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Kommentare: 11 | Lesungen: 728 | Bewertung: 8.54 | Kategorie: Cuckold Geschichten | veröffentlicht: 14.11.2025

Die Zuschauerin

von

Es war Samstagabend.

Henning hatte den ganzen Tag im Arbeitszimmer verbracht, mit seinem japanischen Füller, den ich ihm zum Geburtstag geschenkt hatte, und einem Stapel Leistungskursklausuren, der wie ein Bollwerk zwischen uns lag. Ich hörte ihn im Vorbeigehen manchmal murmeln, wenn er sich über eine Formulierung aufregte, dann das wütende Kratzen der goldenen Feder mit der roten Tinte auf Papier. Und ich dachte: So klingt Geduld.

Ich kochte.

Ich wollte, dass es ein Abend wird, an dem wieder alles stimmt. Vielleicht würde sich dann etwas lösen. Vielleicht würde ich mich lösen. Wenn ich nur alles richtig machte – das Essen, das Licht, die Musik… Vielleicht würde er mich wieder so ansehen wie früher. Und ich ihn.

Ich machte Adobo Chicken. Für ihn. Mein Rezept mit dem leisen Essigduft und den dunklen Aromen, die erst nach Stunden wirklich durchdringen und dann die ganze Wohnung mit ihrem süßen, klebrigen Duft füllen. Das Fleisch hatte ich am Morgen schon mariniert, hatte es ziehen gelassen, scharf angebraten, abgelöscht und leise simmern lassen.


Dazu gab es die Fächerkartoffeln, die er so mochte, und gebratenen Baby-Pak Choi.


Ein Essen, das Geduld verlangt.

Der Tisch sah perfekt aus, wie ein Alibi: Weiße Tischdecke, das gute Geschirr. Dazu eine einzelne Kerze mit langem rotem Stiel. Kein Weinglas – er trank nur selten – aber zwei Gläser für das Wasser und eine Karaffe, mit zwei Scheiben Limette und einem Zweig frischer Minze. Vielleicht würde ich ihn ja später noch zu einem Mojito überreden können.


Die Musik lief bereits leise im Hintergrund. Eine Playlist mit alten Coldplay-Alben, die ich vorhin noch schnell zusammengestellt hatte. Genug Melodie, um den Raum zu füllen, ohne aufdringlich zu wirken und ihn zu stören. Am Ende der Garzeit, kurz bevor das Hühnchen fertig war, zog ich mir ein Kleid an, das ich selten trug. Dunkelblau mit kleinem weißen Kragen. Nicht aufreizend, aber schön. Für ihn.

Dazu die passenden Perlenohrringe – einfache blaue Stecker, die genau zum Kleid passten.


Als alles fertig war, rief ich leise nach ihm.

Henning kam mit den hängenden Schultern eines Mannes, der zu lange gesessen hatte. Er trug eines seiner Karohemden, eine schlichte Jeans. Ich habe nie verstanden, warum er nicht einfach etwas Gemütlicheres anzog, wenn er Klausuren korrigierte. Aber er sagte immer, er müsse sich für den Anlass kleiden – auch beim Korrigieren. Sonst nehme er es nicht ernst genug. Und irgendwie konnte ich das verstehen.

Ich hätte ihn selbst im Schlabberlook nicht zum Umziehen genötigt.


Ich war froh, ihn so zu haben, wie er war. Noch.

Ich hoffte, er würde spüren, dass ich mich bemüht hatte. Dass das hier mein Versuch war, etwas zurückzuholen, das wir unterwegs irgendwo verloren hatten.

Er schnupperte.

„Riecht gut“, sagte er. Dann lächelte er und rieb sich gespielt den Bauch. „Du hast mir das Korrigieren zum Ende echt schwer gemacht“


Es war ein indirektes Kompliment, so wie er sie immer machte.


Kein „Wow, das sieht gut aus“, sondern eher ein „Ich kann’s kaum erwarten, das zu probieren.“ Die meisten hätten es gar nicht bemerkt.

Mir bedeutete es mehr als jeder Blumenstrauß.

Ich füllte unsere Teller, reichte ihm die Schüssel. Er nahm, lobte den Geschmack, sagte aber nichts weiter. Ich beobachtete, wie er kaute. Wie seine Finger die Gabel hielten. Wie er durch die Hähnchenkeulen schnitt. Ich dachte kurz darüber nach, wie viele Samstage wir so schon verbracht hatten. Früher. In unserer ersten Wohnung hatten wir fast immer am Tisch die Hände gehalten, kurz nach dem Essen, bevor wir aufgestanden sind. Nur ein Moment. Jetzt lagen unsere Hände regungslos neben dem Besteck, getrennt durch die weiße Tischdecke, als könnten sie sich verbrennen, wenn sie sich berührten. Nur dass dieser Samstag einer war, an dem ich mich bemüht hatte.

Nach dem Essen stand er auf, beugte sich kurz zu mir rüber und küsste mich flüchtig auf den Mund. Dann räumte er ab. Ich half ihm. Teller in die Spülmaschine, das Holzbrett von Hand, die gusseiserne Pfanne getrennt, mit warmem Wasser und der Bambusbürste.


Er trocknete ab.

Wir waren schon wieder zu spät dran für ein Gespräch.


Als ich die Pfanne gerade einölte, trat er hinter mich.


Legte die Arme um meine Taille, zog mich sanft an sich.


Ich spürte seinen Körper. Seinen Atem an meinem Nacken und seine Hände, zögernd, aber zielstrebig, an meinen Hüften. Und seine wachsende Erektion, die von hinten gegen meinen Rücken drückte.


Ich blieb stehen.

Bewegte mich nicht.

Ich wusste, was er wollte.


Ich wusste auch, dass ich es ihm nicht geben konnte.


Nicht heute.


Nicht so.

Und das wusste er wahrscheinlich auch.


Ich befreite mich aus seinen Armen und entzog ihm die Nähe, die er suchte.

„Ich kann das nicht mehr.“


Seine Stimme war leise, aber fest. Als hätte er einen Entschluss gefasst.


„Wir sind wie Mitbewohner. Ich liebe dich. Aber ich halte das nicht mehr aus.“

„Henning, das ist nicht fair.“


„Was soll ich denn sagen, Katharina? Du bist nie bereit. Nie.“


Er machte eine Pause. Ich suchte nach den richtigen Worten.


„Ich bin kein Mönch, weißt du? Ich will nicht im Zölibat leben. Ich habe Bedürfnisse.“


„Ich hab auch Bedürfnisse. Nur… andere gerade.“ Ich wusste nicht, ob ich ihn oder mich selbst überzeugen wollte.


„Willst du überhaupt noch mit mir zusammen sein? Oder ist das alles nur bequemer für dich?“


Er fuhr sich durch die Haare, atmete durch.


„Ich will nicht nur dein Freund sein. Ich will dein Partner sein.“


„Du bist mein Partner. Du warst es immer.“


„Früher hatten wir Sex. Guten Sex. Öfter als einmal im Jahr! Und jetzt?“

Ich konnte mich nicht erinnern, wann wir das letzte Mal wirklich miteinander geschlafen hatten. Irgendwann letztes Jahr. Er war damals hinter mich gerutscht, im Halbschlaf, oder nur halb wach, und ich hatte nicht Nein gesagt. Ich hatte auch nicht Ja gesagt. Ich hatte es einfach geschehen lassen – aus Schuld, aus Liebe, aus Schwäche. Danach hatten wir geschwiegen. Über alles. Wie so oft.

Jetzt blickte er weg, an mir vorbei. Als könne er mich nicht ansehen für das, was er jetzt sagen wollte.

„Manchmal frage ich mich, ob ich nicht gut genug für dich bin.“ Er klang fast trotzig.


„Das hat nichts mit dir zu tun.“


„Natürlich hat es das. Ich bin dein Mann. Und ich hab das Gefühl, ich darf dir nicht mehr zu nahe kommen.“


Sein Blick wanderte wieder zurück. Jetzt sah er mich direkt an.


„Wie lange soll ich noch warten, Katharina? Und worauf? Ist da jemand anderes? In der Kanzlei? Arbeitest du deswegen immer so lange?“


„Nein!“


„Wenn ich nicht fordern würde, gäbe es gar keine Nähe mehr zwischen uns. Ich bin es leid, immer derjenige zu sein, der versucht, unsere Ehe am Leben zu halten“, er senkte die Stimme. „Ich weiß nicht, wieviel Zurückweisung ich noch ertrage.“

Er klang müde, nicht wütend. Als hätte er längst aufgehört, auf eine Antwort zu hoffen.

„Ich tu das doch nicht mit Absicht…“


Dann atmete er tief durch, als müsste er sich auf den nächsten Satz vorbereiten.


„Vielleicht sind wir einfach nicht mehr kompatibel.“ Seine Stimme war ruhig. Zu ruhig. Etwas hatte sich verändert. „Vielleicht brauchen wir eine Pause. Vielleicht musst du dir klar werden, was du willst. Was du wirklich willst.“


„Nein“, sagte ich. „Ich weigere mich, das zu akzeptieren. Das ist der Anfang vom Ende. Ich will nicht, dass du einfach gehst.“ Ich suchte seine Augen. Verzweiflung machte sich in mir breit. Tief in mir. Ich wollte ihn nicht verlieren. Aber ich konnte ihm nicht die Wahrheit sagen. Dass Sex mir nichts gab. Dass es sich für mich jedes Mal nach Gewalt anfühlte. Ich griff nach einem Strohhalm. Suchte immer noch seine Augen.

„Was wäre… Wenn wir einen anderen Weg finden? Einen echten. Offenen.“


Er zögerte. „Was meinst du mit… offen?“


Ich schluckte. „Was wäre, wenn du es dir… woanders holen könntest? Ich will, dass du ehrlich bist. Wenn du das brauchst… Nähe, Sex… dann aber bitte nicht hinter meinem Rücken. Aber auch nicht willkürlich.“

Ich holte Luft.

„Wir finden einen Weg. Offen. Nicht als Affäre, sondern als Vereinbarung.“

Ich sagte es ruhig.

Fast überzeugend.

Und vielleicht glaubte ich es in diesem Moment sogar selbst – obwohl ich wusste, dass ich längst verloren hatte.


Er sah mich an. Suchte nach Worten.

„Ich weiß nicht… das fühlt sich irgendwie… falsch an.“


Dann schwieg er wieder. Sah an mir vorbei. Als würde er hoffen, dass irgendjemand widerspricht. Ich hatte gerade unserem Ehebruch zugestimmt.

Und niemand hatte auch nur die Stimme erhoben.

Auch Du nicht.

***

Ich war zehn Minuten zu früh. Natürlich. Ich war immer zu früh. Mein zwanghafter Drang ließ nichts anderes zu. Die Nachricht hatte ich gestern Abend abgeschickt, kurz vor 11.

Ich habe Henning vorgeschlagen, dass er mit anderen Frauen schlafen darf. Ich glaub, ich brauch Kaffee.


Kein Kontext. Kein Emoji. Ein Satz, nüchtern wie eine Vertragsklausel – und vermutlich genauso zerstörerisch. Nina hatte keine fünf Minuten später geantwortet:

"Alter. 15 Uhr. Unser Tisch."

Jetzt saß ich da, an unserem alten Platz am Fenster. Und wartete.


Ecke Fenster, Café Sol. Tisch 6.

Zwei Stühle, ein kleines rundes Tischchen mit Marmorplatte. Zu schwer für das Wort Tischchen – zu klein für das Wort Tisch. Er wackelte ein wenig, jemand hatte einen Bierdeckel unter ein Bein gelegt, um ihn zu stabilisieren. Viel gebracht hat es nicht. In der Mitte: ein weißes Zierdeckchen, akkurat gefaltet. Daneben zwei Kuchengabeln, parallel gelegt wie stille Argumente. Vor mir dampfte eine heiße Schokolade mit Sahne.

Ein Tropfen löste sich. Langsam. Zäh, fast wie eine Träne.

Ich starrte ihm hinterher.

Die Türglocke bimmelte und riss mich aus meinen Gedanken. Ein Schwall kalter Luft fuhr durch den Raum. Ich sah auf, straffte die Schultern. Atmete ein letztes Mal tief durch. Nina. Funktionaler blonder Pferdeschwanz, rote Wangen vom Winter, knallrote Lippen. Ein schwarzer Mantel, halb geöffnet, darunter ein weinroter Rollkragenpulli, der ihre feminine Figur eher betonte als verbarg.


Sie streifte sich den Schal ab, entdeckte mich und kam direkt auf mich zu.

„DU HAST WAS?!“ Kein „Hallo.“ Kein „Wie geht’s?“. Direkt zur Sache.

Ihre Stimme war nicht laut, aber auch nicht flüsternd. Zwei Köpfe drehten sich in unsere Richtung. Nina hatte sich noch nicht einmal hingesetzt.

Ich senkte den Blick, sagte nichts.

Sie ließ sich auf den Stuhl gegenüber fallen, warf mir einen Blick zu, der irgendwo zwischen Empörung und Vorfreude lag. Dann bestellte sie beim Kellner ein Stück Mandeltorte und einen doppelten Espresso. Zitronentarte für mich.

„Erzähl. Alles.“


„Ich hab ihm gesagt, er darf mit anderen schlafen. Solange wir ehrlich sind.“

Laut ausgesprochen wogen die Worte schwerer, als ich erwartet hatte. Als hätte jemand anderes sie gesagt – und ich müsste jetzt mit den Folgen leben.

Nina lehnte sich zurück, hob beide Augenbrauen. Verschränkte die Arme vor der Brust und atmete tief durch.


„Okay… stopp. Das musst du mir erklären. Von vorne. Langsam.“ Sie zog das Wort künstlich in die Länge.


„Es war… keine spontane Entscheidung. Nicht wirklich. Eher ein letzter Versuch. Ich musste irgendwas tun.“


„Katharina. Von. Vorne.“

Ich atmete ein. Kurz. Flach.

„Ich habe gekocht. Gestern. Hühnchen Adobo, Fächerkartoffeln. Das volle Ehefrauenprogramm. Fast. Ich wollte was Schönes für ihn tun.“


„Okay..?“


„Dann hat er mich umarmt. In der Küche. Von hinten.“

Nina sah mich an. Ich zwang mich, von der Serviette an der ich nervös herumrupfte, aufzublicken.

„Ich hab nichts erwidert. Mich weggedreht. Wir haben gestritten.“


„Wegen dem Essen?“


„Er meinte, er könne so nicht mehr leben. Dass wir wie Mitbewohner seien. Und dass er mich liebe, aber nicht mehr wüsste, wie lange er das noch aushält. Dann hat er diesen Satz gesagt.“


„Was für’n Satz?“

Ich schluckte.

„Als würde ein Abendessen ein ganzes Jahr Vernachlässigung wiedergutmachen.“

Nina sagte nichts, aber ihr Gesicht sprach Bände. Eine Mischung aus Neugier und Faszination. „Ihr hattet ein Jahr…?“


Meine Stimme wurde fester. Vielleicht weil ich es ihr sagte. Vielleicht weil ich es mir selbst sagte.

„Und da habe ich es gesagt. Dass er sich woanders holen darf, was ich ihm nicht geben kann. Solange er ehrlich ist.“

Die Kellnerin stellte zwei Tortenstücke ab. Der Tisch wackelte. Der Kakao schwappte fast über, kam dem Rand gefährlich nahe. Beinahe.

Ninas Augen blieben an mir kleben.

„Und was hat er gesagt?“ fragte sie leise.


„Nichts. Gar nichts.“

Ich griff zur Gabel.

„Er hat mich nur angesehen.“

Ich schnitt ein Stück vom Kuchen ab, stocherte aber nur darin herum.

„Ich will nicht, dass es wieder so endet, wie mit Jan.“


„Du meinst… du lässt ihn lieber vögeln, bevor du ihn verlierst?“


Ich zuckte ratlos mit den Schultern.


„Ich weiß es nicht.“ Ich schob die Serviette beiseite. Ein Fetzen hing lose herab. „Damals bei Jan habe ich zu lange gewartet. Nichts gesagt. Nichts getan. Ich hab ihn einfach gehen lassen.“

Ich legte die Gabel wieder ab. Vorsichtig. Als wäre sie aus Zucker.

„Und vielleicht… vielleicht versteh ich diese ganze Sex-Sache einfach nicht. Es fühlt sich falsch an. Als wäre ich Zuschauerin in meinem eigenen Körper. Immer schon. Auch bei Jan. Auch davor.“

Dann dieser Blick, halb grinsend, halb prüfend.

„Bist du sicher, dass du nicht lesbisch bist?“

Ich schnaubte.

„Würde das nicht wenigstens irgendwas erklären? Oder bi. Oder irgendwas dazwischen? Ich mein… wenn ich du wäre – ich würde mich knutschen.“

Ich schüttelte den Kopf, lachte kurz. Mein Blick blieb an dem angetrockneten Schokotropfen haften.

„Aber ihr hattet doch Sex? Du hast es doch genossen?“

Ich nickte langsam.

„Doch. Früher. Ganz am Anfang. Aber da… war alles leicht. Alles war noch neu, und ich war verliebt genug, um es zu verdrängen. Endorphine und Hormone und so.“

„Und jetzt?“

Ich schüttelte wieder den Kopf.

„Jetzt fühlt es sich an, als müsste ich eine Rolle spielen. Ich weiß, was passieren soll, was er will, was ich tun müsste. Wann ich stöhnen soll, wann ich die Augen schließen muss. Was ihm gefällt. Aber nichts davon… gehört mir. Es ist wie ein Drehbuch, das jemand anders für mich geschrieben hat.“

Nina schwieg.

„Es ist, als würde mein Körper funktionieren, aber ich sehe nur zu. Von irgendwo hinter meinen Augen. Und ich weiß, dass er das spürt.“


„Hast du ihm das mal gesagt?“

Ich schüttelte den Kopf.

„Wie denn? ‚Tut mir Leid, ich fühl nichts, aber danke fürs Mitmachen‘?“


Nina sah mich lange an. „Und war das bei Jan genauso?“

Ich zögerte. Spürte Wärme in mein Gesicht steigen, weil ich etwas von mir offenbaren würde, das ich mir selbst bis jetzt noch nicht eingestanden hatte.

„Noch schlimmer. Bei ihm habe ich noch gedacht, es läge an ihm. Jetzt denke ich… vielleicht bin ich einfach falsch gepolt.. Vielleicht bin ich kaputt.“ Ich atmete als müsste ich erst lernen, diesen Gedanken zuzulassen.


„Du bist nicht kaputt Katharina.“ Sie nahm meine Hand. Ich sah sie an.


„Sag das mal meinem Körper. Oder meinem Gehirn.“


Dann runzelte sie die Stirn. Ihr Blick veränderte sich.


„Hast du mal… Ich will dir nicht zu nahe treten, aber hast du mal mit jemandem darüber gesprochen? Ich mein… professionell? So richtig?“


Ich zuckte die Schultern.


„Ich hab gegoogelt. Libidoverlust. Sexuelle Störungen bei Frauen. Alles, was ich gefunden hab, klang wie aus der Apothekenumschau.“


Nina schwieg kurz. Ihre Finger umschlossen meine Hand fester. Es war auf eine beruhigende Weise erdend.


„Und das andere Wort? Hast du’s auch gegoogelt?“


Ich blinzelte. „Welches andere?“


„Asexuell.“


Ich schwieg.


Der Moment dehnte sich.


Dann: „Ja. Vielleicht. Kurz.“

Das Wort machte mir Angst.

„Und?“

Ich zuckte mit den Schultern. „Ich wollte es nicht lesen. Nicht wirklich. Als hätte das Wort zu viel Macht. Als würde es etwas wahr machen, wenn ich’s zu Ende lese. Wenn ich’s zu Ende denke.“

Nina ließ meine Hand los. Nahm einen Schluck von ihrem Espresso. Ihre Stimme war jetzt leiser.

„Vielleicht hilft es dir, es zu wissen. Zu verstehen.


„Ich will nicht die Gestörte sein, Nina.“

Sie schwieg. Ihre Finger umschlossen meine Hand wieder, dann lockerten sie sich.

„Du bist nicht gestört“, sagte sie leise. „Vielleicht brauchst du einfach jemanden, der… dich sieht. Ohne Erwartungen. Der dich nimmt, wie du bist.“

Ihre Stimme war ruhig. Fast zu ruhig.


Ich wagte nicht zu atmen.


Dann zog sie die Hand zurück. Nahm den letzten Schluck von ihrem Espresso.

„Tut mir leid. Ich rede zu viel.“

Ich hob den Blick. Sie meinte es gut, das spürte ich. Vielleicht zu gut.

„Ich weiß nur nicht, ob ich es aushalten würde“, flüsterte ich. „Wenn er es mit einer Fremden tut. Wenn er sich jemanden sucht.“


Nina schwieg. Dann dieser Blick. Warm. Offen. Vielleicht zu offen.


„Es müsste ja nicht… irgendwer sein.“

Ich spürte, wie mein Herzschlag sich verschob. Für einen Moment wusste ich nicht, was sie meinte. Oder doch? Ich wollte es nicht wahrhaben.

Ich lachte kurz, überrascht, zu schnell.

„Würdest du echt..? Würdest du das auch für ihn tun? Für mich?“

Sie hielt meinem Blick stand.

„Wenn du es willst…“ Sie sah mich an, wie jemand, der kurz davor ist, vom Zehn-Meter-Turm zu springen. „Ja. Für dich.“


Ich sah hinaus auf die Straße. Die Sonne stand schon tief, das Licht fiel schräg auf das Schaufenster gegenüber. Für einen Moment erkannte ich mich darin. Leicht verzerrt. Blasser. Als hätte ich mich selbst beim Zusehen ertappt.

Mein Blick fiel wieder auf den Schokotropfen an der Tasse. Als müsste ich mich daran festhalten.

***

Ich zuckte zusammen. Es klingelte. Punkt zwanzig Uhr.

Nina.

Ich war noch nicht ganz fertig. Fertiger würde ich nicht mehr werden. Die Perfektionistin in mir suchte nach Dingen, die sie noch richten könnte. Die Küche war gemacht, aber in der Spüle stand noch ein Glas, das ich eben noch gespült hatte, noch feucht. Ich hatte alles vorbereitet. Fast alles. Frische Bettwäsche, die Couchkissen aufgeschüttelt. Das Bad geputzt, die Magazine auf dem Couchtisch neu sortiert.

Die Cosmopolitan mit dem Artikel über erotische Rollenspiele hatte ich diskret nach ganz unten geschoben. Oben lagen jetzt nur Schöner Wohnen und ein Lumas-Katalog.

Als hätte Ikea einen Katalog für Ehebruch gestaltet.

Henning hatte ich den ganzen Tag kaum gesehen. Er hatte sich lange in seinem Arbeitszimmer eingesperrt. Dann im Bad.


Ich ging zur Tür. Ein letzter Blick in den Flurspiegel.

Mein Kleid: dunkelblau, knielang. Ich trug es nur selten. Sonst nur zu Premieren. Theater, Oper, selten auch ein Empfang in der Kanzlei. Es war nicht zu sexy, aber bewusst gewählt. Die Goldkette lag exakt auf dem Schlüsselbein. Meine Haare glatt, mit dem Glätteisen gezogen, ein Hauch von Volumen im Ansatz. Dezent geschminkt, aber die Lippen betont. Meine Fingernägel waren frisch lackiert. Keine Signalfarbe, ein warmer dezenter Nude-Ton. Die Strumpfhose makellos, 20 Denier, halbtransparent. Der Saum sauber, keine Laufmaschen. Und die Pumps – dunkelblaues Wildleder, sieben Zentimeter Absatz – gehörten auch zu meiner Abendgarderobe, nicht zu meinem Schlafzimmer. Aber heute verschwammen die Räume.

Alles saß. Ich wollte nichts dem Zufall überlassen. Nicht heute.

Es klopfte.

Ich atmete noch ein letztes Mal durch, dann öffnete ich die Tür.

Nina stand da. Und alles in mir wusste, dass es ab jetzt nicht mehr um mich ging.

Das kleine Schwarze an ihrem Körper war knapp. Knapper als ich mich je getraut hätte. Viel knapper, als ich es erwartet hatte, aber elegant trotzdem, genug, um nicht plump zu wirken. Ihre blonden Haare trug sie offen, leicht gewellt. Die Lippen glänzten rot, im exakt gleichen Ton wie ihre Fingernägel. Sie wusste, wie man sich präsentiert. Wie man den Blick lenkt.


Alles an ihr schrie nach Verführung.

Und dann dieses feine Halsband: schwarz, samtig, mit einem goldenen Ring vorn.

Ich wusste, dass sie es tragen würde. Aber nicht, wie sehr es mich treffen würde.

Sie sah mich an, hob die Augenbrauen leicht, als wollte sie mich prüfen. Dann trat sie einen halben Schritt näher, nahm meine Hand. Ihr Blick glitt kurz nach unten, dann wieder zu mir, fast liebevoll. Sie war immer noch kleiner als ich, trotz der leicht höheren Absätze.

„Schön, dass du es so gemacht hast“, sagte sie leise.

Dann küsste sie mich auf die Wange. Nichts Übertriebenes. Eine warme Geste unter Freundinnen. Wäre da nicht die Tatsache, dass ich sie eingeladen hatte, um mit meinem Mann zu schlafen.

Sie trat ein, streifte die Schuhe nicht ab.

Stattdessen ließ sie sich elegant im Flur nieder, auf den Vorleger. Grazil. Ihre Pumps – schwarzes Leder, dünne Absätze, mindestens zehn Zentimeter, blieben an ihren Füßen. Ich fragte mich, ob sie sie erst im Auto angezogen hatte. Der Gedanke war absurd, aber er passte irgendwie zur Situation. Alles an ihr wirkte präzise geplant.

Ihre Knie nebeneinander, die Hände ruhend auf den Oberschenkeln, Handflächen oben und den Blick gesenkt, als wäre sie ein Opfer, das sich selbst zur Verfügung stellt. Sie sah nicht auf. Sie wartete.

Ich hörte Hennings Schritte aus dem Wohnzimmer. Schwerer als sonst. Ich spürte seinen Blick auf meinem Rücken. Spürte, wie mein Herzschlag sich beschleunigte. Gleich würde etwas passieren, das sich nicht mehr zurücknehmen ließ.

Ich ging zur Kommode, öffnete die Schublade. Die Leine lag da. Schwarzes Leder, goldener Haken. Ich nahm sie, ging zu Nina zurück, beugte mich zu ihr.

Die Hand unter ihr Kinn, sanft, aber bestimmt.

„Komm“, sagte ich. Ich versuchte Selbstsicherheit auszustrahlen, aber ich zitterte. Meine Hände zitterten. Dann hakte ich die Leine ein. Ein leises Klicken, das mir lauter erschien als alles andere in diesem Moment.

Sein Blick brannte noch immer auf meinem Rücken. Ich drehte mich nicht sofort um, aber ich wusste, dass er dort stand – in der Tür zum Wohnzimmer. Als ich den Kopf leicht hob, sah ich ihn: Ein weißes Hemd, die Ärmel akkurat gekrempelt. Die Hose etwas zu fein für einen Samstagabend.

Er hatte sich Mühe gegeben. Wahrscheinlich mehr, als ihm bewusst war. Und doch sah er aus, als wäre er auf dem Weg zu einem Elterngespräch.

Er sah nicht uns an, sondern den Boden.

Das war der Moment, an dem ich wusste, dass der Plan funktionieren könnte. Nicht der Sex. Die Ordnung. Seine Scham galt nicht der Szene, sondern dem Entwurf und den moralischen Implikationen.

Die Moral war sein Preis. Die Kontrolle war meiner.

Nina erhob sich, ging aufrecht, aber langsam. Die Leine spannte sich.

Wir gingen den Flur entlang. Ninas Schritte waren irgendwie leise, trotz ihrer hohen Absätze. Ihre Haltung ruhig, kontrolliert. Die Arme hinter dem Rücken verschränkt, der Blick gesenkt. Nicht demütig. Fokussiert. Ich hörte, wie sie ausatmete. Lang und gleichmäßig, wie jemand, der einen festen Entschluss getroffen hat und sich selbst versichern musste, dass er hier sein durfte.

Zum ersten Mal machte ich mir bewusst, dass die Situation für sie mindestens genauso befremdlich sein musste wie für uns. Sie war seit der Schule meine beste Freundin. Wir hatten in derselben Stadt studiert. Sie war es, die mir Henning vorgestellt hatte, auf einer WG-Party. Und jetzt luden wir sie in unser Bett ein.

Die Tür zum Schlafzimmer stand offen.

Er hatte sich an die Kommode gelehnt, eine Hand in der Tasche. Die andere fuhr sich gerade durch die dunklen Haare. Sein Blick traf meinen, direkt, wach, aber auch irgendwie… unsicher. Ich blieb stehen. Nur einen Moment. Dann ging ich auf ihn zu, küsste ihn kurz auf die Wange, fast beiläufig, und beugte mich an sein Ohr.

„Viel Spaß“, flüsterte ich mit gespieltem Selbstbewusstsein, obwohl alles in mir weglaufen wollte. Dann reichte ihm die Leine. Seine Finger schlossen sich um die Schlaufe. Er sah kurz zu Nina rüber, dann wieder zu mir. Und nickte.

Ich drehte mich um, langsam, ging zum Sessel neben der Tür. Dort, wo wir sonst die Kleidung ablegten, die wir später vielleicht noch einmal tragen wollten. Heute lag nichts da. Ich hatte alles in die Wäsche geworfen. Tabula Rasa. Ich setzte mich. Glättete den Saum meines Kleides und überschlug die Beine.

Auf einem kleinen Tisch daneben stand ein Glas, das ich bereitgestellt hatte. Daneben die offene Flasche Weißwein. Ein trockener Riesling aus dem Rheingau. Ich schenkte mir ein. Kein Toast. Kein Blickkontakt. Schließlich lehnte ich mich zurück und überließ den anderen die Bühne.

Noch sagte niemand ein Wort. Das Licht war gedimmt, aber nicht schummrig. Die Decke glatt gezogen.

Ich atmete ein. Ich beobachte.

Die beiden standen noch, Nina mit dem Rücken zu mir. Sie hob jetzt den Blick. Kurz, nur zu ihm. Dann senkte sie ihn wieder. Ihre Hände waren noch immer hinter dem Rücken verschränkt. Sie wartete auf sein Kommando.


Ich betrachtete sie. Und dann ihn. Und dann blickte ich an mir herab, über das Blaue Kleid, seinen Saum, meine bestrumpften Beine.

Ich war nun nur noch ein Gast.


In meinem eigenen Schlafzimmer.

Und fragte mich, ob sich in mir nicht wenigstens jetzt irgendetwas regen sollte.

Henning ließ die Leine los. Sie schwang kurz hin und her, tauchte dann sichtbar baumelnd zwischen ihren Beinen wieder auf, dort, wo das Spitzenband der Strümpfe endete. Ein Stück Schlaufe. Es schien zu zittern. Als hätte es ein Eigenleben.


Er umrundete sie langsam. Seine Schritte waren gleichmäßig, kaum hörbar. Im Vorbeigehen streifte er mit einem Finger von ihrer Schulter, über ihren Arm bis hinab zum Steiß. Blieb an ihrer Pobacke hängen, packte kurz zu und kniff leicht hinein. Zum Schluss ein kleiner Klaps. Fast wie ein Test. Ob das hier wirklich passierte. Ob ich es wirklich zugelassen hatte. Ob sie es wirklich annahm.

Kurz bevor er den Kreis vollendete, hob er den Blick zu mir. Ein kurzer Halt. Ohne Deutung. Ich hielt seinen Blick. Nicht lange, trank nur einen Schluck und ließ dann das Glas sinken.

Er stand wieder vor ihr. Legte beide Hände auf ihre Schultern, drückte sie sanft nach unten. Sie verstand sofort, glitt auf die Knie. Ihre Hände lösten sich aus der verschränkten Haltung und stützten sich an seinen Beinen ab, während sie hinabrutschte.


Als sie sich senkte, blitzte unter dem Saum ihres Kleids die rote Sohle ihrer High Heels auf. Ein einziger, stummer Akzent. Kontrolliert gesetzt, wie alles an ihr. Louboutins, dachte ich. Natürlich. Sie hatte sich besser in Szene gesetzt als ich die Wohnung. Ich musste plötzlich an die versteckte Cosmopolitan denken.

Ein leises Scharren von Metall, als sie seinen Gürtel öffnete. Der Knopf. Der Reißverschluss. Der Stoff, der nachgab. Seine Hose sank, die Boxershorts gleich mit. Das Rascheln war lauter als alles andere.

Ich blieb still. Beobachtend. Der Wein lag kühl in meiner Hand, während die Ordnung vor mir zerbrach und sich neu formte.


Ich nahm einen Schluck. Der Wein war noch kalt, zu kalt fast. Aber er half mir dabei, ruhig zu bleiben. In dem Moment kniete Nina sich tiefer, den Rücken gerade, die Hände wieder an seinen Oberschenkeln. Ich sah, wie sie den Kopf senkte. Hörte das Schmatzen. Beobachtete, wie sie sein Glied zum ersten Mal mit den Lippen umschloss.

Ich wusste genau, wie es sich anfühlte. Wie es roch, schmeckte. Wie lang es dauerte, bis der Würgereiz bei mir einsetzte. Ich hatte es getan. Selten. Aus Schuld. Aus Pflicht. Aus einem leisen Gefühl, dass es von mir erwartet wurde. Dass es zu den Pflichten einer Ehefrau gehörte.

Zumindest gelegentlich.


Aber nicht aus Lust. Nie aus Lust.


Nina hatte keinen Würgereflex.


Zumindest zeigte sie keinen.


Sie senkte den Kopf tiefer. Millimeterweise, ohne Hast.


Und irgendwann war nichts mehr zu sehen. Nur ihre Nase an seinem Bauch.


Sie hielt still. Für einen Moment.

Dann wollte sie sich lösen. Aber Henning legte die Hände an ihren Hinterkopf, hielt sie fest. Nicht grob, aber bestimmt. Einen Moment länger, als sie wollte. Als hätte er vergessen, dass sie atmen musste. Ganz. Als würde der Moment ihn übermannen, genau jetzt, in dieser Sekunde.

Dann ließ er sie los. Ein feuchtes, sattes Geräusch erfüllte den Raum. Ein Schmatzen, roh und intim. Kein Stöhnen, kein Keuchen. Nur das.

Und ein Faden.

Ein einzelner, langer Speichelfaden, der sich von ihrem Mundwinkel löste, über ihr Kinn, hinab in ihr Dekolleté. Er blieb an der Kante ihres Kleides hängen, saugte sich ein.

Der Stoff war ruiniert. Ein Zeichen, das sich nicht mehr entfernen ließ. Ich konnte nicht wegsehen. Nicht weil es schön war, sondern weil es der erste Makel in einer perfekt inszenierten Choreografie war.


Seine Schamhaare waren abrasiert.

Glatt. Unverkennbar frisch. Auch er hatte sich vorbereitet. Vielleicht sogar mehr, als ich dachte. Und jetzt zeichnete sich auf seiner Haut – schamlos sichtbar – ein feiner roter Halbmond ab. Ihr Lippenstift.

Mit jeder Bewegung rutschte Ninas Kleid ein wenig weiter nach oben. Nicht grob. Wie von selbst. Und dann sah ich es. Sie trug keine Unterwäsche. Zwischen ihren Pobacken, sauber zentriert, glänzte ein kleiner, runder Stein. Rubinrot. Eingefasst in silbernem Metall.

Ein Buttplug.

Ich hielt den Atem an.

Nicht aus Schock, auch nicht aus Eifersucht, sondern weil ich in diesem Moment verstand, wie viel Vorbereitung in dieser Geste lag. Wie bewusst sie ihren Körper gestaltet hatte. Wie sehr sie sich – genau wie ich – für diesen Abend entworfen hatte. Nur mit einem Unterschied.

Ich kontrollierte das Setting. Sie den Moment.

Vielleicht war das Macht.

Hennings Atem beschleunigte sich, ihre Bewegungen auch. Immer noch keine Hast. Entschlossenheit. Sie wusste, was sie tat, und er – er hielt sich kaum noch zurück. Ich sah es an seinem Bauch, wie er sich anspannte. An seinen Oberschenkeln, die zitterten. An den Händen, die ihren Kopf nicht mehr nur führten, sondern festhielten.

Dann ein Ruck. Ein langes Stöhnen, das nach Erlösung klang.

Er kam.

Hielt ihren Kopf mit beiden Händen fest, bis das Beben abebbte.


Und Nina… Nina schluckte.


Ohne einen Laut, ohne ein Zucken. Sie ließ es einfach geschehen.


Ich hatte das nie getan. Ich war nie so weit gekommen. Nicht bei ihm. Nicht bei irgendwem.


Und wenn, hätte ich es ausgespuckt. Oder abgebrochen.


Sie tat nichts davon.


Sie blieb einfach.

Und wirkte auf mich wie ein Wesen aus einer anderen Welt.

Henning ließ sich zurücksinken. Das Hemd halb geöffnet, der Körper noch zuckend im Nachbeben. Er stützte sich mit den Händen ab, keuchte leise.


Er sah zu Nina.


Dann zu mir.

Ein Blick, der mehr wissen wollte, als er fragen konnte. Seine Lippen bewegten sich nicht, aber ich hörte die Frage trotzdem.

Ist es das, was Du wolltest?

Keine Anklage.

Keine Ironie.

Nur eine Frage, die keiner Antwort bedurfte.

Nina kniete noch immer. Aufrecht, ruhig. Die Hände wieder auf den Knien. Handflächen oben. Die Schultern gerade. Wie eine Statue. Nur ihr Atem, das Heben und Senken ihres Brustkorbs verriet, dass sie lebte.

Er beugte sich zu ihr herunter. Zog ihr das Kleid langsam über den Kopf. Sie ließ es zu. Ohne zu helfen, ohne zu zögern. Dann nahm er die Leine auf, führte sie sanft nach oben. Kein Ruck, kein Befehl. Nur ein stiller Impuls. Sie erhob sich, das Kleid blieb wie ein dunkler Schatten zu ihren Füßen liegen.

Als sie stand, sah ich es. Ein Stecker, klein und goldfarben, in ihrem linken Nippel. Kein modisches Statement. Etwas anderes. Etwas, das man mit sich machen lässt, wenn man entschieden hat etwas zu sein.

Ihre Brüste waren voll.


Weich.


Und in Bewegung.


Sie schwangen leicht mit, als sie sich aufs Bett bewegte.


Die Brustwarzen hart, gerichtet. Nicht weil es kalt war. Das war es nicht, auch nicht durch Zufall… Ich betrachtete sie wie eine Fremde. Ihre Schenkel waren kräftiger als meine. Ihre Hüften weich, geschwungen. Ein Hintern, der fast schon übertrieben voll wirkte, aber auf eine Weise, die zu ihr passte.

Sie war eine Sanduhr. Ich: ein Strich.

Ich war größer. Schlanker. Mein Hintern flach, meine Beine lang, aber sehnig. Die Brüste gerade groß genug, dass sie leicht fielen. Meine Brustwarzen klein, hell. Nichts an mir war übertrieben. Auch nicht besonders weiblich. Ich hatte mich nie gezeigt. Nicht so. Nicht mit diesem Mut, und vor allem nicht mit dieser Absicht. Vielleicht war das der Grund, warum ich mich nie über meinen Körper definiert hatte. Vielleicht, weil er nie genug hergab.

Nina war anders.


Sie wusste um ihre Form.


Und setzte sie ein.


Nicht kokett. Nicht billig.


Sondern als Instrument.

Ich hatte mich nie so genau mit anderen Frauen verglichen. Und auch wenn es niemand laut aussprach, spürte ich die Differenz.

War es das, was Henning wollte?


War es diese Form?


Nicht mein Körper. Sondern dieser?

Er positionierte sie.

Drehte sie leicht, dass ihr Becken zu mir zeigte. Ein offenes Arrangement. Wie in einem Lehrbuch. Wie in einem Stillleben. Ich wusste nicht, ob er mich verletzen, oder mir einen Gefallen tun wollte.

Ich konnte alles sehen.

Ihre Scham, den Kristall. Die glatte Haut.

Du würdest doch auch lieber mit Nina schlafen als mit mir? Oder?

Sie lag jetzt auf dem Rücken. Die Beine leicht gespreizt, eine Einladung, still und offen.

Ihre Schamlippen waren ungleich. Die inneren größer als die äußeren. Weich hervortretend. Das Fleisch etwas dunkler als der Rest ihrer Haut. Der goldene Ring an ihrer Klitoris glänzte still. Ein obszöner Blickfang. Und doch: nichts daran wirkte aufgesetzt.


Henning kniete sich auf den Boden und näherte sich ihr. Als er sie mit zwei Fingern spreizte, trat etwas Zartes zutage. Rosanes Fleisch, glatt, feucht glänzend. Ich musste an Himbeereis denken und kam mir dabei albern vor.

Kein Haar war zu sehen. Nicht einmal ein Schatten.


Auch das war eine Entscheidung. Vielleicht sogar ein Statement.

Und Du? Entspricht das Deinem Schönheitsideal?

Ich selbst hatte mich nie so genau betrachtet.


Hatte nie den Sinn darin gesehen, mich vollständig zu rasieren. Um auszusehen wie ein kleines Mädchen. Ich hatte mich gepflegt. Diskret. Aber niemals komplett enthaart. Ich fragte mich, ob Henning das attraktiv fand. Ob er Nina attraktiver fand. Ob ich mich hätte mehr bemühen müssen.

Ihm zuliebe.


Uns zuliebe.

Ich ließ den Blick sinken. Nahm das Glas in die Hand und schenkte mir langsam nach. Die Flasche war kalt. Unterhalb des Glashorizonts hatten sich feine Tropfen aus Kondenswasser gebildet.

Als ich die Flasche wieder absetzte, sah ich ihn: den feuchten Kreis, den sie auf dem Holz hinterlassen hatte. Ich sah ihn an, als würde er das perfekte Ensemble stören, während direkt dahinter zwei nackte Körper ineinander verschlungen waren. Meine Hand zuckte. Aus alter Gewohnheit.

Früher wäre ich aufgestanden. Hätte ein Tuch geholt, ihn weggewischt. Ohne Zögern, ohne Nachdenken.

Aber nicht heute.


Heute blieb er.


Ein Abdruck, der nicht störte.


Nur da war.

Nina entglitt ein Seufzen. Henning hatte jetzt zwei Finger in ihr. Spielte mit dem Daumen an dem Ring und an dem, was darunter lag. Er hatte jetzt auch den Kristall bemerkt. Rubinrot, eingefasst in Metall.

Er griff danach, ganz leicht. Zog ihn ein Stück heraus.

Man sah, wie sich der Anus langsam öffnete. Wie die dunkle Haut sich dehnte, fast, als würde sie atmen. Wie die feinen Fältchen sichtbar wurden. Dann ließ er den Plug wieder zurückgleiten, langsam und lautlos.

Ich konnte nicht wegsehen. Nicht wegen der Obszönität. Wegen der Offenheit. Ich hatte noch nie so direkt auf die Scham einer Frau geblickt.

Henning kniete immer noch zwischen ihren Beinen. Jetzt beugte er sich vor. Zog mit der Zunge einmal langsam durch ihren Schlitz. Von unten nach oben.

Ein Zucken durchlief Nina.

Ihr Körper spannte sich, ein Laut entwich ihr – kehlig, echt.


So also klang es, wenn jemand wirklich geil war.

Er blieb mit der Zungenspitze am Ring hängen.


Saugte daran.


Dann ließ er sie los.


Seine rechte Hand wanderte nach unten. Wieder dieser sanfte Zug am Plug, nur kurz vor dem Moment, an dem er herausgerutscht wäre.


Dann ließ er ihn wieder hineingleiten.

Langsam.

Minuten vergingen. Für mich fühlten sie sich an wie Stunden. Ich schenkte nach.

Seine Zunge verteilte ihre Feuchtigkeit. Er fuhr wieder durch ihren Schlitz, dann kreiste er um den Ring, wieder hinab, wieder hinauf. Manchmal saugte er an den inneren Lippen, zog sie lang. Das zarte Rosa trat hervor, Fleisch, das man eigentlich nicht zeigen sollte.

Aber Nina zeigte es.

Ganz.

Irgendwann legte sie ihm die Hände an den Kopf. Lenkte ihn. Nicht grob, aber entschieden. Sie begann ihn an sich zu reiben. Immer schneller.

Sie hatte jetzt die Kontrolle.


Kurze bellende Stöhngeräusche entwichen ihr, die Abstände immer kürzer.

„Ja…“


„Ja…“


„Jaaa…“

Ihr ganzer Körper spannte sich.

Ein Beben, dann ein Laut, dumpf, unkontrolliert.

Sie kam mit einem Laut, der mir neu war. Kurz, bellend, roh. Kein „Oh“, kein weiteres gestöhntes „Ja“. Nur dieser Laut. Und dann: Stille. Sie hielt seinen Kopf noch immer mit beiden Händen fest, ihr ganzer Körper bebte noch nach, zuckte noch zwei, drei Mal, während ihr Atem sich langsam normalisierte.

Sie lag noch immer auf dem Rücken, die Oberschenkel leicht gespreizt, den Kopf in ihren Händen, als hätte sie gerade ein Geschenk empfangen. Sie trug noch immer die Schuhe. Sie hatte sich gerade meinen Mann genommen. Mit Schuhen. Und sie war noch nicht fertig.

Als er sich löste, sah er kurz zu mir. Sein Gesicht glänzte feucht. Da war wieder dieser stumme fragende Blick, den er mir eben schon zugeworfen hatte. Ich antwortete nicht. Traute mich nicht mal zu atmen.

Nina schien nichts zu bemerken. Sie hob nur den Blick zu ihm, streckte die Arme nach ihm aus und zog ihn zu sich. Der Kuss, den sie ihm gab, war kein Dank. Es war eine Inbesitznahme. Ihre Finger zogen ihn nach oben, glitten herunter zu seinen Hüften, umfassten seinen Hintern und zogen ihn schließlich näher.

Er ließ es zu. Führte seine Hand über sie, erkundete sie. Ich sah, wie seine Eichel gegen ihre Lippen stieß. Wie sie sich öffneten – ein glänzender Spalt, tiefrosa, feucht.

Dann glitt er in sie.

Langsam. Mühelos.

Ich sah, wie ihre inneren Schamlippen sich um ihn legten, weich und voller als meine, glänzend im Licht. Auch der kleine Stein blieb sichtbar – dieser rot funkelnde Punkt in ihrer Mitte. Als Henning anfing sich zu bewegen, bewegte auch sie sich. Wie ein zweiter Rhythmus, verborgen, aber unübersehbar.

Und ich saß da, im Sessel, mit meinem Glas. Der Wein war mittlerweile warm geworden, aber ich trank ihn trotzdem.


Henning stützte sich jetzt mit beiden Händen neben ihren Hüften ab, bewegte sich ruhig, fast meditativ. Ich sah, wie ihre Brüste bei jedem Stoß mitwippten. Voll, weich, wie gezeichnet. Ihre Brustwarzen dunkel, groß, hart. Der Stecker im Nippel blitzte bei jeder Bewegung auf.

Sie war ganz in ihrem Körper, ganz darin versunken.


Henning auch.


Und ich?


Ich sah zu.

Plötzlich spannte sich ihr Körper, sie krallte sich an seine Hüften, ihre Oberschenkel zogen sich enger um ihn. Dann, mit einer einzigen, flüssigen Bewegung, rollte sie sich zur Seite, zog ihn mit – und setzte sich auf ihn.


Er ließ es geschehen.

Sie warf mir noch einen kurzen Blick zu, der mich nochmal schmerzhaft an meine Rolle erinnerte, dann richtete sie sich auf, das Becken gleich mit, ihre Hände auf seiner Brust. Ihre Bewegungen waren kontrolliert, wie in Zeitlupe. Ihre Hüften kreisten, langsam erst, dann auf und ab, ganz tief.

Ich sah es. Jedes Detail.

Sah, wie sein Glied in ihr verschwand und wieder hervorglitt. Sah den feuchten Glanz zwischen ihren Beinen, sah den kleinen roten Rubin, der bei jedem Stoß kurz aufblitzte. Sah, wie ihre Pobacken sich dehnten und wieder zusammenzogen.


Und alles daran wirkte… vollkommen.

Ich hob mein Glas. Der Wein war nicht mehr ganz kalt, aber er half. Ich trank einen Schluck. Stand auf. Langsam.


Und begann mich zu bewegen. Ging um das Bett herum.

Glas in der rechten Hand. Kein Wort. Nur der Blick.

Der Klang meiner Absätze hallte durch den Raum, im Takt mit dem Klatschen von Fleisch auf Fleisch. Und Ninas Stöhnen.


Sie ritt ihn jetzt schneller. Stützte sich mit beiden Händen auf seiner Brust ab. Ihr Rücken war gerade, ihr Körper eine Welle. Henning stöhnte. Seine Hände fanden ihre Brüste, kneteten sie. Dann der rechte Daumen: er spielte mit dem kleinen Stecker in ihrer Brustwarze.

Sie schloss die Augen, warf den Kopf zurück. Ihre blonden Haare lösten sich, fielen über ihre Schultern. Dann leckte sie sich über die Lippen, stöhnte kehlig und rieb sich härter an ihm. Ihre Nägel – rot, lang, perfekt lackiert – kratzten über seine Brust. Nicht grob, aber bestimmt.

Ich sah die feinen Striemen, wie sie sich sofort rot auf seiner Haut abzeichneten.


Sie wollte Spuren hinterlassen.

Beweise.

Dann glitt seine rechte Hand an ihren Hals. Erst sanft, tastend.


Sie presste ein „Fester“ heraus, heiser, fast schon inständig.

Und er gehorchte.

Ihre Hände glitten zu seiner. Krallten sich in seinen Arm, als wolle sie ihn lösen. Und presste doch ein weiteres, kratziges „Ja… noch fester“ heraus.

Ich saß wieder auf dem Stuhl. Das Glas in der Hand, leer. Ich wusste nicht, warum ich es noch festhielt. Ich stellte es nicht ab.


Sie wechselten die Position.

Henning glitt unter ihr hervor, richtete sich halb auf. Nina spreizte die Beine, legte die Knie angewinkelt neben ihren Kopf. Wie Schwingen. Ihr ganzer Körper war geöffnet. Er senkte sich über sie. Langsam, mit einem Blick zu ihr. Sie nickte kaum sichtbar. Er zögerte nicht und glitt sofort bis zum Anschlag in sie hinein, dann fing er an sich zu bewegen. Schnell. Sein Becken stieß gegen ihres. Das Geräusch: feucht, fleischig, rhythmisch. Ein gleichmäßiges Klatschen. Immer wieder. Immer härter.

Henning knurrte leise. Ein dunkler, vibrierender Ton aus seiner Kehle. Nina japste. Erst kurz, dann schneller. Ihre Töne wurden heller, bellend fast. Das Klatschen ihrer Körper wurde zum Takt.

Hypnotisch.


Unaufhaltsam.

„Ja… ja… jaaa…“

Sie schrie in Ekstase.

„Noch ein bisschen…“, stieß sie hervor. Keuchend.


„Ich… Ich komme… ich…“


Ein letzter tiefer Stoß. Sein Körper spannte sich. Dann Stille. Nur ihr Atem. Sein Atem. Kein Wort.


Ich hingegen wagte es kaum zu atmen.

Und Du? Gefällt es Dir mich so zu sehen? Gefangen in meiner selbst ausgedachten Männerphantasie?

Henning blieb über ihr, gestützt auf die Unterarme. Er beugte sich herab. Streichelte ihr über das Haar, strich ihr eine Strähne hinters Ohr. Zärtlich. Fast liebevoll. Nina hatte die Augen geschlossen. Ein Lächeln auf den Lippen. Keins für ihn oder für mich. Ein Lächeln in sich.

Sie schnurrte.


Wie ein Kätzchen.

Die Geste traf mich wie ein Stich.


Ich hatte nicht gewusst, wie sehr ich mir das gewünscht hatte. Nicht den Sex, nicht das Spiel.


Nur diese Geste.

Eine Hand, die mein Gesicht berührt. Ohne Absicht. Ohne Drängen.

Nur weil ich da bin.

Ich fragte mich, ob es diese Art von Nähe nur nach dem Sex geben kann. Ob man sie sich verdienen muss. Mit Schweiß. Mit Haut. Mit Lauten.

Mit Hingabe und Körperflüssigkeiten.

Vielleicht. Vielleicht aber auch nicht. Vielleicht kann es wieder so sein. Jetzt.

Nach dieser Nacht.

Vielleicht würde er mir irgendwann wieder die Haare aus dem Gesicht streichen.

Einfach so.


Weil ich es bin.


Und nicht, weil er etwas will.

Als Henning von ihr herunterkletterte, zog er sein Glied mit einem lauten Schmatzen heraus. Nina blieb mit gespreizten, abgewinkelten Beinen liegen. Ich hatte immer noch einen offenen Blick auf sie. Sah die geschwollenen Schamlippen, den goldenen Ring und wie eine Mischung aus Körperflüssigkeiten sich langsam seinen Weg in Richtung Rubin bahnte.

Plötzlich war ich froh, doch nicht an ihrer Stelle zu sein.

Henning stand auf. Ohne ein Wort zog er ein Papiertuch aus der Box auf dem Nachttisch und reichte es ihr. Nina nahm es kommentarlos, wischte sich zwischen den Beinen ab, flüchtig, routiniert, dann richtete sie sich auf. Ihr Kleid lag noch da, wo sie es hatte fallen lassen, mit dem Sabberfleck am Ausschnitt. Sie hob es auf, schüttelte es einmal aus und streifte es sich über, als wäre es ein Morgenmantel.

Dann ging sie zu Henning, küsste ihn auf die Wange. Eine beiläufige Geste. Fast liebevoll. Und dann beugte sie sich herunter zu mir. Ihr Kuss war federleicht, traf meine Wange kaum. Eine Geste der Diplomatie. Oder des Triumphes. Vielleicht auch beides.


Ich erstarrte.

Sie knöpfte das Halsband auf. Legte es neben mein leeres Glas auf den Beistelltisch. Es lag da wie ein Symbol, seiner Funktion beraubt.

Ein Artefakt.

„Ich gehe jetzt. Ihr habt sicher einiges zu bereden.“

Ihre Stimme war weich. Ruhig. Professionell fast. Dann, als niemand etwas erwiderte: „Ich finde allein raus.“

Sie sah mich an. Ihr Lächeln war weich. Klein. Kontrolliert und wissend. Vielleicht auch etwas schwermütig. Ein Blick, der sagte: Ich war hier. Aber ich war die, die blieb.

Dann wandte sie sich ab. Ihre Absätze klickten leise auf dem Dielenboden. Lauter noch als bei ihrer Ankunft. Selbstbewusster. Die gleichen Absätze, die sich in mein Laken gedrückt hatten, trugen sie nun hinaus. Und mit jedem Schritt nahm sie etwas mit, das uns einmal gehört hatte. Etwas, das wir nicht zurückholen konnten. Ich hörte die Wohnungstür. Ein Luftzug. Dann: Stille.


Henning lag wieder auf dem Rücken, die Augen geschlossen. Er war nicht eingeschlafen, aber er war weg. Er war satt.

Ich ging zum Bett, fasste den Stoff des Lakens. Dort wo die roten Sohlen gewesen waren, war die Baumwolle leicht gekräuselt. Ein feuchter Fleck schimmerte im gedämpften Licht, wo die beiden eben noch gelegen hatten. Ich ließ das Laken los, als wäre es verbrannt.

Ich schlafe nicht hier.

„Wir reden morgen“, sagte ich leise. Er nickte, die Augen noch geschlossen. Brummte ein leises, zustimmendes „Mhm“

Ich ging ins Arbeitszimmer. Dort lagen die Klassenarbeiten noch auf dem Schreibtisch, penibel geordnet. Die Kissen auf der Couch waren fest. Ich legte mich an die Seite, das blaue Kleid noch an. Ich schloss die Augen nicht.

Die Nacht war lang. Ich fand keinen Schlaf, nur das kalte Beben der Eifersucht. Es war nicht die Angst ihn an eine andere zu verlieren, die mich zerriss. Es war die Eifersucht auf Ninas Fähigkeit zur Hingabe; auf den bellenden, echten Laut, der mir selbst immer verwehrt blieb.

Ich war die Architektin der Ordnung. Und jetzt war ich eingesperrt im kältesten Raum meines eigenen Entwurfs.

***

Ich roch Kaffee. Rührei. Frisch gebratenen Speck und Baked Beans.


Die Fenster waren gekippt, der Dunst war fort.


Die Nacht war vorbei, aber sie war nicht vergangen.

Ich richtete mich auf. Trug nur eins seiner T-Shirts, das er irgendwann hier gewechselt haben musste, und meine Unterwäsche. Ich wollte nicht nochmal in den Raum eindringen, in dem ich meinen Ehebruch inszeniert hatte, nur um meinen Pyjama zu holen.

Ich ging ins Bad. Spülte mir das Gesicht.


Ich vermied den Blick in den Spiegel.

Im Schlafzimmer war das Bett gemacht.


Die Bettwäsche gewechselt, die Decke glattgezogen.


Keine Flecken. Kein Geruch. Keine Beweise. Alles wie immer.

Oder?

Nur das Protokoll: abgehakt. Check.

Henning stand am Herd.


Ein Geschirrtuch über der Schulter.


Eine Karaffe Orangensaft auf dem Tisch, alles gedeckt.


Er lächelte, als er mich sah.


Ganz der Mann. Pflicht getan. Und nun mit gutem Gewissen zum nächsten Tagesordnungspunkt.


Er trat zu mir, küsste mich auf die Stirn. Sein Atem roch nach Kaffee. Nicht nach ihr.

„Morgen,“ sagte er.


„Wie hast du geschlafen?“


Ich nickte.


„Gut.“

Eine glatte Lüge, poliert wie das Glas vom Abend zuvor.

Er setzte sich, begann zu frühstücken.


Die Uhr über der Tür tickte. Der Alltag kehrte zurück. Wie ein Gast, der draußen gewartet hatte.


Ich sah ihn an.


Seine Schultern, sein Gesicht. Den Schatten auf der Wange.

Und dann den Blick,


der nie auf mir ruhte.


Nur auf dem Rührei.

Ging er davon aus, dass alles gut war?


Weil ich nichts sagte?


Mich nicht traute etwas zu sagen?


Weil es mein Vorschlag war?

Ich nahm einen Schluck Kaffee. Er war bitter. Ich hätte fragen können:


Hat es dir gefallen?


Hast du sie gespürt?


War sie besser?


War sie freier?

Aber ich fragte nicht.


Weil ich Angst vor der Antwort hatte.


Weil ich sie insgeheim schon kannte.


Weil sie stimmte.


Und weil sie nichts änderte.

Ich sah auf meine Hände.


Sie lagen still auf dem Tisch.


Sie hatten nichts gehalten, nichts geführt.


Ich hatte die Leine übergeben.


Ich hatte zugesehen.


Ich hatte alles gesehen.


Und jetzt saß ich da.


In meiner eigenen Wohnung.


In meinem eigenen Entwurf.

Du hast alles gesehen.

Du hast die Architektur gebaut, das Protokoll genehmigt, hast über jeden Makel geurteilt.

Und Du hast nichts gesagt, als die Leine übergeben wurde.

Jetzt sitzt Du hier, am Ende des Protokolls.

Und während du das hier liest – sag mir:

Was hättest Du getan?

Kommentare


SusiMPaul
dabei seit: Nov '13
Kommentare: 24
schrieb am 15.11.2025:
»Die Geschichte selbst harte Kost. Die Sprache und die Beschreibungen herausragend!«

chris44267
dabei seit: Jan '07
Kommentare: 43
chris44267
schrieb am 15.11.2025:
»Sehr schön geschriebene Geschichte.«

hinvort
dabei seit: Feb '03
Kommentare: 5
schrieb am 15.11.2025:
»Super, jetzt fehlt noch die Auflösung.. Wie geht's weiter?«

Carlo17
dabei seit: Nov '00
Kommentare: 11
schrieb am 16.11.2025:
»Gut,wre man es von der Autorin gewohnt ist. Auch die zwischentöne kommen gut rüber.«

tom91207
dabei seit: Aug '02
Kommentare: 221
schrieb am 16.11.2025:
»Eine spezielle Geschichte. Ich muß sagen, sie wäre in einem psychologischen Forum besser aufgehoben. Es gibt Probleme auf der Welt, aber ich will gerade hier von diesen Problemen nichts lesen.
Sevac hebt meistens meine Stimmung, dafür vielen Dank an alle Autoren.«

salamander69
dabei seit: Apr '05
Kommentare: 257
schrieb am 16.11.2025:
»Schwieriges Thema sprachlich hervorragend erzählt. Vielleicht in der falschen Kategorie oder vielleicht auch nicht.

Was hättest Du getan? Keine Ahnung. Fällt schwer, sich in Hennings Frau zu versetzen, auch wenn deren Innenleben gut geschildert wird. Hat sie denn ein Gefühlsleben?«

M_Ist_Er
dabei seit: Jul '22
Kommentare: 23
schrieb am 17.11.2025:
»Eine außergewöhnliche Geschichte. Mir hat es sehr gut gefallen. Ich bin auf die Auflösung gespannt. Worin findet sie ihre Lust.«

Exhasi
dabei seit: Dez '04
Kommentare: 492
Exhasi
schrieb am 18.11.2025:
»Ja, die Geschichte ist in der falschen Kategorie, aber es gibt ja hier nicht die Kategorie Cuckquean, was sehr wahrscheinlich daherkommt, da es nur selten vorkommt, dass eine Frau in die Rolle eines Cuckold schlüpft.

Ich kann mich nur den Kommentaren anschließen:

Die Sprache und die Beschreibungen ist herausragend

Sehr schön geschriebene Geschichte

Die Zwischentöne kommen gut rüber

Sprachlich ist sie hervorragend erzählt

Aber die Erotik kommt meiner Erachtens zu kurz. Seine Frau schaut zu und empfindet nicht wirklich etwas dabei. Der Akt wird mehr oder weniger nur geschildert, dass ist mir persönlich zu wenig.

Meine Wertung: Inhalt 10, Stil 10, Erotik 4«

blauteufel
dabei seit: Okt '25
Kommentare: 1
schrieb am 18.11.2025:
»Volltreffer...«

YaCD
dabei seit: Apr '17
Kommentare: 7
Crossdressing Writer
schrieb am 19.11.2025:
»Mich hat die Geschichte irgendwie gefangen, obwohl ich sonst dem Konzept Cuckold nicht viel abgewinnen kann. Die eigene Gefühllosigkeit beim Sex und auch beim Zuschauen ist intensiv beschrieben, was nach Auflösung quasi schreit. Tolle Idee und toll umgesetzt!«

pit_s
dabei seit: Aug '06
Kommentare: 41
schrieb am 20.11.2025:
»Ich finde die Geschichte toll und auch das offene Ende ohne Auflösung ganz sinnig - eine Auflösung müsste sich entscheiden... sehr ansprechend
Der Kommentar weiter oben deutet an, dass es weitere Geschichten dieser Autorin(dieses Autors?) gibt... wo?«


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