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Lesungen: 198 | Bewertung: 9.00 | Kategorie: BDSM | veröffentlicht: 26.12.2025

Louisas Aufgabe

von

Prolog: Erste Male


Ich habe viele Dinge zum ersten Mal getan, seit ich in diese Stadt gezogen bin. Meine erste Vorlesung. Mein erster eigener Mietvertrag. Mein erstes WG-Katerfrühstück, bei dem keiner ein Wort sagte und trotzdem alle wussten, was in der Nacht passiert war.

Mein erster stiller Orgasmus – auf einer Clubtoilette, während meine Mitbewohnerin draußen eine Runde Gin Tonic bestellte – gehört auch dazu. Vielleicht war das der Moment, in dem alles gekippt ist. Vielleicht auch schon früher, als ich ja gesagt habe. Oder als ich aufgehört habe, nein zu sagen.

Damals hätte ich es ein Spiel genannt. Heute bin ich mir nicht mehr sicher, ob es je eines war – oder ob ich nur die Spielregeln zu spät verstanden habe.

Kapitel 1: Ein Freitag wie viele


Freitagabend in einer WG-Küche. Bierflaschen klackten gegeneinander, irgendwo lief Musik – irgendwas zwischen Indie und Alt-Punk, und Paul versuchte seit zwanzig Minuten, einen Flachmann mit Cola zu strecken, ohne dass man es schmeckte.

Ich saß auf der Anrichte, die Beine baumelten über den Kanten, meine Strumpfhose hatte ein winziges Loch am Knöchel, das ich immer wieder mit dem Daumen ertastete. Ich sagte wenig. Lachte da, wo man lachte. Trank da, wo man trank.

Es war eine von diesen Nächten, in denen nichts Besonderes passierte. Zumindest dachte ich das. Jule hatte vorgeschlagen, dass wir „endlich mal alle richtig abstürzen“ sollten – als WG, zum Einstand, zum Kennenlernen. Niemand hatte widersprochen. Wenn Jule was vorschlug, tat man das selten.

Sie saß im Schneidersitz auf ihrem Sessel, Zigarette in der einen, das Handy in der anderen Hand, schwarzes Shirt, schwarzer Lippenstift, und das Selbstverständnis einer Person, die nie gezwungen war, sich zu erklären. Ben lehnte an der Wand, wie immer halb abwesend. Und Paul… Paul war bemüht, locker zu wirken, was ihn nur angestrengter wirken ließ.

Irgendwann landete die Idee mit Wahrheit oder Pflicht im Raum, beiläufig, wie ein leerer Kronkorken, der neben dem Mülleimer landet und liegen bleibt. Niemand widersprach. Natürlich nicht. Es ging harmlos los. Erstes Mal. Lieblingssexstellung. Peinlichstes erstes Date. Jule erzählte, wie sie mal bei einem One-Night-Stand aus Versehen das Kondom abgezogen und weitergemacht hatte. Ben grinste. Paul wurde rot.

Und dann war ich dran.

„Wahrheit oder Pflicht?“ Jule sah mich über den Flaschenrand an. Ihr Tonfall war neutral, aber ihre Augen sagten schon, dass sie wusste, worauf sie hinauswollte. Ich hätte „Pflicht“ sagen können. Einfach irgendwas tun, tanzen, jemanden küssen, einen Schluck aus Bens geheimnisvollen Kräuterlikör nehmen.

Aber ich sagte „Wahrheit.“

Vielleicht, weil ich mutig wirken wollte. Oder weil ich dachte, es wäre einfacher. Ich lag noch nie in meinem Leben so falsch.

„Hattest du schon mal einen Orgasmus?“ Jule nippte an ihrer Zigarette, als hätte sie die Frage nicht gerade gestellt. Ein kurzer Moment Stille. Paul lachte erst, als er sah, dass ich nicht lachte.

„Also…“ Ich trank einen Schluck, zu lang, zu offensichtlich. „Ich glaube nicht.“

Ben hob eine Augenbraue. Jule sagte gar nichts. Sie lehnte sich zurück, sah mich an wie etwas, das sie gerade neu einordnete.

„Krass“, sagte Paul. In seiner Stimme lag etwas, das fast nach Bewunderung klang – als hätte er gerade etwas Exklusives erfahren, das ihn in eine seltsame Art von Verantwortung versetzte. Jule wechselte das Thema, bevor es mir unangenehm werden konnte. Aber der Moment blieb an mir haften wie eine Fliegenfalle.

Jule ließ mir keine Zeit, die Stille einzusortieren. Sie war gut darin, Gespräche zu verschieben, bevor sie zu tief wurden – oder genau dann, wenn man angefangen hatte, sich darin zu verlieren. Sie kippte den letzten Rest aus Pauls Becher in ihren eigenen, hielt ihm wortlos die Flasche hin. Er füllte nach, ohne zu protestieren.

„Ben“, sagte sie, „Wahrheit oder Pflicht?“

„Pflicht“, kam es, fast zu schnell. Vielleicht war es auch Kalkül. „Dann schreib jemandem, den du mal gefickt hast, dass du beim Gedanken an sie gekommen bist“, sagte sie. Trocken wie Toast. Und dann, an mich gewandt: „Du darfst die Person aussuchen.“

Ich zuckte die Schultern. „Ich kenn niemanden, den er gefickt hat.“


„Na, dann wird’s Zeit, dass wir hier ein bisschen offener werden“, grinste Ben. Paul sah aus, als wollte er im Sofa versinken. Ich beneidete ihn darum.

Ben tippte auf seinem Handy. Ein kurzes Zucken seiner Mundwinkel, dann zeigte er es Jule. Sie nickte. „Zählt.“

Es ging weiter. Die Flasche wanderte, der Alkohol wurde wärmer, der Raum ein wenig kleiner.


Ich hatte irgendwann das Gefühl, dass ich mehr beobachtet wurde als sonst. Dass Paul mir Blicke zuwarf, wenn er dachte, ich merke es nicht. Dass Ben immer eine Sekunde länger wartete, bevor er wegsah. Und Jule schaute gar nicht mehr direkt. Sie war einfach da, als gehöre ihr der Raum

Ich hätte früher schlafen gehen können. Sagen können, dass ich müde bin. Dass ich morgen früh raus muss. Aber ich blieb. Aus Neugier. Aus dem Gefühl heraus, dass der Abend gut werden würde. Aus Angst etwas Weltbewegendes zu verpassen.

„Lou“, sagte Paul irgendwann. Seine Stimme war fast freundlich, vielleicht zu freundlich. „Du bist wieder dran.“

Ich sah in die Runde. Mein Herz klopfte. „Pflicht“, sagte ich.

Ich wusste sofort, dass es ein Fehler war. Jule lehnte sich ein wenig vor, den Ellbogen lässig auf dem Knie abgestützt. Die Zigarette war inzwischen aus, aber sie drehte sie noch zwischen den Fingern.

„Gut“, sagte sie. „Dann ziehst du jetzt was für mich an.“

Jule richtete sich auf. Langsam. Sie ließ ihren Blick durch die Runde wandern, dann sah sie mich an. „Bin gleich wieder da“, sagte sie und verschwand mit einem geheimnisvollen Lächeln auf den Lippen aus dem Raum.

Die Tür fiel hinter ihr ins Schloss. Zurück blieb ich. Und zwei Männer, die gerade erfahren hatten, dass ich noch nie in meinem Leben gekommen war. Paul spielte mit seinem Bieretikett, Ben warf mir einen Blick zu, der zu offen war, um neutral zu sein. Keiner sagte etwas. Die Musik klang dumpfer. Oder mein Kopf wurde leiser.

Ich strich mir eine blonde Strähne hinters Ohr, obwohl sie gar nicht störte. Mein Herz schlug schneller, als würde es sich selbst überprüfen. Dann kam Jule zurück. In der Hand: eine flache schwarze Schachtel, unauffällig, viel zu elegant für diesen Moment. Sie setzte sich, klappte sie auf, und das leise Klicken war plötzlich das Lauteste im Raum.

Drin lag etwas Glattes, Kleines. Schwarz, rundlich. Keine Zweifel. Sie nahm es zwischen Daumen und Zeigefinger, hielt es mir hin. Daneben: ein Fläschchen Gleitgel, das sie ohne Kommentar auf den Tisch stellte.

„Den hier“, sagte sie, „führst du ein. Jetzt. Und lässt ihn drin, bis wir im Club sind.“

Ich starrte sie an. Nicht wegen des Was, sondern wegen des Wie. Weil sie es mir hinhielt wie etwas Selbstverständliches. Wie ein Schlüssel, den man mir einfach mal eben so überreichte.

„Das ist doch nicht dein Ernst“, sagte ich. Der Versuch zu lachen misslang irgendwo zwischen Kehle und Magen.

„Warum nicht? Ist doch nur ein Spiel.“

Ben hob eine Augenbraue. Paul sah weg. Niemand sagte etwas. Natürlich nicht. Der Ball lag in meinem Spielfeld.

„Du kannst auch ablehnen“, sagte Jule. Ruhig, sachlich, wie jemand, der keine Ablehnung erwartet. Ich nahm das Ding. Es wog fast nichts. Aber in der Hand fühlte es sich schwer an. Ich hätte ablehnen können. Aber ich wollte dazugehören. Ich redete mir ein, es wäre das Wildeste, was ich je tun würde. Vielleicht glaubte ich es wirklich.

„Ich geh mal kurz…“, sagte ich, mehr zu mir selbst als zu irgendwem sonst, und stand auf.


Beide Dinge verschwanden in meiner Rocktasche. Die Tür klemmte wie immer leicht, als ich hinausging. Der Flur war kühler als der Wohnraum. Das Licht über der Toilette flackerte beim Einschalten, wie immer. Ich schloss die Tür, verriegelte sie, als würde ich erwarten, dass jemand mich dabei stören wollte.

Ich stellte die kleine Schachtel auf den Spülkasten, daneben das Fläschchen. Öffnete beides.


Das Ei lag in meiner Handfläche, glatt und fremd. Das Gel war kühl, als ich ein paar Tropfen auf die Finger gab. Ich setzte mich auf den Rand der Badewanne, zog Strumpfhose und Slip zur Seite – nicht ganz aus, nur gerade so weit. Meine Hand zitterte leicht. Vor Kälte, oder Erwartung. Vielleicht auch vor beidem.

Ich berührte mich, nur flüchtig. Dann führte ich es ein. Langsam. Sanft. Und besiegelte damit mein Schicksal. Es glitt hinein, tiefer, als ich erwartet hatte. Ich atmete einmal lang durch, stand auf, richtete meine Kleidung. Der Druck war nicht unangenehm, aber konstant spürbar. Ein geheimer Gast in meinem Körper.

Im Spiegel war mein Gesicht leicht gerötet. Ich sah mir selbst in die Augen und erkannte den Ausdruck, den ich hatte, nicht sofort. Angespannt, ja. Aber da war auch… Neugier. Etwas, das in Richtung Lust zeigte. Oder Machtverlust. Und ein neues Selbstbewusstsein. Ich wusste es nicht genau.

Als ich zurück in den Wohnraum kam, verstummte das Gespräch nicht, aber es verschob sich.


Jule sah mich an, kurz nur, prüfend, mit einem Lächeln. Sie hatte ihr Handy schon in der Hand.


Ich spürte es, bevor ich es hörte.

Ein erstes, leises Summen. Tief im Becken. Ich zuckte unwillkürlich zusammen, schloss fast die Augen. Ein kleiner Ruck ging durch meine Schultern. Paul lachte auf. Nicht gehässig, mehr überrascht. Ben grinste. „Scheint zu funktionieren.“

„Sag ich doch“, sagte Jule.

Das Summen verstummte wieder. Ich setzte mich, vorsichtig, wie auf ein rohes Ei. Wortwörtlich. Mein Gesicht brannte. Ich trank einen Schluck Bier, zu hastig.

„Bereit für den Club?“ fragte Jule, als wäre nichts gewesen.

Ich nickte. Zu schnell. Sie stand auf, schnappte sich ihre Jacke. „Dann los. Ich hab‘ Lust auf laute Musik und schlechte Entscheidungen.“

Ich folgte ihr. Im Flur berührte sie kurz meinen Rücken, ganz beiläufig. Dann vibrierte es wieder – nur kurz. Als wollte sie mich daran erinnern, dass sie mich in der Hand hatte.

***

Der Nachtclub lag in einer Seitenstraße, halb versteckt hinter einem Asia-Imbiss und einer Autowerkstatt. Von außen wirkte er wie ein Ort, an dem man nicht absichtlich landete. Drinnen vibrierte bereits der Bass gegen die Wände. Eine kleine Schlange hatte sich vor dem Eingang gebildet – Grüppchen aus Leuten, die sich gegenseitig übertönten, Zigaretten in den Händen, Augenringe unter neonfarbenem Lidschatten, die letzten Schlucke ihrer Wegbiere noch in den Flaschen.

Ich stand zwischen Jule und Paul, die Hände in den Taschen, das Kinn leicht gesenkt. Meine Beine fühlten sich fremd an, jedes Geräusch schien lauter, jedes Blickpaar kam mir irgendwie gefährlich vor. Aber niemand schaute mich wirklich an. Nur Jule, sie tat es nicht offensichtlich, aber ich spürte es.

Als wir den Türsteher erreichten, kramte ich in meiner Jackentasche nach dem Geldbeutel. Ich beugte mich ein wenig nach vorne, zog den Reißverschluss auf. In genau diesem Moment vibrierte es. Tief, gezielt und perfekt getimed. Ich zuckte – nicht sichtbar für Außenstehende, aber genug, dass mir das Herz stockte. Jule lachte laut auf. Mein Griff am Portemonnaie wurde fester. Ich biss mir auf die Innenseite der Lippe.

Jule stand neben mir. Ihr Daumen ruhte jetzt beiläufig auf dem Display ihres Handys. Ein schmaler Grinser zuckte über ihre Lippen, kaum mehr als ein Zucken, Sie hatte es gesehen. Sie hatte es provoziert.

Ich bezahlte, passierte den Türsteher mit einem knappen Nicken, und trat ein. Der Geruch nach Rauch, Alkohol und alten Lautsprechern schlug mir entgegen wie eine zweite Luftschicht.


Der Boden war klebrig, das Licht flackerte in stumpfen Farben. Über der Tanzfläche hing ein Käfig, in dem niemand tanzte, dafür war die DJ-Ecke von dunklem Metall umgeben, als müsste sie bewacht werden. Die Musik war treibend – nicht schnell, nicht langsam. Basslastig, fast körperlich. Jule streifte ihre Jacke ab, zog mich mit einem Fingerzeig weiter in den Raum. Ben verschwand ohne ein Wort in Richtung Cocktailbar. Paul blieb bei mir, sein Blick wanderte, zu mir, zur Tanzfläche, wieder zu mir.

Ich wusste nicht, wohin mit meinen Händen. Also ließ ich sie in den Taschen. Das Ei war ruhig.

Noch.

„Bar?“, rief Paul mir über den Lärm zu. Ich nickte. Wir schlugen uns durch die Menge, bis wir die Theke erreichten. Ich bestellte ein Wodka-Lemon, Paul irgendwas mit Rum. Während wir warteten, lehnte ich mich leicht an den Tresen, versuchte zu wirken, als würde ich dazugehören. Als würde ich mich nicht wie ein Fremdkörper fühlen.

Daneben stand ein Typ, vielleicht Mitte zwanzig, langes Haar, Nasenpiercing, schwarzes Ramones Shirt. Er musterte mich kurz, dann nickte er freundlich.

„Schon öfter hier gewesen?“ rief er über die Musik.


Ich schüttelte den Kopf. „Erstes Mal.“


„Die Anlage ist neu, glaub ich. Ordentlicher Bass.“


Er grinste. Ich lächelte zurück.

Und dann vibrierte es.

Nicht nur kurz. Sondern rhythmisch. Gezielt. Tief.

Ich verschluckte mich fast am eigenen Atem, klammerte mich an den Tresen. Ein Laut drang aus mir, undeutlich – halb Lachen, halb Schreck. Der Mann sah mich fragend an. Paul stellte sich neben mich, warf Jule einen kurzen Blick zu, der wohl nach Empörung aussehen sollte. Jule war noch an der Tanzfläche, Handy in der Hand, den Kopf leicht geneigt. Ihr Blick traf meinen.

Ich sah weg. Schnell.

„Alles okay?“, fragte der Typ.


Ich nickte. Zwang ein Lächeln.


„Ich liebe diesen Song!“, log ich.

Ich wartete, bis der Typ sich weggedreht hatte. Mein Drink stand noch halbvoll vor mir, aber ich rührte ihn nicht mehr an. Der Druck in mir war zu stark geworden. Ich musste mir irgendwie Erleichterung verschaffen. Meine Gedanken lösten sich nicht mehr von der Vibration, auch wenn sie gerade verstummt war. Es war wie ein Echo, das nicht nachlassen wollte.

„Ich muss mal kurz…“, rief ich Paul ins Ohr, ohne ihn direkt anzusehen. Ich ging, bevor er irgendwas erwidern konnte.

Die Toiletten lagen hinter einem schweren Vorhang, in einem Nebenflur, der nach Putzmittel und nasser Wand roch. Drei Kabinen, alle frei. Am Waschbecken zogen zwei Mädels ihren Mascara nach. Ich schloss die Kabine erste ab, setzte mich, ließ den Rock einfach über die Oberschenkel fallen. Meine Hände zitterten leicht. Mein Puls lag in meinem Bauch, und zwischen meinen Beinen.

Ich war feucht. So sehr, dass es mich erschreckte. Es roch nach mir. Noch bevor ich mich berührte. Das ständige Vibrieren in mir hatte mich zersetzt. Das Ding war ruhig, und trotzdem schien es zu atmen. Ich legte die Stirn in die Hand, atmete flach, dann tief durch.

Ich wollte mich nicht anfassen. Nicht hier auf der Toilette mit den beschmierten Wänden.


Aber ich musste es. Ich sitze auf der Klobrille einer heruntergekommenen Clubtoilette, in der sich mehr DNA auf der Wand befindet als in einem Tatortbericht – und was mache ich? Ich fasse mich an. Nicht, weil ich will. Sondern weil ich sonst platze.

Meine Finger wanderten langsam unter den Stoff. Erst zaghaft. Dann gezielter.

Noch bevor ich richtig Druck aufbaute, vibrierte es. Nicht heftig, aber genau richtig. Ein einziger Impuls, als hätte Jule gespürt, wo ich war und was ich tat. Ich keuchte auf. Der Laut war leise, aber er fühlte sich an wie ein Ruf. Ich biss mir auf die Lippe, schloss die Augen. Und hoffte, dass mich niemand hörte.

Es kam schnell. Zu schnell.

Mein Körper zuckte. Nicht laut, nicht sichtbar. Es erfasste mich aber vollständig. Und ich vergas kurz wo ich war. Ich presste meine Stirn gegen den Unterarm, hielt den Atem an. Als ob das etwas helfen würde. Es war anders als ich es jemals gespürt hatte. Intensiv. Mein Körper gehorchte mir nicht mehr. Und genau das machte es so aufregend.

Ich war gekommen. In einem dunklen Raum, auf einer klebrigen Klobrille, während jemand anderes darüber entschied, wann mein Körper zuckte. Ich lachte. Leise. Nicht, weil es lustig war. Sondern weil ich nicht wusste, was ich sonst tun sollte. Ein Lachen, das nicht zu mir gehörte. Es kam einfach. Weil nichts anderes passte.

Dann wischte ich mich ab, ordnete mich neu, stand auf. Ich sah mich im Spiegel nicht an.

Als ich zurückkam, hatte sich der Club verändert.


Oder vielleicht war ich es, die sich verändert hatte.

Die Musik war lauter, härter – der Übergang zwischen zwei Tracks ließ die Wände vibrieren. Der DJ hatte aufgerüstet: „Firestarter“ lief jetzt. Laut. Dreckig. Unmissverständlich. Ein Lachen aus Bässen, das an den Rippen kratzte.

Ich spürte den Song, bevor ich ihn bewusst wahrnahm. Jule stand mitten auf der Tanzfläche. Ihre Arme in der Luft, das schwarze Shirt glänzte vom Schweiß. Ben war irgendwo daneben, Paul etwas abseits am Tresen, halb in der Bewegung, halb im Beobachten.

Ich trat einen Schritt näher. Nicht ganz in die Menge bloß nah genug, um nicht aufzufallen.

Jule drehte sich, sah mich. Kein Lächeln. Nur ein Blick. Dann verschwand ihre Hand wieder in der Jackentasche – oder ihrer Hosentasche, ich konnte es durch die tanzende Menge nicht genau sehen. Das Ei vibrierte. Nur einmal, kurz. Ich zuckte. Mein ganzer Unterleib spannte sich an. Dann: Nichts. Gar nichts. Als hätte sie den Stecker gezogen.

Ich wartete. Mein Körper wartete. Die Musik trieb weiter. „I'm the fear addicted, danger illustrated…“ Ich versuchte, ruhig zu atmen. Tat so, als würde ich zur Musik nicken. Als hätte ich den Rhythmus verstanden.

Dann vibrierte es wieder.


Nicht wie zuvor, sondern schneller. Tiefer.


Und dann wieder… nichts.

Es war wie ein Flirt, nur ohne Berührung.

Ich wusste nicht mehr, ob ich tanzen oder fliehen wollte. Schwankte zwischen Bewegung und Stillstand, zwischen dem Drang, zu bleiben, und der Sehnsucht, zu verschwinden.

Aber ich blieb stehen. Atmete durch die Nase. Sah nicht zu ihr.

Das nächste Summen traf mich, als ich gerade den Kopf wandte. Es kam mit einer sadistischen Punktgenauigkeit. Mein Magen verkrampfte sich. Ich verschluckte ein Keuchen. Mein Körper hatte angefangen, zu antizipieren – und lag jedes Mal falsch.

Jule tanzte weiter. Sie schaute nicht zu mir. Nicht mehr. Aber ich wusste, dass sie es war.


Ich wusste, dass sie genau wusste, was sie tat. Ich hielt es keine zehn Minuten länger auf der Tanzfläche aus. Die Musik war zu laut, mein Körper zu empfindlich, und das Spiel, das Jule spielte, war keines, bei dem man freiwillig die nächste Runde mitmacht.

Ich bahnte mir einen Weg durch die Menge, tastete mich an schwitzenden Schultern und flackernden Lichtern vorbei in Richtung der Sitzecke hinten links, wo es ein bisschen ruhiger war. Dort ließ ich mich auf einen der abgewetzten Kunstlederhocker fallen. Mein Herz klopfte gegen den Stoff meines Shirts, als würde es rauswollen. Das Ei war still. Aber mein Körper summte nach. Ich atmete langsam. Zwang meine Hände dazu, ruhig zu liegen.

Dann sah ich, wie Paul sich löste. Er hatte mich die ganze Zeit beobachtet. Nicht auffällig oder irgendwie gaffend, aber konstant, wie ein Schutzengel. Jetzt kam er zu mir, setzte sich schräg gegenüber, eine halbe Armlänge entfernt.

„Alles okay bei dir?“, fragte er. Seine Stimme war lauter, als sie sein musste, aber vielleicht auch zu leise, um wirklich aufzufallen. Mein ganzer Körper war auf Empfang eingestellt. Zwischen uns rauschte die Musik wie ein dritter Körper. Ich nickte. Zwang ein Lächeln. „Klar. Nur… laut.“ Er sah mich an. Länger, als nötig gewesen wäre. Ein Anflug von Stolz lag in seiner Stimme, als würde er darauf warten, dass ich ihn irgendwann brauchen würde.

„Jule ist ein bisschen… eigen, oder?“


Ich zuckte mit den Schultern. „Sie meint es nicht böse.“

Das war nicht die ganze Wahrheit. Aber ich wusste nicht, wie viel er sehen konnte. Wie viel er davon verstand.

„Wenn dir irgendwas zu viel wird“, sagte Paul, „dann sag was. Also… echt jetzt.“


Sein Blick war ernst. Offen. Vielleicht ein bisschen überfordert. Er versuchte ein Gentleman zu sein. Ich spürte plötzlich, wie heiß mein Gesicht war. Nicht weil ich mich irgendwie ertappt fühlte, sondern weil ich mir nicht sicher war, ob ich überhaupt noch wusste, wo meine Grenze lag.

Oder ob ich sie nicht längst verschoben hatte.

„Ist lieb, dass du fragst“, sagte ich. Ich sah ich wie seine Hand auf der Kante lag, als wolle sie sich zu meiner vorarbeiten. Ich zog meine zurück. Er schien es zu bemerken, sagte aber nichts. Trotzdem, oder vor allem deswegen, klang er aufrichtig. Und war es auch. Ich sah trotzdem weg, bevor er etwas erwidern konnte. Ich wusste, dass ich bleiben würde. Nicht wegen Jule. Nicht mal wegen des Spiels. Sondern weil ich wissen wollte, wie weit ich gehen konnte, bevor jemand mich aufhielt.

Die Musik wechselte kaum merklich. Sie blieb laut, pulsierend, aber weniger chaotisch.


Fatboy Slim – Right Here, Right Now setzte ein, mit stoischem Druck. Keine Steigerung, kein Fluchtpunkt. Nur das Jetzt, immer wieder.

Der Club war voll, der Rauch dichter, die Gespräche um uns herum fragmentiert. Paul und ich hatten uns zurück in die Sitzecke verzogen. Ben tauchte auf und versank im Sitz. Er schien halb in Gedanken, die er nie laut aussprach. Vielleicht war es auch der halbleere Longdrink, der ihm zu schaffen machte. Er schob ihn mir wortlos zu, kein Kommentar. Nur ein kurzer Blick, wach plötzlich. Wacher als er eben noch schien, aber nicht fordernd. Ich nahm einen Schluck. Geschenkter Gaul und so, und stellte überraschend fest, dass es ein Sprudel war, der nur aussah wie ein Gin Tonic.

Ich nahm einen Schluck von meinem zweiten Wodka-Lemon. Das Glas war feucht, meine Finger auch. Das Ei war ruhig. Aber ich war es nicht. Mein Körper war auf etwas eingestellt, das nicht kam.

Paul saß dicht bei mir, nicht zu dicht. Seine Schulter berührte meine nicht, aber sie hätte es gekonnt, jederzeit. Ben war auf der anderen Seite. Er warf mir gelegentlich Blicke zu. Kein Grinsen. Nur dieses neutrale Beobachten, das sich nach mehr anfühlte.

Dann kam Jule.

Jule nahm sich mein Getränk, nippte daran. Dann stellte sie es zurück.

„Du wirkst entspannt“, sagte sie. Ich wollte etwas sagen, vielleicht ein ironischer Kommentar. Aber da vibrierte es. Der Impuls war tief, durchdringend, gerade lang genug, um mein Innerstes in Brand zu setzen und meinen Gedankengang zu unterbrechen. Ich zuckte leicht, hielt den Atem an. Dann noch ein Stoß. Dann wieder einer.

Meine Finger fanden Pauls Arm. Ich klammerte mich daran, fester, als ich wollte. Mit der anderen Hand krallte ich mich in Jules Jacke, spürte den Reißverschluss unter den Fingern. Ich hielt mich an ihr fest wie an einem Geländer, das jederzeit nachgeben könnte.

Mein Becken spannte sich, mein Atem flatterte. Kein Laut kam über meine Lippen. Aber mein Körper sprach eine deutliche Sprache. Ben sah mich an. Direkt. Sein Blick war ruhig. Weder mitleidig noch spöttisch. Er studierte mich aufmerksam.

Ich kam.

Zwischen ihnen. Mit ihren Armen unter meinen Fingernägeln, dem Summen tief in mir, und der Musik, die alles übertönte:

„Right here… right now… right here…“

Als es nachließ, war ich erschöpft. Nicht von der Bewegung, sondern von der Nähe. Von dem Wissen, dass alle es bemerkt hatten – und niemand es kommentierte.

Ich löste langsam meine Hände. Paul sah mit rotem Kopf weg. Jule nippte wieder an meinem Drink. Ben hob grinsend sein Glas, als wollte er mir zuprosten. Dann trank er. Ich begegnete seinem Blick. Nur einen Moment. Sein Blick hatte den Ausdruck, als hätte er etwas gesehen – in mir, nicht nur an mir. Ich wusste nicht, ob ich das mochte, oder ob es mich beängstigte.

Ich blieb sitzen.

***

Die WG war still, als ich zurückkam. Ben verschwand in seinem Zimmer, Paul murmelte eine gute Nacht. Jule sagte nichts. Sie zog sich die Jacke über den Kopf und verschwand Richtung Bad. Ich schloss meine Tür leise, zog mich langsam aus. Der Stoff klebte an mir. Alles roch nach Schweiß, Rauch, Club und fremder Nähe.

Als ich die Unterwäsche abstreifte, spürte ich die Feuchtigkeit. Es war nicht überraschend.


Ich tastete nach dem Vibrator und zog ihn langsam heraus.

Ein leiser Laut löste sich aus mir, den ich nicht einordnen konnte.

Ich legte ihn auf ein Stück Küchenpapier, das noch auf meinem Schreibtisch lag. Mehr hatte ich nicht. Er sah harmlos aus. Klein. Technisch. Mein Körper hatte darauf reagiert, als hinge etwas davon ab.

Ich setzte mich auf die Bettkante. Meine Beine zitterten leicht. Die Haut war empfindlich. Jede Bewegung fühlte sich ungewohnt direkt an. Ich hatte heute zwei Orgasmen gehabt. Einen auf der Toilette, allein. Einen am Tisch, zwischen meinen Mitbewohnern. Es waren meine ersten. Und keiner davon war aus mir selbst heraus entstanden.

Ich legte mich ins Bett. Die Decke kratzte leicht auf der Haut. Meine Hand wanderte nach unten.


Ich versuchte, es selbst zu tun. Ohne Hilfe. Ohne Impuls von außen. Es funktionierte. Mein Körper reagierte. Ich kam ein drittes Mal.

Aber es fühlte sich anders an. Kleiner. Glatter. Als wäre nichts zurückgeblieben. Ich lag da. Die Finger noch feucht. Und fragte mich, warum es weniger war, obwohl ich doch mehr wollte.

Vielleicht, weil niemand dabei gewesen war.

Es war meine Entscheidung. Aber das machte es nicht zwingend besser.


Vielleicht, weil ich gespürt hatte, wie es sich anfühlen konnte, wenn es nicht nur meins war.

Ich schloss die Augen. Der Vibrator lag neben dem Bett, ganz still.

Ich dachte an nichts Bestimmtes. Aber als ich einschlief, spürte ich etwas, das näher an Sehnsucht war als an Zufriedenheit.

Kapitel 2: Offene Türen


Montagmorgen roch die WG nach Kaffee, Haarspray und Duschgel. Ein ganz normaler Start in die Woche – und doch war nichts mehr normal. Ich trug Jeans, einen schlichten Pullover, den Rucksack über eine Schulter geworfen. Mein Körper funktionierte. Ich grüßte Paul im Flur, sagte Jule im Vorbeigehen Bescheid, dass ich los bin. Ihre Antwort war nur ein angedeutetes Lächeln über den Kaffeerand.

Draußen war die Luft kühl, klar. Der Weg zur Uni verlief wie im Autopilot, Straßenbahnfahrt, Zwischenstopp beim Bäcker, überfüllter Campus. Ich saß in den ersten Veranstaltungen meines Psychologie-Studiums, machte mir Notizen, wie man das eben tat.

Neben mir in einer allgemeinen Einführungsveranstaltung: Helena. Dunkle Locken, rot lackierte Fingernägel, ein selbstgebastelter Kaffee-to-go im Thermobecher. Wir kamen ins Gespräch, eher beiläufig. Sie studierte auch Psychologie, wohnte in einem Studentenwohnheim, hasste Statistik, gab an Freud zu lieben. Sie war ein bisschen nerdig. Ihre Stimme war klar, schnell, angenehm. Ich mochte sie sofort. Vielleicht gerade, weil sie nichts mit meiner WG zu tun hatte.

Wir verabredeten uns für die Studiparty am Donnerstag. Einfach so. Während wir in der Cafeteria standen, zwischen zwei Seminaren. Und doch: Die Woche fühlte sich an wie ein Deckblatt, hinter dem etwas anderes lag. Ich war anwesend, aber nur physisch. Mein Körper war da und tat was von ihm erwartet wurde, der Rest war woanders. Ich nickte, schrieb mit, fragte nach und lernte sogar etwas. Aber mein Inneres blieb an Freitag hängen. Am Summen. An der Wärme. An dem Moment, in dem ich gekommen war, ohne selbst darüber entschieden zu haben, wann. An dieser Sekunde, in der ich die Kontrolle über mich verlor.

Abends lag ich auf meinem Bett, Laptop auf den Knien, die Decke bis zur Brust gezogen. Ich tippte „remote control vibrator orgasm“ in die Suchleiste. Klickte mich durch Clips, durch Reddit, durch Erfahrungsberichte.

Ich versuchte, nachzuempfinden, was mich berührt hatte. Nicht technisch, sondern innerlich. Aber es blieb… flach. Körperlich war alles da. Ich wurde feucht, mein Puls beschleunigte sich, meine Hand war schnell.

Aber etwas fehlte.

Ich kam. Es war okay. Kurz. Direkt. Ohne viel Nachklang. Es fühlte sich oberflächlich an. Kraftlos.

Am Dienstag, zwischen zwei Vorlesungen, bestellte ich einen eigenen Vibrator. Kein identisches Modell, aber ähnlich. Kabellos, App-gesteuert, diskret verpackt. Amazon versprach Lieferung bis Donnerstag. Ich wusste nicht, ob ich hoffte, dass jemand ihn entdecken würde, oder dass niemand je davon erfuhr.

Am Mittwoch war der Alltag zurück. Einkauf, Uni, kurze Gespräche mit Paul. Jule schlief lange, war abends unterwegs. Ben grüßte mich knapp in der Küche. Es war nichts passiert, und das war es, was mich am meisten beunruhigte.

Donnerstagmorgen lag das Päckchen auf meinem Schreibtisch. Klein, unscheinbar, braun. Ich ließ es liegen, weil ich mir selbst nicht eingestehen wollte, wie aufgeregt ich war. Ich öffnete es erst, als die Sonne schräg durchs Fenster fiel. Als es keinen Grund mehr gab, es nicht zu tun. Der Karton war schlicht, das Innenleben sorgfältig verpackt. Weißes Papier, ein Ladegerät, eine kurze Anleitung in fünf Sprachen. Der Vibrator selbst war glatt, weich und überraschend klein. Unauffällig. Fast niedlich.

Ich lud ihn an, während ich in der Küche einen Tee machte. Niemand war da. Jule war noch an der Uni, Paul war einkaufen, Ben vermutlich in der Bibliothek. Die WG war still. Zum ersten Mal seit Tagen wirklich still.

In meinem Zimmer schloss ich die Tür. Ich legte mein Handy neben mich aufs Bett, installierte die App, verband beide Geräte. Es funktionierte sofort anstandslos. Ein kurzes Summen, kaum hörbar. Ich erschrak trotzdem. Ich zog mich aus. Nicht komplett – nur so weit, wie nötig. Das Licht blieb an. Ich wollte es sehen. Das Einführen war einfach. Der Körper erinnerte sich.

Ich drückte auf Start. Ein Summen. Leise. Viel zu leise. Vielleicht war es das Ausgeliefertsein, das den Reiz ausmachte – nicht die Technik. Vielleicht war es das Nicht-Wissen. Vielleicht... Nein, denk nicht nach. Spür einfach. Aber ich spürte ja nichts. Nur... Technik. Die Blicke fehlten. Der Zwang. Die macht, die Jule über mich hatte.

Ich lag auf dem Rücken, das Kissen im Nacken, die Beine leicht angewinkelt. Die App zeigte mir verschiedene Modi: Puls, Wellen, zufällig. Ich wählte manuell. Ein Druck auf den Bildschirm – ein Vibrieren in mir.

Ich atmete ein. Noch mal. Tief.

Es fühlte sich gut an. Warm. Sanft. Fast vertraut.

Ich versuchte, mich zu konzentrieren. An das Gefühl, das ich im Club hatte, als es mich übermannte. An den Moment, als Jules Blick meinen traf, kurz bevor es passierte. An das Spiel, an die Spannung, an das Wissen: Ich bin nicht diejenige, die entscheidet. Aber ich war es. Ich drückte weiter. Rhythmisch. Präzise. Ich veränderte die Intensität. Ich wanderte mit der anderen Hand über meinen Bauch, meine Brust. Es war schön, aber das Gefühl blieb flach.

Kein Impuls von außen. Kein Spiel. Kein Blick. Nur mein eigener Wille. Und der wollte mir nicht gehorchen. Ich kam. Nach einigen Minuten. Leise, aber ohne Erschütterung. Ein Moment, dann war es vorbei. Kein Nachbeben. Ich blieb noch einen Moment liegen. Nackt, das Handy neben mir, der Vibrator noch in mir. Dann zog ich ihn heraus. Wischte ihn ab. Legte ihn zurück in die Verpackung.

Ich war nicht enttäuscht. Aber Ernüchterung machte sich breit. Als hätte ich versucht, einen Witz nachzuerzählen, der beim ersten Mal lustiger war.

***

Die Psychoparty fand im Keller eines leerstehenden Wohnheims statt – feuchte Wände, Lichtschläuche, schlechte Luft und billiger Alkohol. Alles roch nach Dosenbier, billigem Parfum und einem Hauch von Schweiß. Der DJ war irgendein Student mit zu viel Selbstbewusstsein und einer Vorliebe für Techno, den keiner so richtig mochte, aber alle tolerierten, weil es niemand selbst machen wollte.

Ich war mit Helena gekommen. Sie hatte sich in ein weinrotes Kleid geworfen, das mehr nach Theaterbesuch als nach Ersti-Party aussah, und war in bester Laune. Wir standen erst an einem der improvisierten Stehtische – eine Sperrholzplatte auf Bierkästen – und unterhielten uns mit zwei Typen aus dem höheren Semester, die versuchten, uns mit ihrem Wissen über Freud und LSD in der Therapie zu beeindrucken.

Ich lachte an den richtigen Stellen. Nippte an meinem Getränk, hörte zu, stellte Fragen. Es war… normal. Aber mein Körper fühlte nicht normal an. Als gehörte er nicht ganz zu mir. Helena war schnell im Gespräch versunken, flirtete offensiv mit einem der beiden. Ich ließ meinen Blick schweifen, zog mich gedanklich zurück. Ich wollte nicht gehen, aber auch nicht wirklich hier sein.

Dann sprach mich jemand an.

„Du bist auch bei den Psychos?“

Er war vielleicht ein oder zwei Jahre älter, schmal gebaut, wuschelige Haare, Karohemd über schwarzem Shirt. Ein bisschen nerdig, wie Helena, sympathisch. Er hieß Chris, studierte im dritten Semester, war Tutor in Statistik und trank Mate mit Gin. Wir unterhielten uns. Über den Campus, über schlechte Einführungsveranstaltungen, über Dozenten, die mit PowerPoint kämpfen wie mit Dämonen. Und lachten über die Tatsache, dass er auf der Psychoparty fragte, ob jemand Psychologie studiere.

Er war witzig. Klug. Unaufdringlich, wenn auch etwas unbeholfen. Und er sah mich so an, als würde er mich wirklich meinen. Ich lachte. Nicht gespielt. Nicht gestellt. Aber trotzdem… anders. Es fühlte sich an, als würde ich neben mir schweben. Als er fragte, ob ich noch ein Getränk wolle, sagte ich Ja. Er brachte mir eins. Ich nippte daran. Er blieb nah. Nicht unangenehm, aber ein bisschen zu bemüht.

Seine Hand berührte kurz meinen Arm, als er mir etwas zuraunte. Ich spürte die Berührung. Aber sie ging nicht tief. Sie blieb außen. Perlte an mir ab. Ich lächelte. Ich nickte. Aber mein Körper sagte nichts.

Ich dachte an das Summen. An das Gefühl, fremdgesteuert zu sein. An das leichte Zucken, das so sehr nach Kontrolle geschmeckt hatte, dass mein ganzer Körper süchtig danach geworden war. Ich verstand diese Gedanken noch nicht. Ich verstand nur, dass ich mehr davon wollte. Mehr davon brauchte. Ich blieb höflich. Ich verabschiedete mich. Ich ging nicht sofort, aber früh genug, dass es keine Szene wurde.

Als ich im Bett lag, versuchte ich es noch einmal.

Der neue Vibrator, der gleiche Körper, dieselbe Hoffnung.

Aber es war wieder nicht dasselbe.


Nicht einmal nah dran.

Etwas fehlte. Etwas, das nicht am Gerät lag.

Ich wusste, wie es sich anfühlen könnte.


Aber ich fand nicht mehr dorthin zurück.

***

Freitag hatte niemand etwas geplant.

Kein WG-Abend, kein Trinkspiel, kein offizieller Anlass. Nur ein stiller Freitagabend in der Küche, das Fenster einen Spalt offen, damit der Rauch abzog. Auf dem Tisch stand eine offene Flasche Wein, halbvoll. Zwei leere Bierflaschen daneben. Ein Jägermeister und eine große Flasche Energy vom Discounter.

Jule saß barfuß auf der Arbeitsplatte, die Zigarette in der einen, ihr Handy in der anderen Hand. Paul blätterte in einem Skript, ohne es wirklich zu lesen. Ben starrte auf den Wasserkocher, obwohl er keinen Tee gemacht hatte. Ich kam dazu, zog mir einen Stuhl heran. Niemand hatte mich gefragt, ob ich mittrinke. Niemand hatte es kommentiert. Aber ich wusste, dass sie warteten.

Nicht auf mich. Sondern darauf, ob ich es nochmal tun würde.

„Trinken wir noch was?“, fragte Jule schließlich, ganz beiläufig.


Ich nickte. „Klar.“


Sie lächelte. „Ich dachte, wir sind jetzt dabei, das hier zur Tradition zu machen.“

Sie stand auf, ging aus dem Raum. Es war kein feierlicher Moment. Kein Ritual. Ein einfacher Griff ins Regal. Als sie zurückkam, hatte sie wieder diese kleine schwarze Schachtel in der Hand. Kein Wort dazu. Nur ein Blick, ein kurzes Anheben der Braue.

Ich verstand. Und ich wollte.

Diesmal ging ich nicht ins Bad. Ich steckte das Ei in der Küche ein, während alle anderen absichtlich wegschauten, oder zumindest so taten. Ich hatte einen langen Rock gewählt. Vielleicht unbewusst. Vielleicht aus Hoffnung.

Jule prüfte die App, kurz. Ich zuckte, sie grinste. „Funktioniert.“

Ich spürte den Moment, in dem sie das sagte. Ein leiser Impuls, kaum mehr als ein Hauch. Aber mein Körper reagierte, und ich spürte dieses Gefühl, was ich seit Freitag vermisst hatte.

„Club?“, fragte Ben.


„Klar“, sagte Jule. „Lou, du auch?“


Ich nickte. Zu schnell. Es war mir egal ob ich mich verriet.

***

Der Club war laut. Das Licht war rot, die Luft schwer. Dieselbe Musik wie letzte Woche, dieselben Gesichter. Nur ich hatte mich verändert. Das Ei blieb an. Nicht stark. Nicht mit dem Ziel mich zum Höhepunkt zu bringen. Wie ein Strom, der nicht zum Ziel wollte. Jule sprach kaum. Sie tanzte, lachte, trank. Alles wie immer. Nur ihr Handy blieb stets in Reichweite. Und manchmal, wenn ich mit jemandem redete, vibrierte es kurz stärker. Und ich wusste, dass sie mich beobachtete. Ich war gerade wieder dabei, mich unter die Tanzenden zu mischen, als Ben auftauchte. Er sagte nichts, streckte nur eine Hand aus. Ich zögerte, nicht aus Angst, sondern weil mein Körper bereits unter Vollspannung stand. Aber er duldete keinen Widerstand.

Ich legte meine Hand in seine. Wir bewegten uns zur Musik, nicht elegant, aber im Takt. Er legte eine Hand auf meine Hüfte. Nicht anzüglich, mehr als wollte er mich stützen. Dann vibrierte es. Nicht nur zaghaft, diesmal stärker, tiefer, als wollte Jule wissen wollen, wie viel ich aushalten würde. Plötzlich war ich dankbar mich an Ben lehnen zu können.

Ich keuchte leise. Nicht laut genug, dass jemand es hörte. Vor allem nicht auf der Tanzfläche. Aber ich spürte die Hitze. Auf meinen Wangen. In meinem Schoß. In meinen weichen Knien. Ben sagte nichts. Sein Griff blieb ruhig. Er stützte mich. Hielt mich fest. Er sah mir nicht ins Gesicht, aber er wusste es.

Die Vibration hielt an. Wurde rhythmischer, drängender.

Er drehte mich in einer fließenden Bewegung, nicht hart, aber bestimmt. Ich stolperte fast. Spürte seine Hand kurz am unteren Rücken. Ich wäre fast mitten auf der Tanzfläche gekommen.

Dann ließ es nach.

Ich stand da, atemlos. Meine Haut glühte.

Er sah mich an, ein winziges Nicken. Kein Grinsen, kein Kommentar. Kein Hohn. Nur ein: Ich weiß. Ich brauchte Luft. Und Abstand. Ich kämpfte mich zur Bar durch, der Bass dröhnte in meinen Schläfen.

Ein Typ neben mir bestellte zwei Bier. Groß, leicht verstrubbelte Haare, Sweatshirt mit Uni-Logo. Er war einer dieser offenen Studi-Typen, zu freundlich, zu viel Augenkontakt.

„Du studierst auch Psychologie? Ich glaub ich hab‘ dich in einer Vorlesung gesehen!“, rief er über die Musik. Ich nickte. Lächelte angestrengt. Die Vibration setzte wieder ein. Diesmal genau in dem Moment, in dem ich das Biergeld aus der Tasche zog.

„Oder tust du nur so, damit die Leute mit dir reden?“ Er grinste.

Ich presste die Lippen zusammen, als die Intensität kurz anschwoll – ein fester, tiefer Stoß. Ich sah an ihm vorbei, auf die Bar, auf meine Hände, die leicht zitterten.

„Kalt?“, fragte er, als ich das Bier übernahm.


„So in der Art“, murmelte ich.

Jules Blick war irgendwo hinter ihm. Ich sah sie nicht, aber ich wusste, sie beobachtete.

Diesmal kam ich nicht. Und das war Absicht. Ich stand auf der Schwelle. Immer wieder. Und sie ließ mich einfach nicht durch. Fast kunstvoll. Ich wurde weich in den Knien, feucht zwischen den Beinen, unruhig in der Brust. Aber der Höhepunkt blieb aus. Ich wartete. Immer wieder. Ich versuchte, mich zu entspannen. Es kam nichts.

Gegen zwei Uhr beugte ich mich zu Jule hinüber, in einer dunkleren Ecke bei der Bar. Ben und Paul waren in der Nähe, als würden sie auf mich warten.

„Bitte“, flüsterte ich. „Nur einmal.“

Jule sah mich an. Lange. Abwägend. Dann nippte sie an ihrem Drink. Ihre Stimme blieb beiläufig.

„Okay. Aber nur, wenn du mir vorher eine Regel nennst.“

Ich blinzelte. „Was denn für eine Regel?!“

„Irgendwas, das peinlich ist. Unpraktisch. Was Reales. Was, wovon wir alle in der WG was haben.“

Ich schluckte. Paul stand nur einen Schritt entfernt. Ben lehnte mit verschränkten Armen an der Wand Alle hörten es. Keiner sagte etwas. Ich spürte, wie mir heiß wurde. Die Lust brannte längst – nicht mehr vorn, sondern tief in mir drin. Animalisch. Es war mein Deal. Mein Moment. Ich musste liefern. Und mir fiel in dem Moment nur eine Sache ein.

„Ich… ich schließe keine Türen mehr“, sagte ich fast zu leise. Ich wusste selbst nicht, ob ich es wirklich meinte.

„Also… in der WG. Nicht beim Duschen. Nicht beim… na ja.“

Ben hob den Kopf. „Nicht mal beim Wichsen?“ Sein Ton war neutral. Vielleicht zu neutral. Ich zögerte. Spürte, wie mein Gesicht brannte. Mein Hals. Mein Unterbauch.

„Nein“, sagte ich. „Auch da nicht.“


Ein kurzer Moment Stille. Dann grinste Jule.


„Gilt. Und jetzt: Augen schließen.“


Ich schloss die Augen. Mein Atem ging flacher.


Ein Druck. Ein Impuls. Ein Vibrieren.


Ich kam.


Zwischen ihnen.


In der Mitte des Raums.


Mit offenen Ohren, offenem Mund, und einer Hausregel, die ich selbst erfunden hatte.


Ben legte seine Hand auf meine Schulter. Vielleicht um meine Schwingungen zu spüren. Vielleicht um mich zu erden. Ich konnte mich nicht darauf konzentrieren.

Ich hatte endlich die ersehnte Erlösung.

***

Der Heimweg war leise. Kein Wind, kein Gespräch. Nur Schritte auf Asphalt, das Klicken von Pauls Schlüssel in der Haustür, Jules Jacke über der Schulter. Keiner sprach über das, was passiert war. Aber alle wussten es. Und keiner musste es sagen.

Ich ging als Letzte ins Bad. Es war nach vier. Ich schmiss meine Kleidung auf den Wäschekorb, schob die Tür halb auf. Nicht angelehnt. Auf. Nicht weit. Aber weit genug, dass jemand hätte hereinkommen können.

Das Wasser lief über meine Schultern, heiß und weich. Ich stand nur da, die Stirn an die Fliesen gelehnt, und wartete. Auf Schritte. Auf ein Geräusch. Auf ein Zeichen, dass jemand käme.

Ich hörte etwas im Flur. Eine Bewegung. Vielleicht Paul. Vielleicht auch nichts. Ich hielt den Atem an. Drehte mich nicht um. Aber niemand trat ein. Als ich mich abtrocknete, zitterten meine Knie leicht. Ich wusste nicht, ob vom heißen Wasser oder vom Gedanken an das, was ich eben zugelassen hatte. Und an das, was noch folgen konnte.

Später lag ich im Bett. Nackt. Der neue Vibrator in meiner Hand, warm vom Körper. Ich schaltete ihn an. Führte ihn ein. Bewegte mich. Ich kam. Nach einiger Zeit. Es war okay. Irgendwie. Aber es blieb nicht.

Es war einfach nicht dasselbe.

Ich wusste, wie es sich anfühlen konnte, wenn ich keine Kontrolle mehr hatte. Wenn jemand zusah. Wenn ich nicht mehr wusste, ob ich es selbst noch wollte oder nur glaubte, es zu müssen. Und trotzdem: Es war mehr gewesen. Mit ihnen. Inmitten der Musik. Mit Blicken auf mir und unter meiner Haut.

Ich zog das Ding heraus, legte es neben mich aufs Kissen. Es vibrierte nicht mehr. Aber mein Körper summte nach.

Kapitel 3: Grenzen


Seit Wochen trug ich keine Unterwäsche mehr. Ich hatte es selbst vorgeschlagen. Es war spät gewesen, ein Freitag wie so viele. Wir waren wieder im Club gewesen, ich wieder kurz vor dem Orgasmus, wieder zitternd, vibrierend, abhängig. Es war aus mir herausgerutscht: „Ich zieh nichts mehr drunter… Wenn ihr mich kommen lasst.“ Als wäre das eine Währung.

Jule hatte nichts geantwortet. Sie hatte nur zu Ben geschaut.


Und Ben – natürlich – hatte genickt.


„Können wir das dann auch kontrollieren?“


Sein Ton war beiläufig gewesen. Aber nicht verhandelbar.

Ich hatte wieder genickt. Und dann war ich gekommen. Hart. So wie ich es allein nie konnte. Ohne Vorwarnung. Ohne Kontrolle, dass es mir fast den Boden unter den Füßen weggerissen hätte.

Seitdem war es Regel. Keine Diskussion, kein Rückzieher. Ich trug Röcke, Kleider, manchmal auch Jeans. Aber nie mehr etwas darunter. Weder im Bad noch in der Küche. Auch nicht auf dem Weg von meinem Zimmer zur Waschmaschine. Und ja, sie prüften es. Nicht immer. Aber oft genug, dass ich nie wusste, wann. Ich hatte es vorgeschlagen. Ich konnte es jetzt nicht zurücknehmen.

Einmal hatte mich Paul gebeten, ihm das Salz zu reichen. Ich hatte mich zum oberen Regal gestreckt, ganz langsam. Es war nichts passiert. Kein Wort. Kein Blick, der zu lange blieb. Aber ich hatte gespürt, dass er es gesehen hatte.

Ich machte einfach weiter. Ich ging zur Uni, machte Notizen, saß neben Helena in den Seminaren, lächelte über schlecht vorbereitete Dozent:innen. Mein Körper stand zur Verfügung. Weil ich es gesagt hatte. Weil ich nicht nein sagte.

Morgens war es am schlimmsten. Nicht, weil mir kalt war, das auch, sondern weil ich wach war, bevor die anderen aufstanden. Bevor jemand ins Bad kam. Und doch ließ ich die Tür offen. Nicht angelehnt. Offen.

Ich gewöhnte mich daran. Daran, nackt durch den Flur zu huschen, wenn ich mir frische Klamotten aus der Wäsche holen wollte. Daran, auf der Toilette zu sitzen und die Geräusche aus der Küche zu hören – Besteck, Wasser, Stimmen. Daran, dass alle meine Mitbewohner mich nackt gesehen haben.

Am Dienstag war es Ben, der hereinkam. Ich saß gerade auf der Kloschüssel. Er blieb nicht stehen. Er sagte auch nichts. Er ging ganz selbstverständlich zum Waschbecken, griff nach seiner Zahnbürste, drehte das Wasser auf. Ich hob den Blick. Er sah mich im Spiegel.

„Alles okay?“, fragte er, als wäre es das Normalste der Welt.


Ich nickte, mit rotem Kopf. „Ja.“


Er putzte sich die Zähne. Spuckte. Drehte sich nicht um. Aber bevor er ging, fragte er:


„Frisch rasiert?“

Ich zuckte zusammen.

„Wegen dem Ausblick.“

Ich stammelte etwas. Mein Gesicht wurde heiß. Meine Oberschenkel pressten sich enger aneinander. Er wartete keine Antwort ab. Ging einfach. Die Tür blieb offen.

Am Mittwoch duschte ich. Es war kurz vor acht. Ich hatte gehofft, die anderen schliefen noch. Das Wasser rauschte über meinen Rücken, als ich ihn bemerkte: Paul. Er stand im Türrahmen. Nicht direkt im Blick, aber deutlich sichtbar. Er sagte nichts. Blieb vielleicht zwei Sekunden. Drei. Länger, als es Zufall sein konnte, aber auch nicht respektvoll. Dann zog er sich zurück. Leise. Ich fragte mich, ob er dachte, dass mir das gefiel. Ich wischte mir das Wasser aus dem Gesicht und war nicht sicher, ob ich enttäuscht war, dass er nichts gesagt hatte. Oder erleichtert.

***

Abends war die WG ruhig. Jule war unterwegs, Paul lernte, Ben hörte Musik. Ich lag im Bett, nackt unter der Decke, mein Handy neben mir. Ich sah mir ein Video an. Etwas Härteres diesmal. Öffentliche Fesselung, ein Parkhaus, Leute, die zusahen. Der Körper der Frau zitterte. Ihr Blick war leer und voller Lust zugleich.

Ich streichelte mich. Intensiv. Das neue Ei vibrierte in mir. Nicht stark, aber präzise und pulsierend. Ich hatte es selbst eingestellt. Ich drückte die Beine zusammen. Mein Atem ging schneller.

Dann schwang die Tür auf. Ich sah auf, zu spät. Jule stand da. Lehnte mit einer Banane in der Hand im Rahmen. „Hätte nicht gedacht, dass du’s ohne mich überhaupt noch probierst.“ Ich wusste nicht, ob ich schreien oder lachen sollte. Stattdessen stöhnte ich, kurz, gepresst. Sie hatte mich im genau richtigen Moment erwischt.

Sie ließ die Tür einfach weit offen stehen, drehte sich um, ging. Aber ihr Besuch hatte mich über die Klippe gebracht. Ich kam. Nicht sofort. Nicht leicht. Aber intensiver. Und doch: Es war kleiner. Wie ein Schatten des Originals. Wie die Kopie einer Kopie.

***

Die Wohnung war still. Jule saß auf dem Sessel in ihrem Zimmer, die Beine untergeschlagen, ein Glas Wein in der Hand. Ich stand im Türrahmen, natürlich ohne Unterwäsche. Mein Körper war aufgeladen, aber leer. Mein Becken kribbelte schon den ganzen Tag.

„Jule?“ Meine Stimme klang weicher als geplant.


Sie sah auf. „Hm?“


Ich trat vorsichtig näher. Zögernd. Als hätte ich mich in die Höhle des Löwen begeben.


„Ich… wollte fragen, ob ich heute kommen darf.“

Ein kurzes Blinzeln. Ihre Augen musterten mich von oben bis unten.


„Von selbst drauf gekommen?“ Ein Hauch von Spott. Oder nur Überraschung. Ich nickte. Meine Wangen glühten. Ich sah kurz auf den Boden, dann wieder zu ihr. Sie nippte am Glas. Schweigend. Zog den Moment künstlich in die Länge, schien ihn zu genießen.

„Es ist nicht das selbe, wenn du es selbst versuchst, oder?“

Ich sah betreten zu Boden, wie ein Schulkind, das beim Klauen erwischt wurde.

Dann fuhr sie fort: „Okay. Zwei Bedingungen.“

Ich wartete.

„Erstens: Du machst es dir selbst. Hier. Jetzt. Vor mir.“ Sie deutete auf den kleinen Teppich zwischen Sofa und Couchtisch. „Ich will es sehen.“


Ich schluckte. „Und?“ Meine Stimme war ein Hauch.


„Du schaust mich an, während du kommst.“


Ich erstarrte kurz. Spürte die Hitze, die mir in den Nacken stieg, in die Knie, zwischen die Beine.


„Schaffst du das?“, fragte sie. Es klang nicht drohend. Die Neugier in ihrer Stimme war echt.

Ich nickte.

„Zweite Bedingung: Morgen beim Frühstück fragst du Ben, ob du ihm einen runterholen darfst. So, dass wir es alle mitbekommen. “

Mein Magen zog sich zusammen. Das konnte doch nicht wahr sein. Aber ich nickte wieder. Langsam. Ich brauchte es. Es war keine Wahl mehr. Nicht wirklich. Ich wusste nicht, ob ich es wirklich konnte. Aber ich wollte es wollen. Jule stellte das Weinglas auf den Tisch. Lehnte sich zurück.

Ich zog mein Shirt aus. Langsam. Dann die Jogginghose. Sie hatte es mir nicht explizit gesagt, aber es schien mir absurd an dieser Stelle diese Grenze zu ziehen. Dann kniete ich mich auf den Teppich. Der Boden war rau unter den Knien. Mein Atem flach. Mein Becken gespannt. Ich berührte mich. Nicht zögerlich. Ich wollte es schnell hinter mich bringen. Ich kannte meinen Körper inzwischen besser, aber nie war er mir fremder gewesen wie in diesem Moment.

Jule sagte nichts. Sie sah mich an. Direkt. Und konzentriert. Ich versuchte, den Blick zu halten. Schaffte es nicht. Aber ich zwang ihn zurück. Dann kam es. Heftig. Unerwartet. Und vor allem schnell. Ein Ruck durch den Bauch, ein Zittern in den Oberschenkeln, ein Laut, der mir entfloh.

Ich sah sie an, als es passierte. Und sie – sie sah mir direkt in die Augen, mit einem geheimnisvollen Grinsen auf den Lippen.

***

Ich schlief nicht wirklich. Mein Körper war ruhig, aber in meinem Kopf tobte eine Schlacht.


Jules Blick brannte nach. Der Teppich war rau gewesen, meine Knie wund. Aber ich war gekommen. Vor ihr. Sie sah mir in die Augen, als könnte sie mir direkt in die Seele starren. Es war die Erleichterung, nach der ich mich gesehnt hatte.

Ich lag auf der Seite, die Decke über der Hüfte, ein Bein angewinkelt. Meine Zimmertür war offen. Wie immer.

Es war fast drei, als ich Schritte hörte. Leise. Vor meiner Tür. Dann: ein Schatten im Türrahmen. Kein Zögern. Ein Schritt hinein. Noch einer. Ich bewegte mich nicht. Mein Atem blieb ruhig. Ich ließ die Augen halb geschlossen. Tat so, als schliefe ich.

Der Schatten blieb stehen. Am Rand meines Bettes. Ich spürte ihn, ohne ihn zu sehen. Zu ruhig für Paul. Zu still für Jule. Vielleicht Ben. Vielleicht doch Paul.

Nichts passierte. Aber alles war da.

Dann die Schritte zurück. Langsam. Kein Wort. Kein Laut. Nur das Gefühl: Ich war beobachtet worden Ich hatte nichts gesagt. Nicht weil ich es nicht konnte, sondern weil ich wissen wollte, wie weit sie gehen würden, wenn ich nicht mehr stoppte.

***

Am nächsten Morgen roch die WG nach Kaffee, Brötchen und Pauls Weichspüler. Ich war die Letzte, die in die Küche kam – nicht aus Widerstand, sondern weil ich Zeit brauchte. Zeit, um mir sicher zu sein, dass ich es wirklich sagen würde. Oder ob das vielleicht der Punkt war, an dem ich lieber aussteigen sollte.

Der Tisch war schon gedeckt. Jule blätterte in einem Magazin, Ben nippte an seinem Kaffee, Paul schmierte sich in aller Ruhe ein Brötchen mit Frischkäse. Ich setzte mich still dazu. Niemand sprach über den letzten Abend. Niemand fragte, wie ich geschlafen hätte. Aber ich spürte ihre Blicke, wie warme Lichtstrahlen auf nackter Haut.

Ich aß langsam. Schnitt mein Brötchen in kleine Stücke. Spürte meine eigene Nervosität im Griff um das Messer. Jules Blick schien beiläufig, traf mich aber wie ein Blitz. Ben schien abwesend. Und Paul… Paul wirkte wie jemand, der den Moment am liebsten überblättern würde. Ich fragte mich ob Jule ihnen gesagt hatte was gleich passieren würde, oder ob ich einfach zu viel in ihre Blicke hineininterpretierte.

Ich wartete auf eine Lücke. Auf etwas, das sich wie ein passender Moment anfühlt. Die Erkenntnis in mir reifte, dass es dafür keinen richtigen Moment gibt. Dann sagte ich es. Nicht laut, nicht zögerlich. Ganz beiläufig, wie eine Bemerkung zum Wetter.

„Ben… darf ich dir einen runterholen?“

Paul hielt im Kauen inne. Hielt sein Brötchen in der Luft, als hätte er vergessen, was man damit macht. Jule hob eine Augenbraue, aber sagte nichts. Ich glaube sie wollte überrascht wirken. Ben lehnte sich etwas zurück. Sah mich ruhig an.

„Mit dem Mund?“


Ich hatte auf die Hand gehofft, trotzdem nickte ich.


„Schon mal gemacht?“


Ich schüttelte den Kopf. Schluckte trocken.


„Nach dem Frühstück“, sagte er. „Lass dir Zeit beim Abräumen.“

Niemand sagte etwas. Niemand lachte. Aber alle blieben sitzen.

Als sie fertig waren, begann ich aufzuräumen. Ich stapelte Teller, stellte Gläser nebeneinander, wischte Krümel zusammen. Ich spürte die Blicke im Nacken, aber sie fühlten sich nicht heiß an. Eher wie das Warten vor dem ersten Ton.

Als ich das letzte Glas abstellte, sah ich zu Ben. Er hatte sich bereits zurückgelehnt.

„Hier“, sagte er nur und wies mit dem Kinn auf den Platz vor sich.

Ich zögerte einen Moment. Dann trat ich vor ihn. Meine Hände griffen an seinen Hosenbund, automatisch, wie jemand, der weiß, was zu tun ist, aber nicht, wie genau. Ich öffnete den Knopf. Langsam. Sein Reißverschluss klemmte kurz. Er half nicht. Er ließ mich machen.

Als ich seine Hose etwas herunterzog, beugte ich mich vor, zögerte, und frage dann leise:


„Soll ich wirklich… mit dem Mund?“


Ben hob eine Braue.


„War das nicht der Plan? Oder wolltest du nur mal kurz streicheln?“


Hinter mir hörte ich Jules Stimme.


„Ben, sie fragt. Das ist höflich.“


Ich spürte, wie mir das Blut ins Gesicht schoss.


„Es ist mein erster…“, murmelte ich. „Also… so.“


„Dann wirst du es ja heute was lernen“, sagte Ben. Ohne Häme. Fast sachlich.

Ich kniete mich hin. Der Boden war kalt unter meinen Knien. Sein Schwanz war nur halb hart, warm und schwer. Ich nahm ihn zuerst in die Hand. Meine Finger umschlossen ihn, leicht unsicher, nicht ganz fest. Ich ließ meine Lippen vorsichtig darüber gleiten, tastete mich vor. Nicht zu tief. Nicht zu schnell. Ich spürte, wie sein Glied allmählich in meinem Mund anschwoll, sich immer mehr Raum nahm.

Jule hatte sich inzwischen an den Tisch gesetzt, nippte an ihrem Kaffee.

„Langsam. Nicht hetzen“, sagte sie. „Zunge unten. Nicht nur Lippen.“

Ich tat, was sie sagte. Versuchte, nicht an die Tatsache zu denken, dass ich Publikum hatte. Dass niemand wegsah. Oder gerade deshalb. Ben wurde härter. Ich begann, mich in einem Rhythmus zu bewegen. Nicht schnell. Aber gleichmäßig. Meine Wange streifte seinen Schenkel, meine Finger fanden Halt an seinem Oberschenkel.

„Tiefer“, sagte Ben leise.

Ich versuchte es. Würgte nicht, aber es war knapp. Ein leises, kehliges Geräusch entwich mir. Ich hielt es nicht zurück. Es war zu echt. Und das war nicht der Moment für Bescheidenheit.

„Besser“, sagte er.

Jule lächelte. „Gar nicht so schlecht für’s erste Mal.“

Ich wollte die Augen schließen. Aber ich hielt sie offen. Ich wollte wissen, ob sie mich ansahen. Wie Ben reagierte. Ich spürte die Hitze zwischen meinen Beinen. Wie sie stärker wurde. Wie sie mir unangenehm wurde. Weil sie nicht von mir ausging, sondern von dem, was ich tat. Wie sie langsam Besitz von mir ergriff und anfing mich zu beherrschen. Ich widerstand dem Impuls, mich selbst zu berühren.

Ben atmete schneller. Sein Körper spannte sich leicht.

„Jetzt“, sagte er nur.

Ich wusste nicht, wohin. Ich hatte darüber nachgedacht. Schon gestern. Auch vorhin. Aber jetzt gab es nur noch diesen Moment. Ich ließ ihn nicht los. Ich ließ es einfach passieren. Warm. Salzig. Ich schluckte. Reflexartig. Niemand hatte es befohlen. Aber alle hatten es gesehen.

Ich wischte mir den Mund mit dem Handrücken ab. Setzte mich zurück auf die Fersen. Meine Wangen glühen. Jule sagte nichts. Aber ihr Blick war eindeutig. Ben zog sich die Hose hoch.

„Vielleicht machen wir das jetzt öfter“, sagte er.

Ich nickte. Nicht, weil ich musste. Sondern weil ich gerade nichts anderes konnte. Ich stand auf. Meine Knie fühlten sich weich an.

Paul saß noch immer am Tisch. Die Hände gefaltet, die Schultern leicht hochgezogen.


Sein Blick traf meinen, ich sah keinen Vorwurf darin, sondern Befremden. Als hätte er kurz geglaubt, mich zu kennen. Und gerade gemerkt, dass er sich geirrt hat.

Dann sah er weg.

Einfach so.

Ich ging zum Tisch. Wischte die letzten Krümel weg. Spürte die Wärme in mir, dort, wo es weh tun sollte, aber sich anfühlte wie Begehren.

So beschämend es war. So sehr hatte es mich angemacht.

Ein Gedanke, den ich nicht zulassen wollte. Aber der blieb. Selbst, als ich längst wieder allein war.

***

Der Freitag verlief unaufgeregt. Ich erledigte ein paar Dinge für die Uni, beantwortete eine Mail von Helena, ging am späten Nachmittag kurz einkaufen. Im Supermarkt standen junge Mütter in Sportleggings und ein älterer Mann, der zu lange vor dem Joghurtregal verweilte. Es war beruhigend unpersönlich und ich fühlte mich kurz als wäre ich normal.

Wieder zurück in der WG stellte ich fest, dass ich den Ablauf kannte: Schuhe ausziehen, in die Küche gehen, Wasserkocher anstellen. Tee für Ben. Glas für Paul. Niemand hatte darum gebeten.

Jule lag auf dem Sofa, sah Serien, Kopfhörer halb im Ohr mit ihrem iPad in der Hand. Als ich das Tablett in der Türschwelle balancierte, hob sie kurz die Hand zum Gruß. Ich stellte alles ab, sagte nichts. Es war wie ein Rhythmus. Nicht angeordnet, aber auch nicht zufällig.

***

Am Samstag klopfte Paul an meine Tür – die offenstand, wie immer. Er wollte mir eine Statistikaufgabe zeigen. Ich ließ ihn herein, wir setzten uns auf den Boden, nebeneinander, mit dem Rücken an mein Bett. Wir sprachen über Korrelationskoeffizienten, über Varianz, über Fragestellungen in Fragebögen. Ich merkte, dass ich mehr wusste als er, oder nur aufmerksamer war.

Irgendwann wurde es still. Er sah mich an. Fragend. Es brannte ihm auf den Lippen, ich konnte es ihm ansehen.

„Wie geht’s dir damit?“

Ich wusste natürlich, was er meinte. Ich überlegte kurz. Bevor ich antworten konnte, legte er nach: „Ich frag mich nur… ob du das alles wirklich willst. Oder ob du einfach nur mitmachst.“

Ich dachte kurz darüber nach, was er gesagt hatte. Ob er einen Punkt hatte. Dann sagte ich:

„Ich glaube, ich kann jetzt nicht mehr aufhören. Ich wüsste nicht mal, wie ich zurückfinden sollte.“

Er nickte. Nur das. Er schien es zu akzeptieren, mich nicht zu verurteilen. Dann stand er auf. Seinen Block unter dem Arm. Er ging. Die Tür blieb offen.

***

Am Donnerstagabend überredete mich Helena, mit auf eine Uniparty zu gehen. Ich hatte keine Lust, aber ich sagte trotzdem zu. Ich glaube ich wollte den Tapetenwechsel. Ein Stück Normalität. Die Party war in einem überfüllten Wohnheimflur – Musik aus Bluetoothboxen, Lichterketten mit fehlenden Glühbirnen, der Geruch von billigem Wodka, noch billigerem Energy und zu viel Deoroller.

Ein Typ sprach mich an. Süß, nicht aufdringlich. Er redete über Vorlesungen, erwähnte, dass er gern kocht, lächelte oft. Ich nickte. Ich lächelte zurück. Aber ich wusste: Ich konnte ihm nichts geben. Nicht jetzt. Ich trug keine Unterwäsche. Und es wurde mir plötzlich sehr bewusst. Ich wusste nicht, wie ich das alles hätte unter einen Hut bringen sollen.

Er fragte, ob ich später noch was trinken wolle.

Ich sagte: „Vielleicht. Mal sehen.“

Dann zog ich mich zurück. Helena kam mir nach.

„Was war mit dem Typen? Der war doch niedlich.“

Ich zuckte mit den Schultern.

„Ich war nicht ganz da.“

Sie sah mich prüfend an. Ich wich ihrem Blick aus.

„Ok, wie du meinst.“

Ihr Blick verriet, dass das Gespräch nur vorerst beendet war.

***

Samstagabend. Wohnzimmer. Ich saß auf dem Boden, nackt bis auf ein weites Shirt – das war inzwischen Normalzustand. Mein Platz war klar: das Kissen. Zwischen ihnen, aber niedriger. Jule hatte die Beine über die Sofalehne geschlagen, Paul saß auf dem Teppich, ein meiner Nähe. Ben lehnte im Sessel und schwenkte sein Glas.

„Komm mal her“, sagte Ben plötzlich. Ich kroch näher. Er legte zwei Finger unter mein Kinn, hob mein Gesicht. Er zögerte einen Moment. Sah mir in die Augen. In seinem Blick war etwas, das ich nicht deuten konnte.

„Feucht?“, fragte er beiläufig.

Ich zuckte. „Ich…“

Jule winkte ab. „Wir schauen einfach nach.“ Sie beugte sich zu mir, schob mein Shirt nach oben, fuhr mit zwei Fingern zwischen meine Beine. Ihre Berührung war sachlich. Prüfend. Fast medizinisch. Dann hielt sie die klebrigen Finger hoch.

„Klarer Fall.“

Ich spürte die Röte in meinem Gesicht. Aber niemand grinste. Es war einfach Normalität geworden. Paul sah weg, aber nicht schnell genug. Ich versuchte seinen Blick zu lesen, aber es fiel mir schwer. Dann fragte Jule, bevor ich den Gedanken zu Ende denken konnte.

„Sag mal, Lou“, sie machte eine gewichtige Pause, „wie viele Orgasmen hattest du eigentlich, seit du hier wohnst?“


Ich schluckte. „Ein paar…“ Ich war mir nicht sicher, ob mir gefiel, worauf sie hinauswollte.


„Und wie viele davon ohne uns?“


Ich sagte nichts. Ihre Finger lagen noch immer auf meinem Oberschenkel.


„Dachte ich mir.“


Dann wandte sie sich an die anderen, als sei das ein WG-Beschluss:


„Ich glaube sie ist uns was schuldig. Was meint ihr?

Ben nickte, Paul hielt sich mal wieder auffällig zurück. „Ab morgen schläft sie reihum. Sonntag Paul. Montag Ben. Dienstag bei mir.“

Ben nickte wieder. Paul sagte immer noch nichts. Er schaute mich an, aber ich konnte seinen Blick nicht deuten. Immer noch nicht.

„Damit das mal wieder ins Gleichgewicht kommt.“

Einen kurzen Moment fragte ich mich, ob ich „nein“ sagen soll. Ob ich hier an meine Grenze stoße. Aber ich ließ den Moment verstreichen. Gleichgewicht, dachte ich. Als wäre ich ein Einsatz, den man gerecht verteilt. Ich hätte lachen können – oder weinen. Stattdessen sah ich zu Boden und versuchte das Zucken zwischen meinen Beinen zu ignorieren.

Ich lag auf dem Bett, die Decke bis zur Hüfte, die Tür offen.

Ich dachte an Paul. An seine Hände. Nicht, wie sie mich berührt hatten – sondern wie sie es tun könnten.

Grob? Zögerlich? Anspruchsvoll?

Ich wusste nicht, wie es wird. Aber ich wusste, dass es passieren würde. Und dass ich ihm nicht entkommen würde, wenn ich einmal da war.

Und ich wusste, dass ich es wollte.

Kapitel 4: Aus freien Stücken


Der Sonntag begann still. Kein Wecker, kein Lachen aus dem Flur, kein lauter Wasserkocher. Nur das matte Licht, das durch die halb geschlossenen Jalousien fiel, und das ferne Klappern von Geschirr aus der Küche. Ich lag noch unter der Decke, die Beine leicht angewinkelt, das Gesicht halb ins Kissen gedrückt. Die Tür stand offen. Wie immer.

Ich hörte Schritte. Erst fern, dann näher. Langsam und rhythmisch. Paul. Ich erkannte ihn an der Art, wie er die Ferse zuerst aufsetzte, an der Folge aus Bodenknarzen und Kaffeedose. Ich stand auf. Wusch mir das Gesicht, band die Haare zusammen. Kein Make-up. Kein Versuch, etwas zu sein. Ich wollte nicht auffallen. Ich wollte nur vorbereitet sein.

Dann ging ich zurück ins Zimmer, zog mir ein schlichtes Shirt über, aber ließ es dabei bewenden. Keine Unterwäsche. Das war längst keine Frage mehr über die ich nachdachte. Was blieb, war der Blick in den Spiegel. Ich sah nicht mich. Ich sah, ob etwas an mir verriet, dass ich wartete.

Ich wollte nicht mehr verstecken. Aber ich wusste auch nicht, ob ich bereit war, gesehen zu werden. Als ich in die Küche trat, saß Paul schon am Tisch. Seine Tasse dampfte kaum noch, neben ihm ein Heft, das er nicht las. Die Haare zerzaust, die Schultern leicht nach vorn gezogen. Ein Bild von Konzentration. Aber seine angespannten Schultern sprachen eine andere Sprache.

„Morgen“, sagte ich.


„Morgen“, sagte er zurück, ohne aufzublicken.

Ich machte mir Tee, setzte mich ihm gegenüber. Die Stille war greifbar, dicht und voller Antizipation. Als wüsste sie, dass heute Abend etwas geschehen würde. Als hätte sie einen eigenen Platz am Tisch. Ich rührte in meiner Tasse, drückte mit dem Finger einen Brotkantenkrümel fest auf die Tischplatte, drehte ihn, bis er zerfiel.

„Ich… mach später noch was für Statistik“, sagte Paul. Es klang wie eine Einladung. Oder wie eine Notlüge.


„Okay“, sagte ich. Mehr nicht.

Der Tag verstrich in Segmenten. Ich las ein paar Seiten, ließ sie halb offen auf dem Bett liegen, wechselte zum Sofa, trank ein Glas Wasser, stand wieder auf. Ich warf eine Maschine Wäsche an, sortierte Socken. Niemand sprach mich an. Niemand fragte, ob ich etwas vorhätte. Alle wussten es bereits.

Am frühen Nachmittag duschte ich. Die Tür blieb offen – wie es nun mal war. Ich stellte das Wasser etwas kühler, ließ es über die Schultern laufen. Dann schaltete ich es aus, trat einen Schritt zurück, griff zur Rasierklinge. Langsam. Gründlich. Die Haut war bereits glatt, aber ich wollte sicher sein. Nicht weil es jemand verlangt hatte, sondern weil es mir wie eine Form von Vorbereitung erschien. Es war wie das Aufräumen, bevor Besuch kommt. Es beruhigte mich, wie das Zähneputzen vor dem Schlafen gehen.

Ich cremte mich ein. Die Haut war empfindlich, spannte leicht. Ich betrachtete mich tastend im. Mein Blick fragte nicht nach Schönheit, nicht nach Bestätigung. Sondern: Bin ich da? Bin ich noch ich? Und wenn ja – für wen?

Zurück in meinem Zimmer war das Licht weicher geworden. Goldener Staub auf den Möbeln, lange Schatten an der Wand. Ich zog mir ein sauberes Shirt über. Ohne alles andere. Dann setzte ich mich aufs Bett. Die Beine angezogen. Die Knie unter dem Stoff. Mein Handy lag neben mir – ausgeschaltet. Keine Nachrichten. Kein Lärm.

Ich wartete. Nicht auf eine Nachricht, sondern auf eine Entscheidung. Es war ein Stillhalten, bis jemand sagte, dass es jetzt losging. Das Display blieb schwarz. Aber ich wusste, dass es bald passieren würde. Ich hatte den ganzen Tag darauf ausgerichtet. Meinen Körper vorbereitet. Und nun war da nur Stille.

Dann hörte ich es.

„Lou?“

Seine Stimme war kaum lauter als ein Gedanke. Kein Klopfen, keine Ankündigung. Keine Trompeten und keine Fanfaren. Nur mein Name, leise gesprochen, von draußen. Ich stand auf, trat in den Flur. Paul stand vor seiner Zimmertür. Die Tür war geöffnet. Eine Einladung im Zwischenraum.

„Kommst du?“

Ich nickte, sagte nichts. Meine Füße waren nackt auf dem Boden, mein Shirt hing lose über meinen Oberschenkeln. Sonst trug ich nichts. Ich trat ein.

Sein Zimmer war klein, aufgeräumt, fast zu ordentlich. Man sah ihm die Mühe an. Ein schmales Bett, weiß bezogen. Der Schreibtisch übersät mit Notizzetteln, daneben ein Buch über biopsychologische Grundlagen, halb offen. Ein Wasserkocher, eine Tasse mit Teebeutel – lauwarmes Leben in studentischer Ikea-Romantik.


Auf der Fensterbank brannten drei Teelichter, Vanilleduft. Daneben standen zwei Tassen Tee. Eine davon wartete direkt an der Bettkante. Ich fragte mich, wie lange er überlegt hatte, welche Sorte ich wohl mochte – oder ob er einfach zwei gemacht hatte, um keinen Fehler zu riskieren.

Ein einziger gerahmter Druck an der Wand: ein Waldrand im Nebel.

Paul selbst wirkte nervös. Seine Hände in den Hosentaschen, sein Blick wich meinem aus, nur um sich gleich wieder zu nähern. Keine Pose. Nur unmaskierte Unsicherheit. Er schien mich zu mögen, das konnte ich sehen. Aber ich wusste nicht, wie ich mit dieser Zuneigung umgehen sollte. Vor allem nicht in dieser fast absurden Situation.

Ich setzte mich auf die Bettkante. Er blieb stehen.


„Magst du… dich hinlegen?“


Ich nickte. Legte mich auf die Seite, wandte das Gesicht halb zur Wand. Ich ließ Platz.


Er zog die Schuhe aus, kam vorsichtig dazu. Lag still neben mir. Unsere Schultern fast berührend, aber nicht ganz.


Eine Minute verging. Vielleicht mehr.


Dann fragte er mich, leise, aber klar:


„Willst du… mit mir schlafen?“

Ich drehte den Kopf. Sah ihn an. In seinem Blick: keine Forderung. Nur der Wunsch. Die Unsicherheit und die Offenheit, alle ganz nah beieinander. Er wollte wissen, was er mit mir machen konnte. Nicht, was ich wollte. Ich überlegte. Spürte, wie mein Atem sich veränderte. Ich wusste, was er von mir erwartete, aber ich brachte es nicht heraus.

„Ich weiß es nicht“, sagte ich.


Er nickte. „Ist okay.“


Stille. Die Decke war warm zwischen uns. Dann, nach einem Moment:


„Ich glaube… ja.“

Wir entkleideten uns langsam. Kein hektisches Ziehen, kein verlangendes Ausatmen. Nur Hände, die Stoff lösten, und langsam etwas freilegten, das still war. Seine Finger zitterten leicht, als er mein T-Shirt abstreifte. Ich hielt still.

Er küsste mich. Erst an der Schulter, dann am Hals. Keine Technik. Nur Absicht. Sein Körper suchte Nähe, keine Kontrolle. Als er in mich eindrang, hielt er kurz inne. Ich atmete aus, legte eine Hand an seine Seite. Seine Bewegungen waren ruhig. Nicht schematisch, aber vorsichtig. Fast schulbuchhaft.

Kein Spiel. Nur zwei Körper, die versuchten, sich gegenseitig nicht zu verletzen. Wir hatten keine Rollen und keinen Rhythmus. Es fühlte sich nicht falsch an. Aber auch nicht wie etwas, das wusste, was es eigentlich wollte. Ich hätte gern gesagt: Langsamer. Oder: Frag mich wenigstens. Aber ich blieb stumm.

Ich kam nicht. Das war nicht das Ziel. Es ging nicht um Höhepunkte, zumindest formell nicht um meinen, sondern um Nähe, oder das, was davon übrig war. Ich war da. Und das musste genügen.

Als er kam, war es leise. Ein kaum hörbares Zittern, ein Laut, der in meinem Nacken versickerte. Ich starrte an die Decke. Er blieb noch einen Moment. Dann rollte er sich zur Seite. Sein Atem war langsam, sein Blick auf das weiße Laken gerichtet.

„War das okay?“, fragte er schließlich.


Ich sagte: „Ja.“

Aber es war mehr ein Ja zur Geste als zum Gefühl Ich meinte nicht den Moment selbst, sondern dass er überhaupt sein durfte.

Er zog sich langsam die Decke bis zur Brust, drehte sich leicht auf die Seite. Ein Moment Stille. Dann, leise, fast verschlafen: „Magst du mal was mit mir machen? Also… so richtig. Vielleicht Kino. Oder einfach in die Stadt?“

Ich lag nackt neben ihm. Der Rand des Lakens streifte meine Hüften. Mein Körper war noch warm von seinem, aber mein Kopf war schon woanders.

„Weiß nicht. Vielleicht.“

Es war das Ehrlichste, was ich sagen konnte. Und das Unverbindlichste.

Und als ich es sagte, hörte ich meine eigene Stimme – höher als sonst. Fremd. Wie wenn man sich selbst in einer Sprachnachricht hört und denkt: “So klinge ich also?“

Er schwieg. Aber ich spürte, dass er das „Vielleicht“ abspeicherte wie ein Versprechen.

Ich schlief nicht sofort. Ich hörte seinen Atem, ruhig, gleichmäßig. Ich lag auf der Seite, das Laken auf Hüfthöhe. Und ich fragte mich, warum es sich für mich sicherer anfühlte, benutzt zu werden, als gefragt zu werden.

Ich wachte vor ihm auf. Das Licht war milder als an anderen Tagen. Es war weich, fast golden. Es war die Art Licht, die keinen Anfang hat, sondern einfach da ist. Paul lag auf der Seite, das Gesicht halb im Kissen, eine Hand unter seiner Wange. Sein Atem war ruhig, tief. In der Bewegungslosigkeit lag nichts Bedrohliches. Nur Schlichtheit.

Ich sah ihn an. Nicht aus Zärtlichkeit. Sondern aus Verlegenheit. Oder in der leisen Hoffnung, in seinem Gesicht etwas zu finden, das mir sagte, was ich nun tun sollte. Dann stand ich langsam auf. Zog mir langsam das T-Shirt über. Ich verließ das Zimmer ohne Geräusch. Der Flur war kühl unter meinen nackten Fußsohlen. Die Tür zu meinem Zimmer stand offen. Wie immer.

Ich schlüpfte hinein und ließ sie offen.

Ich setzte mich auf mein Bett. Die Beine angezogen, die Stirn auf den Knien. Nicht traurig. Nicht beschämt. Aber ich spürte eine neue Leere. Ich hatte Ja gesagt. Aus freien Stücken. Ich hatte Ja gesagt. Und das war das Erschreckendste daran.

Und vielleicht war genau das der Grund, warum es sich weniger angefühlt hatte.

Kapitel 5: Erlaubnis


Ich hatte kaum geschlafen. Mein Körper war nicht wach, aber mein Kopf weigerte sich, zur Ruhe zu kommen. Ich lag wieder in meinem eigenen Bett, aber es fühlte sich nicht mehr wie mein Rückzugsort an. Eher wie ein Ort, der nicht mir gehörte. Nicht mehr bei Paul. Noch nicht bei Ben. Ich saß aufrecht, die Stirn auf den Knien. Mein Atem flach. Kein Trost, kein Trotz. Nur ein Gedanke, der sich immer deutlicher formte: Dass ich gestern gefragt worden war. Und heute wohl nicht mehr gefragt werden würde.

Etwas in mir hatte sich verschoben. Nicht plötzlich. Nicht dramatisch. Eher wie ein Pegel, der langsam steigt, bis er überläuft. Ich hatte keine Angst davor. Nicht mehr. Denn es war dieser Zustand, den mein Körper zu suchen schien: geführt zu werden. Gehalten, auch gegen meinen Willen. Oder gerade deshalb.

Ich stand auf, getrieben von der Erkenntnis, dass mein Körper genau das wollte.

Die Küche roch nach Kaffee, leicht angebranntem Toast – und etwas, das in der Luft lag. Ich trat ein, noch feucht von der Dusche, das Haar locker gebunden. Mein Schritt war langsam, und selbstbewusst. Ich spürte meinen Körper mehr als sonst, spürte, wie die Kleidung an der eingecremten Haut klebte, und ich bildete mir ein die Blicke zu spüren. Ben saß am Tisch, die Hand um eine Tasse mit Che Guevara. Ich registrierte es, verwarf den Gedanken. Sein Blick war ruhig, fokussiert. Er musterte mich von oben bis unten. Worte waren nicht nötig. Wir wussten längst, was heute kommen würde.

Jule hatte die Beine auf dem Stuhl, barfuß, das Buch in ihrem Schoß aufgeschlagen, aber unbeachtet. Paul fehlte. Oder hielt sich raus. Ich war fast dankbar dafür, dass er die ohnehin schon unangenehme Situation nicht noch unangenehmer machte.

Ich setzte mich. Meine Bewegungen waren leise, fast sorgfältig. Ben sah mich an. Nicht fordernd. Aber direkt. So als würde er nur kontrollieren, ob ich überhaupt erschienen war.

„Du warst neulich… nicht schlecht“, sagte er dann. Er nippte an seinem Kaffee, als wäre das eine beiläufige Beobachtung. „Aber das kann man ausbauen.“ Mein Blick fixierte Che, als könne er mich irgendwie retten. Ich schluckte. Die Worte trafen mich nicht wie eine Kritik. Eher wie eine Diagnose.

Jule hob eine Braue, ohne aufzublicken.

„Learning by doing“, sagte sie, mehr in Richtung Tasse als zu mir.

Ich wusste nicht, ob ich antworten sollte. Oder durfte. Ich spürte meine Schultern leicht heben, aber das Nicken blieb aus. Ich hielt still. Und doch war alles in mir in Bewegung. Ben stellte die Tasse ab. Leise. Präzise.

„Heute machen wir das nochmal“, sagte er. „Richtig. Küche. Heute Nachmittag, wenn du aus der Uni kommst.“

Nur Information. Keine Frage. Keine Einladung. Kein Raum für Zustimmung. Kein Bedarf an einer Zustimmung. Diesmal nickte ich. Nicht als Antwort. Sondern weil es sich so gehörte.

Die Straßenbahn war überfüllt. Es roch nach Shampoo, kaltem Kaffee und zu süßem Deo. Ich stand eingeklemmt zwischen zwei Rucksäcken, hielt mich an der Haltestange fest, mein Blick durch das Fenster hinaus auf eine Stadt, die mich veränderte. Ich versuchte, an das Seminar zu denken. An Statistik. An Helena, die mir später eine Folie zeigen wollte. Aber in meinem Kopf war kein Platz für Zahlen. Nur ein Satz:

„Heute machen wir das nochmal.“

Er saß fest in meinem Schädel, eingeritzt, wie eine Drohung.

Ich wusste, was Ben meinte. Es würde diesmal kein Spiel mehr sein. Kein Mutprobe-Moment, kein Grinsen, das das Ganze abfedert. Es war eine Wiederholung. Nicht als Möglichkeit, sondern als Ordnung. Und ich wusste: Ich war Teil dieser Ordnung.

In der Uni lief alles weiter. Helena erzählte von ihrem neuen Thermobecher: „Kein Mikroplastik mehr“, und streifte mich beim Sitzen mit dem Arm. Ich nickte, stellte eine Rückfrage, von der ich die Antwort nicht verstand. Ich lachte sogar einmal. Alles funktionierte. Nach außen.

Aber in mir war es still. Kein Denken, kein Plan. Nur ein Bild. Bens Hand in meinem Haar. Der Moment, als ich ihn im Mund hatte, und die Welt um mich herum verschwunden war. Wie ich geschluckt hatte. Ohne Auftrag. Ohne Zwang. Nur… aus einem Reflex heraus, der sich inzwischen mehr, wie ein Bedürfnis anfühlte. Und wie niemand etwas gesagt hatte. Aber jeder es gesehen hatte.

Ich hätte mich schämen können. Vielleicht sogar müssen. Aber mein Körper reagierte anders. Ich spürte die Hitze, die sich langsam von meinem Magen in den Unterleib schob. Ein Pochen, kaum merklich, aber konstant. Meine Jeans spannte sich an den falschen Stellen. Ich bewegte mich nicht, aber meine Muskeln waren angespannt, als wartete ich auf ein Startsignal. Ich fragte mich kurz, ob ich das noch länger so durchhalten würde – oder ob man irgendwann einfach… ausläuft.

Ein dämlicher Gedanke. Aber er war da.

Ich wusste, dass ich es nicht wollen sollte. Aber ich wusste auch: Ich würde es tun. Es war kein Wunsch. Es war ein Hunger. Weil es in mir längst keinen Widerstand mehr gab – nur das laute, rhythmische Gefühl, dass mich etwas auf diesen Moment hinsteuerte. Etwas in mir. Vielleicht sogar ich selbst.

Die WG war still, als ich zurückkam. Die Sonne stand flach, warf staubige Lichtstreifen auf den Boden. In der Küche roch es nach abgestandenem Kaffee und warmem Holz. Ben saß bereits da. Ein Glas Wasser vor sich, das Handy neben der Tischkante, aber unberührt. Er sah nicht auf, als ich die Tür durchschritt. Ich stellte meine Tasche ab, meine Schritte gedämpft. Ich wusste, was jetzt kommen würde.

Er sah hoch. Nur kurz.


„Tür bleibt offen“, sagte er.


Ich nickte. Dann kam kein weiteres Wort. Nur sein Blick. Still. Wartend.

Ich trat vor ihn. Knie mich hin. Nicht demonstrativ, aber mit einem neuen Selbstverständnis. Einfach, weil es der Platz war, der mir zugedacht war. Etwas in mir zuckte. Ein Muskel, ein Rest Selbstachtung. Ich ignorierte es.

Ich öffnete seine Hose. Mein Herz schlug schneller, aber meine Finger zitterten nicht mehr. Der Stoff war vertraut, der Griff an seinem Hosenbund eine Bewegung, die ich wiedererkannte. Fast zärtlich.

Er war schon halb hart. Ich nahm ihn in den Mund. Langsam. Vorsichtig. Zungenspitze zuerst, dann Lippen. Ich erinnerte mich an Jules Worte: Zunge unten. Nicht nur Lippen. Kein Tempo. Ich gehorchte. Nicht weil ich Angst hatte, etwas falsch zu machen, sondern weil ich wollte, dass es gut war. Für ihn. Für sie. Für mich.

„Langsamer“, murmelte Ben.


„Unten entlang. Mit Gefühl.“

Ich passte mich an. Spürte, wie sein Körper nachgab, wie er härter wurde. Ich wurde ebenfalls härter – innerlich. Fester in meinem Entschluss. Ich wollte dienen. Nicht blind. Sondern bewusst.

„So“, sagte er. Ruhig. Zufrieden.

Ich bewegte mich tiefer. Dann flacher. Ich spürte, wie mein Körper heiß wurde, ohne dass mich jemand berührte. Mein Becken spannte sich, meine Schenkel zitterten. Ich sog den Geschmack von Macht und Zustimmung in mich auf wie Atemluft. Es war, als würde sein Körper mir sagen, dass ich richtig war.

Dann: Schritte.

Jule kam in den Raum, blieb am Türrahmen stehen. Ich sah sie nicht direkt, aber ich spürte ihren Blick wie eine zweite Hand auf meinem Rücken.

„Sie lernt schnell“, sagte sie. Beiläufig. Sie klang fast stolz. Ben antwortete nicht. Seine Hand glitt in mein Haar, nicht grob, eher wie eine Spur. Ein Pfad, dem ich folgen sollte. Ich ließ ihn gleiten. Immer wieder. Tiefer. Wärmer. Es war nicht mehr nur ein Blowjob. Es war… mein Dienst. Meine Funktion.

Dann: „Jetzt.“

Ich wusste, was das bedeutete. Ich schloss die Lippen enger. Spürte den Moment, dann war er da. Das Zucken. Die Wärme. Er kam wieder in meinem Mund. Ich schluckte. Diesmal nicht reflexhaft, sondern bewusst, weil ich es wollte. Weil ich es konnte. Weil es einfacher war, zu gehorchen, als sich zu fragen, was ich wirklich fühlte.

Ein Rest entwich mir. Ein Streifen auf meine Brust. Warm. Schwer. Ich atmete ruhig. Dann wischte ich mir mit der Hand den Mund ab. Ben sah zufrieden aus. Zog sich die Hose hoch. Dann wandte er sich ab, als wäre alles gesagt.

„Ich sag Bescheid, wenn ich wieder Bedarf hab.“

Ich nickte. Es fühlte sich an wie ein Automatismus. Jule trat näher. Sah auf meine Brust. Der Tropfen war verschmiert. Mit einem Finger strich sie darüber, hielt ihn mir hin.

„Mach sauber“, sagte sie.

Ich nahm ihren Finger in den Mund. Leckte ihn ab. Dann trat sie zurück.


„Ich glaub, ab jetzt sollte sie um Erlaubnis bitten, wenn sie kommen will“, sagte sie in den Raum hinein.

„Wäre ja nur fair.“


Ben zuckte mit den Schultern.


„Klingt vernünftig.“

Ich sagte nichts. Aber in mir war alles entschieden. Und ich fragte mich, ob das der Moment hätte sein können, an dem ich „nein“ hätte sagen sollen.

***

Es war kurz vor acht, als die Nachricht kam: „Komm direkt nackt. Tür ist offen.“


Keine Erklärung. Kein Smiley. Kein Spiel.

Ich saß noch am Schreibtisch, der Pulli von der Uni hing über der Stuhllehne. Unterwäsche hatte ich ohnehin nicht getragen. Ich stand auf, ließ das Handy liegen. Kein Zögern. Kein Widerstand. Es war klar, was passieren würde. Und noch klarer: dass ich es zulassen würde.

Der Flur war still. Das Licht in seinem Zimmer gedämpft. Ich trat ein.

Ben saß an seinem Schreibtisch, der Bildschirm war dunkel. Sein Blick wanderte zu mir. Ruhig. Prüfend.

„Hände hinter den Kopf.“

Ich gehorchte sofort. Meine Schultern spannten sich. Mein Brustkorb hob sich leicht. Ich spürte die Luft auf der Haut, als wäre sie ein zweiter Blick. Ben erhob sich, trat vor mich. Umrundete mich. Dann: eine Hand an meiner Schulter, die andere glitt tiefer, zwischen meine Beine.


Vielleicht hätte ich es sagen können. Dass ich Nähe vermisse. Dass ich mich selbst vermisse.


Aber ich schwieg – und spürte genau in diesem Moment, wie etwas in mir leiser wurde. Als hätte ich eine letzte Gelegenheit einfach vorübergehen lassen.

Sein Finger glitt durch Feuchtigkeit. Sofort. Ohne Druck. Ein kurzes, anerkennendes Lächeln.


„Bereit, hm.“

Ich antwortete nicht. Weil es nichts zu sagen gab. Mein Körper hatte längst für mich geantwortet.

Er führte mich wortlos zum Schreibtisch. Ich beugte mich vor, stützte mich mit den Händen ab. Der Holzrand schnitt sich in meine Handflächen. Im dunklen Bildschirm spiegelte sich mein eigenes Gesicht. Schemenhaft. Offen.

Das Rascheln von Stoff, das metallische Klacken eines Gürtels. Dann spürte ich ihn. Zuerst als Wärme. Dann als Druck. Er drang in mich ein.

Langsam. Tief. Zielsicher.

Ich stöhnte – leise. Nicht aus Schmerz. Nur aus Gewissheit. Mein Körper spannte sich, nahm ihn auf wie eine Antwort, auf die er lange gewartet hatte. Sein Rhythmus war gleichmäßig. Kein Spiel. Kein Zögern. Kein Vorspiel. Ich klammerte mich an die Tischkante, hörte meinen eigenen Atem gegen die glatte Oberfläche schlagen.

Dann flüsterte ich:


„Darf ich kommen?“


Keine Antwort. Nur der nächste Stoß – tiefer. Härter. Erbarmungslos. Ich keuchte.


„Bitte… darf ich kommen?“

Seine Hände griffen fester an meine Hüften. Er stieß noch ein paar Mal zu. Zog den Moment in die Länge. Ich wimmerte. Merkte wie ich immer näher an die Klippe kam. Dann kam das Wort. Leise. Unaufgeregt.

„Ja.“

Ich kam nicht, ich stürzte. Mit allem, was ich war. Keine Kontrolle, kein Gedanke mehr. Nur noch Puls. Wärme. Zuckender Druck. Ich klammerte mich an den Tisch, als könnte er mich halten. Als könnte er mich noch aufhalten.

Nicht mit einem Laut, sondern mit einem Ruck. Mein Körper bog sich leicht nach oben, dann sackte ich ein. Alles in mir wurde eng, dann weit. Dann still.

Nicht der Stoß hatte es ausgelöst.


Es war die Erlaubnis, die mich traf wie eine Welle.


Er stieß weiter. Noch zweimal. Dann hielt er inne. Ich spürte ihn tief in mir. Warm. Zuckend.


Er kam.


In mir.


Und blieb.

Ich wollte, dass er weitermachte. Ich spürte, dass noch mehr in mir steckte. Da war nichts als Spannung. Eine Sucht auf zwei Beinen. Ein Ziehen nach mehr.

Sein Oberkörper ruhte einen Moment über meinem Rücken. Kein Halt. Kein Trost. Dann trat er zurück. Ohne ein Wort. Zog sich an. Sah mich nicht an. Ich betrachtete immer noch die Spiegelung meines Gesichts, während ich wieder zu Atem kam. Und wartete.

„Hol mir ein Bier“, sagte er.

Ich richtete mich auf. Meine Beine zitterten leicht. Ich nickte. Und ging. Die Tür blieb offen hinter mir.

Ich trat in den Flur. Die Haut noch feucht vom Schweiß, die Beine weich, das Becken wund. Die WG war still. Nur das Ticken der Uhr über der Küchentür. Das leise Brummen des Kühlschranks.

Es rann meine Oberschenkel hinab. Warm, langsam, fremd.

Paul kam aus der Küche. Wir sahen uns gleichzeitig. Ich war nackt. Er hatte ein Glas in der Hand, blieb stehen, als hätte ihn jemand festgenagelt.

Sein Blick streifte mein Gesicht, glitt hinab, und blieb an meinen Beinen hängen. Kurz. Zu lange.


Dann hob er den Blick wieder. Keine Frage, kein Kommentar. Aber etwas in seinem Blick veränderte sich.

Verärgerung. Vielleicht. Oder Unsicherheit.


Vielleicht auch nur die Erkenntnis,


dass die letzte Nacht nichts Besonderes war.


Nur ein weiterer Stein in einem größeren Mosaik.

Ich ging an ihm vorbei. Spürte die Kälte des Bodens. Und seinen Blick im Rücken. Schwerer als zuvor.

Ich öffnete den Kühlschrank. Kühle Luft strömte heraus. Ich beugte mich vor, griff nach der Flasche. Als ich mich aufrichtete, hörte ich Schritte hinter mir.

Jule.

Sie sagte nichts. Stand nur da. Ich spürte ihren Blick. Erst auf meinem Rücken. Dann tiefer. Wo sich Bens Spuren ihren Weg über meine Haut bahnten. Ich wusste, was es war. Und sie wusste es auch. Jules Augen verharrten dort. Ihre Augen verengten sich, ihr Blick war sachlich. Nicht spöttisch. Analytisch.

Dann wandte sie sich ab. Drehte das Wasser auf. Ein Klappern von Metall auf Keramik. Ich verließ die Küche, das Bier in der Hand.

Ben saß wieder auf dem Stuhl. Der Bildschirm zeigte irgendeinen Film, belanglos, tonlos. Er nahm die Flasche entgegen, öffnete sie selbst. Kein Blick zu mir. Kein Kommentar. Dann tippte er mit dem Fuß auf den Boden, neben seinem Stuhl.

„Kissen.“

Ich gehorchte. Holte das flache Kissen unter dem Fenster, legte es an seinen Platz. Dann kniete ich mich darauf. Meine Hände ruhten auf den Oberschenkeln, die Schultern leicht zurückgenommen. Mein Rücken gerade.

Er trank. Sah weiter auf den Bildschirm.

Ich blieb. Nackt. Reglos. Wie etwas, das dort hingehörte. Ich weiß nicht, wie lange ich dort kniete. Irgendwann stand er auf. Drehte den Bildschirm zur Seite. Zog sich das Shirt aus.

„Komm.“

Ich erhob mich. Langsam. Nackt. Ohne Fragen. Sein Bett war schmal. Hart. Die Decke grob gefaltet, das Kissen noch warm vom Tag. Ich legte mich auf die Seite, den Rücken zur Wand. Er kam hinter mich, zog sich nicht aus, bis auf die Hose. Kein Wort. Kein Blick.

Seine Hand glitt über meine Taille, dann höher, bis zur Brust. Warm. Schwer. Besitzergreifend. Ich spürte ihn. Hart gegen meinen Oberschenkel. Der Rhythmus seines Atems hatte sich verändert. Er hob mein Bein leicht an, schob sich näher.

Dann drang er wieder in mich ein. Ohne Ankündigung. Ohne Hast. Ich keuchte. Es war kein Schmerz, es war nur der Moment, in dem mein Körper verstanden hatte, dass er gemeint war. Dass das hier nicht gefragt wurde, sondern stattfand.

Ben bewegte sich langsam. Tief. Seine Hüfte stieß gegen mein Gesäß, gleichmäßig. Wie ein Strom, der einen mitnimmt, egal ob man bereit ist. Ich hielt still. Nicht aus Angst, sondern weil es keinen Grund für mich gab, etwas anderes zu tun. Seine Hand lag auf meiner Brust, knetete sie mit ruhiger Selbstverständlichkeit.

Als er die Brustwarze zwischen den Fingern drehte, entfuhr mir ein leises Wimmern. Sein Atem war nah. Kein Keuchen. Kein Stöhnen. Zwei Körper, die sich vereinigten.

Dann: ein kurzes Zucken. Ein Schub nach vorn. Ich spürte ihn kommen. Spürte, wie er in mir blieb. Ganz. Schwer. Seine Stirn berührte meinen Nacken. Seine Hand blieb, wo sie war. Er bewegte sich nicht. Und ich auch nicht. Es war kein Abschluss. Keine Zärtlichkeit.

Es war ein Zustand.


Ein Nachhall.


Ich gehörte ihm jetzt. Und daran gab es nichts mehr zu verhandeln.

Ich weiß nicht, wann ich eingeschlafen war. Vielleicht gar nicht wirklich. Vielleicht hatte mein Körper nur irgendwann beschlossen, dass er genug hatte. Genug Eindrücke, genug Erregung, genug Scham.

Jetzt lag ich unter seiner Decke. Die Luft roch nach ihm: nach seiner Wärme, nach Textil, nach etwas Technischem. Er war liegen geblieben. In mir, wortlos. Kein „Gute Nacht“, keine Berührung mehr. Nur seine Nähe, und seine Hand auf meiner Brust.

Sein Atem war ruhig. Seine Brust hob sich gleichmäßig. Ich rührte mich nicht. Nicht weil ich Angst hatte, sondern weil ich wusste, dass ich nicht musste.

Ich hatte gedient. Nicht nur als Pflicht, sondern auch, weil ich es wollte. Und vielleicht – nur vielleicht – war genau das der Punkt, an dem es sich stimmig anfühlte. Ich hatte nicht gelitten. Ich hatte funktioniert. Und das hatte mir Frieden gegeben.

Nicht richtig. Nicht falsch.


Befriedigend.

Ich war benutzt worden. Und es war das erste Mal, dass ich mich dabei ganz gefühlt hatte. Es war kein Missbrauch. Kein Liebesakt. Es war… das, was ich gebraucht hatte, um mich zu spüren.

Kapitel 6 „Im Spiegel


Der Tag war vergangen, ohne dass ich es wirklich bemerkt hatte. Ich hatte geduscht, gegessen, gelesen, all das, was man tut, wenn man funktionieren will. All das, was normale Menschen halt so tun. Aber nichts davon war bei mir geblieben. Mein Körper fühlte sich noch immer benutzt an, wund auf eine stille, nicht sichtbare Weise. Doch der Schmerz war nicht das Problem. Es war die Stille nach dem Gehorchen, die mir näher kam als jede Berührung.

Ich dachte an Pauls zurückhaltenden Blick, an Bens Tonfall, der so selbstverständlich war, so nüchtern. Ich hatte ihre Lust erfüllt, hatte mich ihnen gegeben. Und war doch mir selbst dabei kaum begegnet.

Als der Abend kam, blieb ich eine Weile nackt auf meinem Bett sitzen. Es war keine Provokation, es gab einfach keinen Anlass mehr, sich zu bedecken. Der Gedanke an Jule war da, leise, aber unnachgiebig. Sie war kein Mann. Kein Spiegelbild der anderen. Und doch war sie Teil des Spiels. Vielleicht der ruhigste. Vielleicht auch der gefährlichste.

Ich stand auf, cremte mich ein, wie ich es inzwischen fast rituell tat. Die Bewegung beruhigte mich. Vielleicht auch, weil sie die Illusion einer Entscheidung war. Der Gedanke, dass ich bald sehr viel mehr Creme brauchen würde, wenn das so weiter geht, drängte sich mir auf. Ich vertrieb ihn. Dann stieß ich die Tür zu meinem Zimmer auf und trat nackt in den Flur. Kein Stoff auf der Haut, kein Ausweichmanöver. Nur ich.

Jules Licht brannte noch. Unter der Tür ein schmaler Streifen, der auf dem Holz funkelte. Ich blieb kurz stehen, hob die Hand, und klopfte nicht. Ich öffnete einfach.

Jule lag quer auf dem Bett, der Laptop auf den Knien, eine randlose Brille auf der Nase, die ich bei ihr noch nie gesehen hatte. Plötzlich erinnerte sie mich an meine Deutschlehrerin. Sie wirkte entspannt, fast häuslich. Ihre Füße nackt, ein bordeauxrotes Shirt locker über die Schulter gerutscht.

Als ich eintrat, sah sie auf. Kein Schreck. Kein Urteil. Nur ein Blick, der mich wahrnahm, als wäre ich der nächste logische Moment eines Tages.

„Du bist nackt gekommen“, sagte sie.


Ich nickte. „Ja.“


„War das eine Entscheidung?“


Ich zögerte. „Ich hatte nichts anderes an. Es fühlte sich konsequent an.“

Sie klappte den Laptop zu, legte ihn beiseite, richtete sich auf und betrachtete mich still. Ihr Blick wanderte über meinen Körper, blieb an meiner Brust hängen. „Du hast wirklich schöne Brüste“, sagte sie leise. Dann, mit einem kaum hörbaren Unterton: „Fast ein bisschen unfair.“

Ich spürte, wie mein Gesicht kurz warm wurde – nicht vor Scham, sondern vor etwas anderem. Etwas Seltenem. Stolz vielleicht. Sie stand auf, trat vor mich. Kein Befehl in ihrer Bewegung, nur Präsenz. Dann:

„Magst du dich einen Moment zu mir setzen? Nur sitzen. Nicht knien. Nicht gehorchen.“

Ich nickte. Dankbar für das Angebot. Und für das „Magst du“. Ich setzte mich auf die Bettkante, neben sie. Unsere Oberschenkel berührten sich fast.

„Wie war’s bei Ben?“, fragte sie. „Nicht technisch. Sondern für dich. Wie war’s, so von ihm benutzt zu werden?“

Ich sah auf meine Hände. Dann hob ich den Blick.

„Es war... einfach“, sagte ich. „Weil ich nichts entscheiden musste. Und weil er nichts gefragt hat.“


„Und Paul?“


„Weich. Und trotzdem schwer. Weil ich Ja gesagt habe… und noch gar nicht wusste, warum.“

Jule nickte. Kein Kommentar, kein Urteil. Nur ein Mitdenken.

„Du weißt, dass wir uns austauschen. Die Jungs und ich. Was gespielt wird, wie du reagierst. Aber was wir nie wissen, ist das hier.“ Sie tippte mir mit dem Zeigefinger sachte gegen die Stirn. „Was du denkst. Was du willst.“

Ich sah sie an. Lang. „Ich glaube… ich will wissen, wer ich bin, wenn ich nichts mehr entscheiden muss.“


Ihr Blick wurde weicher. „Dann probieren wir das jetzt aus. Zusammen.“


Sie deutete auf den Boden vor dem Bett. „Komm. Wir schauen dich jetzt an.“

Ich kniete mich hin. Der Teppich war rau, aber vertraut. Als ich den Blick senken wollte, schüttelte sie leicht den Kopf.

„Heute nicht. Rücken gerade. Knie schulterbreit. Und sieh mich an.“

Ich tat es. Nicht aus Gehorsam, sondern weil es sich bei ihr… stimmig anfühlte.

„Hände hinter den Kopf.“

Ich hob sie. Mein Brustkorb hob sich mit. Die Haltung öffnete mehr als nur den Körper. Sie umrundete mich langsam. Keine Inszenierung. Nur Aufmerksamkeit.

„Du hast schöne Brüste“, sagte sie erneut. Dann, nach einer kurzen Pause, mit einem kaum hörbaren Unterton: „Fast zu schön, ehrlich gesagt.“

Ich sah sie überrascht an. In ihrem Blick lag nichts Spöttisches. Kein Kalkül. Nur ein kurzer, ehrlicher Neid, so flüchtig, dass er fast übersehbar gewesen wäre. Aber ich sah ihn. Sie ging kurz an ihren Schreibtisch. Nahm einen Filzstift aus einem Plastikbecher und lies den Deckel auf dem Tisch liegen.

Ich spürte ihn wieder. Diesen leisen ungewohnten Stolz. Kein Hochmut, nur ein Moment, in dem ich merkte, dass mein Körper nicht nur ein Objekt war. Sondern auch eine Wirkung hatte.


Jule trat näher, setzte den Stift auf meine linke Brust. Die Spitze war kühl. Der Strich war deutlich. Sie sprach jedes Wort laut mit.

Sklaventittchen

Ein Hauch Wärme breitete sich in mir aus. Nicht vor Scham. Nicht vor Schmerz. Es war ein Erkennen.

Über der rechten Brust schrieb sie weiter:

Zu benutzen

Dann hielt sie inne. Sah mir direkt in die Augen.

„Dein Wort“, sagte sie. „Eins, das auf deinen Bauch gehört. Nicht, weil ich es wähle. Sondern weil du es aussprichst.“

Ich schluckte. Spürte, wie die Worte irgendwo in mir aufstiegen, sich sortierten. Dann flüsterte ich:

„Drecksstück.“

Jule lächelte. Nicht höhnisch. Nur zustimmend.

„Dann gehört es dir.“

Sie schrieb es über meinen Nabel: schwungvoll, deutlich. Dann trat sie einen Schritt zurück. Betrachtete mich.

„Bleib so.“

Ich hielt die Position. Spürte die Spannung in den Schultern, das Prickeln der Worte auf meiner Haut. Meine ausgestreckten Brüste und meine sich verhärtenden Brustwarzen. Sie ging vor mir in die Hocke. Ihre Finger glitten langsam zwischen meine Beine – sanft, prüfend, mit einer Selbstverständlichkeit, die mich nicht mehr erschreckte.

Als sie sie zurückzog, glänzten sie. Sie sah auf ihre Fingerspitzen, dann zu mir.

„Schon eine Weile, oder“

Ich nickte.

„Ich glaube, dein Körper ist ehrlicher als deine Stimme.“

Dann griff sie wieder zum Stift.

Mit ruhiger Hand schrieb sie über meinen Venushügel:

Free Use

Darunter, schräg gesetzt:

WG-Spielzeug

Sie trat zur Seite, betrachtete das Gesamtbild. Dann wandte sie sich meinem Oberschenkel zu. Zeichnete einen schmalen Pfeil, der direkt auf meine Mitte zeigte.

Und daneben, leicht versetzt:

Immer feucht →

Ein letzter Blick. Dann griff sie zu ihrem Handy. Ich hörte das Klicken der Kamera. Noch eins. Und noch eins.

„Für die Sammlung“, sagte sie.

Dann tippte sie kurz. „Ich hab‘ sie dir geschickt. Wenn du willst, kannst du sie in unserer Gruppe teilen. Oder ich tu es für dich.“

Ich sah sie an. Mein Mund blieb stumm. Aber mein Körper… war Antwort genug. Jule öffnete eine Schublade, holte mehrere Schals hervor. Weiche Stoffe, Muster wie aus einem anderen Leben – nichts Bedrohliches. Dinge, die man mit Spiel verband. Oder mit Vertrauen.

„Ich will etwas ausprobieren“, sagte sie. „Du sagst mir sofort, wenn etwas nicht gut ist.“

Ich nickte. Mein Atem blieb ruhig – doch innen vibrierte alles.

„Hände nach hinten.“

Ich legte sie hinter den Rücken, und Jule band sie langsam. Kein harter Knoten, aber eindeutig. Ich hätte mich befreien können. Aber ich wollte es nicht. Sie trat einen Schritt zurück. Betrachte mich. Dann trat sie wieder näher, fast unmerklich. Ihre Hände legten sich auf meine Brüste, warm, sanft, forschend. Ein Daumen glitt über die rechte Brustwarze. Dann drückte sie zu. Fester als erwartet. Ich sog scharf Luft ein. Ihre Finger kniffen jetzt beide Brustwarzen. Ich spürte die schmerzen deutlich. Ein Keuchen entwich meinem Mund.

„Sprich mit mir.“


„Es… sticht. Und…“

Ich zögerte. Spürte die Hitze in meinem Bauch aufsteigen. Ich brauchte einen Moment, um es mir selbst einzugestehen, bevor ich es Jule gestand:

„Es macht mich feucht.“

Ein Moment Stille. Keine Überraschung in Jules Gesicht. nur Zustimmung.

„Gut. Dein Körper lügt nicht.“

Sie ließ los. Nicht abrupt. Ich bedauerte es fast. Dann beugte sie sich vor, küsste meine Stirn. Ich spürte, wie mein Brustkorb sich hob, als hätte ihre Geste etwas wachgerufen. Ihre Finger lösten die Schals langsam, bedächtig. Als wäre selbst das Entfesseln ein Moment, der Bedeutung hatte. Sie ließ sich Zeit. Gab mir Raum zum Atmen.

„Leg dich auf den Rücken. Arme nach oben.“


Ich gehorchte. Das Bett war kühl unter meinem Rücken. Die Haut meiner Brüste zog noch ein wenig von ihrem Kunstgriff. Ich streckte die Arme aus, ließ sie über den Kopf gleiten, spürte die leichte Dehnung in den Schultern.

Jule fesselte meine Handgelenke an die Bettpfosten. Nicht straff. Genug, um mich zu halten, und um mir das Gefühl zu geben, dass ich nicht mehr zuständig war. Dann trat sie zurück. Und griff nach zwei Wäscheklammern.

„Bereit?“

Ich nickte.

Die erste Klammer traf meine linke Brustwarze. Der Schmerz war hell, scharf, wach. Die zweite folgte – rechts. Ich keuchte, spürte, wie mein Körper darauf reagierte: die Haut zog sich zusammen, mein Becken spannte sich.

„Wie ist es?“, fragte sie ruhig.


„Es… brennt. Aber es bleibt.“ Ein Atemzug. Dann, leiser: „Und es macht mich… richtig nass.“


„Sag das nochmal.“


Ich zögerte. Dann wiederholte ich, fast trotzig, mit gesenktem Blick:


„Ich bin… ich bin richtig geil.“


Jule schwieg. Dann lächelte sie. „Danke. Dafür, dass du das gesagt hast.“

Sie trat erneut zurück. Ihre Augen wanderten über meinen Körper, prüfend, beinahe zärtlich. Dann griff sie nach einem Kochlöffel, rund, aus Holz, ein Alltagsgegenstand, den sie jetzt missbrauchte, um mich zu missbrauchen.

„Ich werde dich schlagen“, sagte sie ruhig. „Nicht viele. Nur so viele, wie du willst. Und du sagst sie mir. Mit Worten.“

Ich atmete tief ein. Meine Brust hob sich, die Klammern dehnten die Haut, der Schmerz verwebte sich mit etwas Tieferem.

„Fünf“, flüsterte ich.


„Fünf“, wiederholte sie. „Aber du bittest um jeden einzelnen. Und du zählst. Laut.“

Ich nickte. Mein Mund war trocken.

„Dann fang an.“


„Bitte… gib mir den ersten Schlag.“

Der Löffel traf meine linke Hüfte, nicht grob, aber klar. Der Aufprall ließ mein Becken zucken, meine Finger krallten sich in die Bettdecke.

„Eins“, stieß ich aus.


„Gut. Und?“


Ich keuchte. „Es brennt. Und… ich werde noch feuchter.“


„Weiter.“


„Bitte… den zweiten.“

Der Schlag kam auf den Oberschenkel, schräg. Ich zuckte. Stöhnte leise.

„Zwei.“


„Was fühlst du?“


„Ich… ich will mehr. Es macht mich… offener.“


„Zeig es mir.“


„Bitte, Jule – gib mir den dritten.“

Der Schlag kam. Nicht auf den Oberschenkel, nicht auf die Brust – sondern zwischen die Beine, gegen die Innenseite. Nah. Ich zuckte, ein heißer Impuls schoss durch mich.

„Drei“, keuchte ich.


Jule sah mich ruhig an. „Was macht das mit dir?“


Ich rang nach Atem. „Ich… ich spür alles. Da unten. Es kribbelt. Ich werd… feucht. Ich… ich will mehr.“


„Dann sag es.“


„Bitte… gib mir den vierten Schlag.“

Der Kochlöffel traf meinen anderen Innenschenkel. Schärfer, härter. Noch näher. Ich riss den Kopf zurück, der Schmerz zog nach – und hinterließ ein Pulsieren zwischen meinen Beinen, das sich nicht mehr ignorieren ließ.


„Vier!“


„Letzter Schlag“, sagte Jule ruhig. „Aber du sagst mir, wohin. Genau.“

Ich blinzelte. Spürte die Nässe, die sich längst aufgestaut hatte. Mein Becken hob sich leicht, fast unbewusst.

„Bitte… schlag mich auf meine Scham“, flüsterte ich. „Da, wo ich’s brauch.“

Sie beugte sich über mich. Ihre Hand legte sich kurz flach auf meinen Unterleib. Spürend. Prüfend.

„Sag es so, wie du’s meinst.“

Ich schloss die Augen, dann sah ich sie wieder an. „Bitte, Jule… schlag mich auf meine nasse, gierige Fotze. Ich halt’s nicht mehr aus.“

Der Schlag war anders. Kein dumpfer Ton, eher ein flaches, schmatzendes Geräusch. Ein lautes Schmatzen. Ich stöhnte laut auf, meine Beine spannten sich, mein Atem brach.

„Fünf.“

Ein Moment Stille. Nur mein Atem, flach und flimmernd. Mein Becken hatte sich leicht aufgebäumt, die Schenkel zitterten. Jule trat näher. Sie sah mich nicht an. Sie sah mich an. Sie musterte mich nicht. Sie sah mich. Ganz. Ihr Blick war wach, wachsend. Dann kniete sie sich vor mich, beugte sich leicht vor, und sagte leise:

„Du tropfst.“

Ich spürte es selbst in dem Moment – wie sich die Wärme zwischen meinen Schenkeln gelöst hatte. Wie sie sichtbar geworden war. Nicht als Fleck, nicht als Spur – sondern als Bekenntnis. Jule glitt mit zwei Fingern durch meine Mitte. Langsam. Prüfend. Ihre Berührung war nicht grob, nicht zärtlich – sie war sachlich. Wie jemand, der einen Zustand feststellt. Als sie die Finger hob, glänzten sie.

Sie hielt sie mir hin. Ein stummer Befehl. Oder eine Einladung, zu erkennen, was ich längst wusste. Ich streckte die Zunge heraus. Leckte. Langsam. Schmeckte mich selbst. Salzig. Warm. Offen.

Jule nickte. „Das bist du gerade.“

Ich sah sie an. Keuchend. Meine Arme festgebunden, die Beine geöffnet, mein Becken zuckend, gespannt, wund und wach, und leer zugleich.

„Bitte… ich will kommen.“ Meine Stimme war kaum mehr als ein Hauch. „Ich… ich brauche das. Bitte.“

Jule antwortete nicht sofort. Sie sah mich an. Lang. Ohne Urteil. Dann trat sie einen Schritt näher. Leise, ruhig, jede Bewegung kontrolliert. Ihre Augen auf meine gerichtet. Ich rang nach Luft. Spürte die Tränen hinter den Lidern, nicht aus Schmerz, sondern weil ich mich selbst kaum noch erkannte.

„Ich halt das nicht aus“, flüsterte ich. „Ich spüre mich nur noch da. Zwischen den Beinen. Und dein Blick.“


„Und was willst du?“, fragte sie schließlich. Ruhig. Beinahe sachlich.


„Ich… ich will es spüren. Ich will… mich loslassen dürfen.“


„Wirklich?“, fragte sie. Noch immer keine Regung in ihrer Stimme. „Oder willst du einfach nur, dass es aufhört?“

Ich keuchte. Schluckte. Dann: „Ich will kommen. An deiner Hand. Ich will mich reiben. Daran. Ich will es verdienen. Ich will es… brauchen dürfen.“

Jetzt hob sie die Hand. Langsam. Ihre Finger leicht gespreizt. Die Handfläche offen, unbewegt. Kein Wort. Nur diese Geste. Mein Blick glitt dorthin, und ich verstand. Sofort.

Ich bewegte mein Becken. Erst zaghaft, dann drängender. Rieb mich an ihrer offenen Hand, an der stillen, reglosen Fläche, die mir alles bedeutete. Ihr Blick blieb auf mir. Wach. Still. Prüfend. Sie verurteilte mich nicht, sie beobachtete mich.

Ich war nackt, gefesselt, offen – und sie ließ es mich selbst tun.


„Bitte…“, hauchte ich noch einmal. „Bitte… bitte… ich will mich an dir kommen sehen.“

Dann kam es.

Der Druck, der sich schon so lange aufgebaut hatte, riss auf. Mein ganzer Körper zuckte, bäumte sich auf. Ich rieb mich schneller, verzweifelter, bis es durch mich hindurchbrach. Mein Bauch spannte sich, mein Atem stockte, mein Laut – halb Wimmern, halb Erleichterung – blieb in der Kehle stecken. Ich kam. An ihrer Hand. Ohne jede Bewegung von ihr, aber mit allem, was ich war.

Jule ließ ihre Hand sinken. Still. Betrachtete sie. Glänzend. Nass. Dann sah sie mich an. Ruhig. Klar.

„So ehrlich warst du noch nie.“

Ich nickte. Schwach. Und wusste: Sie hatte recht.

Ich lag da, die Arme noch immer über dem Kopf gefesselt, das Becken langsam zur Ruhe kommend, meine Muskeln weich geworden unter der Last, die sich eben entladen hatte. Mein Atem flackerte noch, als hätte mein Körper nicht verstanden, dass es vorbei war.

Jule sagte nichts. Sie betrachtete mich mit einer neuen Faszination.

Ich schloss kurz die Augen. Alles in mir pochte. Nicht laut, aber vollständig. Mein Puls in den Schenkeln, in den Handgelenken, in der Kehle. Es war nicht nur ein Orgasmus gewesen. Nicht nur das Ende einer Session. Es war etwas Tieferes gewesen. Etwas, das nicht mehr weggehen würde. Ein Teil von mir wollte weinen. Nicht aus Schmerz. Sondern weil ich wusste, dass ich so noch nie gekommen war.

Allein war es anders gewesen. Mit Ben auch. Aber nie so. Nicht einmal beim ersten Mal mit Jule, auf dieser Toilette mit diesem verdammten vibrierenden Ei. So… roh. So offen. So ohne jede Fluchtmöglichkeit.

Ich öffnete die Augen wieder. Sah zu ihr hoch. Meine Stimme kam erst nicht – aber dann:

„So… war es noch nie.“

Nur das. Kein Vergleich. Kein Kommentar.

Jule nickte langsam. Ihre Augen weich, aber nicht überrascht.


„Ich weiß“, sagte sie leise.


Dann trat sie näher, legte ihre Hand auf meine Brust. Über das Wort, das dort stand. Sklaventittchen. Nicht zum Lesen, sondern so, dass ich es spüren konnte.


Und ich spürte es. Mich. So, wie ich geworden war.

Dann senkte sie den Blick. Ihre Finger glitten zu den Klammern, lösten sie langsam. Erst links, dann rechts. Kein Ruck, kein Schmerz, nur ein Nachbeben, das sich wie ein letzter Strom durch meine Brust zog. Ich zuckte leicht, atmete durch. Die Haut war empfindlich, gerötet, offen, aber nicht wund. Jule strich sacht mit dem Daumen darüber. Eine Geste, die nichts reparieren wollte. Nur erinnern. Schließlich machte sie meine Arme los und gab mir einen kurzen Moment zum Verschnaufen.

Ich lag noch da, atmete langsam, spürte, wie mein Körper vibrierte – nicht mehr im Höhepunkt, aber auch noch nicht im Danach. Mein Becken war wund, meine Haut gespannt, und in meinem Kopf drehte sich alles um diesen einen Punkt: Ich hatte darum gebettelt. Ich hatte mich selbst zum Höhepunkt gerieben. Und es war das Echteste gewesen, was ich je gespürt hatte.

Dann sah sie mich wieder an. Und ich wusste: Es war noch nicht vorbei. Etwas veränderte sich in Jules Blick. Kein Bruch – nur ein neues Kapitel.

„Du weißt, warum du heute gekommen bist“, sagte sie ruhig. Keine Strenge, nur eine Erinnerung.

Ich nickte. Und wusste, dass das, was jetzt kam, kein Geschenk war. Sondern der Preis.

Du liegst da. Immer noch gefesselt. Immer noch offen. Und du weißt, es war nicht nur dein Becken, das gezuckt hat. Es war etwas Tieferes. Etwas, das du dir selbst lange nicht zugetraut hast.

„Ich will dich spüren“, sagte sie. „Nicht mit den Augen. Mit deinem Mund.“

Jule lehnte sich zurück, zog langsam das Shirt aus. Ihre Haut war weich, klar, ihr Körper aufrecht, unprätentiös. Sie öffnete die Shorts, ließ sie fallen, setzte sich, nackt wie sie war, auf die Bettkante. Ich setzte mich ebenfalls auf, meine Beine wackelig, mein Atem noch flach. Ich zögerte. Nicht aus Angst. Sondern weil ich wusste: Ich hatte es noch nie mit einer Frau getan. Noch nie so. Und sie wusste es auch.

„Komm näher“, sagte sie. Ihre Stimme war ruhig. Ohne Spott. Ohne Erstaunen.

Ich kroch auf sie zu. Spürte, wie mein Herz schlug, viel zu schnell, viel zu laut. Ihre Beine waren geöffnet, aber nicht fordernd – nur ein Angebot. Ich roch sie, bevor ich sie berührte. Etwas Warmes. Intimes. Nichts, das ich kannte. und doch: nichts, das mich abschreckte.

„Nimm dir Zeit“, sagte sie. „Es gibt nichts, das du falsch machen kannst. Nur Dinge, die du noch nicht gelernt hast.“ Ihre Aussage klang plötzlich seltsam zärtlich. Ich nickte. Beugte mich vor. Meine Lippen zitterten leicht. Ich küsste zuerst ihren Oberschenkel – vorsichtig, dann fester. Ihre Haut war weich, fast zu warm. Sie streichelte mein Haar, ganz sanft.

Ich wagte mich weiter vor. Mein Atem streifte ihre Mitte. Ich spürte ihre Wärme, ihre Feuchtigkeit, und dann meine Zunge. Erst ein Streifen, dann ein zweiter. Ihre Hand blieb in meinem Haar, eine leise Führung.

„Weniger mit der Spitze“, murmelte sie. „Mehr Fläche. Flacher.“

Ich gehorchte. Nicht wie bei Ben. Nicht mechanisch. Sondern lauschend. Tastend. Ich wollte sie verstehen. Ich wollte wissen, wie sie atmete, wann sie zuckte, was sie aufschließen ließ. Ihre Hüfte bewegte sich leicht. Sie gab keinen Ton von sich, kein Laut. Aber ich spürte sie. Unter mir. In mir.

„So. Ja. Weiter.“

Ich tat es. Ich lernte. Mit jeder Bewegung. Mit jedem Atemzug. Und dann kam sie. Nicht mit einem Schrei. Sondern mit einem Ausatmen. Einem langen, tiefen Seufzer. Und einem einzigen Wort, das so schlicht war, dass es alles bedeutete:

„Ja.“

Ich blieb noch einen Moment. Länger, als ich musste. Kürzer, als ich wollte. Dann zog ich mich zurück. Mein Gesicht feucht. Mein Herz noch schneller als zuvor. Sie sah mich an. Nicht als Herrin. Nicht als Prüferin. Nur als jemand, dem etwas gegeben worden war.

„War das… okay?“, flüsterte ich.


Jule lächelte. „Es war dein erstes Mal, oder?“


Ich nickte. „Dann war es genau richtig.“


Und ich spürte: Sie meinte es wirklich so.


„Du weißt nicht, worauf du dich eingelassen hast, oder?“


„Vielleicht nicht.“


„Und trotzdem willst du weitermachen?“


Ich zuckte mit den Schultern. „Ich kann nicht mehr aufhören. Mein Körper … will mehr. Ich will mehr.“

Ich richtete mich langsam auf. Meine Knie waren noch weich, mein Körper voller Nachhall. Es war nicht der Orgasmus allein, der mich zittern ließ – es war das Gefühl, gesehen worden zu sein. Nicht nur als Körper. Sondern als jemand, der etwas geben kann, weil er es will.

Jule griff nach einem Handtuch, das sie am Fußende des Bettes abgelegt hatte, und legte es mir sacht über die Schultern. Dann setzte sie sich wieder, sah mich einen Moment lang an, ernst, fast abwartend.

„Du kannst bei mir schlafen, wenn du magst.“

Ihre Stimme war ruhig. Es war kein Befehl, den sie mir gab. Kein Spiel, es war nur ein Angebot. Ich schluckte. Und spürte plötzlich, wie sehr ich mir genau das wünschte: nicht weggeschickt zu werden. Nicht allein zu sein nach alldem. Nicht jetzt.

„Ich… müsste vorher kurz ins Bad“, sagte ich leise.

„Natürlich.“

Ich stand auf. Das Handtuch glitt leicht über meine Haut, kaschierte nichts. Die Worte auf meinem Bauch waren noch lesbar. Auch das „immer feucht“ an meinem Oberschenkel war nicht verblasst. Ich drückte den Stoff kurz fester an mich – aus Reflex, nicht aus Scham – und öffnete die Tür.

Der Flur war still. Warm vom Tag, aber jetzt voller Schatten. Ich machte zwei Schritte, und plötzlich stand Ben da. Er kam gerade aus der Küche, die Bierflasche noch in der Hand, die andere an seinem Smartphone. Er sah mich. Und er sah alles.

Sein Blick blieb hängen. An meiner Brust. An der Schrift. An meinem Bauch. Am Oberschenkel. Er sagte nichts. Sein Blick allein reichte mir als stille Bestätigung. Ich hob den Kopf. Und sah ihn an. Nur einen Moment lang. Dann ging ich weiter.

Im Bad ließ ich das Wasser laufen. Langsam, nicht fluchtartig. Ich wollte nicht weglaufen. Ich wollte neu beginnen. Das Wasser war kühl anfangs, dann wurde es wärmer. Ich legte das Handtuch ab, trat unter den Strahl. Die Schrift auf meinem Körper begann zu verlaufen. Aber sie fühlte sich noch da an. Als hätte sie sich eingebrannt.

Ich wusch mich. Sanft. Punkt für Punkt. Nicht um zu löschen. Sondern um das Erlebte aufzunehmen. Als ich fertig war, trocknete ich mich ab, band mir das Handtuch um die Hüften. Noch ein Blick in den Spiegel. Kein Make-up. Kein Ausdruck. Nur Ich. Dann ging ich zurück. Zurück zu ihr.

Die Tür zu Jules Zimmer stand noch offen. Drinnen war es gedämpft, warm – als hätte die Luft selbst behalten, was geschehen war. Jule lag auf dem Bett, auf der Seite, den Kopf auf den Arm gestützt.

Sie war nackt.

Nicht halb. Nicht zufällig. Ganz. Ihre Haut im matten Licht, der Körper entspannt, wie selbstverständlich. Kein Rest vom Spiel – nur sie. Als sie mich sah, lächelte sie. Still. Ohne Bedeutung aufzudrängen. Ich trat ein, das Handtuch noch um die Hüften geschlungen. Ich blieb einen Moment stehen. Dann zog ich es aus – langsam, bewusst – und legte es über die Stuhllehne.

Ich war wieder nackt. Aber diesmal war es anders.

„Mach bitte die Tür zu“, sagte sie.

Ein Satz. Nichts Besonderes. Und doch: Er stach. Weil etwas daran sich plötzlich fremd anfühlte. Als müsste ich etwas verbergen, das doch gerade offen gelegt worden war.

Ich ging zurück, schloss leise. Kein Klicken. Kein Schloss. Nur das sanfte Anlehnen – und ein kurzes Zögern in meiner Brust.

Dann ging ich zu ihr.

Jule klopfte auf die Matratze. Ich legte mich zu ihr, Haut an Haut. Mein Kopf an ihrer Schulter, ihre Hand an meiner Taille. Ihre Berührung war ruhig. Nah. Ohne Spiel. Wir lagen so. Atmeten. Ihre Finger glitten über meinen Rücken, meine Seite, mein Becken. Sie forderte nichts und gab mir nur Geborgenheit.

Und irgendwann, ganz leise, streichelte ich sie zurück. Erst über den Bauch. Dann tiefer. Sie öffnete die Beine leicht. Kein Wort. Wir brauchten keins. Ich küsste sie. Sanft. Nicht wie vorhin. Nicht als Dienst. Sondern: aus mir heraus.

Und als sie kam – leise, atmend, mit einem fast unhörbaren Keuchen – war es kein Sieg. Kein Beweis. Es war etwas, das zwischen uns möglich geworden war.

Wir blieben so liegen.

Nackt. Berührt. Still.

Ich dachte: Vielleicht ist das Sicherheit. Vielleicht ist es nur ein Moment. Aber er gehörte mir.

Kapitel 7: Routinen


Es war, als hätte sich etwas eingependelt. Es passierte nicht plötzlich, es hatte sich eingeschlichen. Die Regeln waren klar, die Dienste verteilt. Die Tage verliefen in einer stillen Ordnung, die keiner aussprach, aber alle einhielten. Ich war verfügbar. Für alle. Und einsamer denn je.

Jule am Montag. Paul meist unter der Woche, wenn es passte. Ben kam selten vorher, aber oft danach, wenn alles ruhig war, wenn das Licht gedämpft war und die Kontrolle wie von selbst geschah. Ich wusste, wie sie wollten, wie ich atmen musste, wie ich knien sollte, und wie ich zu kommen hatte. Ich tat es. Ohne nachzudenken. Ohne Zögern. Ohne Widerstand. Und manchmal, ohne zu wissen warum. Nicht, weil ich musste. Sondern weil es einfacher war, wenn ich nichts mehr verhandeln musste. Wenn ich mich nur an meine Regeln halten musste. Wenn wir allein waren, nannte Paul mich öfter beim vollen Namen. Louisa. Nicht als Spiel. Eher wie jemand, der nicht mehr teilen will. Er war stiller geworden. Nicht unsicher, eher wie jemand, der einen Plan hatte, den er noch nicht teilen wollte. Ich redete mir ein, es sei Müdigkeit. Ich dachte oft nicht mehr darüber nach. Ich zählte keine Orgasmen mehr. Ich merkte mir nicht, wie viele Male ich die Beine geöffnet hatte. Es war kein Spiel mehr für mich. Kein Experiment. Es war mein Alltag.


Und manchmal, spät nachts, wenn ich allein unter meiner Decke lag und das Echo ihrer Hände noch auf meiner Haut spürte, fragte ich mich, ob ich angekommen war, oder einfach nur noch nicht abgestürzt.

***

Der Campus lag im grauen Licht eines frühen Februartags. Keine Sonne, kein Regen, nur dieses Graue Wetter, das die Leute für die Winterdepression verantwortlich machten. Meine Vorlesung war ausgefallen, ich traf die WG zu dritt in der Cafeteria: Ben, Jule, Paul. Helena hatte gerade einen Kaffee geholt, ein Stapel Karteikarten lag vor ihr. Ich hörte kaum zu. Mein Körper war anwesend, mein Kopf nicht.

Jule war leise heute. Keine frechen Sprüche, keine Kommentare. Aber sie musterte mich immer wieder. Scheinbar beiläufig. Zu beiläufig. Nach einer knappen Stunde tippte sie mir mit dem Fuß gegen das Bein. Nicht auffällig. Nur ein kurzer Impuls.

„Komm mit", sagte sie. Kein Lächeln.

Ich gehorchte. Der Gang war leer. Weißes Licht. Glatte Fliesen. Die Luft roch nach Zitronenreiniger und abgestandenem Heizkörper. Ich folgte Jule wortlos. Wir hatten nichts verabredet. Es gab keine Nachricht, keine Anweisung. Nur diesen einen Blick quer über den Tisch, und das leichte Tippen gegen mein Bein unter der Bank. Es war nicht laut gewesen. Nicht bestimmt. Aber ich war sofort aufgestanden.

Jetzt standen wir vor der Tür zur Mädchentoilette, irgendwo im Altbau. Ich wusste nicht, in welchem Stock wir waren. Nur, dass es hier ruhig war. Jule schob die Tür auf. Ich trat ein. Keine Geräusche. Keine Stimmen. Nur das Tropfen aus einem der Waschbecken, irgendwo am Rand.

Dann drehte sie sich zu mir um.

„Hose runter", sagte sie leise. „Shirt hoch."

Ich zögerte keine Sekunde. Meine Finger öffneten den Knopf, zogen langsam den Stoff über die Hüften. Das Shirt hob ich mit beiden Händen bis unter die Brust. Ich war nackt darunter. Wie immer. Die Luft war kühl auf meiner Haut. Jule sah mich nur an. Kein Nicken. Kein Lächeln. Nur dieser ruhige Blick. Sie ging in die Hocke. Ihre Finger berührten mich. Erst außen. Dann glitten sie zwischen meine Schenkel, prüfend und sorgfältig, mit Gewissheit.

Ich spürte, wie es feucht wurde. Noch feuchter. Ich hatte es vorher schon gespürt -- diesen leichten Druck, dieses Ziehen, als sie mir bedeutet hatte ihr zu folgen.. Aber jetzt war es sichtbar. Spürbar. Offensichtlich.

Ihre Finger gelitten nochmal durch meine Scham. Dann hob sie den Blick.


„So feucht..." flüsterte sie. „Nur wegen der Kontrolle?"


Ich schluckte. Wusste nicht, was ich sagen sollte. Konnte es selbst nicht beantworten. Sie stand wieder auf. Ihre Hand blieb an meinem Bauch. Flach. Warm.


„Lehn dich an die Wand."

Ich tat es. Ohne Frage. Meine Stirn berührte die Fliese, kalt, klar, beruhigend. Dann kam ihre Hand. Wieder zwischen meinen Beinen. Nicht stoßend, nicht fordernd, zunächst nur forschend. Ihre Finger bewegten sich langsam. Ich spürte, wie sich alles in mir spannte. Wie mein Becken zuckte. Wie meine Oberschenkel plötzlich nachgaben.

Ich keuchte leise.

„Still", flüsterte sie. „Und nicht laut."

Ich biss mir auf die Lippe. Der Druck stieg. Die Bewegung in mir war klein, aber Jule wusste genau, was sie tat. Es fühlte sich an wie... Erinnerung. Wie der Club. Nur leiser. Wärmer.

„Darf ich?", flüsterte ich. "Bitte, darf ich?"


„Komm für mich", sagte sie.

Der Orgasmus war kurz. Kein Zucken. Kein Laut. Nur ein Zusammenziehen, tief in mir drin, wie ein leiser Stromstoß. Mein Körper spannte sich, meine Schultern sanken danach leicht ein. Ich lehnte noch immer an der Wand. Entblößt, aber nicht ausgeliefert.

Jule zog ihre Hand zurück. Ich hörte, wie sie sich ein Taschentuch nahm, mir die Hose reichte. Ich zog sie langsam hoch. Meine Finger zitterten. Sie sagte nichts. Nur ein kurzer Blick. Dann:


„Gut gemacht."

Ich nickte. Noch immer leise. Noch immer fließend. Dann verließen wir die Toilette. Schritt für Schritt. Als wäre nichts geschehen. Nur ich wusste, was ich gerade verloren -- und gewonnen -- hatte.

***

Die Küche war schon fast leer, als ich sie betrat. Nur Ben saß noch da. Er hatte seinen Teller zur Seite geschoben, die Kaffeetasse in der Hand. Das Licht war warm, die Heizung summte leise unter dem Fenster. Sein Blick lag ruhig auf mir, als ich eintrat.

Ich trug wieder nur das Shirt.


„Komm", sagte er, ohne zu fragen.

Ich trat näher. Er spreizte die Beine leicht. Ich setzte mich auf seinen Schoß, vorsichtig zuerst, dann tiefer. Seine Hand lag flach auf meinem Oberschenkel, nicht drängend, die Berührung sagte nichts, aber sie blieb trotzdem.

Dann spürte ich es -- wie er das Shirt hob, nur ein Stück, wie seine Finger meinen Bauch streiften. Ich hob das Becken leicht an, er öffnete seine Hose mit der anderen Hand. Die Bewegung war ruhig. Praktisch. Als hätte er das schon öfter getan.

Und dann war er in mir.

Langsam. Ohne Widerstand. Ich war noch feucht, oder schon wieder, vielleicht auch von dem Moment. Für mich machte das keinen Unterschied mehr. Mein Körper nahm ihn auf, als wäre das längst verabredet gewesen. Kein Ruck, kein Schmerz, er rutschte einfach rein, als wäre ich für ihn gemacht.

Ich blieb sitzen. Ganz. Regungslos.

Seine Hand wanderte zu meiner Hüfte, hielt mich dort. Keine Bewegung. Kein Spiel. Er war einfach in mir, und ich auf ihm. Auf seinem Schoß. Auf seinem Stuhl. In seiner Hand. Wir sagten nichts. Ich atmete langsam durch die Nase. Spürte die Wärme in meinem Innern. Seine Nähe. Seine Anwesenheit. Und für einen kleinen Moment fühlte ich so etwas wie Geborgenheit. Dann nahm er die Tasse wieder auf. Trank einen Schluck.

„Bleib einfach so", sagte er leise. „Iss was. Ich habe dir was übriggelassen."

Ich nickte. Beugte mich leicht nach vorn, nahm mir ein Stück Toast aus dem Brotkorb. Und während ich kaute, noch immer auf ihm, noch immer gefüllt, spürte ich etwas in mir nachklingen. Er war der Einzige, der mich nicht fragte. Und trotzdem der Einzige, bei dem ich gefragt sein wollte.

Ich aß langsam. Noch immer auf ihm, noch immer gefüllt. Sein Blick blieb ruhig, seine Hand an meiner Hüfte.

Aus dem Augenwinkel sah ich eine Bewegung im Flur.

Paul.

Er war auf dem Weg ins Bad, oder zur Kaffeemaschine, oder einfach nur dort. Unsere Blicke trafen sich nicht. Aber ich wusste, dass er es gesehen hatte. Dass er sah, wie ich auf Bens Schoß saß. Wie ich aß. Wie ich blieb. Und ich wusste auch, dass das mehr war als nur Routine.

Die Tür öffnete sich. Jule trat ein. Barfuß, mit einer halb vollen Kaffeetasse in der Hand. Sie blieb stehen. Ihr Blick glitt über die Szene -- über mich, über Ben, über unsere Haltung. Sie hob eine Braue. Leicht. Fragend. Aber sie sagte nichts. Ein Moment Stille. Dann wandte sie sich ab, ging zum Kühlschrank, stellte ihre Tasse ab und füllte Wasser nach. Auch sie wusste nicht genau, was hier gerade geschah. Aber es störte sie nicht. Sie ließ es einfach zu. Wie so vieles.

***

Ich trat aus Pauls Zimmer, das feuchte Tuch noch in der Hand, meine Beine noch weich, mein Gang langsamer als sonst. Das Licht im Flur war gedimmt, aber hell genug, dass man sehen konnte, woher ich kam. Und in welchem Zustand.

In letzter Zeit war er fordernder geworden. Und rücksichtsloser. Trotzdem konnte er mir nicht das geben, wonach sich mein Körper sehnte.

Es hatte nicht mehr viel mit Spiel zu tun. Es war viel mehr sein Anspruch.

Paul blieb in der Tür stehen. Nicht ganz im Rahmen. Nicht zurückgezogen, aber genug, um mich im Blick zu behalten.

„Du solltest dir was drüberziehen", sagte er. Keine Sorge in der Stimme. Nur dieser Ton, der wie Fürsorge klang, aber keine war. Als wollte er plötzlich nicht, dass ich für die Anderen sichtbar war. Ich drehte mich nicht um. Ich nickte nicht. Ich ging einfach weiter.

Jule stand schon da.

An der Wand gelehnt, ein Glas Wasser in der Hand, barfuß, so unauffällig wie aufmerksam. Ihr Blick traf meinen, glitt hinab über meinen Körper. Die Scham, die Nässe, das gerötete Gesäß. Alles sichtbar. Alles lesbar. Sie hob nur die Braue, sagte kein Wort. Dann:

„Komm kurz mit zu mir."

Ich gehorchte. Nicht weil sie es mir befohlen hatte -- es war die Einsicht, dass sie etwas gesehen hatte, das sie nicht unkommentiert lassen würde. Ihr Zimmer war warm. Das Licht war gedämpft, ihre Decke aufgeschlagen, ein Buch lag offen auf dem Nachttisch. Keine Szene. Nur ihr ganz normaler Alltag. Sie schloss nicht hinter mir. Ich blieb stehen, nackt, zwischen Tür und Mitte.

„Setz dich", sagte sie. „Nur einen Moment."

Ich tat es. Kante des Betts. Rücken gerade. Hände im Schoß. Mein Körper spannte noch, innen wie außen. Sie setzte sich neben mich, ließ das Glas in der Hand kreisen, als müsste sie noch überlegen, was sie sagen wollte.

„Wie lange willst du so weitermachen?"

Ich antwortete nicht. Sah sie an. Suchte im Gesicht, ob es Urteil war oder Sorge.

„Ich meine das nicht als Kritik", sagte sie leise. „Nur als Frage. So viele Dienste. So viele Rollen. Und du funktionierst. Aber..."


Sie hielt inne. Trinkpause. „Aber ich frag mich, ob du dabei irgendwo Platz hast – für dich."

Ich schluckte. Spürte, dass ich genau das nicht beantworten konnte. „Ich komme klar", sagte ich. Ich war mir nicht mehr sicher, ob es eine Lüge war.

„Klarzukommen ist nicht das Gleiche wie erfüllt zu sein."

Ich sah weg.

„Willst du irgendwann... weniger? Oder... anders?"


Ich schüttelte den Kopf. Erst automatisch. Dann zögerlich. „Ich weiß nicht."

Jule legte ihre Hand auf meinen Oberschenkel. Keine Geste der Lust -- eher der Erdung. Oder Beistand? Ihre Sorge schien echt zu sein. Sie wirkte aufrichtig.

„Ich frag nur, weil ich weiß, wie schwer es ist, wenn man von allen gebraucht wird -- aber niemand fragt, was du brauchst."

Ein Moment Stille. Ich antwortete leise: „Ich kann nicht mehr aufhören. Mein Körper... will mehr. Und ich auch."

Sie nickte. Langsam. Verständig. „Aber irgendwann wird's vielleicht zu viel, wenn dich alle gleichzeitig haben wollen."

Ich sagte nichts. Weil ich es nicht wusste. Weil ich Angst hatte, dass es stimmen könnte. Jule ließ die Hand liegen. Dann: „Du darfst jetzt gehen. Oder bleiben. Wie du willst."

Ich stand auf. Nicht schnell. Nicht fluchtartig, ruhig, mit falscher Selbstsicherheit. Und als ich durch den Flur zurück in mein Zimmer ging, spürte ich, dass etwas an ihren Worten hängen geblieben war. Nicht als Zweifel. Noch nicht. Es war nicht laut. Nicht greifbar.

Wie ein Omen.

Ich lag auf dem Rücken, die Decke bis zur Hüfte zurückgeschoben. Der Raum war still. Kein Flurlicht, kein Stimmengewirr, nur das gleichmäßige Summen der Heizung und mein eigener Atem. Meine Haut roch noch nach anderen. Nach Paul. Nach Schweiß, nach Resten, die ich nicht weggewaschen hatte. Nicht vollständig. Ich hätte müde sein müssen. Aber Müdigkeit kam nicht. Nur dieser Zustand dazwischen: nicht erschöpft, nicht wach.

Ich dachte an Ben. An den Moment am Morgen, als er mich einfach auf seinen Schoß gezogen hatte, ohne ein Wort. An seine Hände, die mich festhielten, als ich kam. An den Blick, der danach geblieben war. Ich dachte an Paul. An den Druck in seiner Stimme, den Frust unter der Kontrolle.

Und an Jule.

Wie sie mich ansah, als wüsste sie längst, was ich bräuchte. Wie sie ihre Hand auf meinen Oberschenkel gelegt hatte, als wäre das ein Platz, der mir gehören könnte. Ich zog die Decke höher, streichelte mit der Fingerspitze über meinen Bauch. Die Schrift war weg. Aber ihr Abdruck fühlte sich noch da an.

Die Regeln standen. Die Dienste liefen. Die Lust war da. Aber etwas in mir begann sich zu rühren. Leise. Ein Teil von mir meldete sich zurück.

Ich wusste nicht, was es war.

Nur, dass es nicht mehr lange still bleiben würde.

Kapitel 8: Die Prüfung


Der Samstagmorgen lag bleiern über der Wohnung. Kein Lärm, kein Termin, nur das gedämpfte Knistern von Zeitungspapier und der Geruch von Kaffee. Ich saß am Küchentisch, nackt bis auf ein altes, verwaschenes T-Shirt, das mir knapp über die Oberschenkel fiel. Die Haut darunter war gespannt. Nicht vom Schlaf -- sondern von dem, was gestern gewesen war. Und dem, was heute kommen könnte.

Ben kaute langsam, sein Blick ruhte auf mir, ohne Eile. Jule blätterte in der Wochenendausgabe, las aber nicht. Paul starrte in seine Teetasse, als könnte er darin einen Ausweg finden. Niemand sprach, bis die Teller halb leer waren. Dann Ben, beiläufig, wie eine Notiz am Rand:

„Wenn du fertig bist mit Abräumen -- komm ins Wohnzimmer."

Es war kein Befehl. Aber auch keine Frage. Nur eine Ordnung, die sich selbst genügte. Ich nickte. Nicht zögerlich, oder überzeugt. Es entsprach einfach meiner Routine. Jule schob sich ein Brötchenstück in den Mund, kaute langsam.

Paul schwieg. Doch sein Blick zuckte zu mir, kurz, flüchtig, zu schnell zurückgezogen. Aber ich hatte genug darin gesehen: etwas zwischen Nervosität und Unbehagen. Vielleicht sogar Schuld.

„Wir dachten, es wird Zeit für eine kleine Prüfung", sagte Jule.

Ich erhob mich, begann wortlos abzuräumen. Die Tassen klirrten leise. Die Tablettbewegungen waren wie auswendig gelernt. Und doch: In mir war keine Routine. Nur Hitze. Beim dritten Gang zwischen Tisch und Spüle trat Ben hinter mich. Ich spürte ihn, noch bevor ich sehen konnte. Diese Spannung, die mitkam, wenn er sich bewegte. Schwerelos, aber unabweisbar.

„Stillhalten", murmelte er.

Ich erstarrte nicht. Aber ich hielt inne. Seine Finger hoben den Stoff meines Shirts, ganz leicht. Dann zwei Finger zwischen meine Beine. Warm. Trocken. Prüfend. Ich zuckte kaum spürbar. Kein Fluchtreflex, eher ein mechanisches Echo. Sein Daumen strich über meine Scham. Eine Geste, die kein Ziel hatte. Nur ein Urteil. Ein leiser Laut entwich mir. Kurz. Nicht gespielt. Seine Hand verschwand wieder. Kein Kommentar. Nur ein neutrales, dumpfes „Hm". Dann war er zurück an seinem Platz. Ich stellte die Tasse ab. Wischte über die Arbeitsfläche. Meine Finger waren zittriger als nötig. Und zwischen meinen Schenkeln war ich feucht.

Nicht, weil ich es wollte.

Sondern weil mein Körper längst begriffen hatte, was diese Ordnung mit ihm tat.

Das Wohnzimmer war still, gedämpft vom Halbdunkel der zugezogenen Vorhänge. Auf dem Boden lag das rote Kissen, sauber platziert: ein Objekt mit Bedeutung. Daneben ein schwarzer Filzstift. Offen. Absichtlich hingelegt.

Noch bevor ich das Wohnzimmer betrat, zog ich das Shirt aus. Ohne Eile. Ohne Widerstand. Es war längst Routine geworden. Kein Zögern mehr, kein letztes Innehalten. Ich ließ den Stoff über meinen Kopf gleiten, spürte kaum noch, wie er fiel.

Ich trug nichts darunter. Kein Höschen, keinen Schmuck. Kein Schutz. Nur Haut. Und Bereitschaft.

Ich trat nackt ein. Nicht aus Trotz. Sondern aus Konsequenz.

Ich wollte nicht, dass sie es forderten. Ich wollte es tun, bevor es verlangt wurde. Damit es mein Moment blieb, auch wenn er ihnen gehörte. Ich stellte mich in die Mitte. Die Schultern zurück, die Hände an den Seiten. Das rote Kissen zu meinen Füßen. Der offene Filzstift. Die Stille. Sie kamen. Einer nach dem anderen. Jule zuerst. Dann Ben. Dann Paul.

Und alle sahen.

Hinter mir: Schritte. Drei Paar. Dann: Positionierung. Jule auf der Sofalehne, aufrecht wie auf einem Thron. Ben im Sessel, locker, aber präsent. Paul auf dem Boden, Rücken zur Wand, die Hände auf den Knien, als müsse er sie festhalten, um nicht wegzusehen.

„Ausziehen musst du dich nicht mehr", sagte Jule. Trocken. Fast freundlich.


Ich nickte.


„Dreh dich einmal. Hände hinter den Kopf."

Ich tat es. Langsam. Nicht, weil ich wollte, dass es länger dauert, sondern weil ich wusste, dass sie es so wollten. Ich spürte die Blicke. Vor allem seinen.

Jule ergriff wieder die Initiative: „Wie beim ersten Mal. Nur diesmal gemeinsam."

Ben war der Erste. Natürlich war er der Erste. Er erhob sich, trat vor mich. Nah, fast beiläufig. Seine Finger strichen über meine Brust, als wolle er Platz schaffen, aber nicht vorsichtig. Zielgerichtet.

Es folgte der Stift.

Die Spitze war kühl. Der Druck direkt. Sklaventittchen wieder über der linken Brust. Darunter etwas Neues: Zum Bestrafen.

„Das hat mir beim letzten Mal schon gut gefallen"

Ich spürte, wie meine Haut zu brennen begann, ohne dass Feuer da war. Er trat zur Seite, reichte weiter. Paul trat vor. Kein Kommentar, kein Blickkontakt.

Er schrieb schnell -- nicht grob, aber ohne jedes Zögern.

NOTGEIL.

Die Buchstaben schräg, aber groß. Als müsste das Wort in mir bleiben. Er trat zurück, ohne ein weiteres Wort. Ich spürte, wie mein Atem flacher wurde. Plötzlich fühlte es sich nicht mehr wie ein Spiel an. Jule trat als Letzte vor. Kein Zögern. Kein Theater. Sie schrieb quer über meinen Bauch:

Benutz mich

Darunter, kleiner, präziser:

Schwanzgeil.

Ihr Blick streifte meine Augen, nur für einen Moment. Einen Moment zu lang, um beiläufig zu wirken. Ich spürte, wie mein Unterleib reagierte, bevor mein Kopf es greifen konnte. Ein Kribbeln, ein Druck. Als wäre mein Körper schneller als ich.

Dann kam ihre Stimme: „Jetzt du."

Ich hob den Blick. Sah nicht sie zuerst, sondern Ben. Als wäre er es, der mir in diesem Moment Halt geben könnte. Dann Paul. Dann Jule.

„Ein Wort", sagte sie. „Deines. Eines, das auf dir bleiben darf."

Ich schluckte. Nicht vor Angst. Sondern vor dieser seltsamen Form von Macht, die in der Wahl lag. Ich antwortete:

„Schlampe."

Noch einmal, leiser, als müsste ich es mir selbst erst glauben:

„Schlampe."

Etwas zwischen meinen Beinen zog sich zusammen. Jule nickte. Schreibend, fast zärtlich, unterhalb meiner Brust. Dann kniete sie sich. Nahm sich meine Oberschenkel vor. Ein Pfeil. Dann noch einer. Beide zeigten nach oben, auf meine Mitte. Daneben schrieb sie:

→ Hier.


→ Fickfleisch.

Ich spürte mein Becken zucken. Die Worte waren Tinte, aber sie wirkten wie Hitze.

„Bleib so", sagte sie.

Ich blieb. Die Hände hinter dem Kopf. Die Beine leicht geöffnet. Mein ganzer Körper eine Fläche, die ihnen gehörte.

Das Handy klickte. Einmal. Zweimal. Jule wechselte den Winkel. „Für die Sammlung", sagte sie.

Ben ergänzte: „Nur intern." Und grinste.

Aber ich wusste: Es ging längst nicht mehr nur um Spiel. Es ging um Beweise. Es ging darum, dass sie mich sahen. Und ich nichts mehr verbergen wollte. Oder sollte. Einen Moment lang war es still. Jule betrachtete mich noch immer durch die Kamera. Paul hatte den Blick gesenkt, aber nicht abgewendet. Ben lehnte sich zurück, entspannt, fast zufrieden.

Schließlich äußerte sich Ben wieder: „Ich finde, sie ist noch nicht fertig."

Jule nickte. „Stimmt. Da geht noch was."

Ben stand auf. Der Stift wieder in der Hand. Die Schriftzüge vom ersten Durchgang glänzten leicht auf meiner Haut. Sie hatten kaum Zeit zum Trocknen. Er trat näher. Bog meinen Kopf sanft zur Seite, so dass mein Blick zur Tür ging. Dann, quer über mein Brustbein, direkt unter das Schlüsselbein: WG-LUDER Schwarz. Klar. Unmissverständlich.

Er trat zur Seite. Der Stift wanderte. Jule war als Nächste wieder dran. Sie betrachtete mich kurz, dann kniete sie sich neben mich und schrieb mit fließender Bewegung über meine rechte Leiste, fast in den Übergang zur Scham:

Schmerzgeil

Ein kurzes Nicken. Kein Kommentar. Nur ein Blick, der sagte: So ist es. Paul trat zögernd näher. Er trat hinter mich, beugte sich, schob meine Hüfte ein wenig zur Seite, als wolle er Platz schaffen für sein Wort. Dann schrieb er, schräg über meinen unteren Rücken, mit Druck:

Sklavin

Ich spürte, wie mein Becken darauf reagierte: wieder ein unwillkürliches, kaum sichtbares Zucken.

Schließlich wandte Jule sich mir zu: „Jetzt du. Ein Wort noch. Deins."

Ich schloss die Augen. Die Worte lagen bereit -- nicht irgendwo tief verborgen, sondern direkt unter der Haut.

„Willenlos", sagte ich.

Sie schrieb es unter meine linke Brust. Direkt auf den Rippenbogen. Die Tinte brannte nicht, aber das Wort tat es. Dann traten sie zurück. Kein Applaus. Kein Lächeln. Nur diese Ruhe, die entsteht, wenn alle wissen, dass etwas endgültig ist. Ben trat wieder näher, langsam, mit dieser eigentümlichen Ruhe, die nie ganz entspannt war. Sein Blick wanderte über meinen Körper, über die Worte, über die Stellen, an denen sie sich spannten. Schließlich sah er mir anerkennend ins Gesicht, und ich spürte eine seltsame Wärme, nicht im Unterleib, sondern dort, wo man spürt, dass man gesehen wird.

Dann kniete er sich vor mich. Ohne Ankündigung legte er zwei Finger zwischen meine Beine. Kein Zögern. Kein Feingefühl. Nur diese prüfende Direktheit, die so typisch für ihn war. Seine Finger glitten durch mich. Langsam. Tief. Ich stöhnte leise auf. Nicht aus Schmerz. Nicht aus Scham.

Nur, weil ich es spürte.

Ben zog die Finger zurück, betrachtete sie, ließ sie kurz im Licht glänzen.

Dann sah er mich an, wieder direkt. „Du bist ja klatschnass."

Er grinste leicht. Kein Spott. Keine Verachtung. Wieder dieser anerkennende Blick. Wie jemand, der etwas überprüft hat und zufrieden mit dem Ergebnis ist. Er wischte die Finger lässig an meinem Oberschenkel ab, trat zur Seite. Jule sagte nichts. Paul auch nicht. Ich nickte nicht. Aber mein Körper gehorchte. Und doch, ein Rest von mir hörte den Satz nachhallen. Nicht, weil er falsch war. Sondern weil ich nicht mehr wusste, woher das Nass sein kam.

Denn es brauchte gerade keine Worte mehr.

Ben ergriff wieder das Wort: „Setz dich zu Jule. Du weißt, was jetzt kommt."

Ich kniete. Mein Körper beschrieben, mein Innerstes offen, für alle Welt zu lesen. Die Worte auf meiner Haut: Zeugnis. Einladung. Wahrheit. Niemand sprach mehr. Kein Befehl. Kein Lachen.

Dann Jule, ruhig: „Jetzt bist du wieder dran."

Sie setzte sich auf das rote Kissen. Ihre Shorts schob sie beiläufig herunter, ließ sie dann ganz fallen. Keine Geste. Ein Fakt. Ihre Schenkel geöffnet, ihre Haltung: souverän. Nackt. Wartend.

„Komm her", sagte sie. „Zeig uns, was du gelernt hast."

Ich bewegte mich. Vor. Nicht eilig. Nicht zögerlich. Mein Blick blieb gesenkt, aber mein Körper wusste, was er tat. Nicht zum ersten Mal. Und doch war es anders. Ich roch sie, noch bevor ich sie berührte. Warm. Wach. Wachsend. Meine Lippen trafen ihre Haut.

Erst zart, dann bestimmter.

„Hände hinter den Rücken. Nur der Mund."

Ich leckte, wie sie es mir gezeigt hatte. Flach. Kreisend. Mit Druck. Ihr Atem veränderte sich schnell. Ihr Becken hob sich leicht. Sie sagte nichts. Brauchte nichts mehr zu sagen. Dann das Rascheln.

Ein Reißverschluss. Ein Atemzug mehr. Ben. Ich hörte seine Schritte. Ich wusste, dass er es war, ohne hinzusehen.

„Sie kann's", murmelte er.

Jule lachte leise, mit geschlossenen Augen. „Noch ist sie nicht fertig."

Ich fuhr fort. Jules Finger lagen in meinem Haar, leicht, richtend, nicht drängend. Ihr Körper vibrierte, spannte sich. Ein Zittern ging durch sie, aber sie war noch nicht fertig. Das wusste ich. Dann schob sie mich sanft zurück. Nicht weil es schlecht war. Sondern weil es ihr erstmal gereicht hatte. Sie atmete durch. Sah mich an.

„Bleib so."

Ich verharrte. Hände hinter dem Rücken. Knie weit. Haut glühend. Dann trat Paul hinter mich.


Ich spürte die Wärme seines Körpers -- und den kühlen Stift. Er las laut vor während er schrieb.

Analnutte.


Noch unbenutzt.


Bald.

Der Filzstift schabte über meine Haut, dann wich er. Ich hörte das leise Reiben seiner Hand. Ich wusste, was er tat. Und ich wusste, dass das erst der Anfang war.

„Mach jetzt weiter."

Ich kroch wieder näher. Mein Atem ging ruhig, doch in meinem Innern flackerte etwas. Nicht Angst, sondern eine gespannte Art von Erwartung. Ich küsste ihre Oberschenkel. Erst links, dann rechts. Ihre Haut war warm, weich, leicht gespannt. Dann hob sie das Becken etwas an, ließ mich wieder näher. Ihre Schamlippen glänzten.

Ich küsste sie. Erst vorsichtig. Dann mit der Zunge. Ich erinnerte mich an ihre Hinweise. Flach. Kreisend. Nicht drängend, suchend. Ihre Finger glitten in mein Haar. Ihre Oberschenkel spannten sich.

„Da", flüsterte sie. „Bleib da."

Ich tat es. Der Rhythmus ergab sich von selbst. Ich hörte, wie ihr Atem sich veränderte, wie sie nach innen lauschte. Dann: ein erster Laut. Keuchend. Gedehnt. Ihr Becken hob sich. Presste sich gegen mein Gesicht.

Sie kam.

Nicht laut. Aber spürbar. In der Art, wie ihr Körper sich festmachte, und dann wieder löste. Ich blieb noch einen Moment. Zärtlich. Ohne Drängen. Dann zog ich mich zurück. Mein Gesicht feucht. Mein Blick gesenkt. Ich hatte ihr gedient.

Nicht, weil ich musste. Nicht nur. Auch weil ich es wollte. Und was blieb, war kein Stolz. Es war: Ruhe.

Eine Ruhe, die nur kurz anhielt.

Jule atmete noch nach. Ihre Schenkel zuckten leicht, ihre Finger lagen locker auf meiner Schulter.

Dann hob sie die Beine, stützte ihre Füße auf meine Schultern und drückte sich mit einem kleinen Stoß ab. Ich verlor kurz das Gleichgewicht, fing mich auf den Händen ab -- und verstand. Der Impuls war klar: weiter. Zu Ben. Ich kroch. Langsam, die Haut auf Knien und Handflächen gespannt. Mein Gesicht noch feucht, mein Atem flach. Ben saß im Sessel, leicht zurückgelehnt. Sein Blick war wach, aber ruhig. Kein Lächeln. Kein Befehl.

„Und?", fragte er. „Wie willst du es mir besorgen?"

Ich hielt inne. Hob den Blick. Er wartete. Nicht auf meine Bewegung, sondern auf meine Worte. Ich schluckte. Atmete ein. Dann sagte ich:

„Darf ich... dir einen blasen?"

Stille. Hinter mir hörte ich Jules Stimme. Ruhig, aber unmissverständlich:


„Ab jetzt gilt eine neue Regel."

Ich blinzelte. Sah zu ihr.

„Du verwendest keine höfliche Sprache mehr, Lou. Kein ‚bitte', kein ‚dürfen', kein ‚dir einen blasen'. Und vor allem: kein ‚ich.'"

Ben grinste.

„Sag's nochmal. Aber richtig."

Ich schluckte. Mein Mund war trocken. Meine Beine zitterten leicht -- nicht vor Angst. Sondern vor der Klarheit dessen, was jetzt von mir verlangt wurde. Ich senkte den Blick. Und hob ihn wieder.

„Diese... Sklavenfotze will es dir mit dem Maul besorgen."


Ben lehnte sich zurück. Zufrieden. „Schon besser."


Jule sagte nur: „Du lernst schnell."

Ich spürte die Hitze. Nicht nur zwischen den Beinen, auch in der Brust, unter der Haut, in der Kehle. Mein Körper war so feucht, dass ich mich selbst roch, noch bevor ich mich bewegte. Es rann. Ich wusste es. Ich spürte es bei jeder kleinsten Verschiebung meines Gewichts, bei jeder Atembewegung. Der Satz, den ich gesprochen hatte, hallte nach. Nicht wie eine Schande, sondern wie ein Bekenntnis, das endlich Worte gefunden hatte. Ich war nackt, beschrieben, geöffnet. Und es war nicht mehr bloß eine Rolle.

Es war mein Zustand.

Ben sagte nichts. Aber sein Blick brannte. Seine Hand lag schon an der Hose, die er langsam öffnete, den Reißverschluss mit bedachter Langsamkeit nach unten zog. Ich kroch weiter vor. Langsam. Zentimeter für Zentimeter. Meine Knie berührten den Teppich. Mein Rücken war gerade. Mein Blick auf seinen Schritt gerichtet. Er machte sich frei. Der Geruch war da: männlich, herb, vertraut aus einer anderen Nacht. Nur heute: voller Bedeutung.

„Na los", sagte er. Ruhig. Fast beiläufig. „Zeig, was 'diese Sklavenfotze' gelernt hat."

Ich beugte mich vor. Mein Atem streifte ihn zuerst. Dann meine Lippen. Ich öffnete den Mund. Die Zunge fuhr über die Eichel. Einmal. Dann kreisend, weich, tastend. Ich nahm ihn tiefer. Nicht aus Gehorsam. Aus Hunger. Ben stöhnte leise. Seine Hand glitt in mein Haar, nicht grob, auch nicht sanft. Fest genug, dass ich wusste: Ich wurde geführt. Meine Lippen schlossen sich. Mein Kiefer öffnete sich weiter. Ich sog ihn ein, langsam, dann rhythmisch. Die Luft in meinen Lungen brannte. Der Geschmack breitete sich aus, metallisch, warm. Und meine Scham wurde nasser mit jedem Zentimeter, den mein Mund aufnahm.

Ich hörte hinter mir Schritte. Paul vielleicht. Oder Jule. Ich wusste es nicht. Aber es war mir egal.

Ich diente.


Ich lutschte.


Und ich wollte, dass sie es sahen.

Ben sagte nichts mehr. Aber seine Hände wanderten. Eine legte sich an meinen Hinterkopf, die andere an meine Wange. Dann schob er sie beide ins Haar, packte fester. Kein Zerren. Keine Gewalt. Absolute Kontrolle.

Die Art von Griff, die sagte: Jetzt zählst du nicht mehr. Ich verstand. Und ich ließ es zu. Er stieß an, nicht grob, aber entschieden. Ich spürte, wie er die Tiefe bestimmte, wie mein Kehlkopf reagierte. Ich versuchte mitzuhalten, doch mein Reflex war schneller. Ich würgte leicht, spürte, wie sich meine Augen füllten, wie ein heißer Tränenfilm meine Wimpern benetzte.

Er hielt mich fest.


Stieß wieder. Tiefer.

Ich schnappte nach Luft, nur durch die Nase. Mein Speichel sammelte sich, ich konnte ihn nicht mehr schlucken. Er rann über die Lippen, tropfte an meinem Kinn hinab, über das Schlüsselbein, auf die Brust, wo er sich zwischen den Worten verlor, die dort standen.

Sklaventittchen – die Buchstaben glänzten jetzt nass.


Ein kehliges Geräusch entkam mir. Ich wollte nicht würgen. Ich wollte dienen. Aber mein Körper war längst zum Objekt geworden. Ein Hals. Ein Loch. Eine Funktion. Ben grunzte leise. Sein Atem ging schneller, seine Bewegungen wurden kürzer. Er hielt mich in einer halb tiefen Position, nicht ganz am Anschlag, aber tief genug, dass ich nichts mehr sah außer ihn.

Dann: ein kurzes, hartes Nachdrücken.

Und er kam. Warm. Pulsierend. Direkt in meinen Rachen. Keine Möglichkeit zum Rückzug. Kein Zucken. Kein Wort. Nur Druck. Und der Geschmack, der sich explosionsartig in meinem Mund ausbreitete.

Ich konnte nicht schlucken. Ich musste.

Der Reflex war da, sofort. Und mit ihm: ein inneres Zusammenziehen, ein Zittern, das mir durch den Körper fuhr. Ich keuchte, als er endlich losließ. Zog den Kopf leicht zurück, nur um den Rest über meine Lippen laufen zu spüren. Ein Faden. Zäh. Langsam. Über mein Kinn, meine Brust, mein beschriebenes Selbst.

Ben sah mich an. Seine Eichel glänzte noch von meinem Speichel.

„Braves Mädchen", murmelte er. Dann tätschelte er mir den Kopf, als wäre ich seine Hündin.

Ich blieb kniend. Mein Atem kurz. Meine Haut rot. In meinem Hals der Nachgeschmack, der nicht wich. Kein Orgasmus, keine Ekstase. Ich kniete da, Speichel an meinem Kinn, Sperma in meinem Hals, mein Brustkorb bebte leicht. Nicht vom Erschrecken. Vom Nachbeben. Von etwas, das tiefer saß als Lust: Erfülltsein. Oder ein paradoxer Sklavenstolz.

Es war ihm egal, wie tief, wie lang, ob ich es wollte. Und ich ließ es zu. Ich wollte es.

Und ich... Ich hatte nichts vermisst. Im Gegenteil: Ich war noch feuchter als zuvor. Und fragte mich gleichzeitig, wie ich das mit meinem Selbstbild als Feministin vereinbaren konnte. Etwas in mir spannte sich auf eine neue Weise. Nicht aufbegehrend -- sondern bereitwillig. Ich will das nicht nur aushalten. Ich will es richtig. Richtig tief. Richtig hart. Richtig... ganz.

Ich wischte mir mit dem Handrücken über das Kinn, dann setzte ich mich wieder in Bewegung.

Paul.

Ich kroch zu ihm. Mein Körper spannte sich, mein Blick war gesenkt. Die Worte kamen schneller, als ich dachte. Ohne Zögern. Ohne Anstand. „Diese... Sklavenfotze will's dir auch besorgen, Paul. So wie Ben. Mit dem Maul."

Er sah mich an. Länger als nötig. Kein Lächeln. Keine Verlegenheit. Nur voller Erwartung. Schließlich durchbrach er das Schweigen, ruhig, aber bestimmt, mit einer Härte, die ich von ihm nicht kannte:

„Ich will was anderes. Eines von den unbenutzten Löchern."

Ich hob langsam den Kopf, um mich zu vergewissern, dass das noch Paul war. Doch bevor ich etwas sagen konnte, setzte er nach:

Kapitel 9: Zärtliche Gefahr


Ich wurde wach, bevor er sich rührte. Die Rollläden waren halb geschlossen, das Licht war gedämpft, nicht ganz Morgen, nicht mehr Nacht. Ich lag auf der Seite, sein Arm über mir, sein Atem ruhig, gleichmäßig. Mein Rücken spürte seine Wärme. Und mehr. Ich erinnerte mich.

Ich war am Vorabend bei ihm gewesen, eigentlich nur kurz. Es war nichts abgesprochen worden, keine Einladung, kein Befehl. Nur ein Blick, und ich hatte mich zu ihm gelegt, nackt, wie es inzwischen üblich war, und er hatte nichts gesagt. Auch später nicht, als er mich nahm. Keine Worte, nur ein tiefes, stilles Drängen, als müsste er mich nicht fragen, weil mein Körper die Antwort schon kannte.

Jetzt lag ich noch immer da. Und er in mir. Er war nicht zurückgewichen. Nicht nach dem Kommen. Nur geblieben. Ich spürte seinen Atem im Nacken, warm und gleichmäßig. Seine Hand ruhte auf meiner Brust. Kein Griff. Kein Klammern. Nur seine Präsenz und sein Besitzanspruch.

Ich blieb still liegen. Nicht weil ich Angst hatte, aber jede Bewegung hätte den Moment gestört. In meinem Unterleib spürte ich ein sanftes Ziehen. Es war kein Schmerz, es war auch nicht unangenehm, kein Unbehagen. Es war eher eine Erinnerung an Wärme, an Fülle. Ein Nachglühen. Ich spürte das Nachbeben. Nicht von etwas Gewalttätigem, sondern von etwas, das sich in mir festgesetzt hatte, wie ein Abdruck. Ich konnte es nicht greifen, trotzdem war es gegenwärtig.

Ich wusste nicht, ob er noch schlief. Aber er regte sich nicht. Und vielleicht war das das Schönste daran. Dass ich bei ihm liegen durfte, ohne zu dienen. Dass ich atmen durfte, ohne bewertet zu werden. Dass er nicht forderte, und mir damit trotzdem mehr gab als jeder Befehl.

Ich hatte nicht erwartet, dass es mit ihm so sein könnte. Nicht weil er sanft war, das war er nicht.


Auch nicht, weil er mich verstand, vielleicht tat er das auch nicht. Aber weil er blieb. Und ich mich bei ihm nicht schämen musste für das, was ich war, sondern nur in seinem Arm liegen konnte. Er war derjenige der mich hielt, als ich es brauchte.

Ich schloss die Augen. Nur für einen Moment. Aber als ich sie wieder öffnete, war etwas in mir gewachsen. Keine Erkenntnis. Kein Entschluss. Nur ein Gefühl. Es war zart. Und gefährlich. Als würde etwas entstehen, das ich nicht mehr kontrollieren konnte.

Als ich mich schließlich doch bewegte, war es vorsichtig. Langsam hob ich seinen Arm von meiner Brust, schob mich ein kleines Stück zur Seite. Er murmelte etwas Unverständliches, drehte sich halb auf den Rücken, schlief weiter. Ich blieb noch einen Moment sitzen. Sah ihn an.


Sein Gesicht war entspannt, wie selten. Die Stirn glatt, die Lippen leicht geöffnet.

Ich schlich mich in mein Zimmer. Niemand war wach. Duschte, zog mich an, kontrollierte mich im Spiegel. Kein Make-up. Kein Schmuck. Keine Unterwäsche – wie schon seit Wochen. Ich schob mir das weite Shirt über, das ich sonst zum Schlafen trug, und eine schwarze Strumpfhose darüber. Funktional. Beweglich. Fertig für alles, und trotzdem nicht ganz bei mir.

In der Küche war es still. Nur das leise Summen des Kühlschranks. Ich holte mir ein Glas Wasser, blieb einen Moment am Fenster stehen. Draußen war der Hof grau, reglos. Ich fühlte mich… aufgeladen. Nicht euphorisch, nicht verwirrt. Irgendwie anders.

Jule kam als Erste herein. Jogginghose, Hoodie, müde Augen. Sie nickte mir zu, stellte die Kaffeemaschine an, sagte nichts. Zwischen uns war ein Verständnis gewachsen, das nicht viele Worte brauchte.

„Warst du bei Ben?“ Keine Schärfe in ihren Worten. Nur eine beiläufige Feststellung.


Ich zuckte mit den Schultern. „Ich bin dort eingeschlafen.“


Sie musterte mich. Kurz, aber genau. „Sieht nicht aus, als ob du’s bereust.“

Ich schwieg. Nicht aus Verlegenheit, mir fehlten einfach die Worte. Jede mögliche Erklärung kam mir selbst unvollständig vor. Jule goss sich Kaffee ein. Dann ein Blick, kaum länger als ein Atemzug. „Pass nur auf, dass du nicht mehr gibst, als du kannst.“

Ich nickte. Nicht zustimmend, sondern als Zeichen, dass ich sie gehört hatte.

Als ich mich zur Uni aufmachte, war Ben in der Küche. Frisch geduscht, Handtuch um die Schultern, noch dampfend von der Dusche. Er musterte mich, wie immer. Langsam, präzise. Dann ein Lächeln, kaum mehr als eine Andeutung. Aber ich war gut darin geworden ihre Gesichter zu lesen.

„Gut geschlafen?“


Ich nickte. „Bei dir besser als bei mir.“

Er hob leicht die Brauen. Sagte aber nichts. Nur ein kurzes, bestätigendes Nicken, bevor er sich eine Schüssel Müsli einschenkte.

Ich ging. Draußen war es kalt. Klar. Ich spürte es kaum. Ein Hauch von Frost auf den Autos, aber mein Körper war noch warm. Von innen. Von ihm.

Im Seminar saß ich wie immer in der zweiten Reihe, Helena rechts von mir. Wir wechselten ein paar Worte über das nächste Referat, aber ich merkte, dass ich unkonzentriert war. Mein Körper war zu sehr bei ihm. Oder das, was er ausgelöst hatte.

Ich spürte mich deutlicher, seit dieser Nacht. Nicht, weil er mich besonders behandelt hatte.


Sondern weil er es nicht getan hatte. Und mir damit das Gefühl gegeben hatte, dass ich mehr war als ein Spiel. Er hatte mich nicht bevorzugt behandelt, aber auch nicht reduziert. Und ich spürte zum ersten Mal, dass wir im Begriff waren uns zu verändern.

***

Ich erkannte sie schon von weitem. Helena saß auf der niedrigen Mauer vor dem Hörsaalgebäude, ein Coffee-to-go in der einen Hand, diesmal nicht in ihrem albernen Mehrwegbecher. Das Handy hielt sie in der anderen Hand. Ihr Kopf war leicht geneigt. Sie sah mich, hob die Braue und winkte. Ich war nicht vorbereitet – auf sie, auf die Sonne, auf den Tag. Und vor allem nicht auf das, was kam.

„Na, Louisa“, sagte sie und klopfte neben sich auf den Beton. „Setz dich kurz. Du wirkst wie eine Figur aus einem Gedicht von Sylvia Plath.“ Ich nickte – und tat so, als wüsste ich, was das bedeutet.

Ich setzte mich. Der Stein war kalt, aber die Strumpfhose hielt stand. Der Rock war knielang, der Pullover roch noch nach Waschmittel, und die offene Jacke flatterte leicht im Wind. Das Outfit einer braven Studentin mit leichten Realitätsverlusten.

Helena sah mich an – mit diesem Blick, der keine Fragen stellte, sondern nur wartete, bis man selbst drauf kam Ich wusste, was jetzt kam. Kein Smalltalk. Kein „Wie geht’s dir wirklich?“ Einfach nur: Helena öffnet die Tür, und ich soll reinmarschieren – freiwillig, aber bitte mit Einsicht.

Großartig. Ich war ein laufendes Fallbeispiel für betreutes Erkennen. Helena sah mich prüfend an. Nicht mitleidig. Nicht interessiert. Einfach aufmerksam.

„Ich frag einfach direkt“, sagte sie. „Bist du verliebt?“


Ich lachte kurz. Trocken. Verlegen. „Was? Nein.“


Sie legte den Kopf schief. „Doch. Irgendwas in deinem Gesicht verrät dich. Du bist… weicher. Und irgendwie aufgedreht. So ein Mischmasch aus Sucht und Hoffnung.“


Ich sagte nichts. Meine Hände wussten auch nicht wohin.


„Ich tipp auf den Großen mit dem stummen Blick“, fügte sie leise hinzu. „Ben, oder?“

Ich schluckte. Sie nickte, als hätte ich laut geantwortet.

„Pass auf dich auf“, sagte sie dann. „Nicht alle Männer, die dich ansehen, wissen, was sie da eigentlich sehen.“

Ich dachte an Paul.

An die Art, wie er mich manchmal musterte – nicht verlangend, nicht zärtlich. Wie jemand, der vergessen hatte, was wir mal waren. Und stattdessen nur noch sah, was ich geworden war.


Für ihn. Für die anderen. Für alle. Vielleicht war das der Grund, warum ich ihm nicht mehr in die Augen sah.

Ich konnte nicht sagen, ob das ein Trost war. Oder eine Warnung.

***

Die WG war leer. Oder still. Ich war mir nicht sicher.

Seine Nachricht kam knapp: „19:00, mein Zimmer.“

Ich hatte nichts erwartet. Und genau das machte mich nervös. Ich duschte. Zog die schwarze Jogginghose an, das Shirt, das am wenigsten nach Absicht aussah. Keine Unterwäsche – wie immer. Meine Haare ließ ich offen. Ich klopfte.

„Komm rein.“

Ben saß auf dem Boden, Rücken an die Wand gelehnt. Vor ihm der Bildschirm, gedämpftes Licht, ein Film, den ich nicht kannte. Lange Einstellungen. Leise Stimmen.

Ich trat ein. Wartete.

„Setz dich“, sagte er. Kein Befehl. Kein Blick.

Ich ließ mich neben ihn sinken. Ein bisschen Abstand, aber nicht viel.

Wir schwiegen. Der Film plätscherte dahin. Irgendwann hob er den Arm, legte ihn um mich. Ganz selbstverständlich. Seine Hand ruhte auf meiner Brust. Nicht fordernd. Kein Spiel. Fast als wären wir ein Paar. Er knetete sie leicht, wie nebenbei – wie jemand, der nicht überlegen musste, ob er das durfte.

Ich blieb still. Kein Orgasmus. Keine Befehle. Nur sein Körper neben meinem, seine Hand auf mir. Und in mir das Gefühl, dass ich genau deshalb bleiben wollte.

***

Als ich ins Wohnzimmer zurückkam, war Paul bereits verschwunden. Ich wusste, was das bedeutete. Seine Dienste kamen nie mit Ankündigung. Sie waren Gewohnheit geworden – still, regelmäßig, wortlos. Ich klopfte nicht an. Die Tür war, wie immer, offen. Ich trat ein.

Sein Zimmer roch nach Papier, nach warmem Staub und abgestandener Luft. Der Vorhang war nur halb zugezogen, das Licht fiel quer über den Schreibtisch. Er räumte auch nicht mehr auf, wenn er mich erwartete, und das machte das ganze irgendwie ehrlicher. Paul saß nicht mehr am Laptop. Er stand hinter mir.

„Vorne über“, sagte er. Kein Gruß. Kein Blick.

Ich gehorchte. Nicht aus Angst. Nicht aus Lust. Sondern weil es Routine war. Weil ich keine Gründe mehr brauchte, um Ja zu sagen – selbst wenn etwas in mir längst Nein flüsterte. Ich beugte mich über das Bett, stützte mich mit den Händen auf. Die Decke war rau unter meinen Fingern. Ich hörte das Geräusch eines sich lösenden Gürtels. Metall klirrte.

Der erste Schlag kam überraschend. Breit. Laut. Direkt über meinen Hintern. Ich keuchte. Kein Zählen. Kein Kommentar. Ein zweiter. Härter. Lauter. Meine Beine zuckten leicht. Ich wollte nicht schreien. Ich wollte standhalten. Für ihn? Für mich? Ich wusste es nicht. Ich presste die Lippen aufeinander. So hatte sich das noch nie angefühlt.

„Stillhalten“, sagte er. Er klang wie jemand, der sich selbst in eine Rolle zwingt.

Noch ein Schlag. Ich spürte, wie mein ganzer Körper brannte. Wie sich meine Haut spannte, zitterte, auslief. Die Tür stand offen. Ich wusste es. Ich hörte keine Schritte im Flur, aber das machte es nicht besser.

Dann trat er näher. Ich spürte ihn. Hart. Ohne Vorwarnung. Seine Hand glitt über meine Pobacke, prüfte. Er spuckte in seine Hand, verteilte es grob. Kein Gleitgel. Keine Frage.

„Du bist eng“, murmelte er. Und dann, leiser: „Noch immer.“

Ich biss die Zähne zusammen. Als er in mich eindrang, schrie ich laut. Nicht aus Schmerz allein. Es war auch kein gespielter Laut. Es war Überwältigung. Gespeist aus dem Wissen, dass ich keinen Widerstand mehr kannte. Weil ich ihn mir abtrainiert hatte.

Das Schlimmste war, dass ich es zuließ. Dass ich es aushielt. Dass ich nicht zurückwich.

Er hielt mich an der Hüfte fest, stieß zu. Rhythmisch, mit Nachdruck. Immer tiefer. Immer fordernder.

„Du gehörst nicht nur ihm“, flüsterte er dicht an meinem Ohr. „Du weißt das.“

Ich antwortete nicht. Konnte nicht. Mein Kopf war leer. Ich fühlte ihn tief in mir, aber in meinem Inneren war es plötzlich still. Kein Prickeln. Kein Ziehen. Keine Lust mehr. Nur ein harter, kalter Widerstand.

Ein Stoß. Noch einer.

Ich schrie erneut. Laut. Vielleicht zu laut. Es war kein gespieltes Stöhnen. Es war echt. Roh. Ein Laut, der aus dem Bauch kam – aus dem Widerstand gegen die eigene Passivität. Und zum ersten Mal fühlte es sich an, als würde mir die Situation wirklich entgleiten.

„Was glaubt er eigentlich, wer er ist“, zischte er. „Du bist das WG-Spielzeug, keine Prinzessin.“

Ich hielt es aus. Weil ich nicht wusste, wie ich Nein sagen sollte. Weil ich es nie gelernt hatte. Und vielleicht auch, weil ich es mir selbst beweisen wollte. Dass ich das alles konnte. Aushalten. Ertragen. Dienen und Verdienen.

Zwischen den Stößen hörte ich seine Stimme, leise, fast flüsternd: „Du bist gemacht dafür, Louisa. Hintenrum. Immer schön eng. Immer still.“ Ich wusste: Das war kein Lob. Es war Besitz. Ich schrie wieder. Aus Schmerz. Aus Überforderung. Und aus Trotz. Es machte ihm nichts aus. Nicht mehr. Ich klammerte mich daran, dass ich das alles aushalten könnte, dass ich bis hierher alles ausgehalten hatte, obwohl längst etwas in mir zu kippen begann.

Sein Griff an meiner Hüfte war hart. Unnachgiebig. Ich spürte, wie er sich in mich hineinpresste, als wolle er Spuren hinterlassen. Mehr als nur physische. Als er kam, drückte er mich noch fester hinunter. Ich fühlte ihn tief in mir, seinen Griff, seinen Körper, seine Hitze. Dann: nichts. Nur das Nachzittern. Nur mein Puls im Kopf. Und die Leere unter der Haut.

Ich sackte zusammen. Meine Knie gaben nach, mein Körper knickte ein. Ich fühlte ihn noch in mir. Die Reibung, den Schmerz, das Nachbrennen. Er sagte nichts mehr. Zog sich zurück. Fädelte In aller Seelenruhe seinen Gürtel wieder ein.

Hinter mir hörte ich Schritte. Dann Stille. Ich richtete mich langsam auf. Meine Knie weich, mein Unterleib brennend. Und ich wusste: Er hatte es gespürt. Dass es nicht mehr reichte. Nicht für mich. Nicht für ihn. Dass es nie gereicht hätte. Ich spürte, wie mein Körper nachgab, zitterte, sich widerstrebend aufrichtete. Zwischen meinen Beinen fühlte ich es noch – das Brennen, die Reibung, das Eindringen. Was blieb, war nicht der Akt – sondern dieser eine Satz, der sich festsetzte. Du bist gemacht dafür.

Er saß wieder am Schreibtisch, klickte sich durch Tabs. Als wäre nichts gewesen. Ich stand eine Weile einfach da. Nackt. Gedemütigt. Benutzt. Und nicht aus Zärtlichkeit. Dann verließ ich das Zimmer. Schritt für Schritt, als müsste ich mich neu an das Gehen erinnern.

Der Flur war dämmrig. Es roch nach altem Holz, nach Heizungsluft. Und nach mir. Jule stand da. Barfuß, in Shorts, ein übergroßes Sweatshirt über die Schultern gezogen. Sie hatte wohl Stimmen gehört, das Keuchen, das letzte Stöhnen. Vielleicht auch schon den Gürtel.

Ihre Augen musterten mich, prüfend, aber nicht bewertend. Dann trat sie einen Schritt vor.

„Lou.“

Ich blieb stehen. Mehr konnte ich nicht.

Sie sah auf meinen Körper. Der rote Hintern, die wunden Schenkel, die geröteten Augen. Ein winziges Zucken ging durch ihren Gesichtsausdruck. Kaum sichtbar. Es war kein Entsetzen. Schmerz vielleicht. Oder Sorge.

„Komm“, sagte sie nur. Keine Frage.

Sie führte mich zurück in ihr Zimmer, schloss die Tür leise hinter uns. Ich blieb hilflos stehen, wusste nicht, was ich mit meinen Armen machen sollte, oder wohin mit meinem Blick. Jule setzte sich aufs Bett. Klopfte neben sich. Ich zögerte. Dann ging ich hin. Setzte mich. Ihre Nähe hatte eine beruhigende Wirkung auf mich.

„Was war das?“, fragte sie leise.

Ich schüttelte den Kopf. Wollte erst antworten – dann nicht mehr. Es war zu viel. Die Antwort lag bereit, aber ich ließ sie liegen.

„Hat er…?“, begann sie, und brach ab. Suchte nach Worten. Fand keine. Sie sah zur Tür. Nur kurz. Dann wieder zu mir. Keine Frage mehr, auch kein weiterer Kommentar. Sie schüttelte leise den Kopf, und das war Kommentar genug. Einen Moment wirkte sie, als schwanke sie zwischen einer Standpauke für Paul und dem Versuch, mich zusammenzuhalten. Schließlich griff sie in die Nachttischschublade und holte eine kleine Tube hervor.

„Darf ich?“


Ich nickte.


„Leg dich auf den Bauch.“

Ich drehte mich zur Seite, beugte mich leicht vor. Ihre Finger waren kühl, als sie die Salbe auftrug – vorsichtig, sacht, fast wie eine Entschuldigung. Ich zuckte nicht, aber mein Atem stockte kurz.

„Es wird besser“, sagte sie. „Nicht alles – aber das.“

Ich spürte, wie sich meine Schultern lockerten. Wie meine Augen feucht wurden, ohne dass ich weinte. Dann strich sie mir eine Strähne aus dem Gesicht. Ihre Hand blieb kurz an meiner Wange. Etwas an ihrer Geste war sanfter als alles zuvor.

„Willst du hierbleiben? Nur schlafen. Ich würde mich freuen.“

Sie sagte es leise – fast zu leise für Jule. Als hätte sie selbst nicht ganz begriffen, warum ihr das gerade wichtig war. Ich sah sie an. Da war kein Zwang. Keine Absicht. Es war… Fürsorge. Vielleicht war es genau das, was ich jetzt brauchte. Ich nickte. Sie stand auf, ging ins Bad, ließ mir einen Moment. Ich legte mich unter die Decke, zog die Knie an. Die Berührung ihrer Hand war noch auf meiner Haut. Die Stille war wohltuend. Kein Urteil. Kein Befehl. Kein Spiel.

Und zum ersten Mal Ruhe.

Kapitel 10: Sichtbar


Es hätte ein ganz normaler Tag sein können.

Der Februar war grau, feucht und voller Übergänge. Prüfungen standen bevor, die Campuswege waren gesäumt von eiligen Schritten, dampfenden Bechern, schweren Taschen. Ich war früh dran. Hatte geschlafen – unruhig, aber genug. Mein Hintern pochte dumpf bei jedem Schritt. Ich spürte noch die Linien.

Ben war morgens still gewesen, aber warm. Ich hatte nichts weiter erwartet. Keine Botschaft, keine Berührung. Nur das, was inzwischen selbstverständlich war: Nähe auf Zeit. Als ich aufstand, warf er mir einen kurzen Blick über die Schulter zu.

„War das Jule – oder Paul?“, fragte er.


Seine Stimme war leise. Kein Vorwurf, kein Mitleid. Nur Interesse.

Ich blinzelte. Er meinte die Striemen.


Ich sagte nichts. Zog langsam meine Leggings hoch.


Er fragte nicht weiter.

Mein Rucksack saß schwer auf einer Schulter. Die Mütze tief im Gesicht, sog ich die feuchte Luft ein. Es roch nach Regen. Seminarraum 318, drittes Stockwerk, wie jeden Freitag. Themenrunde, Diskussion, keine Abgabe – einer dieser Termine, an denen man sich zeigen, aber nicht verausgaben musste.

Die Tür zum Raum stand offen. Ich trat ein – und die Geräuschkulisse veränderte sich.

Nicht abrupt. Aber spürbar.

Vorher: gedämpftes Lachen, Papier, Tastaturen. Danach: ein gedämpftes Murmeln. Gespräche, die in der Luft hingen wie Nebel – und sich genau in dem Moment senkten, in dem ich den Fuß über die Schwelle setzte.

Ein paar Köpfe drehten sich weg. Andere mir zu. Nicht forsch. Nicht offen. Sondern wie zufällig. Zu viele Zufälle. Ich blieb einen Moment stehen. Mein Blick suchte Helena. Sie saß am Fensterplatz, ihr Becher dampfte leicht, das Handy in der Hand, der Blick jedoch auf mich gerichtet. Fest. Wach. Warnend.

Dann stand sie auf.

„Lou“, sagte sie leise, aber bestimmt. Kein Lächeln, kein Smalltalk. Nur mein Name, wie ein Kommando. „Komm kurz mit.“

Ich folgte ihr. Ich wusste nicht was los war, aber ihr Tonfall ließ keine Widerrede zu. Hinter uns wurde wieder getuschelt. Das mulmige Gefühl in meinem Bauch fing an zu wachsen.

Wir gingen den Gang entlang, Helena neben mir, aber leicht voraus. Sie hielt meine Hand und zog mich weg. Ihre Schritte klangen entschlossen, wie der Ton ihrer Stimme. Ich spürte Blicke im Rücken, oder bildete es mir ein. Plötzlich merkte ich, wie die Unsicherheit mich erfasste. Das Echo des Raumes hing mir noch in den Gliedern.

Unten vor dem Gebäude war es nicht viel heller als drinnen. Der Himmel wolkig, das Licht diffus. Helena blieb an der Seite stehen, dort, wo zwei Fahrradständer eine kleine Nische bildeten. Windschutz, Sichtschutz, für was auch immer sie mir gleich zeigen wollte.

Sie sagte erst nichts. Holte nur ihr Handy aus der Tasche, schaltete den Bildschirm an, tippte einmal, dann hielt sie es mir hin.

Reddit. Ein Post.

„WG-Schlampe Louisa für alle zu haben.“

Darunter: ein verpixelter Vorschaubalken. Ein Clip. Ich erkannte den Raum sofort. Es war unser Wohnzimmer. Unser Teppich. Das rote Kissen. Und ich. Ich starrte auf das Display. Ungläubig. Mein Atem ging flach. Ich spürte, wie meine Beine weicher wurden, mein Blick sich verengt. Mein Kopf wurde heiß, und plötzlich begann sich alles um mich herum zu drehen.

„Das haben ein paar aus unserem Seminar vorhin rumgeschickt“, sagte Helena. „Einer meinte, das wäre ein Fake. Ein anderer hat gesagt: Nein, die kenn ich. Die wohnt mit meinem Kumpel in der Fußgängerzone.“

Ich sagte nichts. Nur mein Magen zog sich zusammen. Und etwas in meiner Brust – ein Splittern.

„Hast du das gewusst?“, fragte sie.


Ich schüttelte den Kopf. „Ich… nein. Nein.“


Helena nahm das Handy zurück. Sperrte es. Ihre Stimme war ruhig, aber fest.


„Willst du mir erzählen, was da passiert?“


Ich nickte. Langsam. Mein Hals war trocken.


„Es war ein Spiel“, flüsterte ich. „Zwischen uns. In der WG. Es war nie für andere gedacht.“

Helena blinzelte, als müsse sie sich erst sortieren. Dann atmete sie einmal tief durch, und nickte. Keine Nachfragen. Kein Urteil. Dafür war jetzt nicht die Zeit. Sie atmete nochmal tief durch. In ihrem Blick sah ich jetzt die Entschlossenheit, an der es mir gerade mangelte.


„Okay“, sagte sie. „Dann holen wir jetzt deine Sachen. Und dann kommst du mit zu mir. Du musst da raus.“

***

Die Straße lag still. Nasser Asphalt, milchiges Licht zwischen den Hausfassaden. Ich kannte jeden Bordstein, jedes Fenster. Und doch wirkte plötzlich alles fremd. Helena parkte ohne ein Wort. Der Motor verstummte, aber Rauschen in meinem Kopf blieb. Ich stieg aus, bevor sie etwas sagen konnte. Mein Körper bewegte sich, obwohl ich ihn nicht mehr lenkte. Als würde er noch glauben, alles sei wie immer.

Die Stufen zur Haustür kamen mir länger vor als sonst. Der Schlüssel in meiner Hand war kalt, rutschte fast durch die Finger. Ich wusste nicht, ob ich ihn noch benutzen wollte. Oder wozu.

Ich öffnete. Stille.

Im Flur war es warm. Zu warm. Die Heizung lief. Ein vertrauter Geruch hing in der Luft – Waschmittel, altes Holz, die WG eben. Mein Zuhause. Noch. Vielleicht. Ich wusste es nicht. Ich Helena blieb hinter mir, sagte nichts. Nur ihr Blick: wach, angespannt, bereit, mich zurückzuziehen, wenn ich nicht mehr konnte. Aber ich konnte. Noch.

Ich ging weiter. Meine Schritte waren leise, aber entschlossen. Die Küche lag halboffen, Licht drang auf den Flur. Ich hörte kein Gespräch. Nur das Klirren eines Löffels, das Abstellen einer Tasse. Dann: Schritte.

Er kam als Erster.

Ben.

Er trug Jogginghose, Shirt, barfuß. Die Haare noch leicht feucht, wahrscheinlich gerade aus der Dusche. Er wirkte entspannt. Unberührt. Sein Blick traf meinen. Und in seinem Gesicht: erst Überraschung, dann etwas, das ich nicht deuten konnte. Keine Schuld. Keine Angst. Ich sah nur Unwissenheit. Oder zu gutes Schauspiel.

„Lou?“ Er blieb stehen. „Was…?“


Und da brach es. Noch sagte ich nichts. Aber mein Körper spannte sich. Die Luft in meiner Lunge wurde schwer. Mein Blick blieb auf ihm haften – wie auf einem Bild, das man zu lange anschaut, bis es kippt.

Ich trat einen Schritt näher. Mein Herz pochte bis in die Ohren.

„Du“, sagte ich. Leise. Noch.

Dann hob ich die Hand. Ich ging auf ihn los wie eine Furie. Ohne Vorwarnung schlug ich ihm ins Gesicht. Die flache Hand, laut, scharf, wütend. Mit aller Kraft. Dann ein Schubser gegen die Brust – er stolperte einen Schritt zurück, prallte gegen die Anrichte.

„Du verdammtes Schwein!“, fauchte ich. „Wie konntest du?! Wie konntest du mich so verraten?!“

Er hob die Hände, erschrocken, aber nicht abwehrend. „Lou… ich weiß nicht, wovon du redest…“

„Ach nein?!“ Ich stieß ihn wieder, härter diesmal. „Tu nicht so, als wärst du unschuldig! Ich dachte ihr redet über alles!!“

Er wollte etwas sagen, aber ich kam ihm zuvor. Zog mein Handy hervor, entsperrte es mit zitternden Fingern, öffnete den Link. Dann hielt ich es ihm hin – direkt vors Gesicht. Das Vorschaubild: Ich, auf dem Teppich, der Körper beschriftet. Ein Screenshot aus dem Wohnzimmer. Er konnte es nicht leugnen. Oder mich. Er hatte mich selbst beschriftet. Es war seine Handschrift. Sklaventittchen.

„Das, Ben. Auf reddit! Öffentlicher Post. Jeder sieht’s. Jeder weiß es. Alle reden darüber!“

Er starrte auf das Display. Nur einen Moment – dann wich die Farbe aus seinem Gesicht.

„Ich… Ich hab‘ das nicht gepostet“, sagte er leise. „Ich schwöre es dir.“

Die Tür zu Jules Zimmer ging auf. Einen Spalt nur – dann stand sie da. Ebenfalls barfuß, der Hoodie schief über die Schultern gezogen, die Haare zerzaust. Ihr Blick wanderte über Ben, über Helena – und blieb an mir hängen.


„Was… was ist denn hier los?“, fragte sie. Ihre Stimme war rau vom Schlaf, aber schon wach genug, um die Spannung zu spüren.

Ich fuhr zu ihr herum. Das Adrenalin donnerte mir durch die Glieder. Ich spürte meine Zähne aufeinander, meine Hände zu Fäusten geballt, die Haut heiß vom Zorn, und von allem, was darunter lag.

„Du wusstest es!“, keuchte ich. „Du hast mich beschriftet. Fotografiert. Alles dokumentiert! Und jetzt bin ich öffentlich! Ich bin das verdammte WG-Spielzeug! Auf Reddit, für alle!“

Ich trat einen Schritt auf sie zu – und stieß sie. Nicht stark, aber hart genug, dass sie einen halben Schritt zurücktaumelte. Helena rief meinen Namen, ihre Hand griff nach meinem Arm – ich schüttelte sie ab.

„Du warst es!“, schrie ich. „Es war dein Spiel! Dein verfickter Vibrator! Deine verdammte Idee! Du hast mir gezeigt, wie ich mich auf den Boden knien soll, wie ich lecken soll, wie ich betteln soll! Und jetzt spricht die ganze Uni darüber!“

Meine Sicht verschwamm. Die Worte kamen schneller, als ich sie denken konnte. Meine Stimme überschlug sich, wurde brüchig, riss an den Rändern. Ich spürte die Tränen in meinen Augen, heiß und schmerzhaft.

„Du hast mir eingeredet, ich hätte Kontrolle. Dass ich entscheide, wie weit ich gehe. Aber es war nie meine Entscheidung, oder? Ich hab‘ einfach nur funktioniert. Und ihr wart stolz auf mich! Stolz, dass ich alles mit mir machen lasse – als wär‘ das eine verfickte Leistung!“

Jule sah mich an, entgeistert. Kein Trotz, keine Verteidigung – nur ein zunehmendes Erkennen in ihrem Blick. Sie hob die Hände, als wolle sie etwas sagen, aber ihre Lippen blieben geschlossen.

Dann Ben. Ruhig. Beinahe erschrocken über meine Worte.

„Lou… warte. Ich habs gefunden.“

Er hielt sein Handy hoch. Das Display zeigte Reddit. Den Thread. Den Titel. Mein Name. Mein Körper. Unser Wohnzimmer, das Kissen. Sklaventittchen. Jule trat näher. Schaute auf den Bildschirm.

Und ich sah, wie sie ins Wanken geriet. Wie ihr Gesicht jegliche Farbe verlor.

„Das ist bei uns“, flüsterte sie. „Das ist… das ist echt.“

Ich spürte, wie meine Kehle sich zuschnürte. Die Tränen liefen inzwischen frei. Ich wischte sie nicht weg. „Einer von euch“, flüsterte ich. „Einer von euch hat mich verkauft…“

Jule starrte noch immer auf das Display.

Ihre Stirn legte sich in Falten. Nicht aus Unverständnis, sondern aus Erkennen. Ich sah es. Wie sich die Zahnräder hinter ihren Augen zu drehen begannen. Wie sie plötzlich alles sah, was sie vorher übersehen hatte.

„Das ist nicht neu“, murmelte sie. Sie stockte. Ihr Blick wanderte zu mir. Langsam, wie durch einen dichten Nebel.

„Paul“, sagte sie. Leise. Klar.

Ich schnappte nach Luft.

„Er hat mich vor ein paar Tagen nach den Bildern von der Prüfung gefragt“, sagte Jule plötzlich.


Ihre Stimme war brüchig. „Ich dachte, er wollte etwas für Lou vorbereiten. Eine Erinnerung. Vielleicht sogar ein Geschenk.“


Sie sah mich an.


„Ich hab‘ ihm die Dateien einfach geschickt.“

Ich sagte nichts. Ich konnte nichts sagen.

„Wie konnte ich so blind sein…“ Sie hob die Hand an den Mund, hielt inne. Als hätte sie versucht, die Worte zurückzuholen. Aber sie waren schon da. Und wir alle wussten es.

Ben trat einen Schritt näher. Auch er verstand jetzt. Ich sah es in seinen Augen – nicht Wut, noch nicht. Aber ein Zucken in der Kiefermuskulatur. Etwas, das sich spannte. Bereit machte. Jule hob den Blick. Sah zuerst mich an. Dann Helena. Dann Ben.

„Er wusste, was er tat“, sagte sie. „Er hat es geplant. Nicht aus Spiel. Nicht aus Lust. Sondern weil er’s nicht ausgehalten hat. Dass du dich nicht für ihn entschieden hast.“

Ich schluckte. Mein Hals war trocken. Mein Herz schlug, als wolle es irgendwohin fliehen.

„Er war eifersüchtig“, flüsterte ich. „Auf dich. Auf Ben. Auf… alles.“

Jule nickte. Kein Zögern mehr. Nur noch trotzige Entschlossenheit. Sie drehte sich um. Der Flur lag still vor uns. Drei Türen bis zu Pauls Zimmer. Die mittlere. Immer geschlossen. Immer wie zufällig.

„Komm“, sagte sie.

Ihre Stimme hatte wieder Kraft. Nicht laut. Aber voll. Führend. Sie ging voran. Ben hinter ihr. Dann ich. Dann Helena. Kein Wort wurde gesprochen. Niemand zögerte. Wir gingen. Still. Entschlossen. Ein wütender Mob. Es war ein Bild aus einem anderen Film, aber es passte erschreckend gut. Als wir vor Pauls Tür standen, war sie noch immer zu. Nichts zu hören. Jule hob die Hand.

„Er wird nichts hören“, sagte sie. „Kopfhörer. Immer beim Lernen.“

Einen Moment lang sah sie zur Klinke. Dann legte sie die Hand darauf. Ruhig. Entschlossen. Die Tür öffnete sich lautlos. Drinnen saß Paul. Rückansicht. Am Schreibtisch, Kopfhörer auf, den Oberkörper leicht vorgebeugt. Vor ihm ein geöffnetes Buch, daneben sein Laptop. Zwei Tabs offen – ich erkannte das typische Layout von Reddit. Und das kleine rote Symbol in der Ecke: Neue Nachrichten.

Nichts an ihm wirkte vorbereitet. Kein Fluchtinstinkt. Keine Schuld in der Haltung. Alles ganz normal. Als hätte er nicht bemerkt, dass die Welt längst brannte. Jule trat zuerst ein. Ohne Hast. Ohne Laut. Dann Ben. Seine Schultern gespannt, der Blick auf Pauls Nacken geheftet. Ich folgte. Meine Schritte fühlten sich an wie fremd. Ich wusste nicht, ob ich ihn schlagen oder anschreien wollte – oder beides. Helena schloss die Tür hinter uns.

Jule griff nach den Kopfhörern. Langsam. Dann riss sie sie Paul mit einem kurzen Ruck vom Kopf. Er fuhr herum. Die Überraschung in seinem Blick war echt – für eine Sekunde.

„Was zum…?“

Dann sah er uns. Mich. Das Handy in Jules Hand. Den Ausdruck in unseren Gesichtern. Und sein Gesicht veränderte sich.

Nicht zu Angst.


Nicht zu Reue.


Sondern zu etwas anderem.

Verachtung.

„Was macht ihr hier?“ Seine Stimme war ruhig. Fast herausfordernd.

Jule sagte nichts. Sie drehte den Bildschirm zu ihm. Das Vorschaubild. Der Titel. Die Upload-Zeit. Alles sichtbar. Paul sah hin. Eine Sekunde. Zwei. Dann lehnte er sich zurück. Verschlossener Blick. Keine Abwehr. Keine Erklärung.

„Und?“, sagte er.

Ben machte einen Schritt nach vorn. Seine Fäuste zuckten.

„Und??“, wiederholte er.

Seine Stimme war tief, gefährlich ruhig. „Du hast sie… du hast sie verraten.“

Paul zuckte mit den Schultern. „Hab‘ ich nicht.“ Dann, nach einem Atemzug: „Ich hab‘ euch nur gezeigt, was sowieso jeder sehen konnte.“

Ich starrte ihn an. „Das war privat.“ Meine Stimme war heiser. Brüchig.

„Nichts war privat“, sagte er. „Ihr habt doch selbst nie einen Unterschied gemacht. Zwischen Spiel und Ernst. Zwischen Dienst und Beziehung. Für euch war das alles echt – und unecht zugleich. Warum also so überrascht, wenn es jemand mal ernst nimmt?“

Jule trat vor.

„Du hast sie ausgeliefert“, sagte sie leise.


„Nein.“ Paul sah sie an. „Ich hab‘ nur geteilt, was ihr gemacht habt. Was du zugelassen hast. Was sie… genossen hat.“


Ben bewegte sich schneller, als ich sehen konnte. Er traf Paul am Kinn. Hart. Ohne Ankündigung. Ein Schlag ins Gesicht. Direkt. Ohne Warnung. Der Stuhl kippte beinahe nach hinten.

Paul taumelte, fing sich. Blut an der Lippe. Er grinste. „Ah. Jetzt wird’s endlich echt.“

Ben schlug erneut zu. Ein dumpfer Aufprall, dann ein ersticktes Keuchen von Paul. Noch ein Schlag – diesmal härter. Paul taumelte gegen den Schreibtisch, stieß eine Tasse um, etwas klirrte, dann ein dumpfer Schlag auf Holz.

„Du verdammtes Arschloch!“, fauchte Ben, die Stimme außer Kontrolle. „Was hast du ihr angetan?!“

Jule riss an seinem Arm. „Ben! Hör auf!“ Noch ein Versuch. Ihre Stimme war jetzt laut, scharf.


„BEN!“ Er wollte noch einmal zuschlagen, doch sie stellte sich dazwischen. Ihre Hände auf seiner Brust, ihr Blick fest.

„Wenn du jetzt nicht aufhörst… bist du nicht besser als er.“

Ben keuchte. Seine Fäuste zitterten. Dann sackte er ein Stück in sich zusammen, ließ die Arme sinken. Paul blieb an der Wand, Blut an der Lippe, das Grinsen verzogen – aber nicht verschwunden. Er wirkte, als sähe er sich noch immer im Recht.

Die Welt verschwamm inzwischen weiter um mich herum. Konturen lösten sich auf, schwarz an den Rändern. Ein Dröhnen in den Ohren, das ich nicht zuordnen konnte. Wie ein plötzlich auftauchender Tinnitus, aber ohne das Klingeln. Mein Herz schlug zu schnell.

Ich wusste nicht, wohin mit mir.


Alles war laut. Zu laut.


Die Stimmen, das Glas, der Lärm.

Meine Knie wurden weich. Zu viele Geräusche. Alles prallte plötzlich gleichzeitig auf mich ein und ich merkte schlagartig, wie sehr mich die ganze Situation überforderte.

Ich drehte mich um, floh aus dem Zimmer, stolperte fast. Rannte in mein Zimmer. Die Tür war offen, wie immer – aber diesmal schlug ich sie zu, so fest wie ich nur konnte. Ein leiser Protest, kaum hörbar gegen das Chaos draußen. Ich wollte hier keine Minute mehr verbringen.


Ich griff nach der Sporttasche unter meinem Bett, riss den Reißverschluss auf, blind, fahrig. Meine Hände suchten Kleidung. Hose. Jogginghose. Ein Sweatshirt. Unterwäsche. Zum ersten Mal wieder Unterwäsche.


Ich warf alles hinein. Ohne zu falten. Ohne zu prüfen. Ich wollte nur hier weg.

Draußen: Stimmen. Geschrei.


Etwas zersplitterte. Glas. Laut.


Jemand schrie, diesmal nicht Ben. Vielleicht Paul. Vielleicht auch ich, in meinem Kopf.

Helena stand in der Tür.


Verschränkte Arme. Fester Stand.


Ihre Stirn war gerunzelt, aber sie sagte nichts. Nicht einmal „Komm“.

Sie war einfach da. Wie ein Türsteher. Wie ein Versprechen, das niemanden zu mir durchlassen würde.

Ich hörte Stimmen im Flur. Schritte. Helena sagte etwas, bestimmend. Jule antwortete, leiser. Dann ein kurzes Schweigen. Ich wusste, dass sie vor der Tür stand. Vielleicht nur einen Moment. Vielleicht länger. Sie klopfte nicht. Und Helena ließ sie nicht durch. Ich war dankbar dafür.

Ich zog die Tasche zu. Dann drehte ich mich um. Ich nickte ihr zu. Sie sagte nichts. Aber ihre Kiefermuskel zuckte. Vielleicht war das ihre Art, nicht laut zu werden. Dann verließen wir die Wohnung. Kein Abschied. Kein Wort. Kein Blick zurück.

Nur der Flur.


Die Stille.


Und das Gefühl: Jetzt war es vorbei.

Kapitel 11: Lächelnde Gewalt


Der Regen lief in schrägen Bahnen über die Autoscheiben. Ich lehnte den Kopf gegen das kühle Glas, spürte die Vibrationen des Motors in der Wange, während die Welt draußen verschwamm. Straßenschilder, Menschen, Lichter – alles zog vorbei, als wäre es nicht für mich gemacht. Als hätte ich heute meine Zugehörigkeit verloren.

Helena sagte nichts. Ihre Hände lagen ruhig auf dem Lenkrad, die Augen fest auf die Straße gerichtet. Nur der Blinker klackte ab und zu, mechanisch, Stumpf. Das einzige Geräusch neben dem gleichmäßigen Prasseln des Regens.

An der Tankstelle hielt sie.

Stieg wortlos aus.

Ich sah ihr zu, wie sie über den nassen Asphalt ging, wie die Tür zum Shop hinter ihr zur Seite glitt. Dann war sie kurz verschwunden. Ein paar Minuten später kam sie zurück – mit zwei Flaschen Sekt, zwei Tetrapacks Orangensaft und zwei großen Bechern Ben & Jerry’s. Cookie Dough für mich. Peanut Butter für sich. Sie stellte alles schweigend auf den Rücksitz, legte mir eine Hand auf die Schulter – kurz nur, kaum Druck – und fuhr weiter.

Die Fahrt dauerte nicht lang. Aber lang genug, um sich wie eine Verschiebung anzufühlen. Wie der Weg in ein neues Kapitel, von dem ich nicht wusste, ob ich darin vorkommen wollte.

Als wir ankamen, ließ sie mich zuerst gehen. Ich schloss die Wohnungstür hinter mir, trat ein, wie ferngesteuert. Die Tasche in der Hand, die Kleidung noch dieselbe, aber alles in mir war anders.


Ich roch warmes Holz, Bücher, eine Vanillekerze. Ein Raum ohne Regeln. Ohne Blicke. Ohne Zwang.

Und plötzlich war da nichts mehr, das mich hielt.

Ich ließ die Tasche sinken. Meine Schultern gleich mit. Der Atem kam flach. Die Luft war zu weich. Ich setzte mich auf die Kante des Sofas, nicht wie jemand, der zu Besuch ist. Sondern wie jemand, der nicht weiß, ob er überhaupt noch ein Zuhause hat.

Helena kam nach. Zog die Vorhänge zu, stellte zwei Kerzen auf, schaltete eine Lichterkette ein, die sie über das Bücherregal drapiert hatte. Dann bestellte sie Pizza, schob mir eine Decke zu, ließ Greys Anatomy laufen, keine erste Folge, keine Erklärung, sie ließ es einfach laufen, irgendwas, das nicht stoppte.

Ich sagte lange nichts.

Dann: „Ich hatte noch nie einen Orgasmus. Vorher.“

Sie sah mich nicht an. Nur ein leises Nicken, während sie die Gläser füllte. Sekt. Orangensaft. Eine stille Geste: Sekt zum Feiern, O-Saft zum Heilen.

„Und dann… war da dieser Abend. Im Club. Ich dachte, es sei ein Spiel. Es war ein Spiel. Nur dass es danach nicht mehr aufhörte.“

Helena reichte mir das Glas. Ich nahm es. „Und du hast dich darin verloren?“ Ihre Stimme war ruhig. Keine Schärfe. Keine Ironie.

„Nein“, flüsterte ich. „Ich habe mich darin gefunden. Ich mochte es, wenn jemand entschied. Wenn jemand mir etwas gegeben hat. Nicht weil ich es wollte, sondern weil ich es mir verdient hatte. Ich mochte es wie sie mich ansahen. Am Anfang zumindest…“

Ich hielt inne. Ein Schluck. Süß. Prickelnd. Zu weich für das, was in mir brannte.

„Jeder Orgasmus hat etwas ausgefüllt. Etwas, das ich vorher nicht benennen konnte. Und jeder hat auch etwas mitgenommen. Mehr von mir. Stück für Stück. Und ich habe es zugelassen. Mit Begeisterung sogar.“

Sie sagte nichts. Nur ein leises: „Mhm.“


Dann fragte sie weiter: „Und Paul?“


„War… zuletzt nur noch jemand, der genommen hat.“

Helena setzte sich neben mich, schlug die Beine an, ihr Eis in der Hand.

„Weißt du, was Freud über Triebwünsche sagte?“


Ich schüttelte den Kopf.


„Dass sie dann gefährlich werden, wenn man sie nicht reflektiert. Wenn sie stärker werden als das Ich.“


Ich lachte. Trocken. „Dann bin ich ein Fallbeispiel.“


Sie sah mich ernst an. „Nein. Du warst jemand, der geliebt werden wollte – auf eine Weise, die nicht jeder versteht.“

Stille. Schließlich, nach einem langen Moment:

„Ich hab‘ dich beneidet“, sagte sie dann. „Nicht um das, was jetzt rauskam. Aber davor, wie du warst. Offener. Freier. Irgendwie… gelöster. Ich dachte, du wärst verliebt. Oder einfach angekommen. Und ich hab‘ mich die ganze Zeit gefragt, wie du das machst.“

Ich sagte nichts. Aber ich spürte etwas in mir zittern – kein Widerstand, eher so etwas wie ein zartes Einverstanden.

„Das Video. Der Leak. Das war nicht nur eine Grenzverletzung. Das war Verrat.“


Ich nickte. „Willst du Anzeige erstatten?“, fragte sie.


Ich sah auf mein Glas. „Ich weiß es nicht. Noch nicht. Es ist… zu viel.“


Sie berührte meine Hand. „Du musst jetzt gar nichts entscheiden. Du musst nur bleiben.“


Ich schloss die Augen. Und ließ die Tränen kommen, ohne ein Geräusch.

***

Helena schlief längst. Ihre ruhigen Atemzüge kamen gleichmäßig vom Bett herüber, das Licht der Lichterkette war inzwischen erloschen, nur der Bildschirm meines Handys warf flackernde Schatten an die Decke.

Ich lag auf dem Sofa. Eine Decke bis zur Hüfte. Das Display in der Hand. Mein Herz pochte nicht. Nicht schnell. Nicht laut. Ich spürte das Hämmern in meiner Brust. Ich hatte die Nachrichten gesehen. Verpasste Anrufe. Paul. Jule. Auch Ben. Ich hatte nichts geöffnet.

Nicht mal geschaut, was sie geschrieben hatten. Ich tippte auf Reddit. Auf den Post. Das Bild war nicht mehr da. Gelöscht. Ein leerer Kasten mit dem Hinweis: This post has been removed by moderators.

Aber die Kommentare?


Die waren geblieben.


„Geiles Fickfleisch.“


„Würde ich auch mal gerne durchnehmen.“


„Ich kenn die. Die Schlampe studiert bei uns. 100% echt.“

Ich starrte auf den Bildschirm.


Ich wusste nicht, warum ich es mir antat.


Vielleicht, weil ich wissen wollte, wie schlimm es war.


Vielleicht, weil ich etwas fühlen wollte.


Vielleicht, weil ich mich bestrafen musste.

Ich scrollte.


Wort für Wort.


Lächelnde Gewalt in Textform.

Ich las nicht alles.


Aber genug.


Genug, um zu spüren, dass etwas in mir zurückwich.

Nicht zerbrach. Nicht wütete. Ich schrie nicht. Ich weinte nicht. Ich war nur still. Wie etwas, das plötzlich keinen Platz mehr hat. Ich legte das Handy auf den Boden. Starrte an die Decke. Die Stille pochte in meinen Ohren. Und ich fragte mich – zum ersten Mal seit Wochen – wer ich eigentlich war.

***

Ich wachte auf, ohne es zu wollen.

Kein Geräusch, kein Licht hatte mich geweckt – nur das Gefühl, dass mein Körper genug hatte vom Liegen. Die Luft im Zimmer war still, trocken, ein wenig zu warm. Nebenan hörte ich Helena atmen, tief und regelmäßig. Sie schlief noch.

Ich drehte mich auf die Seite, das Sofa drückte unangenehm, mein Nacken fühlte sich verdreht an. Und doch fühlte ich mich sicherer als je in meinem eigenen Bett.

Ich blinzelte. Die Vorhänge waren zugezogen, aber ein Spalt ließ mattes Winterlicht hinein – grau, milchig, wie die Zeit zwischen zwei Entscheidungen. Ich hatte keine Ahnung, wie spät es war. Mein Handy lag irgendwo neben mir auf Helena Couchtisch. Ich rührte mich nicht.

Meine Haut fühlte sich leer an. Nicht nackt, einfach nur leer. Als wäre sie nicht mehr besetzt. Als hätte jemand sie endlich freigegeben. In meinem Unterleib: kein Schmerz. Nur ein dumpfes Nachhallen. Von Berührung. Von Abdrücken. Von dem, was war.

Ich lag still. Zählte nicht. Dachte nicht. Atmete. Und dämmerte wieder zurück in einen traumlosen Schlaf.

Irgendwann stand ich auf. Ich wusste nicht, wie lange ich da gelegen hatte. Minuten. Stunden. Mein Körper fühlte sich schwer an, als hätte er ein eigenes Gewicht entwickelt, jenseits von Hunger oder Müdigkeit. In der Küche roch es nach Kaffee. Helena war wach gewesen – oder hatte geschlafen wie jemand, der bereit war aufzuwachen. Neben der Spüle stand ein Zettel:

Bin kurz einkaufen. Frühstück, Schmerzmittel, Chips. Und Klopapier. Ruf nicht zurück, wenn irgendwer schreibt. H.

Ich lächelte. Oder etwas, das sich fast so anfühlte. Ich trank ein Glas Leitungswasser. Dann duschte ich. Lange. Zu heiß. Ich stand einfach da, das Wasser auf der Haut, und ließ es laufen. Keine Eile. Kein Plan. Nur der Wunsch, nicht mehr so zu riechen, wie gestern. Nicht mehr so zu sein wie gestern. Und das alles bei einer geschlossenen Tür.

Als ich zurück in den Wohnraum kam, war die Couch frisch abgezogen. Jemand hatte das Fenster gekippt. Helena. Natürlich. Ich setzte mich, zog mir die Decke über die Beine, starrte auf das schwarze Display des Fernsehers. Nichts rührte sich in mir. Kein Gedanke, der klar war. Kein Impuls, der laut genug gewesen wäre, um sich durchzusetzen.

Aber das war okay. Irgendwo dazwischen. Noch nicht angekommen. Noch nicht weg. Der Tag verging, ohne dass ich ihn wirklich bemerkte. Ich saß am Fenster, auf der Couch, wieder am Fenster. Trank Tee, aß ein paar Chips, sah noch mehr Greys Anatomy, ohne dem Inhalt wirklich zu folgen. Helena war da, aber nicht aufdringlich. Sie räumte leise, kochte, telefonierte kurz mit ihrer Schwester, glaube ich. Fragte mich einmal, ob ich raus will. Ich schüttelte den Kopf.

Manchmal blieb sie einfach sitzen. Nah genug, dass ich nicht allein war. Weit genug, dass ich mich nicht beobachtet fühlte. Irgendwann wurde es dunkel. Draußen, dann auch in mir.

Ich ging früh ins Bad, blieb lange unter der Dusche. Schrubbte nicht. Wusch mich nicht heftig. Stand da, das Wasser auf der Stirn, über die Schultern, wie ein Rauschen gegen den Lärm im Kopf. Helena hatte das Bett frisch bezogen. Auf der Couch lagen Pyjama, Wärmflasche, ein Glas Wasser. Ihre Handschrift.

Ich legte mich, zog die Decke bis unter die Nase, drehte mich zum Fernseher. Noch bevor sie das Licht ausmachte, schlief ich ein. Ohne Aufschrecken, ohne Erinnerung, gleichmäßig, traumlos, leise.

***

Es war schon später Nachmittag, als ich Helena das erste Mal mit dem Schlüssel hantieren hörte. Sie hatte mich vorher nicht gefragt, ob ich etwas brauche, sie hatte nur gesagt, sie müsse kurz raus, ein paar Dinge holen. Nichts Wichtiges. Nur Sachen, die ich vielleicht vermissen würde, ohne es zu merken.

Ich war auf der Couch geblieben, geduscht, in Jogginghose, mit Unterwäsche, das Fenster gekippt, Tee auf dem Stuhl neben mir. Ich hatte mich nicht bewegt, als sie die Tür aufschloss.

Aber als sie zurückkam, war sie nicht allein. Ich hörte erst ihre Schritte, dann ein zweites Paar. Leiser. Zögernder. Ich setzte mich auf. Gerade. Helena trat zuerst ins Wohnzimmer, stellte die Stofftasche ab, in der mein Ladegerät herausragte. Mein Laptop. Meine Jacke. Und ein paar gefaltete Kleidungsstücke. Sie sagte nichts.

Dann wandte sie sich der Tür zu. Machte einen Schritt zur Seite. Jule trat ein. Langsam. Die Hände offen. Kein Lächeln, kein Blick, der etwas forderte. Nur diese Ruhe, die ich kannte – aber heute anders fühlte. Vorsichtiger. Leiser. Finster. Ich sah zu Helena. Fragte nichts. Sie hob kurz die Schultern.

„Ich hab‘ sie nicht gefragt. Sie war einfach da.“ Eine Pause. „Ich dachte, es wäre besser, wenn du's von ihr hörst.“

Ich sagte immer noch nichts. Merkte wie sich meine Muskeln versteiften, halb damit rechnend erneut die Flucht anzutreten. Aber ich rückte zur Seite. Machte Platz auf dem Sofa. Zwischen uns: ein Kissen. Und alles, was geschehen war. Jule blieb stehen. Erst einen Atemzug lang. Dann setzte sie sich.

Helena ging in die Küche, ließ die Tür angelehnt. Kein Geräusch. Kein Zeichen, dass sie noch zuhörte. Nur Stille. Und zwischen uns: das, was endlich gesagt werden musste. Der Elefant im Raum.

Jule saß auf der Kante des Sofas, die Hände ruhend auf den Oberschenkeln. Ihre Schultern wirkten schmaler als sonst, der Blick offen, aber vorsichtig. Ich hatte ihr einen Platz angeboten, ohne etwas zu sagen, einfach, weil es das war, was man tat, wenn jemand kam, der nicht gehen wollte.

Ich saß neben ihr. Im Schneidersitz. Die Decke über den Knien, das Glas mit lauwarmem Orangensaft in der Hand. Ich sah sie nicht direkt an. Aber ich hörte jede Bewegung, jedes Atemholen.

„Ich bin nicht gekommen, um irgendwas zu rechtfertigen“, sagte sie nach einer Weile. „Ich wollte nur, dass du weißt: wir haben Paul rausgeschmissen.“

Mein Kopf hob sich langsam. Ihre Stimme war ruhig. Keine Betonung auf dem Satz – aber er landete trotzdem wie ein Schlag.

„Raus?“ Meine Stimme war rau. Wie lange hatte ich nicht mehr laut gesprochen?

Jule nickte.

„Ben hat es entschieden. Ich hab’s durchgesetzt.“


Eine kurze Pause. Dann: „Er hat gestern Nacht noch versucht, sich rauszureden. Hat gesagt, es war ein Versehen, ein Missverständnis. Ich hab‘ ihm gesagt, dass er seine Sachen packen soll. Heute Morgen war er weg.“

Ich sah sie lange an. Sie wich meinem Blick nicht aus. Und es war nicht stolz, der in ihren Augen lag, sondern Entschlossenheit. Vielleicht auch ein bisschen Müdigkeit.

„Du musst dir keine Sorgen mehr um ihn machen“, sagte sie. „Und wenn du zur Polizei willst – Ben und ich stehen hinter dir.“

Ich nickte. Nicht sofort. Nicht fest. Aber lang genug, dass sie es sehen konnte. Dann senkte ich den Blick. Meine Finger umklammerten das Glas. Etwas in mir wollte etwas sagen. Irgendwas. Dankbarkeit vielleicht. Wut. Trauer. Aber die Worte blieben hängen.

Jule lehnte sich ein kleines Stück zurück.

„Ich hab’s nicht gesehen“, sagte sie leise. „Vielleicht wollte ich es auch nicht sehen. Vielleicht war es einfacher, dich stark zu finden.“ Sie atmete einmal tief durch. „Ich hab‘ nicht gesehen, wie es gekippt ist. Nicht, wie es dir ging. Ich dachte, ich hätte alles im Blick…“

Sie ballte die Faust, schlug ein paar Mal auf das Couchkissen ein. Das Gespräch kostete sie Überwindung, das wurde deutlich.

„Ich war stolz auf unser Spiel. Auf die Regeln. Auf dich. Und dann… hab‘ ich’s verpasst.“

Ich hob wieder den Kopf.

„Ich auch“, sagte ich.

Sie blinzelte. Ich glaube, sie wusste nicht, ob ich ihr gerade vergeben hatte – oder mir selbst. Dann plötzlich: „Scheiße, Lou.“ Ihre Stimme riss ab. Sie schüttelte leicht den Kopf.


„Es tut mir leid.“ Kein langer Blick. Kein gesenkter Ton. Dieser eine Satz. Und ich merkte, dass sie es wirklich meinte. Wir saßen einen Moment einfach nur da. Die Luft zwischen uns war schwer, aber nicht feindlich.

„Ich geh gleich wieder“, sagte sie dann. „Wollte nur, dass du’s von mir hörst.“

Ich nickte wieder.

Sie stand nicht sofort auf.

Stattdessen sah sie mich an, als hätte sie noch etwas sagen wollen, das nicht in den bisherigen Rahmen passte. Etwas, das nicht mehr unter Spiel fiel. Kein Befehl. Keine Regel. Nur die Wahrheit.

„Ben…“ setzte sie an. Dann hielt sie kurz inne.

„Er ist nicht gut im Reden. Weißt du ja. Aber er hat mir vor ein paar Tagen etwas gezeigt. Etwas, das er dir geben wollte.“

Ich runzelte leicht die Stirn.

„Ein Halsband. Dunkles Leder. Schlicht. Keine Ringe, keine Ornamente. Nur innen – innen war dein Name eingeprägt. Klein. Fast wie ein Geheimnis.“

Ich schluckte.

„Er wollte dich fragen, ob du seins sein willst. Richtig. Nicht für eine Nacht. Nicht für ein Spiel. Für ihn. Nur noch für ihn. Er hat gesehen, wie etwas in dir gekippt ist. Er wollte dich da rausholen. Unser Spiel beenden.“

Ein Moment Stille. Dann:

„Und er hat sich gehasst dafür, dass er zu lange gewartet hat. Dass Paul zuerst war. Dass er dich nicht beschützt hat. Nicht gefragt hat. Nicht erkannt hat, was du brauchst, bevor du’s selbst wusstest.“ Sie machte eine Pause. „Ich weiß nicht, ob ich das überhaupt sagen darf“, begann sie. „Vielleicht hätte ich lieber die Fresse halten sollen. Vielleicht hilft es dir. Du hast dir etwas Ehrlichkeit verdient.“

Ich spürte, wie sich etwas in meinem Brustkorb zusammenzog.

„Er hat mich gefragt, ob ich glaube, dass du ihm das je verzeihen kannst“, fuhr sie fort. „Ich hab‘ gesagt: Ich weiß es nicht. Aber ich weiß, dass ihr euch gegenseitig verändert habt. Und dass das nicht spurlos bleibt.“

Ich sah sie an. Lang.

„Du meinst… ich hab‘ ihn auch verändert?“


„Ja“, sagte sie ruhig. „Und ich glaube du weißt es auch.“

Sie stand auf. Diesmal wirklich. Stellte ihr Glas leise auf den Tisch, richtete ihre Kapuze.

„Ich wollte, dass du das weißt. Nicht, damit du ihm vergibst. Sondern damit du verstehst, warum er nicht aufgegeben hat.“

Sie ging zur Tür. Öffnete sie nicht sofort.

„Und weil ich glaube, dass du es verdient hast, dass dich einer fragt, bevor er dich nimmt.“

Dann ging sie.

Und ich blieb zurück. Unsicher, und immer noch verletzt. Aber zum ersten Mal seit Tagen hatte ich das Gefühl wieder etwas sagen zu können.

Kapitel 12: Wenn du fragst


Der Tag begann leise. Kein Traum, kein Schock. Nur das dumpfe Wissen: Ich muss heute raus.

Ich stand lange vor dem Spiegel, bis das Gesicht vor mir wieder, wie ein Gesicht aussah. Blass, aber nicht gebrochen. Wach, aber nicht bereit. Helena kochte Kaffee, sprach kaum. Nur: „Wir gehen zusammen. Ich bring dich hin.“ Ich nickte. Die Worte reichten.

Der Weg zur Uni war kurz. Grau. Die Straßen noch nass vom nächtlichen Regen, unter den Fahrradständern glänzten Pfützen. Ich zog die Schultern hoch, das Gesicht tief in den Schal. Helena lief neben mir, nicht zu schnell, nicht zu nah.

Wir waren pünktlich. Seminar 10:15. Einführung in empirische Forschung. Früher war es ein neutraler Raum, in dem ich mich sicher fühlte. Heute fühlte er sich an wie eine Bühne, auf der ich nicht auftreten wollte. Wir traten ein. Einige Blicke. Zuerst nur flüchtig. Dann länger. Keine Worte, nur dieser winzige Moment zu viel, wenn ein Kopf sich dreht, ein Flüstern nicht leise genug bleibt.

Ich setzte mich wie immer. Zweite Reihe, Mitte. Helena neben mir. Dann, hinter uns, eine Stimme. Männlich. Leise genug, um sich entschuldigen zu können. Laut genug, dass ich es höre.

„Die ist’s wirklich.“


Helena drehte sich sofort um. „Was?“

Ihr Ton war glatt, und scharf wie Glas. Sie stand da wie eine Rachegöttin. Der Typ, ein blasser Kerl mit Wollmütze und lächerlich wirkendem Schnurrbart, zuckte zurück und wurde sofort drei Zentimeter kleiner. Seine Sitznachbarin sah stur geradeaus, mit immer roter werdenden Bäckchen.

„War nicht böse gemeint“, murmelte er.


Helena: „Aber gesagt.“

Sie wandte sich wieder nach vorn. Ich sagte nichts. Mein Herz schlug nicht schneller, es zog sich nur enger zusammen. Die Dozentin betrat den Raum, räusperte sich, schlug die Akte auf. Stimmen verstummten. Doch das Gefühl blieb: Als hätte ich ein Etikett auf der Stirn, auf dem „Schlampe“ steht.

Nach zehn Minuten flüsterte Helena zu mir: „Wenn du gehen willst, sag’s einfach.“

Ich schüttelte den Kopf. Nicht aus Trotz. Ich wusste, dass ich es durchstehen konnte. Noch eine Stunde. Noch ein Blick. Noch ein Atemzug. Ich war bemerkenswert resilient geworden. Aber es half auch, dass sie neben mir saß.

Die Stunde verging, ohne dass ich ein Wort sagte.

Ich schrieb mit, aber verstand nichts. Zeichnete Kreise an den Rand des Blatts, als wären es Gedanken, die keine Form finden wollten. Als das Seminar vorbei war, war ich die Erste, die aufstand, aber nicht die Erste, die den Raum verließ. Ich wartete, bis Helena ihre Tasche gepackt hatte.

„Zweite Veranstaltung beginnt erst in dreißig Minuten“, sagte sie.


Ich nickte.


„Café?“


Ich zuckte die Schultern. „Draußen reicht.“

Wir setzten uns auf eine der niedrigen Mauern im Hof. Die Luft war klar, die Sonne kämpfte sich durch eine zu dünne Wolkendecke. Auf den Wegen waren Leute. Redend. Lachend. Mich ignorierend, oder absichtlich nicht. Helena warf mir einen Seitenblick zu. Sagte nichts.

Ich zog mein Handy aus der Jackentasche. Entsperrte es. Keine neuen Nachrichten. Nur die alten, die ich gestern auch nicht gelesen hatte.

Dann, ohne lange zu überlegen, öffnete ich WhatsApp. Scrollte durch die Liste.

Bens Name.

Ich zögerte. Dann tippte ich auf den Chat. Kein Monolog. Kein Entschuldigungsroman. Nur eine Zeile.

„Ich bin da. Sag, wenn du reden willst.“

Keine Uhrzeit. Kein Ausrufezeichen. Nur ein Angebot. Ich starrte auf den Satz. Und wusste nicht, was ich fühlen sollte. Ich sah nicht zu Helena. Ich wollte nicht, dass sie es auf meinem Gesicht ablesen konnte. Stattdessen schloss ich die Augen für einen Moment.

Und da war er wieder: der Gedanke, der sich nicht abschütteln ließ. Dass er nichts gesagt hatte.


Nicht eingegriffen hatte. Nur am Ende. Da war er da. Vielleicht zu spät. Vielleicht gerade noch rechtzeitig.


Ich öffnete WhatsApp. Tippte ein Wort. Dann noch eins. Dann löschte ich sie wieder. Ich wusste nicht, was ich ihm schreiben sollte. Aber ich wusste, dass ich es tun würde. Nur: noch nicht jetzt.


Helena stand auf. „Komm, nächste Veranstaltung. Gleicher Raum.“


Ich nickte. Wir gingen.

Die zweite Veranstaltung verstrich auch irgendwie, ohne dass etwas von Gehalt an mir haften blieb Ich saß, ich schrieb, ich nickte an den richtigen Stellen. Aber es kam nichts an. Kein Gedanke blieb. Kein Argument verankerte sich. Helena saß neben mir. Nah genug, dass ich ihre Wärme spürte. Aber sie sagte nichts. Fragte nicht. Drängte nicht.

In der Pause kaufte sie uns beiden Tee, stellte den Becher wortlos vor mich hin, als könne er mich wieder mit der Welt verbinden. Ich hielt ihn lange in den Händen, ohne zu trinken. Einmal sah ich zu ihr hinüber. Ihre Augen lagen ruhig auf mir. Kein Mitleid. Sie war einfach nur für mich da. In meinem Kopf formten sich Sätze, die sich nicht schreiben ließen.

„Du hast mich nicht gerettet.“


„Ich hätte dich gebraucht.“


„Ich weiß nicht, ob ich dir vergeben kann.“


„Ich glaube, ich hab‘ dich trotzdem vermisst.“

Ich wusste, keiner dieser Sätze war wahr – oder falsch.

Und am Ende waren sie alle nur Varianten desselben Gedankens: Ich will dich wiedersehen.

Ich nahm das Handy aus der Tasche. Entsperrte es. Noch immer nur diese eine Nachricht:

„Ich bin da. Sag, wenn du reden willst.“

Ich sah sie an. Lange.


Dann schrieb ich zurück.


Drei Worte, ohne Punkt oder Fragezeichen.


Können wir reden

***

Der Weg zum Bus war still. Helena redete nicht, aber das war genau das, was ich brauchte. Die Stadt rauschte um uns herum. Menschen stiegen aus, ein. Trugen Taschen, Eile, Alltag. Ich trug nur mich. Und die Entscheidung, die noch in meiner Jackentasche vibrierte. Helena war neben mir. Kein Schatten. Keine Stütze. Nur: da.

Als wir an der Haltestelle ankamen, zog sie den Reißverschluss ihrer Jacke ein Stück höher. Der Wind war schärfer geworden.

„Ich bring dich noch zur Tür“, sagte sie.


Ich schüttelte den Kopf.


„Nein.“


Sie hielt inne. Fragte nicht. Ich sah sie an. Zum ersten Mal an diesem Tag richtig.


„Das ist etwas… das ich allein machen muss.“

Ein Nicken. Langsam. Verständig. Keine Kränkung. Kein Rückzug. Dann streckte sie mir ihre Hand hin, nicht zögernd, nicht flüchtig, einfach offen und da, so wie sie es in den letzten Tagen so häufig für mich getan hatte. Ich nahm sie. Kurz. Fest. Zwei Finger länger als nötig.

„Ich hol dich da wieder raus“, sagte sie leise. „Wenn du’s willst.“ In ihrer Brust klopfte das Herz einer Löwin, und ich war dankbar dafür. Ich nickte. Noch während ich die Tür öffnete.

Und dann ging ich.


Allein.


Und es fühlte sich zum ersten Mal wieder wie Selbstbestimmung an.

Die Wohnung roch, als wäre ich nie weg gewesen.

Nach Waschmittel, Kaffeesatz und den Dingen, die man nicht benennen kann, weil sie nicht an Gegenständen hängen, sondern an Erinnerungen. Ich stand einen Moment im Flur. Die Schuhe noch an, den Schlüssel in der Hand. Nichts bewegte sich. Bens Zimmertür war angelehnt. Nicht weit. Nur einen Spalt. Als hätte jemand vergessen, sie zuzumachen – oder ganz bewusst so gelassen.

Ich klopfte nicht.

Ich schob die Tür auf, langsam, leise.

Er saß am Schreibtisch, der Rücken zu mir gewandt. Die Schultern rund, als wäre die Luft in seinem Brustkorb zu schwer geworden. Als er sich umdrehte, war da kein Schreck. Nur ein langsames Heben des Blicks.

Er stand nicht auf.

Ich trat ein, und schloss die Tür langsam hinter mir. Zwei Schritte. Dann blieb ich stehen.


Er war bleich. Unter seinen Augen: ein Schatten, der nicht nur vom Licht kam. An den Knöcheln sah ich Schorf. Getrocknetes Rot. Rissige Haut. Die Spuren von dem, was er Paul angetan hatte – und sich selbst.

„Warte.“ Ich verließ den Raum wieder. Ohne zu sprechen. Ohne zu zögern. Im Bad fand ich die Salbe. Die kleine Tube aus der Hausapotheke, die Jule mir gegeben hatte. Ich kam zurück. Kniete mich vor ihn.

„Gib mir deine Hand“, sagte ich.

Er gehorchte. Ich öffnete die Tube. Trug auf. Vorsichtig. Still. Seine Finger zuckten leicht. Aber er sagte nichts. Ich sah ihn nicht an, während ich es tat. Nur seine Hand. Die Linien darin. Die Haut, die ich kannte, aber noch nie so gesehen hatte.

Als ich fertig war, legte ich seine Hand auf seine Knie zurück. Dann setzte ich mich ihm gegenüber auf sein Bett. Nah, aber nicht zu nah.

Er holte Luft. Und sagte: „Ich weiß nicht, was ich sagen soll.“

Ich antwortete nicht sofort, ließ den Moment kurz in der Luft hängen. Dann: „Sag nur, was du wirklich meinst. Alles andere… hatten wir schon.“

Er sah mich an. Und dieses Mal wich er meinem Blick nicht aus.

„Ich hab‘ alles falsch eingeschätzt“, sagte er. „Ich dachte, wenn ich dich in Ruhe lasse… geb‘ ich dir Freiheit selbst zu entscheiden. Ich hab‘ dir nie gesagt, was ich fühle. Und als ich’s endlich sagen wollte, da war’s zu spät.“

Ich schwieg. Nicht, weil ich es nicht hören wollte. Sondern weil ich spüren wollte, ob da noch mehr kam.

„Paul war schneller“, fuhr er fort. „Und ich… hab‘ mich klein gemacht. Hab‘ gedacht: Vielleicht ist das deine Wahl. Vielleicht wolltest du’s genau so. Ich fühle mich so blöd.“

Ich lehnte mich zurück. Atmete langsam aus.

„Ich hab‘ keine Wahl getroffen“, sagte ich. „Schon lange nicht mehr. Ich bin nur mitgelaufen.“

Er nickte. Langsam. Wie jemand, der erst jetzt begreift, was das bedeutet.

„Du hast mich gefragt, ob ich dir verzeihen kann“, sagte ich. „Jule hat es mir erzählt.“


Seine Finger krampften sich um die Kniekante. „Ja.“


Ich sah ihn an. Lange. „Ich muss dir nichts verzeihen. Du hast mich nicht verraten.“


Ein kurzes Zucken in seinem Gesicht. Er glaubte es nicht. Noch nicht.


„Du warst vielleicht feige. Still. Zu langsam. Aber du warst nicht der, der mich verkauft hat.“

Ich sah seine Augen. Das Zittern darin. Kein Tränenfilm. Aber diese Art von innerem Widerstand, der kurz davor ist, aufzugeben.

„Ich habe Paul nie vertraut“, sagte ich leise. „Aber dir wollte ich’s. Nur… du hast nie gefragt.“

Er hob den Blick. Diesmal war er klarer. Weniger Flucht. Mehr Fragen.


„Dann frage ich jetzt“, sagte er.


Eine Pause.


„Willst du es nochmal versuchen? Mit mir. Mit uns. Ohne Spiel. Oder mit – wenn du’s willst.“


Ich schwieg. Nur einen Atemzug lang. Dann sagte ich:


„Ja.“


Kein Zögern. Kein Zusatz. Nur: Ja.

Er stand nicht auf. Tat nichts Überstürztes. Er griff in die Schublade seines Schreibtisches, holte ein kleines, flaches Etui hervor. Legte es auf die Tischplatte, öffnete es.

Ein einfaches Halsband aus dunklem Leder, Schlicht. Kein Metall. Kein Glanz. Innen, kaum sichtbar, stand mein Name. Klein. Gebrannt, nicht geprägt. Er schob es mir nicht zu. Er sah mich an. Fragend. Zum ersten Mal richtig.

„Wenn du’s willst – bin ich da.“


Ich nahm es nicht sofort.


Ich legte die Hand auf den Tisch. Nah genug, dass er sie sehen konnte. Dann sagte ich:


„Frag mich.“


Er schluckte. Räusperte sich. Dann, leise:


„Willst du meine sein? Wirklich?“

Ich nickte. Spürte, wie mein Herz wieder lauter wurde.

„Ja. Und ich will, dass du fragst, jedes Mal, wenn du mich brauchst. Damit ich’s sagen kann, jedes Mal.“

Er lächelte. Fast. Nur ein Hauch. Dann stand er auf. Und ich ließ ihn mir das Halsband umlegen. Nicht als Zeichen der Schwäche. Sondern als freie Entscheidung.

Als: Jetzt bin ich hier.

***

Ich stand im Bad. Die Tür war nur angelehnt, das Licht gedimmt. Der Boden war kühl, der Spiegel noch beschlagen vom warmen Wasser. Ich hatte mich nicht geschminkt. Nicht gerichtet. Nur das T-Shirt übergeworfen, in dem ich gekommen war. Der Stoff war weich vom Tragen, an den Ärmeln etwas ausgeleiert. Mein Haar war noch feucht. Ungebändigt.

Ich trat einen Schritt näher.

Das Halsband lag an wie eine zweite Haut. Kein Glanz. Kein Schnickschnack. Nur diese Linie aus dunklem Leder, die sich ruhig um meinen Hals legte, als hätte sie dort schon immer hingehört.

Ich neigte den Kopf ein wenig und sah mich an, als wäre ich gerade aufgetaucht.

Kein Lächeln. Aber auch keine Zweifel mehr. Ich war nicht gebrochen. Nicht gerettet. Ich war nicht stolz. Nicht beschämt. Ich war: da. Und habe zu mir selbst gefunden.

Und das war genug.

Epilog


Ich glaube nicht, dass man sagen kann, wann etwas vorbei ist. Es gibt kein letztes Kapitel, keine saubere Grenze, keine letzte Szene, nach der der Abspann läuft.


Was es gibt: das erste Mal, dass man wieder selbst atmet. Die erste Grenze, die man nicht für jemand anderen verschiebt. Die erste Nacht, in der man sich selbst gehört.

Ich hab‘ vieles falsch eingeschätzt. Mich selbst vielleicht am meisten. Aber ich bin noch da. Und vielleicht ist das gerade alles, was zählt. Es gab kein Happy End. Aber einen Anfang. Und vielleicht reicht das fürs Erste.

Mit einem neuen Schlüssel. Einer neuen Wohnung. Einer neuen Hausordnung. Und der Frage, wer sie diesmal schreiben darf. Ich sage wieder nein. Manchmal auch ja. Und ich weiß, dass beides zählt.

Das Halsband trage ich immer noch. Aber jetzt ist es meine Entscheidung. Vielleicht war es nie nur ein Spiel. Aber ich habe gelernt, dass ich die Regeln auch mitbestimmen darf.

Ab jetzt. Für mich.

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