde Körper, deren heftig schlagender Puls sich Sekunde um Sekunde den vertrauten Strömen innigster Nähe unterordneten, dazu die ungehemmten Sturzbäche von Tränen, die sich aus eisigen Tropfen zu warmen, wohltuenden Schauern wandelten. Ihr Haar auf meinem Hals, ihre Hand … so zärtlich, beruhigend ... auf meinem Kopf.


Stundenlang hätte ich so verharren können … einfach nur Weinen bis zum Austrocknen, bis nichts mehr fließt, bis all das Schreckliche, das Wahnsinnige weggespült ist … Salz ätzt und scheuert wund, doch Salz reinigt auch, unter Schmerzen. Salz konserviert, Salz entzieht Wasser, salzige Tränen legen von Schlamm und Morast durchwirkte Seen trocken, nehmen den Strudeln ihre Gewalt …

„He, ihr beiden Turteltäubchen, das Abendessen ist fertig, oder, sollte ich besser Nachtmahl sagen?“ - Elsas fröhliche Stimme riss uns aus der zärtlichen und so nachdenklichen Umarmung, die für mich noch hundert Jahre hätte währen können … und für Anne offensichtlich auch. „Ein kleines Momentchen noch, wir kommen gleich“, rief sie Elsa zu.


„Ist okay, lasst euch überraschen“, entgegnete Elsa, und damit war sie auch schon wieder durch die Tür.

Ihre Stimme, fröhlich und unbefangen, hatte auch mich geweckt. „Oh, nein, bitte keine Überraschungen mehr“, flehte ich Anne an, die sich einen Schritt von mir löste, meine Hände fest drückte und mir einen liebevollen, aber auch sehr ernsten Blick schenkte: „Kannst du dich noch erinnern, was wir uns mal geschworen haben?“


Mit einer derartigen Frage hatte ich nicht gerechnet: „W... was meinst du? In guten wie in schlechten Zeiten?“


„Sorry, Andrea, vielleicht muss ich anders anfangen, ich meinte nicht unser Eheversprechen, ich meinte das Urvertrauen, das wir uns nicht einmal erkämpfen mussten, es war einfach da, ja, unsere Liebe auf den ersten Blick … wir haben gleich gespürt, dass wir beide etwas Besonderes sind ...“

Na klar, natürlich erinnerte ich mich daran, nicht zum ersten Mal an diesem Abend, aber die Bestätigung aus Annes Mund wischte all die Zweifel, all den Groll, diesen ganzen Ballast aberwitziger Gedanken und Ängste mit einem Federstrich davon. Befreiten mich aus diesen erdrückenden Ketten aus Zwang und Eifersucht, mit denen ich mich selbst beladen hatte.

Ja, wir waren frei. Frei in unserer Liebe, niemand hatte uns gezwungen, unsere Entscheidung füreinander kam aus tiefstem Herzen, freiwillig, aus Überzeugung und Liebe.

„Ich bin eine ganz schöne Idiotin.“


„Schön ja“, grinste Anne, „aber Idiotin nicht. Wir haben uns beide kindisch verhalten, und ich hoffe, dass du mir die Schwanzattacke verzeihst.“


„Ja. Aber ich habe überhaupt nicht verstanden, was das sollte ...“


„Echt nicht?“


„Nein.“


Anne lachte, nahm meinen Kopf zärtlich zwischen ihre Hände und drückte mir einen sanften Kuss auf die Lippen. „Das war sicherlich kein sonderlich origineller Versuch, Majas Vorstellung von Andrea, ihrem Freund, zu karikieren, sorry dafür.“


Ich verstand. „Nein, das war gewiss nicht originell, zumal es ja auch gar nicht passt, Maja ist nicht brutal, im Gegenteil ...“

„Ja, das stimmt. Elsa und ich haben uns eben lange über Maja unterhalten, die beiden waren beste Freundinnen von Kind an. Seit Maja diesen Andrea kennt, hat sie sich vollkommen verändert, ist verschlossen, sehr eigen und stur. Elsa hatte gehofft, dass sie während der Toskana-Reise wieder einen Zugang zu ihrer Freundin finden würde ...“


„... und dann treffen die beiden ausgerechnet auf zwei Lesben …“


„Oh ja, das hat es für Maja nicht einfacher gemacht ...“


„Eine lesbische Ader scheint sie aber auch zu haben?“ Ich erinnerte mich an die unbefangene und lustvolle Szene am Schweizer Wasserfall – mmh, alleine der Gedanke daran löste bei mir ein Kribbeln im Unterbauch aus. Und die Idee mit den rosa Schleifen – niemand hatte sie dazu gezwungen.


Anne ahnte meine Gedanken, die sie mit einem tiefen Seufzer quittierte: „Elsa sagt, und das ist wohl auch so, dass sich Majas Persönlichkeit, seitdem sie mit Andrea zusammen ist, Stück für Stück zurückentwickelt hat. Sie tut, was man ihr sagt, und darüber ist sie dann meist unglücklich, lässt sich zu solchen Kurzschlussreaktionen hinreißen, ...“


„Wie dieser Schamlippen-Operation ...“


„... genau! Weil sie noch keine 18 war, hat sie sich einem illegalen Kurpfuscher anvertraut, der prompt einige Nervenenden zerstört hat … irreversibel!“


„Ach du Schande!“ - Annähernd konnte ich mir vorstellen, was es für eine Frau bedeuten muss, das sensibelste und schönste Zentrum der Lust auch nur teilweise zu verlieren … nein, das wollte ich nicht zu Ende denken. „Was ich aber nicht verstehe: Warum hat Elsa als beste Freundin sie nicht davon abgehalten?“


„Elsa wusste nichts davon, sie hat es erst bei der Abreise aus Schweden erfahren … und seither zanken sich die beiden fast pausenlos.“

Für einen Moment war ich sprachlos. Und auch Anne schwieg.


Hand in Hand standen wir an der Balustrade und schauten in den Nachthimmel, der uns beiden erschien wie ein dunkelblaues Tuch aus weichem Samt, durchwirkt von ungezählten, goldenen Sternen. Ein Traum, genau so schön und erhaben, wie wir ihn uns vor unserer Hochzeitsreise in romantischen Bildern ausgemalt hatten, aber diese Bilder waren nichts gegen die Realität.


Doch unsere Gedanken kreisten um Maja, unser aller Sorgenkind. Irgendwie musste ihr zu helfen sein, ganz behutsam.

„Ist das nicht wunderschön?“


Das war Elsa, die sich unbemerkt genähert hatte und zart ihre Arme um uns schlang. „Worüber grübelt ihr beiden denn so, dass ihr sogar das Essen vergesst?“


„Ja, es ist traumhaft schön hier“, gab ihr Anne Recht, und wir alle drei mussten darüber lachen, dass wir von unserem neuen Zuhause auf Zeit noch gar nicht viel gesehen hatten.


„Ihr seid echt süß, ihr beiden“, sinnierte Elsa, „ich bin richtig glücklich, euch getroffen zu haben und bei euch sein zu dürfen.“


„Oh ja, ich bin auch glücklich, dass du da bist“, erwiderte ich ihr Kompliment, wobei mich Anne verschmitzt anblinzelte. Natürlich verstand ich sofort, worauf sie hinaus wollte, doch mein „Willkommensgruß“ an Elsa kam aus tiefem Herzen. All die Verstimmungen, die mich zuvor noch geplagt hatten, waren wie weggeblasen.

Stattdessen amüsierten wir uns über Elsas unmögliches Outfit. Sie trug nichts als ein fast knielanges, grob kariertes Holzfällerhemd, das lediglich vom Nabel an abwärts geknöpft war, jedoch wegen der Fülle des groben Baumwollstoffes ihre kleinen, festen Brüste vollständig verdeckte.


„He“, frotzelte Anne, „hast du Lucas Kleiderschrank geplündert?“


Elsa lachte. „Um Gottes Willen, wenn ich mich dem so zeigen würde, er würde mich erschießen. Nein, wir müssen morgen früh dringend waschen, Maja hat ebenfalls nichts Gescheites mehr und läuft genauso schlampig 'rum wie ich … aber, sagt mal, ist das denn schlimm? Ich meine, es ist bequem, und wir sind doch unter uns ...“

Als hätte es eines Beweises bedurft, löste sich Elsa aus unserer Dreierumarmung, trat ein paar Schritte zurück, riss die Rechte nach Art einer Flamencotänzerin in die Höhe, während die Linke unter den Stoff ihres Hemdes glitt, die rechte Brust fest umschloss. Zwei, drei, vier Mal schlug sie mit den nackten Fersen rhythmisch auf den Holzboden des Balkons, ehe sie beide Arme sinken ließ, die Finger weit spreizte, um uns, grazil auf den Zehenspitzen stehend, in atemberaubender Geschwindigkeit Pirouetten vorzuführen und dabei ihre Schultern so lange kreisen zu lassen, bis sich das Hemd selbstständig von ihrem Körper löste … noch eine Drehung im Sprung … „Olé!!“ Auf Knien glitt Elsa, das Hemd wie einen Schlitten mit den Händen führend, zu uns herüber, stieß dabei mit ihrem Gesicht unvermittelt gegen meine Scham, die – trotz Hose – ihren heißen, starken, der Anstrengung geschuldeten Atem derart intensiv aufnahm, dass die Funken der Lust wie ein sich entladender Blitz durch meinen Körper zuckten.

„Wow, Elsa! Genial!!“


„Wahnsinn!!“


„Super ...“


„Wo hast du so toll tanzen gelernt?“


Anne und ich kamen gar nicht mit Worten hinterher, um Elsas grandiose, spontane Tanzvorführung angemessen zu würdigen. Mir fiel das besonders schwer, denn ihre Stirn ruhte noch immer auf meinem Schambein, während ihr Keuchen, ihr heftiges, pulsierendes Ausatmen, meine sexuelle Sinnlichkeit zu Pirouetten ganz anderer Art trieb … ein, zwei Sekunden noch … dann …


Oh.


Unvermittelt richtete sich Elsa auf, schnappte ihr Holzfällerhemd und ließ es mit wenigen Handgriffen elegant auf ihren Körper gleiten. „Vom Eiskunstlauf“, beantwortete sie Annes Frage, „diese Art zu Tanzen habe ich beim Eiskunstlauf gelernt ...“


„Einfach großartig, genial“, stellte Anne anerkennend fest, während mir Elsa schelmisch zuzwinkerte: „Freut mich, dass es euch gefallen hat, vielleicht kann ich euch ja auch noch den einen oder anderen Tanzschritt beibringen ...“

Was für ein Luder!


Sie wusste ganz genau, was sie in mir angerichtet hatte, doch nach diesem Tanz galt ihr meine uneingeschränkte Bewunderung, auch wenn ich gerade zerfloss vor Lust.

„Wir sollten Maja nicht zu lange alleine lassen“, wechselte Elsa, als ob nichts gewesen wäre, das Thema, „am Ende trinkt sie den ganzen Wein noch alleine aus.“ „Ich“, fügte sie kichernd hinzu, „hab' ja auch schon ein Glas intus, weil ihr nicht gekommen seid ...“


„Ich wäre fast gekommen“, platzte es aus mir heraus, ohne dass ich in diesem Moment Frau meiner Sinne war, aber nun war es heraus, und dafür schämte ich mich in Grund und Boden. Doch, fast wie abgesprochen, klatschen Anne und Elsa gleichzeitig mit flacher Hand auf meinen Po. „Du wirst schon kommen, keine Frage ...“, prustete Anne, und Elsa ergänzte, nicht minder albern: „... denn noch ist nicht aller Tage ...“


Oh Gott. Hohe Dichtkunst in der Toskana. Das konnte ja heiter werden.

Doch zunächst verschlug es uns allen dreien die Sprache. Als Patriarch im Holzfällerhemd, wie von Elsa bereits angekündigt, thronte Maja am Kopf einer langen Tafel und war damit beschäftigt, kleine blaue Weintrauben akribisch mit Messer und Gabel zu filetieren. Sie nahm uns zunächst überhaupt nicht zur Kenntnis – die vor ihr stehende, leere Weinflasche zeigte, warum.


„Scheiße!“, zischte Elsa, und damit sprach sie auch mir und Anne aus der Seele. „Hej!“


Maja reagierte nicht, also versuchten wir es im Chor: „Hej!!!“


Ganz taub schien sie noch nicht zu sein, denn zumindest schenkte sie uns einen flüchtigen Blick, von dem ich allerdings das Gefühl hatte, dass er uns mit diesen glasigen Augen niemals erreichen würde.


„Maja verträgt überhaupt keinen Alkohol“, meinte Elsa, auf die das sich uns bietende Bild einer vollkommen Geistesabwesenden nicht minder erschütternd wirkte.

Dass gleichzeitig mein Gaumen angesichts der rustikal gedeckten Tafel verrückt spielte, darf niemand verwundern, denn da gab es mehrere Sorten von Hartkäse liebevoll auf einem Holzbrett drapiert, daneben ein großes Stück Schinken mit schmalem Fettrand, einige Scheiben bereits dünn geschnitten und dekorativ angerichtet, eine Schale mit Oliven unterschiedlicher Farbe und Größe … und dazu der Duft, des dampfenden, offenbar vor wenigen Minuten erst frisch aufgebackenen, italienischen Weißbrots …

„Hej!!!“


Zumindest entlockte der letzte Gruß Maja ein angestrengt wirkendes Lächeln, ehe sie mich mit starrem Blick fixierte: „An … drea … Jag älskar dig … av … hela mitt hjärta ...“

„Was heißt das?“


Während Elsa „Ich liebe dich von ganzem Herzen“ übersetzte, verlor die mit ihrem Stuhl schaukelnde Maja das Gleichgewicht, stürzte rücklings nach hinten, doch Anne war so geistesgegenwärtig und flink, dass sie die Stürzende gerade noch auffangen und davor bewahren konnte, mit dem Hinterkopf auf den harten Steinboden aufzuschlagen.

Was für ein schreckliches Omen, auch wenn es wiederum glimpflich ausgegangen war. Ich hatte beide an diesem Abend mehr oder minder heftig geschubst, zunächst Maja und dann Anne. Letztere hatte sich selbst vor Schlimmerem bewahren können, und jetzt hatte sie Maja gerettet.


Was hatte ich doch für eine fantastische Frau! - Völlig unverdient, denn mir wurde bewusst, dass ich der Schlüssel allen Übels dieses Abends war.


Pragmatismus ist nicht gerade meine Stärke, doch Annes beherztes „He, packt doch mal mit an, sie ist so schwer!“ bewahrte mich davor, erneut in selbstzweiflerischen Grübeleien zu versinken.


„Die ist total besoffen“, ächzte Elsa, während wir tatsächlich mit vereinten Kräften das Kunststück fertig brachten, Maja halbwegs aufzurichten und in der Vertikalen zu halten. Die deftige Backpfeife hätte ich ihr nicht gegeben, doch hatte Elsa dank ihrer antiquiert wirkenden Erziehungsmethode Majas Lebensgeister geweckt: „Mir sein shlecht ...“

Wie einen nassen Sack schleppten wir unsere Freundin zum Klo – gerade noch rechtzeitig – denn, was sich da in mehreren Schüben … ich musste selbst würgen, zum Glück hatte ich noch nichts gegessen … Anne und Elsa empfanden sicher ähnlich, Anne wandte sich sogar angewidert ab und hielt sich die Nase zu …


Ich will euch alle Einzelheiten dieses ekligen Intermezzos ersparen, nur noch so viel, dass wir die wieder ein bisschen zu Kräften gekommene Maja unter die Dusche stellten, feste abrubbelten und ins Bett verfrachteten, während wir drei – stumm und fassungslos – an der Tafel Platz nahmen.

Der Appetit war uns gründlich vergangen, ja, selbst der edle, mittelalte Peccorino hatte seinen Reiz verloren, denn er roch eher wie …

„Brot beruhigt den Magen“, brach Anne unser betretenes Schweigen.


Dass wir anschließend wie ein paar Karnickel geistesabwesend trockenes und wegen seiner Geschmacksneutralität vermutlich auch ungesäuertes Brot mümmelten, mag in die Annalen eingehen. Wir kauten sprödes Brot, während sich vor unseren hungrigen Augen Käse und Schinken im Wert von mindestens 50, 60 Euro darboten.


Ich kenne doch die Preise! Und die waren in dem kleinen Dorfgeschäft von Giuncarico wohl kaum niedriger als in einem gewöhnlichen italienischen Supermarkt. Vermutlich hatten Maja und Elsa sogar ihr gesamtes Urlaubsgeld für diese „Überraschung“ ausgegeben … und jetzt saßen wir da … und kauten trockenes Brot.

„Es tut mir leid“, meldete sich Elsa zu Wort, „dass es so enden musste. Es ist doch eure Hochzeitsreise, eure Hochzeitsnacht, es tut mir unendlich leid für euch ...“


„He“, fiel ihr Anne in Wort, „dir muss überhaupt nichts leid tun … aber du hast mich an eine grandiose Idee erinnert, die ich fast vergessen hätte. Wenn du Andrea und mich mal für ein paar Minuten entbehren


könntest …?“


Hm. Was sollte das jetzt schon wieder? Wo ich mich doch im Moment damit angefreundet hatte, dass die Menschheit nicht alleine vom Brot leben muss … der Schinken mundete vorzüglich, auch die Oliven schienen meinem Magen zu bekommen, und gerade war ich damit beschäftigt, das scharfe Messer an den Käse zu setzen …

„Los, komm' Liebste, bitte, ich hab' doch was gaaaanz Wichtiges vergessen ...“


Wenn Anne in diesem Tonfall quengelte, dann war es meist etwas sehr Wichtiges und auch Schönes, so dass ich das Käsemesser gerne an Elsa weiterreichte, die dafür ebenfalls Verwendung zu haben schien: „Lasst euch Zeit, ich bin gespannt.“

Anne aber zerrte mich stante pede in unser Schlafzimmer, das wir beide erst kurz nach unserer Ankunft zum ersten und bis dahin letzten Mal gesehen hatten, die Koffer lagen noch ungeöffnet auf dem großen, französischen Bett. Maja und Elsa hatten das Zimmer gleich nebenan gewählt, in dem zwei Einzelbetten standen.

„Los, Schatz, zieh' dich aus!“ Anne hatte es wohl besonders eilig, ignorierte meine fragenden Blicke und stand selbst schon splitternackt vor mir, während ich immer noch nicht begriff, was ihre plötzliche Hektik zu bedeuten hatte. „Na los, mach schon, Elsa soll nicht zu lange auf uns warten müssen ...“


„He, was hast du vor?“


„Frag' nicht, zieh dich aus.“ - Annes Grinsen und der Luftkuss, den sie mir zuwarf, ließ mich ihrer Aufforderung ohne weiteren Widerspruch nachkommen, wenn auch etwas umständlicher als sie es sonst von mir gewohnt war.


„Sollten wir nicht erst mal duschen?“


Anne hielt kurz inne, ehe sie den großen Koffer öffnete, schnüffelte an unser beider T-Shirts, um dann, mit der gleichen Überzeugung und Dominanz wie vorhin, festzustellen: „Nein, das geht noch … gerade so.“ Dabei musste sie selbst lachen, und endlich begriff auch ich den Grund ihrer hektischen, spontanen Aktion.

„Dass du daran gedacht hast …“


Es waren unsere Hochzeitskleider, die sie – wann auch immer – eingepackt hatte: ihr türkis-, mein goldfarbenes. Die pure Sünde, damals von unserer holländisch-kreolischen Freundin Trienetje entworfen. Wir alle sechs hatten diese speziell für uns gefertigte Kollektion zuletzt bei unserer Hochzeit getragen, Lisa in Kobaltblau, Yasmina dunkelgrün, Aishe zinnoberrot und Claudia in Silberglanz. Träume in Satin, ein Stoff, der tatsächlich keine Unterwäsche duldete.

Mir quollen fast die Augen über, als sich Anne posierend vor mir drehte, während ich, nackt auf der Bettkante sitzend, mein Kleid noch immer unentschlossen in den Armen hielt. Eine Flut schöner Bilder schoss durch meinen Kopf, und, während ich Anne mit lasziven Hüftschwüngen zum Schminktisch tänzeln sah, wuchs in mir die Kraft und Energie, die ich damals verspürt hatte … wie sehr hatte der oft anstrengende Alltag der letzten Jahre den Blick für das Wesentliche, das Schöne, in den Hintergrund gedrängt.


Annes Kleid saß perfekt wie damals: Bodenlang, an beiden Seiten bis zur Hüfte geschlitzt, vorne, von einem Neckholder gehalten, tief ausgeschnitten, am Rücken fast frei bis zur Poritze, darüber vier dünne Bänder, die dem hauchzarten Stoff zumindest ein Gefühl von Zusammenhalt gaben. Ich hätte sie anbeißen können, doch stattdessen strahlten mich ihre Augen, die sie gerade mit Kajal nachzog, aus dem Spiegel an. „He, willst du dich nicht auch endlich mal anziehen?“

Dass ich mich bisher geziert hatte, war nicht alleine meiner Faszination und Freude geschuldet, denn mir war aus gutem Grund ein bisschen mulmig. Wie sehr hätte ich mir in diesem Moment einen höheren Stretch-Anteil gewünscht … doch der feste, glänzende Satin war unerbittlich, und, nachdem ich das Teil endlich zurecht gezupft und gezogen hatte, kam ich mir vor wie eine goldene Wurst. Die Brüste quollen über, und das kleine Röllchen um meine Hüften wurde durch den Stoff noch zusätzlich betont. Wie einem so wenig Stoff doch den Atem rauben kann ...


„Anne, Liebste, das geht so nicht ...“

Es war mir unendlich peinlich, doch Anne lachte nur. „Das hab' ich mir schon gedacht“, stellte sie fest und kniff mir dabei beherzt in die Seite. „Da hilft nur strenge Diät und … hartes Tanztraining mit Elsa.“


Ich war zu allem bereit, aber „so kann ich keinen Meter gehen, das ist mir zu peinlich.“


„Schweigen ist Gold, Reden ist Silber“, sinnierte Anne, öffnete erneut den Koffer und zauberte – oh Wunder – Claudias Kleid hervor. „Eine Leihgabe unserer lieben Freundin …“

„Jetzt versteh' ich gar nichts mehr, du hattest mit Claudia Kontakt?“


„Oh ja, ich habe Lisa und sie in Maastricht besucht, als du neulich auf Dienstreise warst ...“


„Hm, das find' ich jetzt aber sehr seltsam. Warum hast du mir davon nichts erzählt?“ Ich war echt sauer, auch wenn ich mir in meinem goldenen Kleid immer noch vorkam, wie eine aus der Pelle platzende Wurst.

„Scheiße! Verdammt!!“ Jetzt wurde auch Anne wütend, und … beschämte mich ein weiteres Mal: „... Weil, verflucht! … Warum kannst du nicht einfach mal etwas auf sich beruhen lassen, ohne zu insistieren? … Ich habe ihnen von unserer Hochzeitsreise erzählt … und … vielleicht, ich weiß nicht … aber, vielleicht schaffen sie es, uns hier zu besuchen. Ich habe keine Ahnung, ob es klappt, aber wenn, dann sollte es für dich eine Überraschung sein!“

Ich war vollkommen fassungslos, ließ mich aufs Bett sinken, und – oh weh – dabei riss das unterste der drei Bänder meines Rückenteils. Das war mir in diesem Moment jedoch völlig egal: „Dann war das doch Lisa … heute Abend … die mit mir gesprochen hat?“


„Nein“, wiegelte Anne ab, „sie ist definitiv nicht hier, und wenn du tatsächlich ihre Stimme gehört hast, dann nur in deiner Vorstellung.“ „Vielleicht“, lachte sie, „war es dein schlechtes Gewissen, das dich in imaginärer Person unserer lieben Freundin zur Räson gebracht hat.“

Ich beschloss, wenn auch widerwillig, das Ganze einfach mal so stehen zu lassen. Wenn uns die beiden besuchen würden … meine Freude wäre grenzenlos. Missglückte Überraschung hin oder her. Da konnte es mich auch gar nicht mehr beunruhigen, dass mir Claudias silbernes Kleid passte, als sei es mir auf den Leib geschneidert.

Vielleicht sollte ich Elsa mein goldenes Kleid anbieten?


Ja, warum eigentlich nicht, Symbolkraft … nicht wichtig, sie würde sicherlich bezaubernd darin aussehen. Außerdem hatte ich vor, den Abend mit einem gepflegten Tänzchen zu beschließen, und da käme sich Elsa in ihrem groben Holzfällerhemd sicherlich deplatziert vor. Das aus der Naht gerissene Band würde sie sicher nicht stören …


Anne willigte gleich ein, auch wenn sie mein Vorschlag überraschte: „Dass du auf einmal so tolerant bist, wo es selbst mir ein bisschen komisch zumute ist, Elsa in deinem Hochzeitskleid zu sehen, aber warum nicht?“

Während auch ich notdürftig Wimpern, Lider und Lippen nachzog, hatte Anne fix das Band angenäht, leider fehlte uns goldenes Garn, doch der gelbe Faden würde nur bei ganz genauem Hinsehen auffallen.

Als wir stolz, Arm in Arm, die Treppe zum im Foyer des Hauses liegenden Speisesaals betraten, fehlte von Elsa jede Spur. Die Tafel präsentierte sich uns so, wie wir sie verlassen hatten, offenbar hatte unsere Freundin nicht den allergrößten Hunger gehabt. Selbst die großen Kerzen brannten noch und tauchten das einfache, rustikale Interieur in ein warmes, anheimelndes Licht.

„Wo ist Elsa?“


„Keine Ahnung, vielleicht ist sie schon zu Bett gegangen.“ Uns wurde erst jetzt bewusst, dass unser „eben mal verschwinden“ mehr als eine Stunde in Anspruch genommen hatte.


„Na ja, dann feiern wir unsere Hochzeit eben alleine“, schlug Anne vor, doch ehe wir uns mit dieser neuen Situation angefreundet hatten, trat Elsa aus ihrem Zimmer.


„Hej, da seid ihr ja … Wow!!“


Vor lauter Staunen blieb Elsas Mund weit offen stehen, und wir beide, fröhlich wie die Kinder, präsentierten in einer kleinen Vorführung aus Eleganz, Laszivität und Würde unsere, zugegeben, stofflich recht sparsam ausgestattete Garderobe.


„Das ist ein Traum“, fand Elsa ihre Sprache wieder, „so geile Fummel hab' ich ja noch nie gesehen, das ist der Wahnsinn ...“


„He“, protestierte Anne, „das sind keine Fummel, das ist edle Designerware, extra für uns gemacht ...“


„Das sind unsere Hochzeitskleider“, ergänzte ich stolz, wusste aber Annes breites Grinsen gleich richtig zu interpretieren: „Na ja, nicht komplett, aber das würde jetzt zu weit führen ...“


Elsa ignorierte den letzten Einwand. „Ich kann mich gar nicht satt sehen, an euch, das ist ja einfach himmlisch … und damit seid ihr tatsächlich vor dem Standesamt aufgetaucht? Die Dinger sind doch waffenscheinpflichtig!“


„Na, Slips hatten wir schon an“, erklärte ich unserer schwedischen Freundin, dass wir auch damals durchaus die Etikette zu achten gewusst hatten.

Ungeniert lupfte Elsa das Vorderteil meines bis zur Hüfte geschlitzten Kleides und strich mit ihrer Hand zart über meine Venus. „Mmh, da brauch' ich mich beim Ausatmen ja gar nicht mehr so sehr anstrengen ...“


Noch während ich überlegte, ihre Hand mit der meinen zu halten und mich ihrem Mund zu einem zärtlichen Kuss zu nähern, riss uns Anne unvermittelt aus dieser hochexplosiven Situation: „He, Elsa, wenn du magst, haben wir auch für dich noch solch ein Kleid.“

Elsa wirkte irritiert, und ich spürte, dass sie die Erkundigungen der freien Stellen meines Kleides durchaus fortsetzen wollte. „Wie? Was? Auch so ein Kleid?“

Diesmal hatte ich mich etwas schneller gefangen: „Du willst doch nicht im Holzfällerhemd auf unserem Hochzeitsball erscheinen?“


„Ich versteh' überhaupt nichts mehr ...“


„Dann aber gleich“, posaunte Anne, und schon hatten wir unsere verdutzte Freundin eingehakt und die Ahnungslose unter Kichern in unser Schlafzimmer bugsiert.


Da lag mein goldenes Kleid noch ausgebreitet auf dem Bett, Elsa begriff sofort, als sie in unsere erwartungsfroh strahlenden Gesichter blickte. „Wie? - Das ist für mich?“


„Ja, für dich.“


„Leihweise“, ergänzte Anne, „bis Andrea wieder reinpasst.“

Hm. Das zu sagen, war jetzt gar nicht nötig gewesen, allerdings hatte mich nach der missglückten Anprobe tatsächlich der Ehrgeiz gepackt, die paar Pfündchen so schnell wie möglich wieder loszuwerden.

Während wir der zunehmend begeisterten Elsa dabei halfen, in das nicht ganz einfach überzustreifende, reißverschlusslose Kleid zu steigen, erklärte ich ihr die Farbenlehre der sechs Hochzeitskleider, was Elsa aber im Moment wenig interessierte, so verliebt war sie in ihr neues, wie für sie gemachtes Outfit, dass sie unter lautem Juchzen ihre Pirouetten drehte, derart schwindelerregend rasant, dass die Schöße wie Propeller durch die Luft wirbelten und dabei ihren süßen Po und das fein rasierte Schneckchen im Wechsel vor unseren Augen vorbeihuschen ließen.

Einfach bezaubernd.


Anne und ich konnten nicht anders, als dieser erneuten Tanzvorführung laut applaudierend Respekt zu zollen.


„Wow, Elsa, du hättest Primaballerina werden sollen ...“


„Dafür ist mein Knochenbau nicht geeignet, es hat auch schon fürs Eiskunstlaufen nicht gereicht, zumindest nicht als Leistungssport“, gestand Elsa freimütig ein, wobei wir, beide Laien, natürlich keinen Grund sahen, warum ihr schöner, durchtrainierter und dabei doch sehr fraulicher Körper nicht geeignet sein sollte. Auf mich wirkte ihr Tanz nicht nur ungeheuer erotisch, sondern vor allem auch sehr ästhetisch.


„Es ist eben so“, wiegelte Elsa weitere Nachfragen ab, „das Tanzen macht mir dennoch unglaublich viel Spaß, es ist ein liebes Hobby, mehr nicht.“

Oh ja, Tanzen, das wollten wir alle drei trotz der bereits fortgeschrittenen Nacht, aber ein bisschen gemütlicher durfte es meiner Vorstellung nach schon zugehen …

Auf dem Weg zurück ins Foyer schlichen wir auf Zehenspitzen in Majas Zimmer, die im Schlaf unartikulierte Laute von sich gab und zwischendrin immer wieder schnarchte wie eine Holzfällerkolonne. Elsas Bitte, später bei uns schlafen zu wollen, verstanden wir nur zu gut – nicht nur wegen des Schnarchens.

Dass dieses Haus über eine Musikanlage verfügte, hatten wir bereits bei unserer Ankunft entdeckt, doch bei Durchsicht der wenigen CDs machte sich in uns ein Gefühl der Ernüchterung breit. Offenbar beherbergte die Casa Porta für gewöhnlich dem Seniorenheim entsprungene Gäste, denn die Auswahl an Musik hätte selbst unsere Mütter nicht mehr hinter dem Ofen hervor gelockt.


Zugegeben, es musste wohl ein überwiegend deutsches Publikum sein, aber auf „Goldene Trompeten der Volksmusik“ waren wir ebenso wenig erpicht, wie auf „Rudolf Schock singt Schubert-Lieder“, und mit dem Tölzer Knabenchor mochten wir in diesem Moment unsere Lust aufs Tanzen auch nicht teilen.


Eine von uns musste also zum Auto, um ein paar CDs zu holen, aber so richtig begeistert waren wir von der Vorstellung, 200 Meter über den unbeleuchteten Kiesweg zu stapfen, alle drei nicht.


Während unsere Gesichter lang und länger wurden, entdeckte Elsa, ganz unten im Stapel, „Der Walzerkönig“.


„He, das geht doch, oder was meint ihr?“


Na ja, Annes und meine Begeisterung hielt sich in Grenzen.


Andererseits: Ein langsamer Wiener Walzer kam meinem Bedürfnis schon entgegen, und schließlich war auch Anne überzeugt, „dass Walzer gut zur festlichen Stimmung passt“.


„Es muss ja nicht diese formvollendete Distanz mit Führen und geführt Werden sein“, grinste Elsa und traf damit meine Hintergedanken auf den Punkt. „Oh ja, lasst uns den Walzer neu erfinden.“

Es bedurfte keiner besonderen Übung, bis wir – die Arme über unseren Schultern ineinander verschlungen – auf Anhieb den wiegenden, sich im Dreivierteltakt drehenden Gleichklang unserer Bewegungen fanden. „Mmh, ihr seid ja richtig gut“, säuselte Elsa, und ja, es ging auch noch enger, ohne uns dabei gegenseitig auf die Füße zu treten.


Ich genoss die warmen Ströme, die unsere Beine, unsere Hüften, unsere Brüste aussandten und begierig aufnahmen, den heißen Atem, der sich vor unseren Gesichtern staute und die Wangen glühen ließ. Elsas Mund fand mein Kinn, bedeckte es mit zärtlichen, kleinen Küssen, suchte den Weg zu meinem Hals, elektrisierte mich mit spitzen Küssen bis in die Zehenspitzen, während Anne mit ihrer Nase wuselnd bis zu Elsas Ohr vorgedrungen war.


Elsa geriet zunehmend zwischen uns, rieb meine Brüste mit ihrem sich kreisend bewegenden Rücken, versank mit ihrer Zunge tief in Annes Mund, lüstern spielten die beiden Zungen miteinander, doch noch immer hielten wir den Takt, was jedoch mit steigender Erregung zunehmend schwieriger wurde.


Elsas Po rieb sich fordernd in meinen nach heißen Liebkosungen schreienden Schoß, während ich ihre nackten Schultern mit zahlreichen feuchten Küssen verwöhnte und nacheinander die Schleifen von Elsas und Annes Neckholder löste.

War es meine Gier, meine eigene Lust, die mein Becken so fest gegen Elsas geilen, straffen Hintern presste, dass darüber meine Beine aus dem Takt gerieten und das Gleichgewicht verloren, oder war es das Aufstöhnen meiner beiden Geliebten, denen ich mit einem energischen Ruck den engen, direkten Hautkontakt ihrer nun intim miteinander schmusenden Brüste ermöglicht hatte? … Es war nicht mehr wichtig, wer ist schon Johann Strauß … irgendwie verloren wir alle drei das Gleichgewicht, gerieten ins Taumeln, Schlingern, Stolpern ... hatten uns dabei aber noch so weit unter Kontrolle, dass wir unseren unvermeidbaren Sturz sanft auf der nur drei Meter von unserer Tanzfläche entfernt neben dem Kaminofen stehenden, ledernen Couch abfedern konnten.


Unserer Gier vermochte dieses kleine Missgeschick nichts anzuhaben, im Gegenteil: im Gleichklang lösten wir uns aus der noch in Fragmenten erhaltenen Dreierumarmung, streiften hastig unsere Kleider ab … diesmal war ich die Schnellste … ließ mich rücklings der Länge nach auf die Couch fallen … brr, ein bisschen kalt das Leder … doch da war der leichte Schauder schon durch die heißen Ströme Elsas verdrängt, die sich wie ein Aal mit ihren Hüften zwischen meine Schenkel schlängelte, die ich auch ohne diesen sanften Druck begierig gespreizt hätte …


Mit den elektrisierenden Fingern einer Flamencotänzerin strich sie über meine Flanken, glitt mit ihrer feuchten Zunge über meinen Hals, mein Kinn, presste ihre Brüste gegen meine, drängte mit einem ihrer Schenkel gegen meine pulsierende Scham, gegen die nassen, heißen Lippen, wobei der Druck noch um ein Vielfaches verstärkt wurde, als sich Anne mit einem lauten „Uaaahhh“ einfach auf uns fallen ließ … Ich hatte Mühe zu atmen, mir blieb kurzzeitig tatsächlich die Luft weg, aber wozu atmen in diesem Strudel sich ineinander verschlingender, hitziger Körper, Haut auf Haut, in diesem Meer zuckender Blitze, diesem Ozean aus Wollust, der Gier triefender Mösen, den in diesem wirren Karussell miteinander ringenden Leibern, sich saugenden, schleckenden Mündern und gleichzeitig hart penetrierenden Fingern … wild und hemmungslos, so zart und im nächsten Moment ohne Rücksicht, ungestüm vor lauter Geilheit, egal, ob ein Knie unvermittelt einen Kinnhaken gab … der Saft der Liebenden, der feuchte Glanz des vertikalen Lächelns, eintauchen, harte Perlen auf dem Nasenrücken, süße Ströme der Lust auf der immer neue Schübe süßen Nektars fordernden Zunge ... ein Fest ungehemmter Wollust … und doch … Dreivierteltakt harmonierender Sinnlichkeit.

Der Walzerkönig hatte längst seine letzten Geigen aufgeboten, als wir alle drei einträchtig, Arm in Arm, nebeneinander auf der Couch sitzend, kichernd das monumentale Kunstwerk kommentierten, das sich unweit unserer Füße auf dem terrakottafarbenen Steinboden bot: eine im Schein der Kerzen glitzernde und funkelnde Komposition in Türkis, Gold und Silber.


„Fast schwedisch“, stellte Elsa augenzwinkernd fest, „Türkis und Gold sind ja fast wie Blau und Gelb.“


„Aber auch nur fast“, grinste Anne, „denn Reden ist Silber ...“


Ich konnte den philosophischen Farbinterpretationen meiner Geliebten im Moment wenig abgewinnen, war aber ebenfalls zu erschöpft, um unseren vom Saft der Lust bis in die Haarspitzen glänzenden Körpern weitere Höhepunkte zu entlocken. „Vielleicht sollten wir alle unter die Dusche?“


„He, wie unromantisch“, fiel mir Anne ins Wort, und auch Elsa, die uns beide nacheinander einen letzten, heißen, sinnlichen Kuss gab, meinte: „Nein, so möchte ich mit euch einschlafen, so, wie wir sind, einfach nur so … im Himmel … mit euch ...“

Sechs weiche Knie, zusätzlich beschwert von vier gegeneinander stoßenden Hüftknochen und von einander umschlingenden Armen auch nicht gerade entlastet, meisterten die Treppe zu unserem Schlafzimmer nach Art der Echternacher Springprozession: zwei Schritte vor, einen zurück …

Die Sonne des Südens sandte längst ihre ersten, wärmenden Strahlen durch die Spalten der Schlagläden, als ich immer noch wach lag. Betört von den rauschhaften Klängen des Flügelschlags der Zikaden und dem polyphonen Konzert ungezählter Singvögel, genoss ich, dass Anne und Elsa meine ausgebreiteten Hände als Ruhekissen ihres sanften, friedlichen Schlafes auserwählt hatten, während ihre zart an meinen Hüften kuschelnden Pos das Verlangen unterdrückten, mich ebenfalls auf die Seite zu drehen und dem neuen, längst angebrochenen Tag entgegen zu träumen.

Ich träumte mit offenen Augen, fühlte die meinen Körper durchströmende Wärme der gleichmäßig im Schlaf atmenden Liebsten, genoss den virtuosen Gesang eines wohl besonders liebestollen Amselmännchens, atmete den durch die Schlagläden wehenden, frischen Duft von Rosmarin, welcher der noch immer in meiner Nase haftenden, süßen Note meiner beiden Geliebten ein wunderbar kräftiges, erotisierendes Aroma verlieh.

Ich konnte nicht anders, zog behutsam meine Hände unter den Köpfen hervor, ließ die Finger mit sanftem Druck über meine Brüste, meinen Bauch, tief in den Schoß gleiten … einfach nur geil … Zeige- und Ringfinger auf der Haut … nein, zu trocken … die gierige Hand schnellte zurück zu meinem Mund … der Fluss der Wollust tränkte die Finger … zurück … der vom Speichel benetzte Mittelfinger schlug wie ein Hammer auf die aus ihrer Höhle lugende, neugierige Perle … traf sie wie ein Blitz, ein Stromstoß ... das Schlagen einer berstenden Tür … zwei Finger … die sich, in Erwartung der herannahenden Flut dem ewigen Spiel der Gezeiten ergeben, hastig über die, wie ein grober Kiesweg wirkenden, feinen Haarstoppeln schlurften, um Schutz in der behaglichen Wärme einer wohltemperierten Grotte zu finden, um, gerade angekommen ... frech, gierig und dreist … genau den Schalter zu treffen, dessen Lichtbogen den entscheidenden, letzten Impuls für eine urgewaltige Explosion zu geben imstande ist.


Kein Zweifel, ich war verrückt geworden. Ignorierte den Umstand, dass mein heftiges Kommen von reichlich merkwürdigen, akustischen Signalen begleitet wurde – knirschendem Kies, aufheulenden Motoren und quietschenden Reifen. Okay, mein Sturz aus der Hängematte war ja auch nicht ohne … ich akzeptierte die mit der nächsten Welle meines Glücks einhergehenden, abstrusen Bilder und Geräusche, zwirbelte meine Klit mit feuchten Fingern … erreichte die nächst höhere Ebene der Lust … gierig, laut … ehe ich, ein bisschen erschrocken über meine ungezügelte Wollust, das fröhliche Pfeifen der Amseln und das gleichförmige, fordernde Zirpen der Zikaden als einen letzten, sanften, diskreten Hinweis empfand, dass selbst meine Lust ihre Grenzen, die Grenzen des wunderbaren Gefühls der sinnlichen Erschöpfung zu erreichen imstande war.

Es dauerte eine ganze Weile, bis ich realisierte, dass Anne und Elsa von dem Erdbeben in ihrer Mitte nichts mitbekommen hatten, nach wie vor tief und sanft schlummerten.


Gott sei Dank!


Etwas verschämt ob meiner kuriosen aber dennoch wunderbar intensiven Masturbationsorgie drehte auch ich mich auf die Seite, kuschelte meinen immer noch nassen aber ein wenig müden Schoß in Annes warmen Po, die das mit einem wohligen Seufzer goutierte, ohne dabei aufzuwachen.


Ich weiß nicht, ob es einen schöneren Moment zum Einschlafen gibt: Aus einem so fantastisch realen Traum direkt in den nächsten zu sinken, begleitet von einem wunderbaren Konzert der Natur, friedlich eintauchen in eine Welt von Glück und Entspannung.

* * *

Lautes Geschrei und Gezeter rissen mich brutal aus dem sanften Schlaf.

„Dieses Drecksweib!“


„Dieses Arschloch von Andrea!!“

„Waaas?!“ - Nein, das musste ein Albtraum sein, mit dem ich nichts zu tun hatte, nichts zu tun haben wollte. Mein Herz schlug bis zum Hals, ich drehte mich auf die andere Seite, zog dabei das Kissen über den Kopf. Nein, solche Albträume hatte ich nicht verdient, wobei es mir – immer noch im Halbschlaf – merkwürdig vorkam, dass ich das Kissen so ohne weiteres greifen konnte, und dass weder Anne noch Elsa neben mir lagen.


Doch die standen, immer noch splitternackt, vor unserem Bett und wirkten – auf den ersten verschlafenen Blick – alles andere als glücklich.


„Andrea, wach auf!“


„Nein!“


Noch einmal mochte ich mich nicht in Situationen verlieren, Stimmen zu hören, die es gar nicht gibt. „Hau' ab, Lisa! Ich habe deine Lektion begriffen, aber jetzt lass' mich endlich schlafen!“ Doch das vollständig über meinen Kopf gezogene Laken ließ mir keine Ruhe vor den – vermutlich – im Unterbewusstsein omnipräsenten Plagegeistern meiner abendlichen Eifersuchtsattacke.

„He, Andrea, es ist ernst!“


Das war eindeutig Anne, und ihre Stimme klang … verzweifelt.


Noch ehe ich weiter darüber nachdenken konnte, welch schizophrener Anfall mir gerade wieder zuteil wurde, hatte Elsa das Laken mit einem heftigen Ruck weggezogen. „Wach auf, Andrea, Maja ist mit eurem Auto abgehauen!“

Also doch. Nichts Ernstes. „Das weiß ich doch.“ Auch wenn ich jetzt splitternackt und mit gespreizten Beinen vor den beiden lag, so fühlte ich dennoch nicht das geringste Quäntchen von Peinlichkeit, erinnerte mich vielmehr an die etwas abstrusen aber doch so geilen Begleitumstände meiner Orgasmen, weigerte mich, aus diesem wunderbaren Traum aufzuwachen. Dass ich vergeblich versuchte, das Laken zurückzuerobern, Elsas energische Hand ließ diesen Versuch jedoch im Ansatz scheitern, es traf mich, wie ein Blitz aus heiterem Himmel, und dann war ich plötzlich, ungewollt, doch hellwach. „Was ist mit unserem Auto?“

„Maja ist damit abgehauen“, wiederholte Elsa ihre Aussage von vorhin, „sie ist Hals über Kopf zu diesem Arschloch ...“


„... und hat uns einen Brief hinterlassen“, ergänzte Anne, deren Verzweiflung mir erst jetzt so richtig bewusst wurde. „Sie hat unser Auto geklaut, weil dieser Arsch von Andrea sie sofort sehen wollte!“

So ganz verstand ich immer noch nicht. „Sie hat doch geschlafen, ihren Rausch ...“


„... von wegen Rausch“, unterbrach mich Elsa, „sie war längst wach als wir … aber hier, lies selbst!“

Fassungslos, und immer noch mit vom Schlaf verklebten Augen, las ich Majas Notiz, nein, ich konnte sie nicht lesen, Elsa übersetzte mit Tränen erstickter Stimme aus dem Schwedischen: „Hej, ihr habt ja euer Vergnügen, aber ich habe Sehnsucht. Entschuldigt bitte, dass ich euer Vertrauen so missbrauche, aber, nachdem ich euch da unten tanzen sah, wusste ich, wo ich hingehöre. Verzeiht, dass ich euer Auto genommen habe, es ist nicht gestohlen, ich werde es in Florenz an der Piazza Novella abstellen, der Schlüssel ist dann im Handschuhfach. Verzeiht mir, ich liebe euch,


Eure Maja …“

„Genial!“ - Ich wusste, dass ich mit dieser Bemerkung wenig Verständnis bei meinen beiden Freundinnen ernten würde, aber ich war inzwischen halbwegs wach, ja, mir war schlagartig bewusst, dass zumindest ein Teil meiner träumerisch intensiv erlebten Lust ganz realen Begleitumständen geschuldet war. Das Knirschen, Aufheulen, Quietschen … das hatte es tatsächlich gegeben, nicht alleine in meiner Fantasie … „Und, habt ihr schon die Bullen angerufen?“ - Irgendwie konnte ich der Situation nicht die gebotene Dramatik abgewinnen. Im Gegenteil: drei, vier, fünf Mal … ich weiß es nicht, ich spürte lediglich, dass mich Anne und Elsa entgeistert anstarrten.


Ja, ich war vielleicht verrückt, denn just in diesem, höchst angespannten Moment, spürte ich Majas Zunge … von gestern, am Wasserfall … ich konnte nicht akzeptieren … „Ich kann mir nicht vorstellen, dass Maja ...“

Annes Wutausbruch riss mich endgültig aus dieser Zwischenwelt des mit der Realität unvereinbaren Glaubens an das Positive, das Schöne. „Du spinnst ja wohl, weißt du, was du da sagst?!“


Ich hatte doch gar nichts gesagt, aber Anne hatte offenbar meine Gedanken erraten. Und Elsa wohl auch: „Nein, wir haben nicht die Polizei gerufen, aber gleich ist Luca da, er wird uns helfen, er bringt uns nach Florenz … zu deinem, eurem Auto.“


„Dann wird ja alles gut.“ - Nie zuvor war mein Bedürfnis nach einem 24-Stunden-Schlaf größer gewesen als in diesem Moment … Maja, Auto, Flucht … was sollte das?! Ich war todmüde.


Doch insgeheim wuchs in mir sogar ein Gefühl der Erleichterung. Nein, Maja, dieser Verrückten, die sofort springt wenn ihr komischer Freund mit dem Finger schnippt, war nicht zu helfen. Dass sie uns aber auf derart schändliche Weise hintergehen würde … wunderte mich nicht einmal. Vermutlich hatte ihr dieser Scheißkerl wieder eine SMS geschickt. „Ich will dich sehen, sofort!“ - So in der Art. Innerlich musste ich über diese Vorstellung lachen. Diese blöde Kuh. Wie kann eine Frau sich nur derart willenlos, ja, hörig wie eine Sklavin, den Launen eines Kerls unterwerfen?

Elsa tat mir leid.


Selbst Anne gelang es nicht, unsere neue, bitterlich weinende Freundin zu trösten. „Du musst dir keine Gedanken wegen unseres Autos machen“, schloss ich mich Annes Zuwendung an, „das taucht schon wieder auf.“


„Das ist es ja nicht“, schluchzte Elsa, zog uns dabei an den Händen – mein Gott, was waren meine Knie noch weich – in Majas Zimmer. „Hier, seht doch!“


„Ach du Scheiße“, entfuhr es mir und Anne fast zeitgleich. Ihr Bett war frisch gemacht, an der Seite stand Majas Rucksack, auf dem Nachttisch lag ihr Portemonnaie … und … das von uns so verfluchte Handy.


„Da ist keine aktuelle SMS von Andrea“, stellte Elsa fest und fiel dabei in einen regelrechten Weinkrampf. „Sie hat nicht einmal Geld mitgenommen, keine Papiere … nichts!“


„Vielleicht hat sie die SMS gelöscht“, lautete Annes erste Vermutung, und ich versuchte, weiter zu beschwichtigen: „Ohne Geld wird sie nicht weit kommen, denn der Tank ist fast leer.“


Ich wagte nicht auszusprechen, was ich gerade dachte, und auch Anne stand das Entsetzen ins Gesicht geschrieben. Nein, das war keine kopflose Flucht … das gemachte Bett, der Brief …


Wir wussten nichts von Maja, genau genommen nur wenig. Dass sie für uns Außenstehende zu unmotiviert auftretenden Depressionen neigte, aber schon ...


Meine düsteren Ahnungen lähmten mich, ich war unfähig, auch nur einen zusammenhängenden Gedanken zu fassen, starr, wie eine Salzsäule stand ich da … dieser Albtraum, dieser ewige Albtraum: Um Hilfe schreien wollen, ohne Stimme.


Doch Elsas sich in Hysterie steigernde Verzweiflung riss mich aus dieser alles lähmenden Schockstarre. Wie eine Irre tobte sie auf Majas Bett, trommelte mit den Fäusten auf den geschlossenen Rucksack: „Warum?!Warum?! Warum?! ...“


Mit aller Kraft gelang es mir, sie davor zu bewahren, sich noch selbst zu verletzen, musste dabei mein ganzes Gewicht einsetzen, um dieses zarte, zerbrechliche Wesen, das in seiner Verzweiflung übermenschliche aber unkontrollierte Kräfte freizusetzen imstande war, an mich zu drücken. Nur ein Versuch, mit der Wärme meines Körpers ihre vor Angst zitternde Haut zu beruhigen.


Anne hatte sich derweil auf die Bettkante gesetzt, unterstützte mit kreisenden Handbewegungen auf Elsas Rücken mein Bemühen, unserer Freundin deren Verkrampfung zu nehmen. „Jetzt“, sagte sie und wirkte dabei äußerst gefasst, „müssen wir wirklich die Polizei verständigen.“

(Fortsetzung folgt)

Kommentare


andreashava
(AutorIn)
dabei seit: Feb '09
Kommentare: 94
andreashava
schrieb am 30.01.2011:
»Puh, ich freu' mich wie Bolle über die tollen Votings und Kommentare, und ... ja, auch darüber, dass - *grins* - die Hasser von Fortsetzungsgeschichten noch mal gnädig mit mir sind. Denen, und auch allen anderen, versprech' ich aber schon mal, dass es bis zum 5. Teil nicht wieder mehr als ein Jahr dauern wird, das Gerüst ist da und der Titel steht auch schon fest, er wird "Die Geburt der Venus" heißen. Da versteht es sich von selbst, lieber astweg, dass auch die Farbenpracht der weiblichen Attribute nicht zu kurz kommen wird. Okay, ein bisschen Crime und selbstironische Reflektion muss auch noch sein ...

Danken möchte ich aber meiner lieben Freundin Anja (Mondstern) und meinem lieben Freund Elmar (aweiawa) fürs kritische Betalesen des ersten Entwurfs und so manchen inhaltlichen und sprachlichen Tipp, und auch geno fürs orthgraphische Betalesen. Schreiben ist in erster Linie auch Handwerk, manchmal hartes Brot, aber ich freue mich dann am meisten, wenn es uns gelingt, sich gegenseitig auch weiterzuentwickeln. Das ist ein ewiger Lernprozess ... und es macht auch noch Spaß!
LG Andrea«

PG92
dabei seit: Jun '01
Kommentare: 22
schrieb am 25.01.2011:
»Man, wirklich klasse.

Das war mein erster Gedanke, nachdem ich den letzten Satz gelesen hatte. Ein schöner Cliffhänger vollendet diesen Strudel aus "himmelhochjauchzend" und "zutodebetrübt". Mir gefielen vor allem die emotionalen Gedankenspiele, die so typisch weiblichen Gefühlsschwankungen, bei denen ich mich dabei ertappte, "genau so isses" gedacht zu haben. Großes Kopfkino. Kompliment.«

kara0815
dabei seit: Dez '03
Kommentare: 7
Kara0815
schrieb am 26.01.2011:
»Großartig! Ich bin absolut begeistert. Man merkt, daß sich jemand viel Mühe gemacht hat, eine überzeugende Geschichte zu schreiben: Und das ist gelungen. Sehr fesselnd, anregend und wunderschön! Danke!«

mondstern70
dabei seit: Sep '04
Kommentare: 441
Mondstern
schrieb am 27.01.2011:
»Sprachlich UND inhaltlich auf höchstem Niveau ... dem Schlusssatz des Einlesers ist nichts mehr hinzufügen !!!

Ich lese alle Geschichten von Andrea mit großer Begeisterung, aber die Hochzeitreise entwickelt sich zu meinem Favoriten. Als Leserin kann ich einfach in die Handlung eintauchen und mich treiben lassen, als Autorin erkenne ich die Sorgfalt und Mühe, die sich Andrea bei ihren Storys macht.
Die Schwache Resonanz, sowohl von den Klicks, aber hauptsächlich in Form von Feedback ist sehr bedauerlich. Ob hier nicht die bekannten Perlen vor die Säue geworfen sind?
Liebe Andrea, die Geschichte ist so gut, ich wette um mein gesamtes Haushaltsgeld, das dich ein Verlag für deine "Zielgruppe" mit Freude unter Vertrag nimmt.
Für die Episode hier kann ich dir nur dreimal die Bestnote geben, und die Daumen drücken, dass andere Leser das auch tun.
LG Mondstern«

Leichtgewicht
dabei seit: Mär '10
Kommentare: 279
Leichtgewicht
schrieb am 29.01.2011:
»Ich hasse Fortsetzungsgeschichten!
Viel Dramatik, viel Spannung. Mehr Psychologie als Erotik, so dass man über da sGenre streiten kann.
Der Stil ist recht ausgereift und zeigt einen grundsätzlichen Unterschied zu der Qualität der meisten anderen Texte hier.
Glückwunsch«

astweg
dabei seit: Jun '01
Kommentare: 152
TetraPack
schrieb am 30.01.2011:
»Hallo Andrea,
auch diesen Teil habe ich wieder mit Freude gelesen. Von deinem Schreibstil könnte sich so mancher, mich eingeschlossen, eine Scheibe abschneiden. Ein wenig schade finde ich, dass die körperlichen Reize der weiblichen Körper nicht ebenso lebhaft und farbig beschrieben werden wie Kleider. Außerdem mag ich es lieber, wenn der Fortsetzungsgeschichten jede Teilgeschichte in sich eine abgeschlossene Einheit bildet. Wenn ich gewusst hätte, dass dieser Teil mit einem Cliffhänger endet, hätte ich ihn noch nicht gelesen sondern gewartet, bis der nächste Teil erschienen ist.
Liebe Grüße
astweg«

PADDY
dabei seit: Mär '01
Kommentare: 18
edge
schrieb am 30.01.2011:
»Verdammt! Fortsetzung folgt??? Wann? Ich will alles, und zwar jetzt! Schon so verdammt lang auf diese Fortsetzung gewartet und dann, kaum hat man sich in das Drama eingelesen schon wieder: Fortsetzung? Das ist ja fast so schlimm wie ich! (Nur wesentlich eleganter geschrieben). Also - her mit der Fortsetzung. Wo ist Maja? Werdet ihr endlich eine lustvolle Hochzeitsreise erleben können? Werden Eure Freundinnen zur Unterstützung auftauchen? Fragen über Fragen... seufz. Dann wart ich eben wieder...«

aweiawa
dabei seit: Sep '04
Kommentare: 214
aweiawa
schrieb am 31.01.2011:
»Glückwunsch, liebe Andrea. So möchte auch ich meinen Kommentar beginnen, denn was dir mit dieser Fortsetzung der ohnehin schon erstklassigen Serie gelungen ist, gehört für mich zu den besten Erzählungen, die bei sevac erschienen sind. Wobei mir im Moment spontan nur eine einfällt, die damit konkurrieren könnte.

Sprachlich ausgefeilt, humorvoll, lebensecht, mit sympathischen Figuren, an deren innerer und äußerer Entwicklung der Leser atemlos teilnimmt. Da steht kein Satz, den man auch weglassen könnte. Ja, ich schwärme und gestehe, dass ich ein wenig neidisch bin. So möchte ich auch schreiben können. Wobei der Neid ganz unten im Schächtelchen liegt, denn darüber türmen sich die Freude eines Freundes, dass du uns an dieser Hochzeitsreise teilnehmen lässt, und frohe Erwartung des nächsten Teils.

Liebe Grüße
Elmar«

Kanterberg
dabei seit: Jul '04
Kommentare: 5
schrieb am 23.02.2011:
»Vollstes Lob von meiner Seite!
Ein wenig ausführlicher könnten zwar die Liebesszenen in deinen Geschichten sein, aber muss natürlich auch nicht, immerhin geht es hier mehr um erotische Literatur *chch*

Wirklich gut, ich bin von allen Teilen bisher mehr als begeistert.«

magicflute
dabei seit: Sep '07
Kommentare: 258
schrieb am 06.03.2011:
»nun bin ich auch am vorläufigen ende der geschichte gestrandet, das gleichzeitig ein anfang zu sein verspricht: ja, ein bisschen crime, mit einer ganze stange sex im gepäck...
die selbstbeobachtungen und -beschreibungen von eifersucht bis leidenschaft sind großartig! so wird das gern und leicht ermüdende "porno"-genre wieder lebendig und neu und der lesespaß wächst gewaltig.
so hab ich keinerlei probleme, mondsterns "anweisungen" zu folgen ;)

-> weiterweiter! und vielen dank dafür, dass du uns leser mitnimmst auf die intimitäten dieser immer spannenderen hochzeitsreise, die - man dachte: endlich am ziel - erst so richtig fahrt aufnimmt!

es wartet ab jetzt - ungeduldigst -
magic«

helios53
dabei seit: Aug '11
Kommentare: 404
Helios53
schrieb am 12.08.2011:
»Musste ich dich tatsächlich bis hierher verfolgen, um die längst versprochene Fortsetzung lesen zu können.
;)
Die Psycho-Achterbahn hätte es für meinen Geschmack nicht in dieser ausufernden Intensität gebarucht, aber wo gibt es schon unkomplizierte andreashava-Entwicklungen?
Der Text, ein für dich typisches Feuerwerk sprachlicher Perfektion überzeugt so sehr, dass sogar ich wieder mal ALLES konsumiert habe.
Dabei habe ich ein "d" gefunden, das ich mir als Souvenir einstecke, und zwar in diesem Satz:
"Du musst wissen, dass ich des dem äußerst glücklichen Umstand einer zutiefst unglücklichen Autopanne zu verdanken habe, auf Andrea und ihre verruchte, keinerlei Tabus achtende Mädchengang getroffen zu sein ...?"

Im übrigen würde ich mich freuen, dich wieder mal "live" zu erleben. Du weißt schon ....«

bienchen10
dabei seit: Feb '13
Kommentare: 5
schrieb am 23.02.2013:
»Hallo Andrea,

Gespannt habe ich alle Teile gelesen und warte nun sehnsüchtig auf Teil 5 der Hochzeitsreise. Wann ist er fertig?
Klasse geschrieben und beschrieben.Gerne mehr davon.«

jorgegarcia3089
dabei seit: Okt '13
Kommentare: 163
schrieb am 19.09.2019:
»"Elsas Po rieb sich fordernd ..." ! Geil, ich will MEHR !!!«

Shepey
dabei seit: Nov '02
Kommentare: 6
schrieb am 27.01.2021:
»Wunderschön! Ich habe die vier Teile förmlich inhaliert! Es ist, wie in einem Vorkommentar bereits beschrieben, als ob man dabei ist. Die Dichte und auch Nachvollziehbarkeit der Emotionen ist wirklich beeindruckend!

Vielen Dank für deine Geschichten, Andrea!

Shepey«


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