In der Nähe so fern
von Auden James
Aus dem amerikanischen Englisch von Auden James
© 2017 Auden James
Alle Rechte vorbehalten
Originaltitel: An Aperture Apart
Copyright © 2010 ohmanon
All rights reserved
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6. Juli
Wir fickten zum ersten Mal letzte Nacht. So schnell habe ich’s nicht kommen sehen. Heute Morgen erzählte ich A, dass ich von ihm benutzt werden wollte. »Ja, ich werde dich benutzen«, sagte er.
21. Juli
Ich bat ihn gestern, mich zu fesseln und mir die Augen zu verbinden, aber er wollte nicht. Jedes Mal, wenn wir auf seinem Zimmer abhängen, habe ich nur Augen für sie. Am Kopfende des Bettes ... eine schwere schwarze Schiffsklampe.
Er sagt nichts, aber ich weiß, er schweigt, weil er nicht will, dass das Grund ist, aus dem wir zusammen sind. Ich hasse, dass er davon redet, wie er sie und das kostbare Leinenseil bei seiner letzten Freundin benutzte ... aber nicht für mich benutzen würde.
25. Juli
Letzte Nacht sagte er: »Eines Tages müssten wir uns dennoch trennen, und das bald. Aber du bist verrückt nach mir, nicht wahr.«
Ich weiß nicht, wieso ich zu weinen anfing. Ich konnte nicht aufhören. Er fragte mich ständig, was los sei, aber wie sollte ich’s ihm sagen? Ich konnte ihm nicht sagen, dass ich ihn eigentlich verachtete. Ich konnte ihm nicht sagen, dass ich selbst mich noch mehr dafür verachtete, anders von meinen Gefühlen gedacht zu haben.
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BROOKLYN
28. AUG
Missmutigen Blickes blätterte Aiko durch die Seiten ihres ledergebundenen Tagebuchs, dann klappte sie es zu.
Durch das Fenster im ersten Stock des elterlichen Brooklyner Brownstones stob das Stimmengewirr herumalbernder Teenager herein. Sie entließ einen seichten Seufzer aus ihren Lungen und fasste den vollen Reisekoffer ins Auge, der neben ihr offen auf dem Bett lag. Sich aufrichtend langte sie unter einen schweren Stapel sorgsam zusammengelegter Hemdblusen und zerrte ihre eine Errungenschaft aus Japan hervor. Sie drehte die Flasche behutsam in ihren Händen, das Gewicht erfühlend, die Oberfläche des schön bemalten Blau-Weiß-Porzellans begutachtend. Sie kippte sie ein klein wenig und genoss das Geräusch ihres flüssigen Inhalts, der gegen die inneren Konturen des Flaschenhalses gurgelnd seine Gestalt wandelte. Mit geübter Geste umlief sie den Verschluss mit der linken Hand und machte sich auf den süßen, beißenden Geschmack gefasst.
***
Am nächsten Abend stellte Aiko die leere Flasche sorgsam neben den Mülleimer.
›Was für eine Verschwendung‹, dachte sie von ihrer hübschen Form und Farbe. ›Wäre sie kein Geschenk von ihm, ich würde sie mit mir nehmen.‹
Sie hielt ihr Gesicht unter den Kaltwasserhahn im Badezimmer, trocknete sich dann an einem weißen Handtuch ab, während sie sich im Spiegel betrachtete. Sie wirkte bleich, teigig irgendwie.
»Aiko, wohin gehst du?«, rief ihre Mutter aus der Küche, als sie die Treppe hinab zur Haustür trottete.
»Ich mache mich auf den Weg zu Hannah«, sagte sie, in ein Paar grellgelber Ballerinas schlüpfend, »ich bin zum Essen zurück, keine Sorge.«
»Okay, nicht vergessen. Ich mache dir dein Lieblingsessen heute Abend.«
Im Glaseinsatz der Haustür wurde die düstere Straße eingefangen und verzerrt in einer Reihe wirbelnder Kreise. Aiko öffnete sie mit einem lauten Knarren und trippelte die Treppenstufen hinab in Richtung Bürgersteig.
*
Drei Straßen weiter schwang Hannahs Tür auf. Sie zitterte förmlich, ihr Gesicht übersprudelnd vor Freude.
»Aiko! O mein Gott!« Sie warf ihre Arme um Aiko, einen zufriedenen Seufzer ausstoßend. »Viel zu lange her, Lady.«
Aiko erwiderte ihre Umarmung vollumfänglich, ihren vertrauten Geruch einatmend. Hannahs Haar, braun und fransig, kitzelte ihre Nase.
»Ich weiß, ich war komplett verschollen.«
»Allerdings, hundert Jahre in etwa!« Hannah trat zurück und musterte sie. Sie konnte kaum stillstehen.
»Eher zwei«, sagte Aiko nüchtern.
»Zwei, zehn, egal. Es war eine Ewigkeit.« Hannah gestikulierte wild: »Komm rein!«
Aiko betrat befangen die Diele eines Hauses, in dem sie einen Gutteil ihrer Zeit als Teenager verlebt hatte. Der unaufdringliche Muff und die hölzernen Odeurs versetzten sie zurück in eine Zeit, die kaum verstrichen war, doch sich anfühlte wie ferne Vergangenheit. Sie wehrte plötzlich und unerwartet aufsteigende Tränen ab.
»Für wie lange bist du in der Stadt?«
Sie blickte hinter sich in die matten Schatten der schmalen Diele, wo sie Hannahs Silhouette auf sich zutreiben fand.
»Fünf Tage. Dann muss ich zurück nach Providence.«
»Fünf Tage?«
»Jepp, ich bin einfach zu spät zurückgekommen aus Kyoto. Und die Uni fängt nächste Woche an«, entgegnete Aiko lapidar.
Hannah geleitete sie sanftmütig aus der Diele, vorbei am Wohnzimmer in eine schlichte, aber elegant beleuchtete Kitchenette.
»Na, immerhin kann ich dich besuchen. Du wirst ja nicht 20 Flugstunden weit weg sein«, lachte sie. »Lass mich dir einen Drink machen. Du magst Sangria?«
*
Die meisten Sangrias enthalten kein Eis, Hannahs schon. Die Würfel schmolzen mittlerweile auf dem Grund von Hannahs und Aikos Gläsern.
»Weißt du, irgendwie steige ich nicht dahinter, wieso du so fixiert auf Japan warst, dass du ein zusätzliches Jahr bleiben musstest«, bemerkte Hannah, eine Tupperware-Dose voll aufgeschnittener Wassermelone aus dem Kühlschrank nehmend. »Ich meine, gibt’s nicht jede Menge megageile Studienangebote und Praktika für Photographie hier in der Stadt?«
»Gibt’s ...« Aiko verlagerte ihr Gewicht gegen die Arbeitsplatte. »Ich wollte einfach andere Städte sehen. Das ist nicht so schwer zu verstehen.«
»Kann sein«, sagte Hannah. »Vielleicht ist der Unterschied, dass ich noch nicht so lange in der Stadt lebe wie du.«
Sie zog den Deckel von der Dose und holte zwei Gabeln hervor.
Aiko betrachtete sie still. ›Pragmatische, umsichtige Hannah.‹ Hannahs Familie war zu eng verbunden, als dass irgendeines ihrer Mitglieder sich allzu lange weit entfernen konnte.
»Ich wette, es ist ein Typ«, sagte sie plötzlich. Aiko zuckte zusammen.
Hannah blickte über ihre Schulter, die Lippen gespannt zu einem Halbgrinsen. »Ich kenne dich. Es ist ein Typ.«
Sie war noch für einen Moment perplex.
»Komm schon, raus damit.« Hannah stach nach einem Stück Melone. »Ich kenne dich gut genug, um zu wissen, dass du’s mir ungefragt nicht erzählen würdest.«
Ruhig ausatmend rang Aiko die Hände. »Ich traf einen Typen da draußen ...«
Hannah steckte sich die Melone in den Mund, ohne ihr einen Blick zuzuwerfen. Zwischen ihnen verging ein Moment der Stille.
»Er kam aus Finnland«, fuhr Aiko fort. »Die Austauschstudenten aus dem Ausland haben einfach irgendwie zusammen abgehangen, weißt du. Und wir haben uns gleich zu Beginn des Semesters gut verstanden. Ich fand ihn nicht heiß, am Anfang. Er machte keinen großen Eindruck auf mich. Aber dann ...«
»Dann ...« Hannah verstummte für sie.
»Er beschäftigte sich auch mit Photographie, aber sein Hauptmedium war Video ... Als ich ihn besser kennenlernte, also er – also ich – ich kann im Moment einfach nicht über ihn reden.«
»Es ist nicht gut ausgegangen?«
»Nein. Ganz und gar nicht.«
»Also ... wie ist es ausgegangen?«
Aiko mühte sich, Worte aus dem Ozean an Romanen, die sie in Gedanken bereits über die Trennung verfasst hatte, zu fischen. Sie scheiterte kläglich.
Sie hörten die Eingangstür zu Hannahs Haus klickend aufgehen, dann zufallen. Schwere Schritte hallten durch die Diele.
Hannahs jüngerer Bruder kam in die Küche geschlendert, den Blick nicht für einen Moment von Aikos Gesicht wendend. Sein kurzes, dunkles Haar glitzerte filzig auf seinem Kopf, schweißig und feucht. Er stolzierte mehr, als dass er ging, angeberisch, wie es nur bei Teenagern zu beobachten ist.
»Hey, Aiko«, war alles, was er sagte. Sie dachte, dass sie ihn um Haaresbreite ein Grinsen zurückhalten sah. Oder eine Grimasse?
Hannah gänzlich ignorierend riss er mit einem Ruck die Kühlschranktür auf, einen staubigen Basketball noch immer zwischen seine Hüfte und andere Hand geklemmt. Nachdem er sein Gesicht etliche Sekunden lang im Kühlschrank vergraben hatte, tauchte er mit einem überwiegend leeren Milchbehälter wieder auf. Er schnippte den Plastikdeckel mit dem Daumen beiseite und schüttete, was vom Inhalt übrig war, in seine Kehle. Aiko registrierte eine hitzige Röte, die rasend schnell sein schweißglänzendes Gesicht überzog.
»Hey, Paul«, sagte sie, als er sich den Mund mit dem Handrücken abwischte. »Ist ein Weilchen her, nicht?«
Er nickte, seiner Schwester schließlich doch einen verstohlenen Blick zuwerfend.
»Was machst du so dieser Tage, Football spielen?« Aiko stierte eindringlich auf seinen dicken Bizeps. Er hatte die Ärmel seines schwarzen T-Hemds hochgekrempelt. Er entsprach mitnichten ihrer Erinnerung aus dem letzten Schuljahr an der Highschool. Der Paul zwei Jahrgangsstufen unter ihr war ein schlaksiger, hoch aufgeschossener Junge mit wilder Wuschelmähne gewesen, der in seine großen Hände und Füße erst noch hineinwachsen musste. Er war auch mehrere Schattierungen dunkler geworden. Der Paul von heute schien die gesamte Küche einzunehmen.
»Basketball.«, sagte Hannah augenrollend. »Nichts anderes macht er jetzt mehr.«
»Als ich noch zur Schule ging«, berichtigte Paul, Aikos Stieren scheuend. »Ich werde dann mal unter die Dusche springen.«
Er stellte den leeren Behälter auf die Arbeitsplatte und eilte zur Treppe im vorderen Teil der Diele, das Gespräch abrupt beendend. Hannah und Aiko hörten die Stufen knarren und ächzen unter seinem Gewicht, als er außer Hörweite und treppauf trampelte ins obere Stockwerk.
»Krass. Komplette Verwandlung«, sagte Aiko mit hochgezogenen Augenbrauen.
»Lass dich von ihm nicht hinter die Fichte führen«, feixte Hannah und deponierte den leeren Behälter im Müll. »Du solltest ihn sehen, wenn er nicht in deiner Nähe ist.«
»Wieso, was meinst du?«
»Der Junge sitzt die ganze Zeit an meinem Rechner und sabbert deine Facebook-Seite voll.«
»Ha! Echt ...«
»Japp, er steht total auf dich, schon seitdem du nach Rhode Island gegangen bist. Hat’s sich selbst die längste Zeit auch nicht eingestanden. Ist fast schon lustig das Ganze.«
Aiko rief sich vage Bilder ins Gedächtnis, wie er heimliche Blicke riskierte, wenn sie bei Hannah übernachtete. Besonders wenn sie im Sommer kurze Hosen und knappe Oberteile trug. Sie hatte es abgetan, dachte, dass es nur seine verrücktspielenden Hormone waren.
»Also ist er für gewöhnlich nicht so ... verschlossen?« Es fühlte sich plötzlich eigenartig an, über Paul auf diese Weise zu sprechen. Es fiel Aiko auf, dass sie kaum etwas über ihn wusste, während seine Schwester und sie schnell Freundinnen geworden waren.
Hannah schüttelte den Kopf. »Ganz und gar untypisch für ihn, dieses Verhalten. Wahrscheinlich die Flatter gekriegt.« Sie kicherte.
»Nun, gut zu wissen, dass er nicht antisozial ist.«
»Joa, stimmt. Wir machen uns trotzdem unsere Gedanken.«
»Wieso?«
»Er hat zwar seinen Abschluss geschafft, aber Mom und Dad können ihm zureden, wie sie wollen, sie kriegen ihn nicht dazu, sich zu entscheiden, wie es weitergehen soll.« Hannah blickte gedankenfern in die Diele. »Wir haben’s echt schwer mit ihm, weil er nicht einsehen will, dass er seine Ausbildung weiterverfolgen und nicht einfach irgendwelche Gelegenheitsjobs in der Nachbarschaft annehmen sollte, weißt du?«
Aiko war still, sie dachte zurück an ihr eigenes Abschlussjahr und wie leicht es ihr gefallen war zu entscheiden, was sie tun wollte. Es war für sie mitnichten ein Orakelspruch gewesen, was für eine Universität sie besuchen wollte, was sie studieren wollte, wo sie es tun wollte. Und es bestanden auch keine Bedenken, sobald sich ihr die Möglichkeit bot, ins Ausland zu gehen.
Hannahs Stimme rüttelte sie aus ihren Gedanken. »Jedenfalls erzähle ihm bloß nicht, was ich dir erzählt habe. Sonst bringt er mich um.«
*
Sie verharrte kurz am Fuß von Hannahs Beischlagtreppe. Sie hatten vorläufigen Abschied nehmend Augenblicke zuvor sich umarmt, und die Tür war in ihrem Rücken gerade ins Schloss gefallen.
Aiko ging ein paar Schritte, ehe sie die Tür sich wieder öffnen hörte. Sie drehte sich um und erwartete mehr oder weniger, Hannah zu sehen, aber sah stattdessen Paul die Stufen herunter- und auf sie zueilen. Er trug noch immer seine alten Sachen, aber war barfuß.
»Hey, ähm ...«, atmete er durch, ein paar Fuß von ihr entfernt stehenbleibend. »Bist du, ähm ...«
Aiko hob eine Augenbraue, ein leises Lächeln formte sich auf ihren Lippen. Er kratzte sich im Nacken, um einen nicht vorhandenen Juckreiz zu stillen.
»Omar gibt, ähm, eine Hausparty heute Abend.«
»Omar?«
»Oh, äh! Er ist ein guter Freund – aus der Mannschaft.«
Sie konnte sich nicht helfen, aber der plötzliche Wandel in seinem Auftreten amüsierte sie ein wenig. War das der normale Paul? Aiko griente. Trotzdem, sie fand sich nicht bereit, auf einer Highschool-Party gesehen zu werden. Das war zu schräg.
»Ich muss zum Abendessen zu Hause sein, leider. Vielleicht sehen wir uns nochmal, bevor ich abfahre?«
»Ah – also.« Er griff in die Taschen seiner kurzen Sporthose und nestelte ein Mobiltelephon heraus. »Vielleicht sollte ich dir meine Nummer dalassen, und du kannst anrufen, falls du’s dir anders überlegst? Ich meine – falls es zeitlich geht ...«
»Ich habe mein Telephon nicht dabei, aber du kannst mich anrufen und dann habe ich ja deine Nummer.«
»Joa, okay«, sagte er, sein Telephon auf der Stelle aufklappend. Aiko gab ihm ihre Nummer und studierte indes sein Gesicht. Der dunkle Teil ihres Verstands gab ihr die Frage ein, ob er diesen Moment wohl kurz zuvor geprobt hatte.
»Cool.« Paul steckte das Telephon in eine Hosentasche und tat einen halben Sprung zurück zur Beischlagtreppe, als wäre er erleichtert, das Schlimmste überstanden zu haben. »Bis später dann.«
»Tschau«, sagte sie und beobachtete ihn, wie er die Treppenstufen hochjoggte und hinter die Eingangstür in Sicherheit hastete.
*
Das große Steak lag ihr noch schwer im Magen. Aiko begab sich bedachtsam die Vortreppe ihres Hauses hinunter, ihre analoge 35mm-Canon um den Hals gehängt. Um elf Uhr abends war die Sonne längst unter den Horizont gekrochen. Der Nachthimmel der Stadt aber wurde von beständigen Wogen in veilchenviolettes und nelkenrosa Licht getaucht. Aiko bog leise um die Ecke, ihre Atmung und Schritte gleichmäßig und ruhig.
An der Straßenecke ragte ein Apartmentgebäude fünf Stockwerke in die Höhe. Sie erspähte ein verwaistes, erleuchtetes Fenster im zweiten Obergeschoss. Wie sie sah, dass weder aus der einen noch der anderen Richtung Passanten herannahten, justierte Aiko die Filmempfindlichkeit und Verschlusszeit, dann richtete sie die Kamera auf das kleine Quadrat aus gelbem Licht. Sie sog scharf die Luft ein und erstarrte, als ihr Finger den Auslöser traf. Die Kamera klickte sacht. Kurz darauf klickte sie ein zweites Mal, und Aiko atmete tief aus, die Kamera senkend, als sie das Atmen wiederaufnahm. Aus ihrem Blickwinkel war nur Zimmerdecke zu sehen. Keine Topfpflanzen; niemand, der aus dem Fenster äugte.
Sie war an die fünf Straßen abgelaufen, ehe sie an einer Ecke auf ein Deli stieß. Aiko durchforstete ihr Gedächtnis. ›Führen Delis Wein?‹ Sie fluchte still in sich hinein, als ihr einfiel, dass sie kein Geld mitgenommen hatte.
»Hey!«
Aiko wandte sich herum, als Paul in großen Schritten von der anderen Straßenseite auf sie zukam. Ein leises Lächeln erhellte sein Gesicht. Sein Mund öffnete sich ein klein wenig.
»Hey, du schon wieder«, sagte sie.
»Was machst du denn hier?« Er steckte beide Hände in die Hosentaschen.
»Einen Spaziergang.« Aiko verstellte gedankenlos den Gurt ihrer Kamera.
Paul blieb zwei Fuß entfernt von ihr stehen, doch schien ihr seltsam näher.
»Machst auch Aufnahmen?« Er warf einen Blick auf ihre Kamera, dann zu ihr zurück.
»Oh, jepp.«
»Ist’s nicht ein bisschen dunkel?«
Aiko lächelte, ihr Gesicht allein erhellt vom orangenen Licht einer Straßenlampe einige Yards entfernt. »Ich mag’s im Dunkeln zu photographieren.«
Paul gab keine Antwort, aber zeigte ein breiteres Lächeln. Er atmete leise ein.
»Gehst du zurück? Ich kann dich nach Hause begleiten«, sagte er.
»Klar.«
Sie gingen langsamen, beinahe zögerlichen Schrittes zurück zu Aikos Haus.
Aikos Hände umklammerten den Kameragurt, plötzlich ihrer schrecklichen Konversationsunfähigkeit sich nur allzu bewusst.
»Wie war die Party?«, fragte sie, erleichtert sich zu erinnern.
»Die war in Ordnung.« Paul starrte geradeaus. »Ich bin früher gegangen, weil die Jungs zu trinken und zu rauchen anfingen.«
»Aha.«
»Ich mag das Ganze einfach nicht, weißt du«, sagte er, sich zu ihr umblickend.
›Seltsam‹, dachte sie. Es gab nicht einen Mitschüler in ihrer Abschlussklasse, der sich nicht vor dem letzten Schuljahr schon betrunken oder zugedröhnt hatte.
»Und wieso?«, überlegte sie laut.
»Ich glaube einfach – wenn ich jemals wirklich darauf einsteigen würde, würde ich einfach ... den Verstand verlieren.«
Aiko betrachtete die verdunkelten Fenster der Gebäude, an denen sie vorbeigingen, nicht sicher, wie sie reagieren sollte.
»Wie war, äh, Japan?«, fragte Paul, seine Stimme ein wenig befangen.
»War gut. Alles ziemlich teuer, aber seinen Preis wert, schätze ich.« Sie zuckte mit den Schultern. »Sehr verpackungsintensive Kultur.«
An einem Fußgängerübergang kamen sie für einen Moment zum Stehen.
»Die Kundenbetreuung dort ist eins a. Jeder ist unglaublich höflich«, fuhr Aiko fort. »Nahezu jeder jedoch scheint eine Unmenge zu trinken.«
»Ha!«, lachte Paul. »Vielleicht sollte ich dort dann besser nicht hingehen.«
»Nun, abgesehen davon, denke ich, würde es dir dort gefallen.« Sie realisierte augenblicklich, dass sie das unmöglich mit Sicherheit wissen konnte. »Zumindest dürftest du zu einem gewissen Grad dorthin passen.«
»Warum? Sehe ich aus wie ein Japaner?«
»Du könntest unter Umständen als Halbjapaner durchgehen. Von hinten zumindest.«
Paul grinste. »Das macht das Viertel Spanier in mir.«
»Jepp.«
»Sprichst du Japanisch?«
»Ich habe was aufgeschnappt, während ich dort war. Aber vorher, nein.«
»Oh. Ich dachte immer, du kommst aus Japan.«
Aiko widerstand, die Augen zu rollen. »Nein, ich bin downtown im Beth Israel zur Welt gekommen. Vor Kyoto hatte ich Japan noch nie besucht.«
»Aber deine Familie kommt von dort, ich meine offenbar.«
»Jepp.«
»Oh okay.«
Eine unangenehme Stille nistete sich für einige Augenblicke zwischen ihnen ein. Aiko suchte im Gehen fieberhaft nach Worten.
»Also – was war los mit dir heute Nachmittag?«
Paul wandte das Gesicht ihr zu. »Was meinst du?«
»Als du nach Hause gekommen bist.«
»Oh«, blies er die Atemluft leise durch seine Zähne. »... ich dachte, meine Schwester würde irgendwas Dämliches sagen und mich in Verlegenheit bringen oder so.«
»Sie schien besorgt um dich.« Aiko warf ihm einen Blick zu.
»Ich weiß.« Seine Augen waren niedergeschlagen. Er atmete tief aus. »Sie haben ein Problem damit, dass ich nicht direkt die nächste Schulbank drücke.«
Aiko war still.
»Sie schnallen einfach nicht, dass ich erst arbeiten und etwas Geld zusammensparen will«, sagte Paul. »Es fühlt sich nicht richtig an, die Dinge zu überstürzen, nur weil’s von mir verlangt wird, weißt du.«
»Ja, ich schätze nicht«, stimmte sie zu. »Wofür würdest du das Geld sparen?«
Paul zuckte mit den Achseln. »Vielleicht fürs College. Oder vielleicht würde ich auf Reisen gehen.«
Sie erreichten den Fuß von Aikos Beischlagtreppe. Sie lehnte ihren Rücken an das Geländer.
»Ach ja? Wohin würde die Reise gehen?«
»Ich weiß noch nicht.« Er grinste breit. Seine tiefliegenden Augen funkelten im Licht der Straßenlaterne. »Ich denke Japan.«
***
Von: Anders Vang
An: Aiko Tachibana
Datum: Di, 28. Aug 2010 um 23:58 Uhr
Betreff: (kein Betreff)
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aiko
es tut mir leid was ich gesagt habe
ich möchte nicht dass du unsere gemeinsame zeit bedauerst
selbst wenn du nie wieder mit mir sprichst, ich hoffe dass die dinge zwischen uns nicht auf ewig zum schlechten stehen
die welt ist klein. vielleicht werde ich dich eines tages wiedersehen
es tut mir leid
lebe wohl
A
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Sie überflog die E-Mail und klickte sofort auf »Löschen«, als ob sie geöffnet zu lassen ihr die Augen ausbrennen würde. Aiko war wutgeladen. Sie wusste genau, warum er ihr nur diese armselige Alibientschuldigung geschickt hatte. Sie fragte sich, ob er sich dessen bewusst war oder ob er zu gleichgültig war, als dass es ihn kümmerte.
»Aiko!«, rief ihre Mutter die Treppe herauf. »Möchtest du kein Frühstück?«
*
Hannah bückte sich, um ihre zahllosen Einkaufstaschen abzusetzen. Sie knitterten unüberhörbar, als sie auf den Boden trafen. Erschöpft von ihrem Stadtbummel warf sich Aiko in die Kissen der dickgepolsterten Couch. Die Mädchen entließen einen synchronisierten Seufzer. Sie sahen einander an und giggelten.
Das Wohnzimmer war durchflutet vom schönen Sonnenlicht des Nachmittags. Aiko zog einen nackten Fuß aus einer Sandale und schob ihn auf dem Teppich in ein warmes Fenster aus Licht.
»Hey, wo ist eigentlich dein Bruder?«, fragte sie.
Hannah wandte sich vom offenen Kühlschrank ab, um nach der Uhr zu spähen. »Er wird seine Rettungsschwimmerpflicht beim YMCA tun, denke ich.«
»Rettungsschwimmer? Ist er überhaupt alt genug?«
»Er hat sich förmlich drauf gestürzt, gleich nach seinem Achtzehnten im März. Er sagt, dass es der ›angenehmste‹ Job der Welt ist.«
»Das glaube ich.«
»Warum, willst du zu ihm gehen?« Hannah griente hinter einer frostigen Coladose zu Aiko. Aiko starrte sie ausdruckslos an.
»Du solltest zu ihm gehen«, sagte sie und nahm einen großzügigen Schluck von der süßen Brause. »Es würde ihn bestimmt richtig glücklich machen. Die Leute vom Empfangsdienst werden dich reinlassen, wenn du nach ihm fragst.«
»Tue ich vielleicht später.« Aiko stand auf und streckte ihre Arme und ihren Rücken. ›Nichts dabei, sich auf einen kleinen Flirt einzulassen.‹
»Ich würde ja kommen, aber meine Kurse beginnen in einer Stunde und enden nicht vor zehn«, stöhnte Hannah.
»Brutal.«
»Japp, du sagst es.«
Aiko gähnte und blickte sich träge um. »Hey, kann ich das Bad benutzen?«
*
Sie trocknete ihre Hände an dem kleinen Handtuch. Auf dem Weg zurück zur Treppe sah sie durch einen Türspalt in einen Raum, der Pauls Zimmer sein musste. Stille Neugierde schwemmte alle anderen Gedanken aus ihrem Kopf, als sie darauf zuschlich und die Tür gerade weit genug aufdrückte, um mit ihrem Körper hindurchzuschlüpfen.
Die Matratze seines ungemachten Bettes lag unmittelbar auf dem Boden, flankiert von niedrigen Stapeln aus Kleidungsstücken, Turnschuhen, Büchern, Videospielhüllen und DVDs. Außer einer hohen Kommode und einem nahezu leeren Schreibtisch gab es kein weiteres Mobiliar. Aiko bemerkte einen alten schwarzen Laptop auf dem Schreibtisch, aufgeklappt an die Wand gelehnt. Das Scharnier schien zerbrochen und entzweigegangen zu sein.
Abgesehen von seinen Habseligkeiten und dem Bett schien der Raum im Grunde unberührt, als ob er dort nur vorübergehend wohnen würde. Sie drehte sich um und sah die Rückseite von Pauls Tür, die dicht beklebt war mit Photographien von Freunden und Familie. Sie formten einen vielfarbigen Ozean aus Gesichtern, der einem Strudel gleich um eine großflächige, blaue Weltkarte wirbelte. In der oberen rechten Ecke, bemerkte sie, war eine alte Aufnahme befestigt, die sie selbst zeigte, im Rahmen von Hannahs Eingangstür und der Kamera schüchtern den Rücken weisend.
*
Sie sah Paul durch das Glas, das die Schwimmterrasse vom Flur auf der unteren Ebene des YMCA-Gebäudes trennte. Er schien entspannt in einem Hochstuhl zu sitzen, gekleidet in ein orangenes Muskelhemd und rote Badehosen. Ab und zu schüttelte er seine Füße aus und tappte die Flip-Flops gegen seine Sohlen. Seine Hände ruhten auf einer langen roten Rettungsboje, die über seinen Schoß drapiert war. Aiko dachte, sie würde ihn dabei überraschen, wie er Löcher in die Luft starrte, aber stattdessen suchte er in aller Ruhe aufmerksam die Schwimmbahnen ab.
Paul wandte den Kopf, um in ihre Richtung zu blicken, gleich als sie die Tür zum Schwimmbecken aufdrückte. Er sprang aus dem hohen Stuhl und hechtete auf sie zu, sein Gesicht erfüllt von freudvoller Überraschung.
»Aiko. Was ist los?«
»Nicht viel, ich wollte mich nur selbst davon überzeugen, dass du Rettungsschwimmer bist, wie Hannah sagte.«
»Ein Hammerjob«, strahlte er.
»Auf jeden Fall machst du bald los, richtig?«
»Joa, in zehn Minuten.«
»Hannahs Kurse ziehen sich bis in den späten Abend heute. Sie sagte, eure Eltern würden ebenfalls bis spätabends in der Stadt arbeiten. Denkst du, du könntest ein Abendessen vertragen, wenn du hier fertig bist?«
Paul grinste, vergebens versuchend das Grinsen sein zu lassen.
*
»Bist du hier schon mal gewesen?«, fragte Aiko.
»Ein paar Mal, allerdings nicht in letzter Zeit.«
»Irgendwas, das du empfehlen würdest?«
»Ähm ...« Paul sichtete die Karte sorgfältig von oben bis unten. »Ich denke, das Teriyaki war ziemlich gut.«
»Okay, dann lass uns das nehmen«, sagte sie. »Würde es dich stören, wenn ich dazu etwas Sake bestelle?«
Er blickte auf und schüttelte den Kopf. »Nein, ganz und gar nicht. Du solltest nehmen, was immer du willst.«
Ihre Bestellung kam Minuten später. Es verlangte Paul alles ab, sein Essen nicht auf der Stelle zu verschlingen.
»Willst du was hiervon probieren?«, fragte Aiko, die kleine Sake-Flasche in der Hand. Sie deutete auf die beiden Becher, die ihnen gereicht worden waren. Sie dachte, es sei nur höflich zu fragen.
Er fasste den kleinen Becher auf dem Tisch ins Auge. »Klar.«
Lächelnd kippte Aiko den Sake in die fingerhutgroßen Gefäße. Beide nahmen sich eines und prosteten einander zu.
»Kanpai«, sagte sie freudig.
Sie stürzten den Sake herunter. Aiko sog ihn auf und atmete in einem langen, zufriedenen Stoß aus. Paul schluckte, dann holte er tief Luft.
»Was war das, ein japanischer Trinkspruch?«, sagte er, indes Tränen in die Ecken seiner Augen quollen.
»Ja. Wie war’s?«
Er wischte sich die Tränen ab und seufzte. »Ehrlich gesagt, nicht so schlimm, wie ich dachte.«
»Dein erstes Mal?«
»Nee«, zuckte er die Achseln. »Ich hatte früher schon mal ein oder zwei Bier.«
»Genug, um zu wissen, dass du‘s hasst, was?«
»Das hier, denke ich, ist okay«, sagte er verhalten nickend.
»Dann trinke noch einen.« Sie schenkte ihm schnell einen weiteren Becher ein.
»Versuchst du mich abzufüllen?« Er lachte.
»Oh, ich denke, dazu wären mehr als ein paar Becher nötig, um ehrlich zu sein.«
»Wahrscheinlich.« Er hob den Becher an seine Lippen und vertilgte den Sake.
Am Ende des Essens war Paul zu angetrunken, um stracks nach Hause zu gehen.
»Meine Eltern werden mich hoppnehmen, das ist sicher«, sagte er. Er nahm seinen Fuß vom Basketball unter dem Tisch und holte ihn hervor, sodass Aiko ihn sah. »Vielleicht werfen wir ein paar Körbe und verbrennen alles?«
»Klar«, sagte sie, vom Alkohol schwerlich beeindruckt. »Aber ich muss gestehen, ich bin keine große Athletin.«
»Dann werden wir vielleicht gleichauf sein.« Paul betrachtete den auf seiner Fingerspitze herumwirbelnden Ball.
*
»Ich fasse nicht, dass eine halbe Flasche ausgereicht hat«, sagte sie, ihm den Ball zuwerfend. »Ich hatte genauso viel wie du.«
Sie standen wenige Yards vom Korb entfernt im Zentrum eines baumbestandenen kleinen Parks. Gelbe und weiße Straßenlichter linsten durch das dichte Laub.
»Man lernt nie aus«, sagte Paul unbekümmert. Er nahm einen Wurf und verwarf. Der Ball fiel mit einem gummiweichen ›Bing‹ zu Boden und sprang weg. Er joggte am Korb vorbei, um ihn zurückzuholen.
Aiko war suspekt, wie das »alles verbrennen« würde, wie er gesagt hatte. Jedenfalls war er in seinem Element und unbeschwert. Sie beabsichtigte nicht, ihn zu einem Eins-gegen-Eins herauszufordern. Das wäre eine wahre Schnapsidee. Sie stützte ihre Hände auf die Rückseite ihrer Hüften und studierte ihn, wie er sich den Weg zu ihr zurückbahnte, ausdrucklos den Ball dibbelnd. Abgesehen von seinem Gesicht konnte Paul schwerlich als gerade Achtzehnjähriger durchgehen. Jungenhafte Züge fanden sich noch immer an seinem von einem kleinen Grübchen eingekerbten Kinn, den Seiten seiner Nase, den markanten Winkeln seiner Kinnlinie ... den geröteten, hohen Rundungen seines Jochbeins. Mit seinen achtzehn Jahren war er jung, aber schon umwerfend gutaussehend auf eine unauffällig adrette, amerikanische Weise. Er war ständig in die schlichten Schnitte und Farben eines athletischen Städters im Teenageralter gekleidet. Was für ein scharfer Kontrast zu Anders‘ engsitzender Kleidung in Day-Glo-Farben. Aiko fuhr unwillkürlich zusammen – der Gedanke versetzte ihr einen Stich.
Paul machte einen sachten Sprung für einen weiteren Wurf – diesmal aus größerer Entfernung, und verwandelte.
»Ich denke, du solltest vielleicht etwas Wasser zu dir nehmen«, bemerkte sie, den Trinkbrunnenstein in einer schattigen Ecke des Parks erinnernd.
»Gute Idee.« Er seufzte leise und stapfte hinter der vorangehenden Aiko her.
»Bei dir alles okay?«, fragte sie, zu ihm zurückblickend.
»Joa, mir geht‘s gut.« Seine niedergeschlagenen Augen schienen verdüstert. Er schüttelte langsam den Kopf, sichtlich betreten über den Kontrollverlust, der mit dem Betrunkensein einherging.
Sie hielten beim Brunnen, wo Paul sich über den aufwärtssprudelnden Wasserbogen beugte. Aiko setzte sich auf eine nahe Bank und nahm einen Lungenzug klarer Nachtluft.
»Es wird ein wenig kühler «, sagte sie gedankenverloren.
Einige Augenblicke später hatte er seinen Durst nach Wasser gestillt und setzte sich zu ihr auf die Bank, die Feuchtigkeit mit der Hand von seinen Lippen wischend. Ein tiefergelegter Wagen, aus dem laute Reggaeton-Musik wummerte, trieb am Park vorbei, zeitweilig die Stille übertönend. Er bog an einer Ecke ab und war plötzlich weit weg.
»Was für Musik hörst du so?«, fragte Paul sie, als ob er dazu aufgefordert worden wäre.
»Alles Mögliche«, zuckte Aiko mit den Schultern, außerstande sich auf irgendein Genre im Besonderen festzulegen. »Du?«
»In letzter Zeit, Reggae.« Er grinste, sein Blick auf ihrem Gesicht verweilend. »– it's nice to be important, but more important to be nice –«
Aiko konnte nicht anders als zu grinsen.
»Whoa, whoa, whoa, whooaa –«, fuhr Paul fort, sich offenbar ausgezeichnet amüsierend.
»Du bist viel zu betrunken«, witzelte sie. »Ich werde dir nie wieder Sake spendieren.«
»Dann werde ich wohl nach Japan fliegen müssen, um mir selber welchen zu besorgen.«
»Sicher, dass du nicht wegen den vielen kleinen japanischen Mädchen gehst?« Aiko überraschte sich selber mit ihrer eigenen Frage. Für ihn musste sie aus dem Nichts kommen.
»Nee«, sagte er, sich zurücklehnend, »ich mag für gewöhnlich gar keine asiatischen Mädchen.«
»Wirklich.«
»Wirklich.«
Sie studierten einander für einige ausgedehnte Augenblicke. Aiko schaute zur Seite. Wo sie saßen, im Dämmerlicht, konnte sie nicht sehen, wie Paul sich zu ihr lehnte, um ihr einen Kuss auf den Mundwinkel zu pressen. Er war sacht und zaghaft, erhitzt durch seine plötzlich schwere Atmung.
»Oh.« Sie formte den Laut still mit ihrem Mund, für den Moment erstarrt.
»Entschuldige«, sagte er, seine Stimme ein bloßes Wispern. Pauls Gesicht war ihr noch immer nah, suchte in ihren Augen nach einer eindeutigeren Antwort.
Aiko gab keinen Laut von sich, aber starrte auf seine Lippen, ahmte sie nach im Öffnen ihrer eigenen, ihre Augen bleiern und feucht. Es war das Signal, das er brauchte. Paul neigte sich zum zweiten Mal zu ihr, dieses Mal ihren Mund in einem selbstsichereren Kuss kaschend, sein Atem heiß erfüllt vom süßen Duft des Sake. Er pochte an ihre Lippen mit der Samtspitze seiner Zunge, sie ab und an behutsam zwickend mit seinen Zähnen. Ein kaum hörbares Grochsen entfloh tief aus ihrer Kehle. Sie erwiderte den Kuss mit einer langsam wachsenden Gier. Uhrwerkpräzise fing ein dumpfiges Ziehen an, sich auszubreiten und in ihrem Bauch zu sammeln. Aikos Knie schlugen eng zusammen, als Paul eine breite, warme Hand auf die Kurve ihrer Taille legte und der zusätzliche Kontakt ihr einen köstlichen Schauer abwärts durch das Kreuz jagte.
Sie unterbrachen den Kuss für einige Sekunden, um Atem zu holen. Pauls Augen waren geschlossen, er schnaubte leicht. Als er sie wieder öffnete, waren sie schwarz vor Wollust, seine Augenbrauen stark verkrampft. Er zog sie sacht an sich heran, die Distanz zwischen ihnen schließend. Aiko klammerte sich an sein Hemd, um das Gleichgewicht zu halten, und fühlte sein Herz mit doppelter Geschwindigkeit schlagen. Ein feiner Glanz aus Schweiß überzog seinen Nacken und seine Stirn. Sie spürte das Verhärten ihrer Brustwarzen zu feinfühligen Spitzen.
»Paul.« Ihre Stimme war kaum hörbar, leise bebend. Ungeduldig neigt er den Kopf, bereit, sie wieder zu küssen. Sein Mund fand die zarte, empfindliche Haut ihres Nackens, ein kleines Stück unter ihrem Ohrläppchen.
»Paul«, wiederholte sie. »Du musst nach Hause gehen.«
Er wich zurück, um ihre Augen zu studieren, unsicher, was er sagen sollte.
»Unsere Eltern fragen sich bestimmt schon, wo wir bleiben«, sagte sie bedrückt. Die Erwähnung der Eltern erinnerte sie beide an die Aussichtslosigkeit der Situation an diesem Abend. Keiner von beiden hatte seine eigene Wohnung.
»Okay.«
Sie lösten ihre Umarmung mit Widerwillen, noch leise keuchend von ihrer Begegnung.
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PROVIDENCE
25. SEPT
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Ich hasse mehr als alles andere, dass A mich belogen hat. Ich hätte nie gedacht, dass ich eines dieser idiotischen Mädchen sein würde, die dem Scheißgelaber eines Kerls Glauben schenken, wenn er sagt, er wolle den Rest seines Lebens mit einem verbringen. Zwei Jahre meines Lebens: verloren. Die Tatsache, dass ich über die Trennung nicht mal weinen kann, ist eine Beschämung. Das Ganze ist völlig sinnlos gewesen.
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Aiko hielt inne, schrieb dann weiter.
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Mein einziger Trost ist die Tatsache, dass ich A genauso benutzte, wie er mich benutzte. Ich sorgte dafür, dass er es wusste, und er tut‘s. Ich bin sicher, er weiß auch, dass ich seine Arbeiten hasse. Er weiß, er war nur gut für den Fick.
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Sie schlug das Tagebuch zu und warf es auf den Nachttisch, als wäre sie von heftigem Ekel erfasst.
Zwei Wochen waren seit ihrer Rückkehr ins Wohnheim in Providence vergangen. Sie hasste sich selbst dafür, die Einträge auf diese Weise fortzusetzen, aber sie nagten an ihrer Hirnmasse, wenn sie sie nicht herausließ. Vielleicht war das ihre Art der Trauer, dachte sie. Jeder Buchstabe war eine Träne, die zu vergießen sie nicht über sich bringen konnte, aber ziemlich leicht zu Papier zu bringen war.
Aiko betrachtete ihren kleinen Schlafraum, erleichtert dessen einziger Bewohner zu sein. Sie konnte ihre Zimmergenossin in der Küche das Frühstück vorbereiten hören.
Es musste sein. Sie wappnete sich und stand auf, um ihre Sachen für den Unterricht einzusammeln. Ihr Telephon surrte. Sie schob es auf und wurde konfrontiert mit einer Nachricht von Hannah.
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Paul ist von zu Hause weg, heute Morgen, ich vermute, um dich zu finden. Ruf mich an, falls du ihn siehst.
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Sie starrte ausdruckslos auf den Bildschirm. Die Ereignisse an jenem Abend vor drei Wochen fluteten wieder über sie mit voller Wucht. Sie setzte sich zurück aufs Bett, das Telephon in der Hand gegen ihre Brust gepresst. Ein unbegreifliches Bündnis aus Freude und Entsetzen fiel über ihre Gedanken her. ›Ich bin nicht bereit.‹ Sie seufzte. ›Ich kann das nicht!‹
Wie aufs Stichwort regte sich ihr Telephon erneut, laut klingelnd an ihrer Brust. Sie zitterte vor Schreck.
»... Paul?«
»Jepp, der bin ich!« Seine unbeschwerte Stimme brachte sie völlig durcheinander.
»Wo – wo bist du?«
»In einem Bus, der Providence ansteuert.«
Sie fühlte sich benommen. »Wann wirst du hier sein?«
»Ähm, so ungefähr in fünfzehn Minuten? Ich denke, wir steigen aus an der – 50 Exchange Terrace.«
»Okay, bleibe genau dort, wenn du aussteigst, und ich komme dich holen.« Aikos Herz schlug wild in ihrer Brust.
»Ist okay, sage mir einfach, welchen Weg ich einschlagen soll, und wir können uns auf halber Strecke treffen«, versicherte er ihr.
»Hm ... gehe die Washingtoner in Richtung Fluss und ich komme und treffe dich dort.«
»Alles klar, bis gleich.« Er legte auf.
*
Sie trafen sich auf der Brücke in der Nähe der Uferseite, auf der sich ihre Fakultät befand. Er trug dunkelblaue Jeans und ein graues T-Hemd, ein kleiner blauer Seesack hing ihm tief über die Schulter. Er hastete zu ihr, sowie er den ersten Blick auf sie erhaschte. Sie kamen einander bis auf einen Fuß weit nahe, doch in diesem Augenblick konnten sie nicht entscheiden, ob sie sich umarmen sollten. Sie umarmten sich trotzdem. Aiko atmete seinen Duft – er war frisch und flott, und zutiefst berauschend. Behutsam lösten sie sich.
»Wie ist’s dir ergangen?« Paul atmete aufgeregt, die Hände tief in seine Gesäßtaschen gegraben.
»Gut.« Ihr gelang ein schwaches Lächeln.
»Das klingt nicht sehr überzeugend«, sagte er, die Augenbrauen hochgezogen. Sie gingen in Richtung ihrer Fakultät.
»Paul, weiß deine Familie, dass du hier bist?«, platzte Aiko heraus.
Beinahe hätte er gestöhnt. »Nein. Aber ich habe ihnen erzählt, dass ich für ein paar Tage weggehen und dass ich zurückkehren werde.«
»Paul – sie werden krank vor Sorge um dich sein. Du solltest sie zumindest anrufen, wirklich, und ihnen sagen, dass du hier bist.«
»Werde ich, werde ich, keine Sorge.«
»Wirklich, Paul, dann würde ich mich viel besser fühlen.«
»Schön«, jammerte er, als er sein Telephon hervorholte und einen kurzen Text tippte. »Da. Ich hab’s meiner Schwester gesagt. Zufrieden?«
»Danke«, murmelte Aiko kopfschüttelnd.
»Bist du sicher, dass du okay bist?«, fragte er, die Anspannung legte sich auf seine Stimme.
»Mir geht’s gut«, sagte sie. »Nur lass uns dich zuerst ins Wohnheim bringen, damit ich meine Kurse besuchen kann. Ich werde zu spät kommen.«
*
Paul setzte seinen Seesack ans Fußende von Aikos Bett. »Ich meine, es ist doch okay für dich, wenn ich eine Weile hier bleibe, oder?«
»Klar, ist kein Problem. Ich wollte nur sichergehen, dass deine Eltern wissen, wo du bist.« Aiko flitzte durch den Raum und sammelte Skizzen und Abzüge ein und stopfte sie in ihren Rucksack. »Weißt du, wie lange du bleiben wirst?«
Er lächelte matt. »Ich weiß nicht. Ich habe nicht so weit vorausgedacht.«
Ein kleiner Sorgenknoten zurrte sich in ihrer Brust fest. Sie blieb stehen, um ihm ins Gesicht zu sehen. »Paul, wir wissen beide, dass deine Eltern bereits aufgebracht sind, weil du das College versäumst.«
Sein Kiefer spannte sich an, stumm für einen langen Augenblick.
»Nun, deshalb bin ich hergekommen«, sagte er ruhig. »Ich dachte mir, ich könnte herkommen und ein paar Dinge ins Reine bringen.«
»Also dann, gut«, sagte Aiko. »Wenn ich für ein paar Kursstunden verschwinde, wirst du keine Schwierigkeiten machen, solange ich weg bin?«
Paul zeigte ein äußerst verführerisches Grinsen. »Herrgott, ich bin achtzehn. Ich kann auf mich aufpassen.«
*
Zweieinhalb Stunden später zog Aiko eine halbleere Flasche Jim Beam aus dem Tiefkühler, dann legte sie ihre Schlüssel auf der Arbeitsplatte ab. Da sie keine Tumbler hatte, nahm sie ein kleines Saftglas aus der Spülmaschine und füllte es bis oben hin voll. Sie trottete mit ihrem Glas Whiskey und Rucksack in ihr Zimmer. Paul hockte am Bettrand, still lesend im gedämpften Lichtschein der Tischlampe. Seine Silhouette war unerträglich reizvoll.
»Bleib so«, sagte Aiko. Sie setzte das Glas ab und zog ihre analoge Kamera aus dem Rucksack. Sie zielte, fokussierte die Linse, bannte dann das Bild auf Film. Zufrieden nahm sie das Glas wieder auf und begab sich zum Bett.
Aiko stellte die Kamera auf den Nachttisch, dann das Glas. Sein feuchter Boden formte ein nasses Siegel auf der Tischoberfläche. Sie erstarrte.
Paul schloss das Tagebuch in seinen beiden großen Händen. Er hielt es wie einen schweren Stein zwischen den Knien.
Eine übelkeiterregende, ohrenzerreißende Stille füllte den Raum zwischen ihnen. Aikos Eingeweide krampften zusammen, während sie ihn stier ansah. Sein Blick haftete an seinen Händen.
»Wer ist ›A‹«, stieß er schwach hervor, seine Stimme unmerklich brechend. Es war schwerlich eine Frage, vielmehr eine kalte Forderung nach Auskunft.
Aiko schauderte beim Klang seiner Stimme, bei dem, was er sagte. Geistesabwesend hob sie eine zitternde Hand, um ihr erhitztes Gesicht zu bedecken.
»Er war dieser Typ, den ich in Japan traf.«
»Sprichst du noch immer mit ihm?«, fragte Paul finster.
»Nein.« Aiko schüttelte schier gewaltsam den Kopf. »Ich habe mich von ihm getrennt, als – als ich herausfand, dass er nur jemanden wollte, der ihn in die Staaten bringt.«
Er atmete scharf ein, seine Augen dunkel und unlesbar. Paul nahm das Tagebuch in eine Hand und legte es behutsam neben sich aufs Bett.
Obgleich eine Stimme in ihr lauthals protestierte, die das plötzliche Verhör und das Verlangen, sich zu erklären, verurteilte, rief Aiko aus: »Er bedeutet mir nichts!«
Er zeigte keine Reaktion. ›Wie kann er verstehen‹, dachte sie verzweifelt. ›Wie kann ich es ihm je verständlich machen?‹ Sie konnte es nicht. Sie stand machtlos vor ihm, ihre Hände zu kleinen erbitterten Fäusten geballt, und betrachtete ihn, wie er regungslos auf ihrem Bett saß. Paul hielt den Blick abgewandt, seine Miene undurchdringlich. Für eine gefühlte Ewigkeit hielt er den Blick abgewandt, bevor er ihn prompt zu ihr zurückwandte. Mit Entsetzen bemerkte sie unzählbare Emotionen in seinen finsteren Gesichtszügen flimmern und flackern, die Muskeln und Sehnen seines Körpers wie eine Bombe zum Bersten gespannt.
Aiko sah ihn aufspringen und seine Hand zurückwerfen, als wollte er auf sie einschlagen. Sie schreckte zusammen. Für einige Augenblicke kam die Zeit zum Stillstand. Sie öffnete ihre Augen, als seine Hände sich um ihre Schultern klammerten, um sie aufs Bett zu schleudern. Sie landete auf der Decke und er war auf ihr, forsch ihre von Panik erfassten Handgelenke über ihrem Haar festhaltend. Seine Augen muteten wie heiße schwarze Kohlen an, als Paul zur Klarstellung, dass sie ihre Hände nicht zu bewegen habe, sie mehrere Male ins Bettzeug zwang. Sie folgte mit den Blicken seinem T-Hemd, das er von sich schälte, inzwischen leicht feucht mit seinem Schweiß, und zu einem dicken, behelfsmäßigen Strick wrang. Rittlings auf ihr sitzend machte er sich daran, ihre Hände zu fesseln.
Pauls Finger zitterten sichtlich, als er das Hemd an ihre Handgelenke führte. Aikos Körper unter ihm zitterte noch stärker. Ihre Augen waren fest geschlossen. Pauls Lippen zu einer blassen, straffen Linie zusammengepresst. Seine Brust hievte heftig einige angestrengte Atemzüge. Wortlos setzte er sich auf und warf das eingerollte Hemd zu Boden.
»Sieh mich an«, befahl er, seine Stimme überraschend gedämpft. »Aiko, sieh mich an.« Zögerlich blinzelte sie ihre Augen auf, plötzlich sich noch wehrloser fühlend als zuvor.
Wohltuende Erleichterung erfasste sie, als Paul zu beiden Seiten ihrer Schultern einen Ellbogen ablegte, ihren Körper mit dem seinen umschließend. Sie studierte sein Gesicht, suchte nach einem Ausdruck oder fassbaren Wort auf seinen Lippen. Stattdessen beugte er sich herab und umspielte die Seite ihres Halses mit seinem Mund, seine glutheiße Zunge flach über ihre nackte Haut streichend. Aiko gasperte und drehte ihr Gesicht zur Seite. Ihre Hände fanden seine Schultern. Ihr Blut pulste unter seiner Zunge wie ein weiter, fiebriger Fluss.
»Paul ...«, hauchte Aiko, das Wort kaum ein Wispern. Ihre Finger fassten ihn bei den Schultern und dem samtigen Ansatz seines Nackens, als er die Last seiner Erektion auf ihre Hüften niederdrückte. Von einem flachen Schnauben begleitet umfuhr seine Hand ihren Hals, zog eine Spur zwischen ihre Brüste und rutschte tiefer, um ihre Jeans aufzuknöpfen. Den Reißverschluss erledigt löste er sie von ihrer Taille, ihr Höschen mit abstreifend, als er sie über ihre Schenkel hinweg nach unten zerrte. Sie schloss sich stumm dem abgelegten Hemd auf dem Boden an. Paul umfasste ihre Fesseln und drückte ihre Knie an ihre Brust. Er presste seine Handfläche auf ihr Geschlecht, seine Hitze und seine Zartheit fühlend.
»Sieh mich an«, sagte er erneut. Seine Augenbrauen waren verkrampft vor Verlangen. Sie tat, was er sagte, seinen Blick mit dem ihrem verhakend, als er einen Zeigefinger in ihre Muschi steckte. Aiko stöhnte. Ihre äußeren Lippen waren trocken, aber sein Finger kam dick überzogen mit ihren glitschigen Säften wieder zum Vorschein. Sie biss die Zähne zusammen, als er sie aufs Neue prüfte, dieses Mal mit zwei Fingern. Er spürte ihre Muskeln sich eng um seine Finger schließen, während sie sich unter ihm wand.
»J-Jetzt fick mich schon endlich«, stöhnte sie, ihre Augen sich schnell verdunkelnd vor Frustration. Sie fand sein Tempo unerträglich. Er gab nach und setzte sich zurück in die Hocke, um seine eigene Hose aufzuknöpfen. Ungeduldig griff Aiko danach und öffnete sie mit einem Ruck. Sie tauchte ihre Hand unter das Band seiner Boxer und holte ohne Umschweife seinen steifen Schwanz heraus. Ihr starrer Blick bohrte sich in seine Augen, während sie ihn abwichste, ihr begieriger Mund weit offen. Paul seufzte heiser unter der Berührung und angesichts ihrer plötzlichen Unverzagtheit. Ihre Hand war voll mit seinem Schwanz, als sie einen großen, klaren Tropfen Vorsaft seiner Spitze entlockte. Mit ihrem Daumen verrieb sie ihn auf der Kuppe, überall um die prallen Ränder streichend.
Aiko wälzte sich herum auf ihre Knie, Paul ihre Rückseite zugewandt. Sie beugte sich nach vorn und führte die Spitze ohne Zögern an ihre bereite Öffnung. Sie drängte gegen ihren nassen Schlitz mit gerade genug Druck, um Lustschauer durch ihren gesamten Körper zu jagen. Ihre Augen waren geschlossen in einem ekstatischen Krampf, als Paul sie bei der Taille packte und zurückwälzte, um ihm ins Gesicht zu sehen, dieses Mal sie auf seinen Schoß hebend. Er legte sich zurück, seine Hände nach wie vor fest um das Fleisch ihrer Hüften geklammert.
»Sieh mich an«, forderte er bestimmt, sein Blick unbeirrbar, »ich will, dass du mich ansiehst, während du mich fickst.«
Zähneknirschend zog Aiko einen scharfen Atemzug ein und fügte sich. Sie nahm seinen Schwanz in die Hand und führte ihn erneut an ihre glitschige Muschi. Ihre Augen auf die seinen gerichtet setzte sie sich langsam nieder und spürte ihn in ihr schmales Loch rutschen. Seine Dicke drohte sie zu zerreißen. Aiko versuchte, keine Miene zu verziehen, als sie sich anstrengte, seinen Umfang aufzunehmen. Paul hielt den Atem an, sein Gesicht von Schweiß überzogen.
Ohne Vorwarnung zwang er ihre Hüften geradewegs auf seine eigenen herab, gegen den zähen Widerstand ihrer Muskeln sich in die Tiefen ihrer Muschi versenkend. Sie schrie auf.
»Fuck –«, keuchte er und sah ihr ins Gesicht, das sich in einer Mischung aus Euphorie und Schmerz verzog. Aiko krümmte sich auf ihm, die Backen ihres Arsches fest gegen die Haut seines Hodensacks gepresst. Sie atmete schwer, die Augen nur halb offen, aber ihn ungebrochen ansehend. Er spürte die starken Muskeln ihres Kanals ihn umklammern, die Enge aufgedehnt durch die Spitze seines Schwanzes.
Langsam hob Paul sie hoch, seine Finger in ihr Fleisch bohrend. Der plötzliche Kontrast zwischen Ausgefülltsein und Leere brachte sie zum Stöhnen. Er balancierte sie genau auf der Spitze, ließ sie zur Gänze herausrutschen und gegen ihren Kitzler reiben.
»Wo hast – du gelernt, so zu ficken?«, hauchte Aiko, die Silben kamen ihr kaum über die Lippen. Ihre Hände hielten sich fest an der schweißglatten Haut seiner Unterarme.
»Viel gelesen.« Paul positionierte sie über sich, und bevor sie verarbeiten konnte, was das bedeutete, rammte er sich mit derselben Wucht wie im ersten Stoß erneut in sie hinein, mit voller Kraft gegen dasselbe tiefe Hindernis hämmernd.
»Oh Gott – Paul –«, schrie sie schrill. Aiko befürchtete, dass er etwas in ihr kaputt machen würde, aber ihre weit größere Befürchtung war, dass er aufhören könnte. »Paul –«
»Ist okay«, versicherte er im Flüsterton, »ist okay.« Er hob sie an und hämmerte aufs Neue in sie hinein, dieses Mal fließender und mit weniger Wildheit. Nach und nach verfielen sie in einen raschen, rastlosen Rhythmus.
»Denke daran, mich anzusehen«, sagte er immer, wenn ihre Augen sich entrückt von seinem Sturmlauf schlossen. Aiko öffnete sie mit großer Mühe, unkontrolliert keuchend, während ihre Brüste kleine Sprünge machten und erbebten unter seinen unerbittlichen Stößen. Der Raum war erfüllt von ihrem Stöhnen und Grunzen und den nassen Fickgeräuschen.
Pauls Gesicht verkrampfte sich durch den zunehmenden Druck. Sie sah ihn trocken schlucken, die Zahnreihen sich schließen hinter seinen ausgedörrten Lippen.
»Paul –«, keuchte sie. »Ich werde – kommen, wenn wir so weiter –«
»Ich auch.«
Gerade spürte sie ihren Bauch sich anspannen, als er flink sich aufsetzte und sie rücklings aufs Bett drückte. Er rammte sich weiter in sie hinein, jeden Stoß jetzt gegen die Bauchwand ihres Tunnels treibend. Aiko warf ihren Kopf zurück in einem unerträglichen Lustrausch – sie war so nah.
Paul vergrub eine Hand in ihrem Haar und drehte ihren Kopf zurück, um ihr ins Gesicht zu sehen. Seine andere Hand fand ihre Brust durch den Stoff ihres Oberteils und bildete deren Form nach. Er hatte die empfindlich geschwollene Brustwarze zwischen die Knöchel seines Mittel- und Ringfingers geklemmt.
»Sieh mich an, wenn du kommst, Aiko«, wisperte er, sein eigener Orgasmus sich anbahnend.
Jeder seiner Stöße donnerte in sie wie ein Fünfzehntausendtonnengüterzug. Ihr Körper fuhr in heftigen Krämpfen zusammen, ihre Finger fanden die straffe Haut seines Bauches und bohrten sich hinein. Sie glaubte sich am Rande eines schwarzen, tosenden Todes, als sie kam. Paul beugte sich rasch vor, gerade rechtzeitig, um ihren Schrei mit seinem Mund zu ersticken. Ihre Pupillen weiteten sich stumm zu unergründlichen schwarzen Scheiben, während sie in seine Augen starrte.
Ihre Muskeln pressten sich mit erbarmungsloser Kraft ringsum ihn zusammen, ihn hinaustreibend über den blendenden Punkt, ab dem es kein Zurück mehr gab. Sein gesamter Körper spannte sich an und erstarrte, als er zur Hälfte in ihr gefangen war. Heißer Samen strömte in schaudernden Schüben aus ihm heraus und in ihren erschöpften Körper.
*
In den frühen Morgenstunden erwachte Paul still und leise.
Eine müde Aiko lag dicht hinter ihm. Sie atmete flache, ruhige Atemzüge. Er rührte sich nicht. Er schlug die übernächtigten Augen auf und sah ihre umgefallene Kamera auf dem Boden, getränkt in Whiskey. Ein leeres Saftglas lag auf seiner Seite einige Zoll entfernt.
In seinem Halbschlaf stellte er sich vor, wie die Inhalte der Kamera sich sogleich auflösen würden, die Filmrolle in ihrem Gehäuse ein knorriges Band aus atemberaubenden, unsichtbaren Farben.
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NACHBEMERKUNG DES ÜBERSETZERS
Ich danke ohmanon für die Bereitwilligkeit, dieses Werk mit uns Lesern im Internet frei zu teilen. Ich danke ferner der verehrten Wespe für ihre kollegiale Hilfe und Unterstützung, ohne die ich die Übersetzung aller Anstrengung zum Trotz nicht in der vorliegenden Form hätte vollenden können. Auch danke ich meinen kritischen Lesern für ihre nützlichen Anmerkungen und Hinweise, die zum Feinschliff des Übersetzungstexts ihren Teil beigetragen haben.
Kommentare
Kommentare: 97
Ich finde es wertvoll, wenn sich jemand an so einen Text traut und sich auch noch Mühe gibt. Danke«
Kommentare: 102
Spätestens als Paul offenbart, dass er sich seine Fähigkeiten als Liebhaber angelesen habe, fliegt einem der hauchzarte Spannungsbogen um die Ohren. Ich habe nach einem Hinweis für eine Satire gesucht, ihn aber nicht gefunden, es muss wohl so sein.
Es fällt mir schwer, auf Details der Geschichte einzugehen, da ich den Urheber damit nicht erreiche, aber meiner Meinung nach ist die Anlaufkurve zu schleppend und will Tiefsinnigkeit schaffen, wo sie mich nicht erreicht. Was Aiko mit diesem A in Japan erlebt hat, ist im Grunde bedeutungslos für die Annäherung mit Paul. Sie sind beide jung und ungebunden und Paul hat sich von einem schlaksigen Teenager zu einem belesenen Mann entwickelt, der ohnehin ein Auge auf Aiko geworfen hat, das reicht für eine heiße Nacht.
LG
F«