Gewaltakte - Kapitel 7
von Dusty
Freitag
Zerstreut goss ich die Blumen und Pflanzen in meiner Wohnung. Ausnahmsweise war es nicht Gregor, der mich beschäftigte. Jedenfalls nicht direkt. Vor ein paar Minuten hatte ich mit meiner Mutter telefoniert. Sie machte sich Sorgen um mich und tief in meinem Herzen wusste ich, dass sie allen Grund dazu hatte.
Während des Telefonats hatte ihre Stimme die übliche Nüchternheit gewahrt, die alle meiner norddeutschen Verwandten auszeichnete. Wenn ich mich gut konzentrierte, dann konnte ich das auch. Nur war Konzentration in diesen Tagen ein seltener Luxus. Ich ließ mich von ihren indirekten Fragen schnell reizen und gab meiner Mutter launische Antworten. Das bestärkte sicherlich nur ihren Verdacht, dass etwas mit mir nicht stimmte. Da ich allerdings nicht mit der Sprache heraus rückte, musste sie am Ende ohne neue Erkenntnis das Gespräch beenden. Mir war klar, dass sie schon bald nur um so intensiver nachforschen würde.
Das bohrende Insistieren meiner Mutter halte noch in meinen Ohren nach, als das Gespräch längst beendet war. Ich spürte leichten Kopfschmerz verspürte keine Lust nach ausdauernder Hausarbeit. Zumindest die Grünpflanzen wollte ich aber nicht vertrocknen lassen.
Dabei war meine Mutter nicht die einzige, die Veränderungen in meinem Wesen bemerkt hatte. Noch mehr Sorgen machte mir Andrea, Gregors Tochter. Meiner Mutter konnte ich notfalls aus dem Weg gehen. Aber Andrea sah ich jeden Tag in der Schule. Ihr großer Freundeskreis und ihre lebenslustige Art verhinderten anfangs, dass sie auf unser früheres Gespräch über einen möglichen neuen Freund zurück kam. Zudem blieb sie taktvoll wie immer und drängte mich nicht. Jedoch war sie eine Frau und es blieb allein eine Frage der Zeit, bis ihre Neugier über ihre Zurückhaltung siegte und sie mehr wissen wollte. Mein schlechtes Gewissen ihr gegenüber wuchs jeden Tag und instinktiv begann ich direkte Gespräche mit ihr zu vermeiden.
Dabei wollte meine gequälte Seele am liebsten alles heraus schreien und ihr gestehen, was ich hinter ihrem Rücken tat. Doch zugleich lähmte ein unbekannter innerer Abwehrmechanismus meine Zunge und verhinderte die fatale Offenbarung. Durch die Ablenkung im hektischen Schulbetrieb ging das ein paar mal gut. Aber dann bemerkte ich zu meinem Schrecken erstmals, wie sich nach einem erneuten holprigen Gespräch Andreas leuchtende Augen nicht von meinem Gesicht lösten. Sie musterte mich, wie so oft ein verklärtes Lächeln mit ihren hübschen Mundwinkeln ausdrückend.
Obwohl ihr Blick völlig unaufdringlich, ja sogar von geradezu betörender Ruhe war, empfand ich mich als völlig entblößt. Mit jeder Zehntelsekunde entblätterte sie meine Seele ein kleines Stück mehr und drang gefährlich weit in das stürmische Zentrum meiner sorgsam verborgenen Psyche vor. Ihre Augen brandeten gegen meine inneren Schutzwälle wie übermächtige Heere, welche die Wälle einer mittelalterlichen Stadt im Sturm zu nehmen suchten. Und ich stand kurz vor dem Fall.
Ich konnte mir gut vorstellen, dass sie in diesem Moment ahnte, wie nahe ich dem Zusammenbruch war. Es war ein Zeugnis von Andreas ganz besonderen Größe, dass sie im letzten Augenblick zurück zog. Sie verhielt sich wie ein Feldherr, der dem schwächeren Gegner Großmut zeigte. Die letzten Mauern riss sie nicht nieder und senkte ihren Blick. „Ich will dich nicht drängen Kleines.“ flüsterte sie auf den Boden schauend. „Aber wenn du meine Hilfe brauchst oder ich etwas für dich tun kann, dann komm zu mir.“
Als eine salzige Träne sich aus meinem Augenwinkel löste, hatte sich Andrea bereits abgewendet. Die Träne glitt langsam über meine Gesichtshaut, bis ich sie mit einem Finger auffing. Ich musste unwillkürlich an Gregors Ausführungen über das Wesen der Tränen denken, die Symbiose von Feuer und Wasser, das Dinglichwerden von Gefühlen. Gregor hatte recht. Das Feuer war gefangen in der Träne. Und es starb mit ihr. Ich fragte mich, zu wie vielen Tränen ich fähig sein würde.
Ich holte neues Wasser. Während es rauschend aus dem Wasserhahn im Bad hinein in die Gießkanne strömte, beobachtete ich die kleinen Spritzer. Starben die Tränen wirklich? Oder lebten sie weiter in den Flüssen, Seen und Ozeanen? War der Sonnenuntergang und Sonnenaufgang am Horizont das Leuchten der Ewigkeit, der ewige Kreislauf von Leben und Sterben, das erst durch die Gefühle einen Sinn bekam?
Mir war vollkommen klar, dass ich auf dem besten Weg war jede Kontrolle über mein Leben zu verlieren. Ich schlief mit dem Vater meiner besten Freundin, belog meine Mutter und mehr noch, ich ließ mich auf Gregors geheimnisvolle Manipulationen ein. Er umgab mich gefügig mit seinem männlich Charme, seiner reifen Intelligenz und erlaubte ihm mich auch mental mit seiner Rätselhaftigkeit zu verführen. Und es war mir vollkommen egal. Ich unterwarf mich widerstandslos seinem Einfluss. Das einzige, was ich nicht exakt bestimmen konnte, drehte ich um die Frage was von all diesen Fakten das Schlimmste war. Die Tatsache meiner Hilflosigkeit oder das Faktum der definitiven Egalität.
Statt für Klarheit in meinem Kopf zu sorgen ließ ich mich lieber treiben. Wie auf Zauberschwingen getragen flogen dabei meine Gedanken sechs Tage in der Zeit zurück, als ich Gregors Einladung zum Galeriebesuch angenommen hatte.
Nach dem Rundgang durch die Galerie, bei der mein Gastgeber so talentiert seine Kunst der angenehmen und stets fesselnden Unterhaltung demonstrierte, nahmen wir einen Imbiss im Empfangsbereich des Hauses ein. Dort hatte zwischenzeitlich ein sehr exklusiver und vermutlich sündhaft teurer Partyservice ein bemerkenswertes Buffet aufgefahren.
An Gregors Seite sprach ich dort mit vielen Gästen, die allesamt einen überaus distinguierten Eindruck bei mir hinterließen. Es gehörte wenig Fantasie dazu mir vorzustellen, dass die überwiegende Mehrheit meiner und seiner Gesprächspartner mindestens zur gesellschaftlichen Elite der Stadt gehörten.
Dennoch blieben sie mir letztlich unbekannt. Denn anders als zuvor der Galerist Rafael erkundigte sich niemand nach meinem Namen oder stellte sich seinerseits vor. Auch Gregor tat nichts dergleichen und ich gewann den verwunderlichen Eindruck, dass keiner der Anwesenden die sicherlich auffällig junge Begleitung an Gregors Seite in Frage stellte.
Am frühen Abend brachte Gregor mich schließlich nach Hause. Schon in seinem Auto spürte ich die plötzliche Veränderung in seinem Wesen. War er zuvor noch ein galanter Gastgeber, so kam er mir in seinem Auto mehr wie ein lauerndes Raubtier vor. Die Aussicht, dass ohne jeden Zweifel ich seine Beute sein würde, jagte mir angenehme Schauer den Rücken herunter.
Bei meinem Wohnblock angekommen folgte mir Gregor wie selbstverständlich nach oben. Ich hatte ihn nicht eingeladen. Trotzdem begleitete er mich mit der Unbeirrtheit des Jägers, der seinem Weg im unerschütterlichen Glaube an den nahen Erfolg folgte.
Auf der Treppe hinauf zu meiner Wohnung begannen mir die Beine zu zittern und es kostete mich große Mühe mit meinen unruhigen Händen die Wohnungstür zu öffnen. Als dann hinter uns die Tür ins Schloss fiel verschwendete Gregor keine Sekunde mehr.
Noch im Flur drückte er mich an die Wand, um mir nur ein paar Herzschläge später die Kleidung kraftvoll vom Leibe zu reißen. Während er seiner angestauten Aggression freien Lauf ließ, erinnerte mich die Szene fatal an den Film „Basic Instinct“, in dem Michael Douglas die Schauspielerin Jeanne Tripplehorn nach einem gemeinsamen Barbesuch regelrecht vergewaltigte. Im Unterschied zu ihr genoss ich jedoch jede Sekunde von Gregors Wildheit.
Er nahm mich noch im Flur das erste mal. Dazu drückte er mich an der Wand und schob seine Knie verlangend zwischen meine Beine. Widerstandslos gab ich sofort seinem Drängen nach und erlaubte ihm ungestüm zwischen meinen weit gespreizten Beinen einzudringen. Beide Hände schloss er zugleich um meine Brüste und stemmte mich daran, wie an Griffen gehalten, nach oben.
Nach diesem ersten hart und schnell ausgeführten Akt zog er mich ins Schlafzimmer, wo ich ihn oral befriedigen musste. Dabei störte mich auf seltsame Weise weder die Tatsache, dass ich noch nie einem Mann einen geblasen hatte, noch mein eigener Liebessaft, der vom Geschlechtsverkehr im Flur an seinem Glied haftete. Hingebungsvoll besorgte ich es ihm. Als er abspritzte schluckte ich seinen Samen beinahe ohne zu zögern.
Mit großer Ausdauer und noch immer bewundernswerter Kraft nahm er mich nach einer kurzen Pause in der Missionarstellung.Dabei ritt er mich buchstäblich wie ein wildes Pferd, das es einzubrechen galt. Vor allem meinen Brüsten ließ er keine Schonung angedeihen. Seine Hände waren dort stets präsent und seine Phantasie schien beim Spiel mit meinen Lustkugeln keine Grenzen zu kennen.
Erst nach diesem Gewaltakt schien seine Kondition ihre Grenzen zu finden. Er sank nach dem Samenerguss beinahe augenblicklich auf mich. Unsere vollkommen verschwitzten Körper schmiegten sich aneinander und für eine Weile lauschten wir beide dem rasselnden Atem des jeweils anderem.
Nach einer gut halbstündigen Atempause musste ich dann auf ihn steigen und mich dabei selbst mit seinem harten und imposanten Glied penetrieren. Jetzt erwartete Gregor, dass ich die Arbeit übernahm. Und seine Erwartungen waren nicht bescheiden, wie er mir durch vulgär auffordernde Klatscher mit der flachen Hand auf Brüste und Hintern nachdrücklich zu verstehen gab.
Es fiel mir nicht leicht seinen Forderungen nachzukommen, da er mich schon zuvor ziemlich heftig heran genommen hatte. Auf seltsame Art erregte mich jedoch erneut sein grobes und geradezu unverschämt schamloses Verhalten. Seine vulgären Äußerungen, die imvölligen Gegensatz zu seiner sonstigen geschliffenen Ausdrucksweise standen, waren am Ende das Salz des neu aufkochenden Liebesgerichts. Sie reizten mich meine Schamhaftigkeit wie einen überflüssigen Mantel abzuwerfen.
Nur auf das primitive Ziel fokusiert meinem dominanten Liebhaber zu gefallen, ließ ich mich vollkommen gehen. Ich pfählte mich auf seinem Glied im ständig steigenden Tempo und erlaubte ihm jede zügellose Freiheit zur Behandlung meines Körpers.
Gregor knetete immer härter meine Brüste und schrie mich im Wahnsinn der Lust schließlich hemmungslos an. Ich gab alles und bescherte ihm Sex jenseits normaler Vorstellungskraft. Das galt zumindest für die Normen, die ich kannte.
Wir kamen beide zusammen. Ich kann nicht mehr sagen, wer von uns dabei lauter brüllte. Das ganze Haus musste es gehört haben. Ich spürte seinen Schwanz tief in meinem Leib zucken. Dazu presste ich fest meine Schenkel zusammen, um ihn so lange wie möglich in mir zu halten. Als schließlich alles vorüber und jede Energie genommen war, sank ich völlig erschöpft in das Laken und dämmerte sehr schnell hinüber in einen Zustand zwischen Tiefschlaf und Wachtraum. Dabei bekam ich noch mit, wie Gregor die Bettdecke vorsichtig über meinen geschunden und verausgabten Körper ausbreitete. Danach fehlte mir aber jede weitere Erinnerung. Ich entschlummerte sanft hinüber in traumlose Nacht.
Als ich am nächsten Morgen aufwachte, war Gregor bereits ohne eine Nachricht verschwunden. Die Schmerzen von seiner rauer Behandlung vom vorherigen Abend zumindest hatte der tiefe Schlaf komplett hinweggefegt.
Mental gesehen empfand ich mich als leer, richtiggehend ausgepumpt. Diese Leere stand in einem interessanten Kontrast zu meiner körperlichen Frische. Ich fühlte mich völlig entspannt und physisch vollständig regeneriert. Der Ausdruck „gut gefickt“ schoss durch meine Gedanken.
Die ganze Woche hindurch hörte ich nichts von Gregor. Es war eine willkommene Atempause, die mir Zeit gab mich neu zu sortieren. Aber immer sehnte sich ein Teil meines Herzens nach einer Nachricht von ihm. Ich sollte sie erhalten.
Ich war gerade erst zu Hause angekommen, als Gregor anrief. Ich wusste sofort, dass er es war. Der Klang seiner Stimme löste bei mir unsägliche Erleichterung aus. Nie zuvor hatte ich intensiver gespürt, wie sehr es mich zu ihm hinzog.
Er war wieder ganz der galante Gentleman, gewürzt mit einem Schuss abenteuerlicher Verwegenheit. Ohne ein Wort über unsere letzte Nacht zu verlieren fragte er mich, ob mich ich mich noch an seinen Wunsch ein Bild von mir anfertigen zu lassen erinnern könne.
Natürlich konnte ich das.
Gregor zeigte sich zufrieden und fragte mich, ob er mich am frühen Abend abholen könne. Wozu, das erklärte er nicht.
Ich stotterte aufgrund der Überraschung und ärgerte mich sogleich darüber.
Gregor half mir nicht mit Aufklärung über meine Unsicherheit hinweg und erwartete offensichtlich eine blanko Zusage.
Wieder wunderte ich mich, wie er auf so einfache Weise mich zu beherrschen und zu dirigieren verstand. Da ich keine wirklichen Optionen ziehen konnte, willigte ich ein.
Gregor beendete daraufhin das Gespräch und bat mich bei Sonnenuntergang vor der Tür auf ihn zu warten.
Nur Sekunden nachdem ich das Telefon aus der Hand gelegt hatte, schalte ich mich selbst eine wirklich dumme Gans zu sein. Ich hatte keine Ahnung, wohin Gregor mit mir wollte. Ich wusste nicht, was ich anziehen sollte und ich hatte auch keinen Schimmer, wann ich wieder zu Hause sein würde. Ich wusste nicht einmal die genaue Uhrzeit, wann er mich abholen wollte und all das akzeptierte ich völlig unerklärlich ohne den geringsten Widerspruch. In idiotischer Selbstaufgabe stellt ich meine eigenen Interessen hinter die von Gregor.
In diesen inneren Zustand der Hilflosigkeit platzte dann der höchst unwillkommene Anruf meiner Mutter. Es war kein Wunder, dass sie jetzt wohl erst recht alarmiert war. Ich musste mich ablenken, so viel stand fest. Am leichtesten war das mit der Ursache meines desolaten Gesamtzustandes, den Gedanken an Gregor.
Ein wohliges Schaudern überflutete mich wie die seismischen Wellen eines Nachbeben. Die Erinnerung an den Sex mit Gregor war gegenwärtig der einzige Halt und ermutigender Lichtblick sogleich. Im Moment konnte ich mir überhaupt nicht vorstellen, das jemals jemand anderes mich derartig befriedigen könnte. Ich wendete mich der letzten Pflanze zu. Dann musste ich eine Entscheidung hinsichtlich der Kleidung für den Abend treffen.
Die Zeit verflog schnell und zwei Stunden später stand ich erwartungsvoll vor der Haustür. Meine Augen suchten links und rechts die Straße nach einem Zeichen von meinem Liebhaber ab. Hinsichtlich der Garderobe war ich einen unverfänglichen Kompromiss eingegangen. Ich hatte einen bis an die Knie reichenden roten Rock angezogen. Er betonte meine Beine ohne dabei gewagt zu erscheinen. Dazu trug ich offene schwarze Schuhe mit erhöhten Absatz. Sie hatten eine schlanke Form und eigneten sich außer für sportliche Aktivitäten zu fast jedem Anlass.
Für die Oberbekleidung wählte ich ein weißes Shirt, über das ich ein zum Rock passendes,in verschiedenen roten und weißen Tönen kariertes Hemd trug. Dessentaillierter Schnitt schmiegte sich eng an meinen Körper. Ich schloss nur zwei Knöpfe unterhalb des Busens und ließ das Hemd ansonsten offen. Dadurch entstand eine Art V-Ausschnitt, der mein Dekolletee attraktiv betonte.
Mit der einbrechenden Dunkelheit wehte ein kühler Luftzug durch die Häuserschlucht, der mich leicht frösteln ließ. Ich wollte schon nochmal nach oben gehen, um eine Jacke zu holen, als Gregors Wagen endlich auftauchte. Langsam schob sich seine große Limousine heran und stoppte direkt neben mir am Straßenrand.
Ich öffnete die Beifahrertür und stieg in das Auto.
Gregor trug ein nachdenkliches, fast schon verklärtes Lächeln auf dem Gesicht. Ich kannte das gut von seiner Tochter. Der Gedanke an sie versetzte mir sogleich einen leichten Stich.
Ihr Vater musterte mich kurz und nickte dann leicht. Ich durfte diese Geste wohl als Zustimmung zu meiner Kleiderwahl verstehen. Ohne ein Wort zu sagen fädelte er sichwieder in den träge dahin fließenden Verkehr ein.
Ich erkannte, dass Gregor im zügigen Tempo stadtauswärts fuhr. Über den DVD-Player spielte er sehr leise esoterische Klänge ab. Er sprach noch immer kein Wort. Aber die sanften Klänge aus der Stereoanlage überlagerten auf angenehme Weise die Stille und entspannten sie.
Eine Weile fügte ich mich in die Sprachlosigkeit. Doch meine Neugier und ein wenig auch aufkeimende Unruhe drängten mich zum Sprechen. Ich sah hinüber zu meinem Fahrer.
Im vollkommen gelöster Haltung saß er hinter dem Lenkrad. Mit Sicherheit war er kein aggressiver Fahrzeugführer. Das entsprach nicht seinem Naturell und hätte auch nicht zu seiner stets demonstrativ zur Schau gestellten Überlegenheit gepasst. Er strahlte eine Selbstbeherrschung aus, die ihn aus der Masse ragen ließ.
Noch immer dieses rätselhafte Lächeln im Gesicht blickten seine Augen nach vorn. Es war fast so, als würde er meine Anwesenheit gar nicht wahrnehmen.
Schließlich hielt ich es nicht länger aus und sprach ihn an. „Die Ausstellung vom vergangenen Wochenende war sehr interessant.“ Ich bemühte mich möglichst ruhig und unverfänglich zu sprechen. Ich hoffte einen Plauderton zu treffen, der Gregor zum reden animierte. Tatsächlich ging es mir gar nicht um die Ausstellung, sondern mehr um seine Andeutungen über das Aktbild, das er von mir wollte. Darüber hätte ich gerne mehr gehört.
Nach der Eröffnung seines Wunsches, der den Vortrag über die Mona Lisa so überraschend beendete, verlor er kein weiteres Wort mehr zu diesem Thema. Erst der Anruf heute Mittag verriet, dass er diese Idee weiter verfolgte.
Gregor sah kurz zum mir. Doch sofort richte er seine Augen wieder nach vorn auf die Straße. Er wollte den von mir hingeworfenen Ball so leicht nicht aufnehmen.
Im Gegenzug wollte ich mich nicht so schnell geschlagen geben. „Wer war die schwarzhaarige Frau, mit der sie sich in der Galerie unterhielten?“ Ich hoffte ein Thema zu finden, das ihn zum Sprechen verleiten würde und hatte mehr zufällig als wohl überlegt diese Frage gestellt.
Gregors Lächeln verschwand. Er sah weiter nach vorn. Doch die Veränderung in seinem Mimik war mir nicht entgangen. Für einen Augenblick verhärteten sich sogar seine Gesichtszüge, ehe sie zurück zu einem nachdenklichen Ernst fanden.
Ein wenig war ich erschrocken über diese kaum merklichen Veränderungen, die dennoch auf ein sehr bewegendes Geheimnis schließen ließen. „Ich wollte ihnen nicht zu nahe treten.“ beschwichtigte ich Gregor, erstaunt über seine Reaktion.
Ganz leicht begannen seine Zähne unter der Haut zu malen. Es schien, als suche er nach Worten. Schließlich sah er wieder zu mir. In seinen Augen meinte ich ein Schimmer von Schmerz zu erkennen, aber auch einen Hauch von Hass. Der Blick war verstörend, zumal ich etwas ähnliches bei Gregor nie zuvor gesehen hatte.
„Ich kenne Monika schon sehr lange.“ sagte Gregor mit vollkommen beherrschter Stimme. Allein seine Blicke verrieten, dass es das Thema Potential besaß seine übliche Selbstkontrolle zu kompromittieren.
Er blickte wieder nach vorn. Doch den Verkehr nahm er dabei vermutlich nur am Rande wahr. Sein Blick ruhte in weiter Ferne, in der Vergangenheit.
Jetzt wagte ich es nicht mehr, seine Gedanken zu stören. Das war auch nicht nötig. Er fuhr von ganz allein fort. „Wir fanden zueinander, weil ich ihr etwas geben konnte, was sie haben wollte.“ Er betonte beim Sprechen jedes einzelne Wort. „Sie aber konnte nicht aufhören etwas zu verlangen, was ich ihr keinesfalls geben wollte.“
Er machte eine Pause. Die Straßenlichter, die über sein versteinertes Gesicht tanzten, waren für einige Augenblicke das einzige Leben dort. „Ich wollte es ihr nicht geben, weil ich ihr dann ersteres nicht mehr hätte gewähren können.“
Trotz seiner sichtlichen Anspannung nahm seine Stimme wieder eine weichere Färbung an. Wehmut über verblassende Erinnerungen klang daraus hervor. „Sie versuchte dann gegen meinen Willen zu bekommen, wonach es ihr so sehr verlangte. Am Ende verloren wir beide. Sie erhielt nicht, was sie hätte haben können. Und ich konnte nicht geben, was ich geben wollte.“
Obwohl Gregor in Rätseln sprach verstand ich gut genug, dass die beiden etwas aus der Vergangenheit verband. Es musste etwas gewesen sein, das ein tragisches Ende nahm. Seine sorgsam gewählten Worte hoben einen Zipfel des Schleiers, der sonst dunkle Momente sorgsam und blicksicher hinter sich verbarg.
„Im Moment kann ich ihnen nicht mehr zu ihr sagen.“
Seine offenen Worten überraschten mich. Ich hatte bereits verstanden, dass er mit mir teilte, was er für richtig hielt. Und ich akzeptierte das. „Das ist schon in Ordnung.“ versicherte ich eilig. Jetzt schwieg ich. Trotz seiner sehr knappen und äußerst verklausulierten Darstellung der Vergangenheit fühlte ich mich Gregor auf vertraute Weise sehr nahe. Mit seiner sparsamen und wohl dosierten Erläuterung hatte er mich ein entscheidendes Stück an sich heran gelassen. Ein Außenstehender hätte das nicht bemerkt. Aber ich lernte diesen bemerkenswerten Mann langsam zu verstehen, zu interpretieren. Zumindest dachte ich das.
„Schwarz und Weiß.“
Ich sah Gregor verdutzt an. „Was?“
„Schwarz und Weiß.“ wiederholte er ruhig, den Blick immer noch nach vorn gerichtet, aber weniger starr und wieder lächelnd, wie am Anfang unserer Fahrt.
„Ich verstehe nicht.“ gestand ich irritiert.
„Was sehen sie, wenn sie aus dem Fenster schauen?“ mit der rechten Hand deutete er hinaus in die anbrechende Nacht.
„Dunkelheit, Licht?“ riet ich ohne den Sinn seiner Frage zu begreifen.
„Gut!“ lobte er zufrieden. „Was unterscheidet Tag und Nacht?“
„Am Tag gibt es Licht und in der Nacht Dunkelheit.“ Ich zuckte mit Schultern zu meinen Worten.
„Fast richtig.“ sagte Gregor. „Tatsächlich gibt es entweder Licht oder eben kein Licht. Dunkelheit ist das Resultat von nicht vorhandenem Licht.“
„Einverstanden.“ stimmte ich zu. „Was hat das aber mit Schwarz und Weiß zu tun?“ Ich verstand, dass Gregor mit seinem Wortspiel etwas einleiten wollte.
„Tatsächlich ist Weiß die hellste aller Farben, eigentlich eine sogenannte unbunte Farbe.“ dozierte Gregor gelassen. „Es ist die vollständige Überreizung der Netzhaut durch Licht. Dagegen ist Schwarz, ebenso eine unbunte Farbe, das Fehlen von allem sichtbaren Licht. Es sind die totalen Gegensätze, der ultimative Kontrast.“
Ich sagte nichts darauf und wartete, dass Gregor seine Erläuterungen fortsetzen würde.
„Im chinesischen Daoismus ist der Grundgedanke von Yin und Yang fundamental verankert. Repräsentiert durch die Farben Schwarz und Weiß sind Yin und Yang die gegensätzlichen Pole der Schöpfung. Das Wechselspiel zwischen ihnen ließ erst die Welt entstehen. Basierend darauf wird alles, was wir wahrnehmen und erleben, was ist, was war und was sein wird als Ursache dieser Gegensätzlichkeit angesehen. Im reinen Zustand ist es totale Vollkommenheit, der Gipfel der Ästhetik.“
„Aber auch langweilig.“ warf ich kritisch ein.
„Womöglich.“ gab Gregor zu. „Aber der Blick auf das Wesentliche wird bei Schwarz und Weiß nicht abgelenkt.“
Ich begriff plötzlich, worüber er sprach. Oder wenigstens glaubte ich zu begreifen. Ich sah Gregor aufmerksam an. „Sie sprechen über Farben?“
Seine Mundwinkel schoben sich nach oben und zeigten ein Lächeln. „Ja.“
„Farben sind die Grundlage von Bildern.“ spann ich den Gedanken weiter.
Gregor nickte. „Richtig.“
„Dieser Ausflug hat etwas mit …“ Ich zögerte kurz. „... einem Bild zu tun? Es war kein Zufall, dass sie heute danach fragten.“
„Ja.“ bestätigte Gregor. „Aber ich spreche nicht von EINEM Bild.“ korrigierte er mich. „Ich spreche von DEM Bild.“
„Puhh.“ Ich stieß die Luft aus meinen Lungen. Mein Herzschlag beschleunigte sich. Ich verstand nun, dass er wie immer sehr planvoll vorging. Gregor wollte tatsächlich seinen Bilderwunsch verwirklichen. Das lag auf der Hand. Aber er sein Ausflug in die Farbenlehre schien noch weitere Hintergedanken zu offenbaren.
„Schwarz und Weiß.“ wiederholte er, als würde er meine Gedanken lesen können.
„Tag und Nacht ...“ fügte ich hinzu.
Er schüttelte den Kopf. „Nein. Yin und Yang.“
Was meinte er?
„In der chinesischen Mythologie ist alles Yin und Yang.“ half er mir weiter. „Aber neben dem Symbol für Schöpfung steht es gerade bei uns in der westlichen Welt als ein ganz bestimmtes Synonym.“
„Mann und Frau?“
„Die Vereinigung von Mann und Frau!“ vervollständigte er mich.
„In einem Bild?“ fragte ich zweifelnd.
Er drehte sich zu mir und sah mich direkt an. Da war wieder dieser Anflug des raubtierhaften, ein Hauch von überwältigender Dominanz.
Er meinte genau das. Soviel las ich in seinen Augen. „Sie sprechen von einem Geschlechtsakt im Bild?“ Noch konnte ich mir nicht genau ausmalen, was er offensichtlich längst vor sich sah.
„Sie erinnern sich, was ich ihnen über die Faszination der Mona Lisa sagte?“ fragte er, statt eine Antwort zu geben.
Ich versuchte in Gedanken zu rekapitulieren, was er mir am vergangenen Sonntag gesagt hatte. „Nicht das Bild ist interessant, sondern die Geschichte dahinter.“ wiederholte ich gehorsam.
„Ausgezeichnet.“ lobte Gregor. „Sie sind eine aufmerksame Zuhörerin.“ Kurz warf er den Kopf ein Stück nach hinten, ohne dabei den Verkehr aus dem Auge zu lassen. „Ich bin kein Maler Sandra. Aber ich helfe die Geschichte hinter dem Bild zu komponieren. Der Maler bannt sie für mich nur auf die Leinwand. Um das Bild perfekt zu machen, darf es nicht irgendeine Geschichte sein. Eine außergewöhnliche Geschichte allein hat das Zeug ein außergewöhnliches Bild zu zaubern. Ein Mann wie ich ist nicht auf der Suche nach dem Gewöhnlichen. Das wäre mir nicht genug.“
„Das glaube ich ihnen gern.“ sagte ich offen. „Aber welchen Platz oder welche Rolle haben sie mir dabei zugedacht?“
Er lachte. „Die der Frau selbstverständlich!“
Ich musste ebenso lachen. Gregor hatte Sinn für Humor und verstand es vorzüglich diesen mit Intelligenz zu mischen. „Das wäre aber sehr gewöhnlich.“ sagte ich mit lächelndem Augenaufschlag.
„In der Tat.“ gab Gregor zu. „Das allein wäre noch keine Geschichte wert, ohne dabei ihre Rolle als Frau schmälern zu wollen. Nein. Um Faszination zu erzeugen müssen wir noch einmal Yin und Yang bemühen. Das Außergewöhnliche, so stellten wir bereits fest, ist der vollkommene Kontrast.“
„Licht und das Fehlen von Licht.“
„Schwarz und Weiß.“
„Gut.“ willigte ich ein. „Schwarz und Weiß.“ Ich holte Luft. „Aber wo ist der Bezug zum Akt?“
Gregor antwortete nicht sofort, ließ sich Zeit. „Sie sind die weiße Frau.“
In seltsamer Vorahnung stockte mein Atem. Geradezu ruckartig sah ich zu Gregor hinüber.
Sein Mund öffnete sich, um schließlich seinen Wunsch vollständig zu beschreiben. „Ich will ein Bild von ihnen, der weißen Frau, vereint mit einem schwarzen Mann.“
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Ich bleibe aber gespannt. Erwartungsvoll gespannt.«
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Warum lest ihr weiter, wenn eure Erwartungen nicht erfüllt werden und ihr den Text nicht versteht...???
Es geht(endlich!!)um Erotik, nicht um Hinterhofpornografie!
Das ist leider immer häufige hier das Problem!«
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