Rumble in the Jungle
von Mondstern
Seit Minuten betrachtete der junge Mann sich im Spiegel der Bordtoilette des alten Jumbos einer afrikanischen Fluglinie, deren Namen er nicht einmal aussprechen konnte. Nonstop von Frankfurt nach Johannisburg, knallharte Verhandlungen mit den südafrikanischen Geschäftspartnern und weiter zu seinem eigentlichen Ziel – Kinshasa, der Hauptstadt der Demokratischen Republik Kongo.
Dass kurz vor dem Abflug noch zwei Mechaniker am Triebwerk arbeiteten, und irgendein widerspenstiges Bauteil mit dem Hammer bearbeitet hatten, nahm er mit stoischer Gelassenheit zur Kenntnis.
Nikolas “Nick“ Brenner kämmte sich auf der Bordtoilette die blonden Haare zurück, überprüfte den korrekten Sitz seines teuren Armani-Anzugs und trottete an seinen Sitzplatz in der ersten Klasse zurück. Aus seinem Aktenkoffer fischte er den dünnen, aber hochbrisanten Schnellhefter mit dem Vermerk: Streng vertraulich. Noch einmal machte er sich mit den dort aufgeführten Personen vertraut.
Ein Blick auf seine Seiko ließ Brenner kurz lächeln. In weniger als einer Stunde würde er in Kinshasa landen und seinem großen Ziel erheblich näherkommen.
Endlich. Brenner hatte viel Arbeit und Zeit investiert. Er hatte es verdammt noch mal verdient.
„Ist alles in Ordnung, Sir?“, fragte die Stewardess, die durch den breiten Mittelgang ging, um die Wünsche der betuchten Reisenden zu erfüllen.
„Natürlich! Oder sehe ich aus wie jemand, bei dem nicht alles in Ordnung ist?“, fuhr er die zierliche, dunkelhäutige Frau barsch an. Im selben Moment tat es ihm aber auch schon leid.
Die erfahrene Flugbegleiterin lächelte höflich, ließ sich nichts anmerken und kümmerte sich um die anderen Gäste.
Nick streckte seinen Kopf in den Mittelgang und sah der attraktiven Frau nach. Unter dem engen Rock zeichnete sich ihr knapper Slip deutlich ab,
„Dich würde ich auch gern mal vögeln!“, sagte er leise auf Deutsch. Dann wendete er sich wieder den mysteriösen Unterlagen zu. Seine Sitznachbarin, eine dicke platinblonde Frau in den 60ern sah in lächelnd an. Er lächelte zurück und murmelte vor sich hin: „Dich würde ich nicht mal vögeln, wenn der Fortbestand der Menschheit davon abhinge.“
Wieder zeigte er sein charmantes Lächeln, und die in bunte Stofftücher gehüllte Dame, die kein Wort Deutsch verstand, schmunzelte zurück.
Es gab pro Leben nur eine wirklich gute Chance. Die von Nick Brenner war Florian Ahlenbacher. Ein Weichei und Volldepp. Aber einer von der Sorte mit einflussreichem Vater, großem internationalen Chemie-Konzern und Geld bis zum Abwinken. Geld spielte in Brenners Philosophie nur die zweite Geige. Was er wollte, war Macht und Ansehen. Dafür hatte er Ahlenbacher durch das gesamte BWL-Studium gezogen. Ihn mit auf Partys genommen, ihm Frauen und Drogen besorgt und für alle Fälle eine heimliche Videoaufnahme von der letzten nächtlichen Orgie gemacht. Besonders die 150 Euro, die Nick einem Stricher bezahlt hatte, um die seine Karriere fördernde Fotosammlung zu bereichern, empfand er als eine seiner besten Zukunftsinvestitionen. Vor allem der Schnappschuss, als der junge Ahlenbacher viel Spaß mit dem vor ihm knienden Stricher hatte.
Der Unternehmer Oskar Ahlenbacher hätte ihn als Jahrgangsbesten wahrscheinlich auch so eingestellt. Für das mittlere Management, als rechte Hand seines unfähigen Sohnes und letztendlich als Sündenbock für dessen Unfähigkeit.
Nick lachte laut auf. Die Dame zu seiner Linken nickte wieder lächelnd.
Nimm nie das erste Angebot an. Nick erinnerte sich an Florian Ahlenbachers Gesichtsausdruck, als er die gut bezahlte Stelle ablehnte. Eine Woche später hatte er seinen Termin beim Boss persönlich in einem der imposantesten Bürokomplexe von Frankfurt.
Der Alte war knallhart, arrogant und clever. Der Junior konnte lediglich bei der Arroganz das Wasser reichen, und selbst da war er nur Mittelmaß. Brenner war aus anderem Holz geschnitzt, und erwarb sich mit riskanten, aber hochrentablen Geschäftsmodellen die Gunst des Vorstandschefs. Als Oskar Ahlenbach ihn abends zum Essen in seine Villa zitierte, war Brenners erstes Ziel erreicht. Zumindest ein Etappenziel. Zähneknirschend musste er akzeptieren, dass der Boss seinen Sohn in der Branche involvieren wollte.
Der erste, von Ahlenbacher privat finanzierte Deal, brachte Brenner einen Bonus von 100 000 Euro, der nächste ging so was von schief und Nick musste sich schmerzhaft eingestehen, dass er bei Weitem nicht so clever war, wie er es gern wäre. Aber Brenner war ein Kämpfer, analysierte schonungslos jeden auch noch so kleinen Fehler und erarbeitete eine neue Strategie. Am nächsten Tag stand er Rede und Antwort vor seinem mächtigen Boss.
Florian Ahlenbacher saß desinteressiert im Ledersessel und spielte auf seinem Smartphone herum. Der Alte stand am Fenster und hörte aufmerksam zu, wie sein junger Manager das verbesserte Konzert vorstellte. Dass Nick nicht versuchte die Fehler schönzureden, sondern die volle Verantwortung übernahm, ließ den alten Ahlenbacher im Stillen schmunzeln und den Jungen selbstgerecht grinsen.
Da der Junior somit rehabilitiert war, und zudem noch einen dringenden Termin bei seinem Friseur hatte, entließ ihn der Alte aus dem Meeting.
„Sie sind ein skrupelloser kleiner Wichser, Brenner.“ Ahlenbacher schüttelte den Kopf. „Sie gefallen mir. Nur eins, Ihr nettes reumütiges Schauspiel-Geständnis der eigenen Unzulänglichkeit sparen Sie sich aber bitte in Zukunft für andere auf.“
Brenner lächelte.
„Meine Devise heißt: Richtig fettes Geld macht man mit den richtig bösen Scheißkerlen. Wir haben da was am Laufen, und ich brauche einen Mann, der vor Ort die Fäden zieht. Sie sind mein Mann, Brenner.“ Er drückte einen Knopf auf seiner Telefonanlage und kurz darauf stürzte seine Sekretärin ins Zimmer.
„Sagen Sie alle weiteren Termine für heute ab, Ilka, und reservieren Sie einen Tisch im Hessischen Hof.“
„Dieser Zeitungsfritze wartet schon, und den haben wir jetzt schon dreimal vertröstet.“
Während der Boss noch die neue Information abwog, fusselte die 40-Jährige, trotz ihrer 30 Kilogramm Übergewicht zum Konferenztisch und räumte das Kaffeegeschirr zusammen. Unter den auftoupierten roten Haaren beobachteten wache Augen Nick Brenner durch eine zitronengelbe Brille.
„Dann schicken Sie ihn rein und unterbrechen Sie mich nach spätestens 20 Minuten.“
„Spätestens.“ Die quirlige Sekretärin zwinkerte dem Boss zu, nahm das Tablett mit den schmutzigen Tassen und legte noch eine Notiz auf Ahlenbachers Schreibtisch. „Zusammenfassung, was der Presseheini glaubt aufgedeckt zu haben, und ein vorbereitetes Understatement.“
„Sie sind ein Engel, Ilka.“
Sie lächelte im Glanz ihrer riesigen glitzernden Ohrringe.
***
Eine gute Stunde später dinierte Brenner mit Ahlenbacher im 5-Sterne Restaurant und bekam einen Einblick in die Welt des Big Business. Als Ahlenbacher am Ende seines Referats die Summe des zu erwartenden Gewinns präsentiert, pfiff Nick leise.
„Eins sollte Ihnen aber klar sein, Brenner. Wenn es hart auf hart kommt, sind Sie auf sich allein gestellt. Anders gesagt: Wenn etwas schiefgeht, opfere ich Sie als alleinigen Sündenbock. Zum Abschluss noch ein guter Cognac?“
Nick sah sich für einen Moment ohne Zähne und mit abgeschnittenen Fingerkuppen auf einer Müllhalde liegen, aber nur für einen kurzen Moment.
***
„Natürlich!“ Nick wusste, wie solche Spiele gespielt werden, und dass das Volk weniger an der Wahrheit interessiert ist, sondern an einem, dem sie die Schuld geben konnten. Finanziell wäre er für den Rest seines Lebens abgesichert, das er dann allerdings untergetaucht in einem südamerikanischen Land verbringen müsste. Aber erst mal mussten sie ihn erwischen. Er wandte sich wieder an seine platinblonde Sitznachbarin. „In zwei Jahren bin ich Juniorpräsident, in zehn leite ich das Imperium und in zwanzig regiere ich die Welt. Dann lasse ich die korrupten Präsidenten, Könige und Diktatoren antanzen, und mir den Schwanz lutschen.“
Sie lachte gekünstelt und verstand kein Wort.
Nicks Mission war hochbrisant. Die Geschäftspartner in Kinshasa waren gefährliche Männer, aber dank fehlender Moral und Bodenschätzen, wie Gold und Diamanten, auch sehr reiche Männer. Und sie brauchten die Produkte, die ihnen die Ahlenbacher AG unter Umgehung des Embargos liefern konnte.
Nick blätterte noch einmal im Dossier, das ihm Ilka zusammengestellt hatte. Angaben über die dortige Außenstelle, Adressen und Profile der leitenden Mitarbeiter, Produktionspalette und –mengen. Er überblätterte den dreiseitigen Bericht, las am Ende das kurze Memo über sein Reiseziel.
Die Demokratische Republik Kongo ist eine Republik in Zentralafrika. Sie grenzt an die Zentralafrikanische Republik, den Südsudan, Uganda, Ruanda, Burundi, Tansania, Sambia, Angola, die Republik Kongo und an den Atlantik. Die DR Kongo ist an Fläche der zweitgrößte Staat Afrikas (6,6-mal so groß wie Deutschland). Im Ballungsgebiet der Hauptstadt Kinshasa leben rund neun Millionen Einwohnern.
Das Land wird vom Äquator durchzogen; es herrscht ein tropisches Klima. Große Teile des Staatsgebietes sind von tropischem Regenwald bedeckt. Die etwa 70 Millionen Einwohner kann man in mehr als 200 Ethnien einteilen. Es existiert eine große Sprachvielfalt, die Verkehrssprache ist Französisch. Etwa die Hälfte der Einwohner bekennt sich zur katholischen Kirche, die andere Hälfte verteilt sich auf Kimbanguisten, andere christliche Kirchen, traditionelle Religionen und den Islam.
Trotz seines Rohstoffreichtums zählt der Staat, bedingt durch jahrzehntelange Ausbeutung und jahrelange Kriege, heute zu den ärmsten Ländern der Welt.
Am Ende ein handschriftlicher Vermerk
PS: HIV - Im Kongo sind mindestens eine Million Menschen mit HIV infiziert, jährlich stirbt jeder Zehnte daran. Die Krankheit erreicht bei den 15-49-Jährigen Werte um 20 Prozent. Und der Berufsstand der “horizontalen Damen“ toppt den Durchschnittswert noch um einiges.
Also immer schön mit Gummi :-)
Pass auf Dich auf und komm gesund zurück.
Gruß und Kuss. Ilka
Nick legte schmunzelnd den Schnellhefter aus der Hand. ‚Sie hat schon recht, die gute Ilka“, dachte er und freute sich über einen Scotch, den ihm die hübsche Stewardess servierte. Ihr sinnliches Make-up und ihre leicht mandelförmigen Augen machten ihn an. Nick schloss die Augen und war mit seinen Gedanken sehr bald woanders …
Er lehnte sich in den durchgesessenen Sitz der alten Maschine und legte seine Hand auf ihren straffen Hintern.
„Noch einen Wunsch, Sir?“, fragte sie ihn.
„Frag nicht so blöd und blas’ mir einen.“
„Mit Vergnügen, Sir.“
„Und zieh dich aus. Ich will dich nackt sehen, Süße.“
Die hübsche Flugbegleiterin riss sich ihre Uniform vom Leib und stürzte sich auf Nicks Glied. Sie war gut. Genau nach seinem Geschmack lutschte und saugte sie an seiner Männlichkeit.
„Blas ihn, Süße! Ja … jaaa.“
„Ja, Sir! … Sir? … SIR?“
„WAS?“ Nick schreckte auf.
„Bitte anschnallen, Sir. Wir setzen zur Landung an“, sagte die Stewardess, die soeben noch splitternackt zwischen Nicks Beinen geturnt hatte, und half ihm, den Beistelltisch einzuklappen.
„Wahrscheinlich besser so“, erklärte er seiner Sitznachbarin. „Nicht, dass ich ihn noch ausgepackt, und dir aufs Kleidchen gespritzt hätte.“
Die Platinblonde kicherte wie erwartet und nickte höflich.
Während die Maschine an Höhe verlor, begann das Licht über Nicks Sitz zu flackern. Je tiefer der Jet sank, desto länger die Intervalle der Finsternis. Besorgt sah er sich um.
„Die Elektrik hat irgendwo einen Massefehler“, meinte die gut gelaunte Stewardess. „Ist aber nichts Schlimmes.“
„Nichts Schlimmes?“ Nick war sprachlos, überprüfte den Sicherheitsgurt und versuchte, sich an ein Gebet aus seiner Kindheit zu erinnern.
Die alte Maschine setzte zur Landung auf dem Ndjili International Airport an und Nick leierte das Vaterunser herunter. Der Pilot hämmerte die Maschine knallhart auf die Piste und kam irgendwann neben einem schäbigen Hangar zum Stehen.
Nick brauchte einen Moment, um tief durchzuatmen und seine Gedanken zu ordnen. Der Flugkapitän und sein Kopilot verabschiedeten die Passagiere an der Ausstiegsluke. „Wenn ich Lehrer wäre, und Sie meine Schüler, würde ich Ihnen für die Landung ein‚ ’Ungenügend’ geben“, meinte Nick.
„In unserem Job gibt es keine Noten, Sir“, konterte der Pilot. „Nur die Alternative ’bestanden’ und ’nicht bestanden’.“
Nick lachte, gab beiden die Hand und stieg aus der Maschine. Die mörderische Hitze machte ihm wenig aus, aber dass sie hier auf dem schwarzen Kontinent ihren Schrott überall abstellen müssen ... Allerdings revidierte Nick schnell seine Meinung, als er sah, dass die Passagiere in den uralten, rostigen Bus einstiegen, der wohl als Shuttle diente. Ob wohl einer einen Anker rauswerfen wird, weil die Bremsen seit einem Jahrzehnt nicht mehr funktionierten?
Bevor er sich weitere Gedanken machen konnte, hörte er seinen Namen. Ein stämmiger, dunkelhäutiger Mann, mit grauem kurzem Haar und kantigem Gesicht, winkte ihm zu. Er trug lange sandfarbene Hosen und ein Kakihemd, das ihm eine Nummer zu groß war.
„Kommen Sie her, Monsieur Brenner!“, rief er in einwandfreiem Französisch.
„Bonjour.“
„Bonjour. Ich bin Ubangi. Die Holding hat mich zu Ihrem persönlichen Assistenten ernannt. Ich werde alle Ihre Wünsche erfüllen und …“
„Dann besorg erst mal ein verkehrssicheres Fahrzeug“, unterbrach ihn Nick und zeigte auf den Shuttlebus. „Das Wrack ist ja wohl ein schlechter Scherz.“
„Ist der so weit nach Ihrem Geschmack?“ Ubangi deutete auf ein Fahrzeug, das im Schatten eines rostigen Tankwagens stand.
Nick pfiff leise. Ein AMG 55 sieht man auch in Deutschland nicht an jeder Straßenecke und hier im ärmsten Teil der Welt wohl noch etwas seltener. Er lief um den Mercedes und nickte anerkennend.
„Fängt gut an. Wo werde ich wohnen?“
„Auf der Farm von Haushaltsminister Odolphe Mazitu, einem der Gesellschafter der Holding.“
‚Und wohl dem korruptesten und gefährlichsten Scheißkerl hier’, dachte sich Nick, vermied es aber, irgendeine Reaktion zu zeigen. „Hervorragend, ich freue mich.“
Die Fahrt verlief ohne Zwischenfälle und Nick betrachtete nachdenklich die Umgebung mit baufälligen Häusern, heruntergekommenen Geschäften und erbärmlich gekleideten Menschen, die um ihr tägliches Überleben kämpften. Zahllose Bettler mit abgehakten Gliedmaßen saßen an den Kreuzungen. Einzig die überall Fußball spielenden Kinder und Jugendlichen schienen glücklich zu sein, zumindest für den Moment. Die Menschen taten Nick leid, aber er war nicht der Messias. Insgeheim schwor er sich jedoch, bei Gelegenheit einige Hilfsorganisationen finanziell zu unterstützen.
Nach über einer Stunde waren sie endlich an der Zweigstelle angekommen. Einem riesigen Gelände mit modernen Lagerhallen. Ein villenartiges älteres Gebäude wurde gerade aufwendig saniert. Alles wirkte noch provisorisch und überall liefen Handwerker herum. Zudem wimmelte es auf dem gesamten Sektor von schwerbewaffneten kongolesischen Soldaten, die sich aber alle im Hintergrund aufhielten.
***
Dass man Nick in einem Vorzimmer erst einmal eine Stunde warten ließ, störte ihn nicht weiter. So wurde das Spiel eben gespielt und sie wollten ihm gleich klarmachen, wer der Chef war. Gedankenversunken ging er noch mal die Fakten seiner Mission durch.
Der Kongo zählt zu den rohstoffreichsten Ländern der Welt, Bergbauprodukte sind seit Jahrzehnten Hauptexportgut, wichtigster Devisenbringer des Landes und Haupteinnahmequelle des Staats. Gefördert werden vor allem Diamanten, Gold, Kupfer und Coltan. Die Erdölreserven im gesamten Staatsgebiet werden auf 180 Millionen Barrel geschätzt, dazu noch Erdgas von einer Milliarde Kubikmetern.
Der Ahlenbacher AG ging es darum, sich die Exklusivrechte für Coltan zu sichern. Ein Erz, aus dem vorrangig Tantal gewonnen wird, das in der Mikroelektronik verwendet wird. Zum Beispiel für kleinste Kondensatoren mit hoher elektrischer Kapazität, die in Mobiltelefonen und Laptops eingesetzt werden. Der Weltmarktpreis betrug immerhin 400 US-Dollar pro Kilogramm.
Das Diffizile an diesem Geschäft war, dass der Import kongolesischen Coltans seit Jahren kontroverse Diskussionen auslöste, weil damit westliche Unternehmen indirekt maßgeblich zur Aufrechterhaltung des Kriegszustands beitragen. Verschiedene Organisationen riefen immer wieder zu Boykottkampagnen gegen das Erz aus dem Kongo auf, und ignorieren dabei, dass der Coltanexport Haupteinnahmequelle der Menschen der Provinz Kivu ist. Seltsamerweise hat niemand ein Problem mit saudischem Öl, das in Panzer und Kampfflugzeuge gefüllt werden kann …
Die Zeit verging langsam, und Nick wurde es langweilig. Als aber die dritte Stunde anbrach, die Sekretärin auf seine Nachfrage nur mit der Schulter zuckte, stand Nick auf und verließ zornig das Büro. Er war fast am Ausgang, als ihm ein aufgeregter Mann in Tarnflecken-Uniform nachrannte und zum Stehenbleiben aufforderte.
„Monsieur Brenner! Stehen bleiben, das ist ein Befehl!“
Nick blieb stehen und sah sich den etwa 25-jährigen Mann an.
„Sie haben mir keine Befehle zu erteilen. Wenn ich mit meinem Bericht fertig bin, werden Sie nie wieder jemandem einen Befehl geben!“
Verwundert sah der Offizier den selbstsicheren jungen Mann an. Er fletschte die Zähne zu einem gezwungenen Grinsen: „Der Geschäftsführer empfängt Sie jetzt.“
Nick, der sich seiner Machtbefugnis durchaus im Klaren war, trat einen Schritt auf den Uniformierten zu. Dieser sah ihn unsicher an. „Wo ist hier der beste Nachtklub?“
„Nachtklub? Wieso Nachtklub? Ich verstehe die Frag…“
„Was Sie verstehen oder nicht verstehen, interessiert mich einen Dreck. Beantworten Sie meine Frage!“
„Das Château“, antwortete der Offizier unsicher. „Am Hafen.“
„Am Hafen, SIR!“
Der Offizier nahm Haltung an und sagte in militärischem Ton: „Das Château, SIR!“
Nick grinste triumphierend und sah auf seine Armbanduhr. „Wie lange brauche ich bis dorthin?“
„30 Minuten, SIR!“
„Ich erwarte den Geschäftsführer dort in einer Stunde.“
„Ja, SIR!“, war seine knappe Antwort, und während er auf dem Absatz kehrtmachte, ging Nick zu dem geparkten Mercedes.
„Zum Château, Ubangi.“
Etwas enttäuscht darüber, dass sein persönlicher Sekretär nicht genauso aufsprang, die Hacken zusammenschlug oder gar vor ihm salutierte, stieg Nick in den Wagen. Gäbe es da nicht diese „Zwischenfälle“, so hätte Nick durchaus während seiner Bundeswehrzeit Karriere machen können. Er war schon für den Offizierslehrgang vorgeschlagen, als ihm etwas „dazwischen“ kam. Seine Vorgesetzten hatten einfach zu schöne Töchter, und die Tochter des Feldwebels, die er mit den abenteuerlichsten Versprechungen flachlegte, war sein Untergang. Nick zuckte mit den Schultern und lachte laut. „Das war das Latrinenputzen allemal wert.“
Der Wagen fuhr durch ein Schlagloch, das in Deutschland schon als kleine Baustelle gehandelt würde, und Nick ärgerte sich, dass Ubangi nicht besser auf den teuren Wagen aufpasste.
„Bauerntölpel!“, zischte er ihn auf Deutsch an. Zugleich änderte sich seine Laune und er begann, vor sich hinzufluchen.
„Ihr werdet mich noch kennenlernen, ihr arroganten Mistkerle. Sehe ich aus wie einer, den man einfach warten lässt?“, bruddelte er immer noch in seiner Muttersprache.
Ubangi grinste.
„Verstehst du, was ich sage?“, fragte Nick auf Deutsch. Keine Reaktion. „Was ist so lustig, Ubangi?“, wollte Nick dann auf Französisch wissen.
„Nichts! Aber das Spiel ziehen sie mit jedem ab. Der letzte Vertreter wartete die ganze Nacht.“
„Vertreter? Ich bin kein Vertreter, sonder der C.N.V.D.“
„C.N.V.D.?“
„Chef Nigg… ähh … Neg… Chef … Chef vom Dienst!“
Nick ärgerte sich über seine dumme Äußerung.
Er war vieles, aber mit Sicherheit kein Rassist. Es sollte einfach ein cooler Spruch sein. Brenner überlegte, ob es angebracht wäre, Ubangi seine Meinung über Rassismus und Ethik darzulegen. Ließ es dann aber auf sich beruhen.
„Ja, Master Nick!“, säuselte der Fahrer.
„Gibt es schon ein Programm in dem Schuppen?“
„Ja, Master Nick. Die schönsten Frauen des Landes sorgen für Ihr Wohlergehen.“
Nick störte es zwar, dass Ubangi ihn abfällig Master nannte, wollte das aber nicht weiter ausdiskutieren. Dieser Kerl war ihm auf einmal unheimlich. Das war kein dummer Bauerntölpel, der ihm als Kindermädchen zugeteilt war. Der Mann war – gefährlich. Das spürte Nick instinktiv. Es wäre besser, es mit ihm nicht zu verscherzen oder ihn zu provozieren. Er hatte nicht das Verlangen, mit durchschnittener Kehle in einem der dreckigen Hinterhöfe zu enden. Also änderte er seine Taktik.
„Ubangi, Sie sind angehalten, sich um mein Wohlergehen zu kümmern?“
„Ja, Master Nick.“
„Was sind im Château für Weiber? Ich hoffe doch, junge und hübsche.“
„Es sind dort ausschließlich erwachsene Frauen, und es ist ein Privileg, dort arbeiten zu dürfen, Monsieur Brenner.“
Böse funkelten Ubangis Augen und Nick verspürte Erklärungsnot.
„Verstehen Sie mich bitte richtig. Ich würde nie einer Minderjährigen auch nur hinterher sehen. Ich hasse diese Wichser, die sich an der wirtschaftlichen Not der Menschen befriedigen. Ich hasse auch diese Schweine, die in Entwicklungsländer fliegen und Minderjährige ficken.“
Sichtlich bewegt starrte Nick aus dem Fenster. Ubangis Hand tippte an seine Schulter.
„Dann verstehen wir uns, Monsieur Brenner.“
Beide schwiegen einige Minuten, bis Nick sich wieder gefasst hatte.
„Dann müssen Sie mich wohl oder übel begleiten, wenn ich auf Spesenrechnung einige Puppen tanzen lasse.“
„Sehr wohl, Master Nick“, meinte Ubangi und drosch den schnellen Wagen in bester Rennfahrermanier durch die engen Straßen.
„Falls wir lebend ankommen“, murmelte Nick wieder in Deutsch, und kontrollierte den Sitz seines Sicherheitsgurtes.
Ubangi parkte direkt vor dem Eingang des hotelartigen Gebäudes. Er verzichtete sogar darauf, den Wagen abzuschließen, was ihm einen fragenden Blick seines jungen deutschen Gastes einbrachte.
„Jeder hier kennt mein Auto. Das stiehlt keiner und lebt morgen noch.“
Nick musste schlucken und brachte nur ein verzerrtes Lächeln über die Lippen.
Zwei bullige Türsteher in billigen Polyesteranzügen nickten ihnen grimmig zu. Ein penetranter Klingelton drang an Nicks Ohren. Ubangi blieb stehen und fasste in seine Jackentasche. Er zog ein Smartphone heraus und unterhielt sich mit jemandem in einer Sprache, die Nick nicht verstand. Er sah sich um. Ein schäbiges Taxi hielt an und vier Gestalten, denen er nicht alleine im Mondschein begegnen wollte, stiegen aus. Nick beobachtete, wie die Türsteher die Männer abwimmeln wollten, doch ein 10-Dollar-Schein für jeden, regelte den Einlass.
„Und diesmal keinen Ärger, sonst bekommt ihr wirklich Hausverbot, Matrosen“, rief der Zweimetermann den Seeleuten nach.
So anders tickte Afrika gar nicht, nur wesentlich preisgünstiger. Eine Hand legte sich um seine Schulter.
„Auf, Master Nick, dann wollen wir mal etwas Spaß haben.“
Die dunkelhäutigen Türsteher sahen Nick grimmig an.
„Würden Sie bitte mit diesem Master-Nick-Quatsch aufhören, Ubangi. Sonst killt mich hier noch einer“, flüsterte er ins Ohr seines Begleiters.
„Solange ich an Ihrer Seite bin, mein Junge, passiert Ihnen nichts“, meinte der grauhaarige Mann in väterlichem Ton und schien die aufkommende Angst des jungen Deutschen zu genießen.
Nick erschrak, nachdem sich seine Augen an die Dunkelheit gewöhnt hatten. In Good old Germany würden sie sich darum streiten, ob der Wirtschaftskontrolldienst, das Bauamt oder die Sitte den Schuppen hier schließen würde. Die zweite Überraschung war, dass der Laden zum Bersten voll war. Im wahrsten Sinne des Wortes. Unzählige Betrunkene vergnügten sich auf alle nur erdenklichen Arten mit, so weit Nick sehen konnte, ausschließlich schwarzen Frauen.
„Was ist das denn? Oktoberfest? Ein billiger Puff?“
„Im Gegenteil“, mein Junge. „Das können sich hier nur Ausländer leisten. Die wollen feiern, trinken und sich an den Tanzshows vergnügen. Das ist ein Tanzlokal und kein Bumsschuppen.“
„Saufen kann man auch woanders.“
„Möglich, aber nur hier gibt’s Importspirituosen. Whisky, Bourbon, Wodka und selbstverständlich erlesene Weine.“
„Und die Frauen sind exotische Tänzerinnen, schon verstanden.“
„Sie wissen doch, wie so was läuft. Wer mehr will, geht ins Separee.“
Nick zwinkerte Ubangi zu und erfuhr, dass das Château einen ausgezeichneten Ruf bei den Touristen und Gastarbeitern hatte, weil die Sicherheit der Gäste hier großgeschrieben wurde. Spezielle Sicherheitsangestellte übernahmen Fahrdienste oder brachten Betrunkene zu ihren Hotels oder Firmen zurück. Gegen angemessene Bezahlung selbstverständlich. Aber die Gäste bezahlten gerne die verhältnismäßig geringe Gebühr. Afrika war Afrika! Hier galten andere Gesetze: Diebstahl, Mord, Raubüberfälle waren zu nächtlicher Stunde der Normalfall und viele Partywillige verschwanden auf Nimmerwiedersehen.
Ein schmieriger Typ mit Augenklappe und abgeschnittenen Ohren begrüßte Ubangi überschwänglich. Der reichte ihm einen grünen Schein, den er geschwind in seiner Hosentasche verschwinden ließ, und verabschiedete sich mit unterwürfigen Verbeugungen.
„Ein Freund von Ihnen?“, fragte Nick.
„Eines meiner reumütigen Schafe. Folgen Sie mir, mein Junge.“
Nick wusste nicht, ob er nun Master oder mein Junge als Anrede favorisieren sollte, ließ sich aber auch dabei nichts anmerken. Ubangi ging zielstrebig, ohne auf das rege Treiben zu achten, zu einer Treppe. In weißen Buchstaben stand „Members only“ an der schweren Holztür, und der Dreizentnermann, der davor auf einem Stuhl saß, ließ keinen Zweifel aufkommen, dass hier nur VIPs Einlass bekamen. Er sprang sofort auf, nahm Haltung an und salutierte.
„Rühren!“, erwiderte Ubangi und klopfte dem Dicken freundschaftlich auf die Schulter.
„Alles ruhig, mein Junge?“
„Ja Sir, Oberst Ubangi. Keine besonderen Vorkommnisse.“
„Oberst?“, fragte sich Nick. Ob er das eben richtig verstanden hatte? Die junge Stripperin, die sich gerade unter dem Johlen der Matrosen eine Sektflasche unten reingeschoben hatte, lenkte ihn kurz ab. Aber es würde passen. Ubangi hatte so etwas von einer Autoritätsperson.
Sie stiegen die knarrenden Stufen nach oben und Nick flüsterte in Ubangis Ohr: „Oberst sind Sie also. Den Chauffeur habe ich Ihnen nicht so ganz abgenommen. “
Dieser grinste über beide Ohren. „Ich habe hier viele Titel.“
Sie gingen die Treppe hoch, ein junger Mann mit Knopf im Ohr salutierte und öffnete die schwere Teakholztür. Ubangi und Brenner wurden von einem gut gekleideten Mann in den Fünfzigern begrüßt. „Oberst Ubangi. Sie ließen uns wenig Zeit, Ihren Tisch zu richten.“ Er verbeugte sich respektvoll, aber nicht unterwürfig.
„Aber wie immer haben Sie es hinbekommen.“
„Selbstverständlich. Wenn auch die Auswahl der Damen zu dieser ungewöhnlichen Zeit nicht den gewohnten Rahmen aufweist. So ist alles andere in gewohnter Manier.“
Auf dem Weg zu der noblen Loge kam ihnen ein Mann mit schlohweißem Haar entgegen.
„Ehrenwerter Richter“, begrüßte ihn der Oberst, „darf ich Sie mit Monsieur Brenner bekannt machen. Er ist ein Geschäftspartner von General Lomami und mir.“
Der 60-Jährige mit den sanften Augen schüttelte Nick die Hand. „Ich freue mich Sie kennenzulernen, Monsieur Brenner. Sie entschuldigen mich, meine Herren. Ich habe heute einen vollen Terminkalender. Wir sehen uns dann beim Minister.“
Ubangi nickte und der Richter verschwand in Begleitung von drei leicht bekleideten Damen in ein Separee.
„Er sieht gern zu. Aber täuschen Sie sich nicht in dem Mann, mein Junge. Letzte Woche hat er acht Mädchenhändler zum Tode verurteilt. Der General selbst hat die Exekution überwacht.“
„Der General? Unser General?“
„Natürlich! Lomami wollte ein Exempel statuieren. Der Witz ist, dass die Vorfahren des Richters durch Sklavenhandel reich geworden sind.“
„Scheint ja ein ganz Netter zu sein.“
„Nett?“, fragte Ubangi, der den Sarkasmus in Nicks Worten nicht gleich erkannt hatte. „Ja, doch … wie man’s sieht. Wenn ich “nett“ bin, dann schneide ich Versagern nur die Ohren ab.“
Nick machte es sich auf den teuren Klubsesseln bequem und inspizierte die Details der übrigen Einrichtung. Dezente Beleuchtung, edles Mahagoni und teures Leder.
Auch hier waren schon Gäste, die sich aber diskret und niveauvoller an den Tischen unterhielten. Magnumflaschen aus der Champagne und Fischeier von der Schwarzmeerküste bestimmten das Bild.
‚Nobel geht die Welt zugrunde!’, dachte Nick. ‚Da draußen haben sie nichts zu fressen und hier lassen sie die Sau raus.’
Die folgende halbe Stunde verbrachten die beiden damit, die Tanzshows der Frauen zu begutachten. Einige gefielen Nick, andere weniger. Bei den etwas „fülligeren“ Damen lächelte Ubangi über beide Ohren, während Nick doch die schlanken, sportlichen vorzog. Nachdem ihr jeweiliger Tanz beendet war, winkte Ubangi die eine oder andere an den Tisch und spendierte ihr Piccolo. Nick flirtete ein wenig und lernte seine nächste Lektion.
Sicherlich kannte er auch von seinen nächtlichen Kneipentouren als Student solche und solche Frauen. Mit diesem Typ Frau hatte er schon immer Probleme. Der missfiel ihm nicht nur, er regte ihn sogar auf. Sie setzte sich ungefragt auf seinen Schoß, griff ihm zwischen die Beine und forderte am laufenden Band kleine Geschenke oder neue Drinks, obwohl ihr Glas noch randvoll war. Als sie Nick mit einem breiten Grinsen die Seiko abstreifte und mit einstudiertem Wimpernschlag in ihrem Dekolleté verschwinden ließ, reichte es ihm. Genervt fasste Nick ihr in den Ausschnitt, holte sein Eigentum wieder hervor und schubste die Tänzerin zornig von seinem Schoß. Schmollend sah sie ihn an und machte sich aus dem Staub.
„Thats africa!“ Ubangi lachte laut und amüsierte sich weiter mit zwei vollschlanken Damen.
„Dass man hier bestohlen wird?“, fragte Nick nach und band sich die Uhr ums Handgelenk.
„Manche der Huren kennen keine Grenze. Für Geld gibt’s alles und die nehmen jeden aus wie eine Weihnachtsgans.“
***
Ubangi bekam ein Zeichen einer Bedienung und verabschiedete seine Gespielinnen mit einem Klaps auf den prallen Hintern.
„Er ist da.“
Vier Uniformierte eskortierten einen mit Orden übersäten dicken Mann an den Tisch der Holding. Ubangi lief ihm entgegen und begrüßte ihn. Nick stand auf und überprüfte den Sitz seines Sakkos.
„General Lomami, Oberbefehlshaber der Streitkräfte und, unter anderem, der Präsident der Holding“, stellte Ubangi seinen Chef vor.
„General! Es ist mir eine Ehre Sie kennenzulernen.“ Er reichte ihm die Hand und hatte mit einem dynamischen Händedruck gerechnet, es war aber genau das Gegenteil. Weiche, schwitzende Hände und eine ungewöhnlich helle Fistelstimme irritierten ihn kurz. So hatte sich Brenner den mächtigen Lomami nicht vorgestellt. Die Bodyguards verteilten sich dezent im Lokal, aber dennoch so, dass jeder sie wahrnahm.
„Entschuldigen Sie bitte, Monsieur Brenner, dass Sie nicht sofort empfangen wurden …“, begann der General das übliche Spiel. Nick lächelte verständnisvoll und aus den Augenwinkeln entdeckte er zwei Ladys, die sich auf einer kleinen Bühne rekelten. Obwohl er schon lange kein Teenager mehr war, durchschossen ihn Hormone wie damals beim ersten Zungenkuss.
Ermüdend folgte er Lomamis zuckersüßer Rede und konnte seinen Blick nicht mehr von den beiden Schönheiten abwenden, die ihre Show seinen Begierden anpassten.
„… Im Hause unseres verehrten Haushaltsminister Mazitu habe ich alle wichtigen Papiere zusammenstellen lassen und im Laufe der Woche können wir sie gemeinsam durchgehen …“
‚Übermorgen fliege ich schon wieder weiter, du Dummkopf!’, dachte Nick.
„… eine Safari mögen Sie doch …?“
‚Klar, ich jage gern Muschis.’
„… die großartige Kunstsammlung ist …“
‚Gestohlen – schon klar! Verdammt. Ich sitze hier in einem Bordell und bin geil.’
„… ein begnadeter Musiker und Komponist, er wird alte Lieder unserer Heimat auf der Querflöte vortragen …“
‚Himmel, Arsch und Wolkenbruch. Halt´s Maul! Ich schieb dir deine blöde Flöte gleich in deinen fetten Arsch.’
Brenners Professionalität wurde nur noch von seinem Schwanz übertroffen, ein kleiner Charakterfehler, den er allerdings auch nicht ändern wollte. Längst bekam Nick von den kulturellen Highlights auf der Farm nichts mehr mit und starrte nur noch auf die beiden Frauen, die sinnlich auf einer der kleinen Bühnen miteinander tanzten. Lomami registrierte, dass Nick abgelenkt war, und folgte dessen Blickrichtung.
„Zwei hübsche Häschen.“
„Ich will sie!“, sagte Nick, ohne seinen Blick von ihnen abzuwenden.
„Schon vergessen, Monsieur Brenner? Sie sind mein Gast. Nehmen Sie sich was Sie wollen“, antwortete der General in Geberlaune. „Ich verstehe allerdings nicht, was ihr Weißen an so dürren Häschen findet? Da gibt’s doch gar nichts zum Knuddeln und Kneten.“
Gerade im Begriff, einen seiner coolen Sprüche loszulassen, besann sich Nick, dass ihm hier ein mächtiger Mann gegenübersaß.
„Ich bin noch ein junger Mann, General, und wenn ich erst Ihre Lebenserfahrung habe, dann denke ich wahrscheinlich genauso wie Sie.“
Der General schmunzelte, dachte nach und begann zu lachen. Dann wurde er wieder ernst. „Ich wusste, dass Ahlenbacher keinen Idioten herschickt. Ihre Antwort gefällt mir, wenn sie auch etwas zu leicht durchschaubar war.“
Der General rief einem seiner Männer etwas in einer fremden Sprache zu, wahrscheinlich Kikongo, worauf dieser zum Geschäftsführer ging. Nick beobachtete, wie er mit den Tänzerinnen sprach, diese zu ihm herüberblickten und zustimmend nickten. Nachdem dann fast alle Verantwortlichen sich gegenseitig zugenickt hatten, grinste Nick zufrieden.
Nick stand auf und ging zur Bar. „Scotch, geschüttelt, nicht gerührt“, sagte er zu der älteren Frau.
Sie lächelte. „Sind Sie James-Bond-Fan?“
„Nein, Schätzchen. Ich bin in geheimer Mission.“
Nick drehte sich um und sah gerade noch die beiden Objekte seiner Begierde in einem der zahlreichen Separees an der Nordseite des Raums verschwinden. Er drehte sich noch einmal zur Bar um.
„Und eine Flasche Wasser. Aber eine, die noch verschlossen ist.“
Das Separee bestand nur aus einem winzigen Raum, der fast vollständig von einem Futonbett vereinnahmt wurde. Lediglich ein Klubsessel mit einem kleinen Beistelltisch stand noch im Zimmer. Er saß noch nicht richtig und sein Drink wurde bereits serviert.
Während Nick es sich bequem machte, rekelten die beiden Frauen sich auf dem breiten Bett und boten ihm genau die Liveshow, die er sich erhofft hatte. Als ob ihre Knochen aus Gummi wären, verbogen die beiden ihre Leiber und wälzten sich über die Matratze. Langsam zogen sie sich gegenseitig den Hauch von Nichts aus. Teure französische Dessous aus feinster Seide. Ein sinnliches Parfüm lag in der Luft. Frech warf die kleinere der beiden ihm den Slip zu. Geschickt fing ihn Nick, roch genüsslich an dem Stoff und tupfte sich seine Stirn damit ab. Die Hose spannte, und er musste seinen kleinen Freund mehrmals zurechtrücken.
Nur wenige Zentimeter vor Nicks Gesicht aalten sie sich, mittlerweile splitternackt. Die Show wurde heißer, Nick wurde es heißer. Seinem Kopf wurde es heißer, und er öffnete die oberen Knöpfe des Seidenhemds. Instinktiv griff er nach der Flasche und schüttete sich etwas von dem kalten Wasser über den Kopf. Als er sein Haupt schüttelte, spritzten die Wassertropfen in alle Himmelsrichtungen.
Als die eine der beiden Engel ihren Kopf aus dem Schoß der anderen hob, ihn mit von den Spuren der Erregung feucht glänzenden Lippen und Wangen anlächelte, und die auf dem Rücken liegende ihn mit einem Fingerzeichen bat, näher zu kommen, sprang Nick wie eine Sprungfeder auf, war 30 Sekunden später ebenfalls nackt und inmitten der beiden Frauen.
Raffiniert und mit der Erfahrung ausgefuchster Callgirls, brachten sie Nick an den Rand des Wahnsinns. Sie massierten ihn, streichelten ihn mit den Händen und ihren Brüsten. Leckten mit der Zunge über seine Hoden und ließen bewusst Nicks Glied aus. Er küsste ihre Brüste, saugte an den Nippeln und seine Fingerkuppen ertasteten jeden Quadratzentimeter der makellosen, tiefschwarzen Körper. Seine Zunge leckte über die sanfte Haut. Sein Glied war bis zum Zerreißen gespannt, und er wollte unbedingt zum Abschluss kommen. Langsam beugte sich die Größere über seinen Schritt. Ihre Zunge berührte Nicks Eichel und er zuckte zusammen.
„Ja, Baby. Nimm ihn in den Mund. Blase mir einen.“
„Ich will auch …“, säuselte die andere.
„Ja! Jaaa Baby. Macht es mir gleichzeitig. Oh Mann, wie ist das geil.“
Nick lag auf dem Rücken und geschickt bearbeiteten die erfahrenen Frauen sein Glied. Allerdings nicht so, wie man es von Professionellen allgemein erwarten würde. Zeit ist Geld, und je schneller der Freier kam, desto eher war der Job erledigt. In Nicks Fall ließen sie sich extrem viel Zeit und schafften es, ihn über viele Minuten in hoch erregtem Zustand zu lassen.
„Genug jetzt! Ich will euch vögeln. Ich bin auf 180 und …“
Nick begann, sich im Raum umzusehen. Als er nicht finden konnte, wonach er suchte, wurde er zunehmend unruhiger.
„Kondome! Gummis!“
„Jonnys, so sagen die Amis immer.“
„Ja, verdammt! Mir doch egal, wie die dazu sagen. Her damit!“
„Jonnys sind hier Mangelware. Normalerweise haben immer die Männer welche dabei“, sagte eine der Frauen.
„Du kannst uns so ficken. Wir sind gesund.“
„Ja, wir haben einen Aidstest gemacht.“
Nick zuckte zusammen. Was er gerne verdrängt hätte, war plötzlich Mittelpunkt seiner Gedanken. Acquired Immune Deficiency Syndrome, oder auf Deutsch – erworbenes Immundefektsyndrom, bewirkte in Nicks Kopf eine Reaktion. Es sah den mahnenden Zeigefinger seiner Sekretärin: „Immer schön mit Gummi.“
Als ob er eine eiskalte Dusche genommen hätte, war seine Stimmung gegen null. Nick drückte instinktiv die Frau zurück, die seine Eichel gerade zwischen ihren Beinen rieb, und sah sie fragend an. „Wann war denn dieser Test?“
„Erst vor drei oder vier Monaten.“
Nick lachte sarkastisch auf. „Na, wenn das so ist, dann kann ich euch beide ja bedenkenlos vögeln! So muss sich doch Yuri Orlov alias Nicolas Cage in ‚Lord of War’ vorgekommen sein.“
Er stand auf und zog sich seine Hose an, schob die Schiebetür so wütend beiseite, dass sie fast aus der Laufschiene flog und lief zum Geschäftsführer, der gerade an der Bar die Bestandsliste der Spirituosen durchging.
„Ich brauch Kondome! Und ich brauche sie jetzt!“
„Kondome?“
„Habe ich einen Sprachfehler, Mann?“
„Sir, unsere Kunden pflegen sich mit derartigen Utensilien selbst einzudecken. Die können sie hier nur auf dem Schwarzmarkt bekommen“, antwortete der Geschäftsführer arrogant und widmete sich wieder seiner Bestellung.
Verdutzt ging Nick an den Tisch der Holding. Ihm entgingen das hämische Grinsen des Geschäftsführers und auch die erhobene Faust, die den Daumen nach oben richtete. Die Nachricht war für Ubangi bestimmt, der sie teilnahmslos zur Kenntnis nahm. Nick klagte ihm sein Problem und stand wie ein Schuljunge vor dem Tisch.
Ubangi spielte den Geschockten. Er fasste sich an die Stirn und murmelte immer wieder was von „Meine Schuld – wie konnte ich das nur vergessen.“
Nick setzte sich erst einmal auf seinen Platz, schenkte sich einen Drink ein und leerte das Glas in einem Zug. Die mitleidigen Blicke der Offiziere, und auch der verschiedenen Mädchen, die mittlerweile mit am Tisch saßen, rissen in wieder in die Realität.
Er war, bis auf seine Hose, förmlich nackt und machte sich gerade zum Clown. Blitzschnell fing er sich wieder und seine alte Selbstsicherheit kehrte zurück.
„Zu Hause habe ich eine Tausenderpackung“, meinte der General amüsiert.
„Ja, ich auch. Bekomme ich jeden Monat per Abo zugeschickt“, knurrte Nick zurück.
„Ich könnte die Girls herrufen lassen und sie können eine Lesbenshow vorführen“, schlug der Oberst vor.
„Ich will sie ficken und nicht anstarren, Oberst Ubangi.“
Nick schenkte sich wütend einen weiteren Drink ein, nippte aber diesmal nur am Glas.
„Bestell mir einen warmen Apfelkuchen.“
„Apfelkuchen?“
„Ja, American Pie. Musst unbedingt öfters Filme ansehen, Oberst.“
Nick stemmte seine Hände auf die Sitzlehnen und schnellte dynamisch aus dem Sessel.
„Verdammter Mist! Das glaubt mir zu Hause keine Sau.“
Komplett bekleidet kehrte Nick nach wenigen Minuten wieder zurück und ließ sich in seinen Sessel fallen. Plötzlich war er wie elektrisiert.
Seine beiden Mädels auf dem Schoß des Generals. Nick wollte sich gerade lauthals beschweren, erkannte aber noch rechtzeitig, dass er sich schon genug blamiert hatte. Die beiden Süßen, die ihm noch vor ein paar Minuten hemmungslos den Schwanz gelutscht hatten, sahen ihn jetzt nicht einmal mehr mit dem Arsch an. Dazu die
glänzenden Schweinsaugen des Generals. Brenner brauchte zwei Drinks auf Ex.
„Ihr Geschmack ist ausgezeichnet, General“, komplimentierte Nick. Und er hatte es drauf, anderen Zucker in den Hintern zu blasen.
Lomami lachte laut. „Nichts zum Knuddeln, Monsieur Brenner, aber das muss ja auch nicht immer sein.“
Nicks Lächeln geriet etwas zu einer Grimmasse, und er kaschierte es mit dem bitteren Drink, den er ebenfalls auf ex runterstürzte.
‚Verdammt! Das sind meine Huren. Meine!’, ärgerte er sich. ‚Verdammter Dreckskerl, du willst mir zeigen, dass du der C.N.V.D. bist und mich jederzeit ficken kannst.“
„Alles in Ordnung, Monsieur Brenner“, flüsterte der Oberst ihm zu.
„Ja, ja sicher“, antwortete Nick und wusste im gleichen Moment, dass er sich verraten hatte.
„Vielleicht haben Sie Glück und der General hat bald genug gespielt.“
„Oberst, ich will sie! Jetzt!“
Ubangis Gesichtsausdruck wurde ernst. „Junge! Hören Sie mir gut zu. Es ist sehr, sehr gefährlich, dem General ein Spielzeug wegnehmen zu wollen.“
„Ich muss Sie aber haben“, schmollte Nick und rutschte, wie ein Schuljunge vor dem ersten Rendezvous, auf dem Sessel umher. Urplötzlich war seine Lust wieder da, sogar noch intensiver als zuvor bei den beiden Schönheiten. Mit Missfallen beobachtete Nick, wie der General am Busen der beiden rumfummelte und ihre Hintern tätschelte. Sie lachten mit ihm und ließen sich den teuren Sekt schmecken.
Wieso machte es ihnen auch noch Spaß, sich von diesem fetten Schwein angrapschen zu lassen? So etwas wie Eifersucht kam in Brenner auf. Und Hass.
„Suchen Sie sich eine andere aus, Nick“, schlug Ubangi in väterlichem Ton vor.
„Das verstehen Sie nicht, Oberst. Ich muss diese Frauen haben. Ich brauche Ihre Hilfe. Sie hätten was gut bei mir.“
„Na schön, vielleicht kann ich etwas arrangieren. Der General ist nicht bekannt dafür, es mit Huren länger als ein paar Stunden auszuhalten.“
„Heute Abend …“, sinnierte Nick und beugte sich zum Oberst. „Laden Sie die beiden doch für das Bankett heute Abend ein.“
Ubangi lächelte und nickte. „Das lässt sich machen. Aber jetzt benehmen Sie sich wie ein Mann.“
Und wie benehmen sich richtige Männer? Nick schnappte sich eine der prallen Frauen und zog sie zu sich auf den Sessel. Ausgelassen flirtete er mit dem kichernden Wonneproppen. Dass er hin und wieder zu übertrieben herumalberte, merkte nur er selbst, und er korrigierte das dann auch sofort. Auch war es alles andere als Zufall, dass er sich ausgerechnet diese Frau geangelt hatte. Die Blicke des Generals wurden häufiger, wurden intensiver und es war Zeit zu reagieren.
Wenn man den Knochen des spielenden Hundes haben will, muss man ihm einen neuen, interessanteren Knochen anbieten. Und Lomami biss an.
Eine Viertelstunde später turnte Nicks Ex auf dem Schoß des Generals herum und dieser schien sehr erfreut darüber. Er zwinkerte Nick zu.
„In Afrika wäscht eine Hand die andere.“
„In Deutschland ist das genauso, Sir“, erwiderte Nick und sah seine Saat aufgehen.
***
Die Zeit verrann, und Oberst Ubangi drängte zum Aufbruch. In gewohnter Rennfahrermanier peitschte er den AMG durch die schlechten Straßen und raste zurück auf das Gelände der Holding. Nick staunte, als er die Start- und Landebahnen sah.
Ob der Vogel neben dem Hangar jetzt alt oder neu war, konnte Brenner nicht beurteilen. Dass es eine Cessna war, entnahm er dem auflackierten Schriftzug. Da Ubangi aber kein Problem hatte einzusteigen, tat er es ihm einfach nach.
Sie waren kaum in der Luft, und schon am Ziel, der sogenannten Farm von Haushaltsminister Mazitu. Nick sah aus dem Fenster. Symmetrisch angelegte Straßen. Prächtige Alleen und satte Grünanlagen.
Dutzende Ein- und Zweimotorige standen aneinandergereiht auf der Piste. Kampfhubschrauber ergänzten das Bild. Nick wusste mittlerweile, die Farm früher Diktator Mobutus gehörte, und für geheime Strategiekonferenzen, offiziellen Anlässen und der „Zerstreuung“ geladener Gäste diente.
Das Anwesen ähnelte einer Festung. Brenner zählte an die drei Dutzend Flugabwehrgeschütze hinter aufgetürmten Sandsäcken, darunter viele mit hochmodernen Boden-Luft-Raketen und über einhundert Elitesoldaten. Als skurriler Kontrast wirkte der angelegte Park mit seinen Blumenbeeten, Rasenteppichen und Springbrunnen wie das Paradies.
Innen glänzten teurer Marmor, prachtvolle Säulen und edle Hölzer. Vom Militär nichts zu sehen. Leibwächter in dunklen Anzügen hielten sich dezent im Hintergrund. Bedienstete im weißen Blazer servierten den anwesenden Gästen kühle Getränke. Die Hälfte der langen Tische im Bankettsaal war schon besetzt, viele Grüppchen unterhielten sich noch im Foyer.
Der Minister begrüßte die Gäste, entdeckte Oberst Ubangi und seinen Begleiter und nahm die beiden zur Seite. Nach kurzer Begrüßung kam er gleich zur Sache.
„Nur knapp drei Prozent der Landfläche wird landwirtschaftlich genutzt, dennoch macht die Landwirtschaft mehr als die Hälfte des Bruttoinlandsprodukts aus und beschäftigt fast zwei Drittel der erwerbstätigen Bevölkerung“, zitierte Mazitu aus dem Lehrbuch. „Die Produktion von Nahrungsmittel reicht für den Eigenbedarf nicht aus, das Land muss solche importieren. Zur mangelhaften Versorgungssituation kommt auch das Problem, dass in den ländlichen Regionen nur 30 Prozent und in den Städten 80 Prozent der Menschen Zugang zu sauberem Trinkwasser haben. Insgesamt beläuft sich die Zahl der Kongolesen ohne Trinkwasserzugang auf rund 50 Millionen, obwohl der Staat über mehr als 50 Prozent der Wasserressourcen Afrikas verfügt. Wir brauchen die Wassertechnik.“
„Zweitausend Module, inklusive Hochleistungspumpen, für neue Brunnen stehen bereit. Wasseraufbereitungsanlagen sind ebenfalls, wie abgesprochen, geliefert worden.“
„Das weiß ich. Die Schiffe liegen in Matadi, bedauerlicherweise konnte die Ladung noch nicht gelöscht werden.“
Nick war sehr gut mit den Eigenarten des Ministers vertraut und hielt sich genau an sein ausgearbeitetes Konzept. „Wie Sie ja dann auch wissen, halten wir stets unseren Teil des Abkommens ein. Wir sind zu einhundert Prozent zuverlässig, und wir erwarten von unseren Partnern die gleiche Sorgfalt im Einhalten von Vertragsabschlüssen, Sir.“
Oberst Ubangi zog ein Gesicht wie nach einem Boxhieb. Der Minister bähte die Wangen auf, hatte aber sofort sein berufsbedingtes Dauerlächeln um den Mund.
„Da haben Sie selbstverständlich recht, Monsieur Brenner. Ich werde mich sogleich informieren, was da falsch gelaufen ist. Vorab werde ich Ihnen sofort einen Abschlag aus meinem Privatvermögen überreichen.“
„Das ehrt Sie, Herr Minister.“ Brenner neigte den Kopf vor so viel Charakterstärke. Da dieser Zug aber genau vorhersehbar war, bedarf es etwas Schauspielkunst. „Das ist unter Freunden weder üblich, noch notwendig. Und über den Bürokratismus brauchen wir uns nicht zu unterhalten, da sind die Deutschen Weltmeister.“
Der Minister spielte seine Rolle ausgezeichnet. Er sprang auf die Bürokratenschiene und versprach hoch und heilig bis Ende der Woche die Zahlungen zu veranlassen.
Als Ubangi kurz abgelenkt war, nahm Brenner den Minister zur Seite. „Den GL 500 habe ich selbstverständlich sofort anliefern lassen. Ich hoffe, er gefällt Ihnen.“
„Ein fantastischer Wagen, Monsieur Brenner. Ledersitze, Allradabtrieb, Elektronik nur vom Allerfeinsten. War es schwer, die Panzerung zu bekommen?“
Brenner lächelte. „Wir mussten einige Beziehungen spielen lassen.“
„Ich bin begeistert. Was schulde ich Ihnen?“
„In Afrika wäscht eine Hand die andere, sagte mir heute Nachmittag General Lomami.“
„So ist es auch, Monsieur Brenner. Vielen Dank für die kleine Aufmerksamkeit. Ich stehe in Ihrer Schuld.“
Für einen Herzschlag lang war Brenner dann doch leicht irritiert. Einen 150 000 Euro Geländewagen als kleine Aufmerksamkeit zu bezeichnen war schon etwas krass.
„Aber genug jetzt, meine Herren“, sagte der Minister, „lassen Sie uns dinieren. Darf ich Ihnen die gebackene Ziege empfehlen? Gefüllt mit Gemüse und Kräutern. Wir haben auch Kaviar aus Moskau, Oktopus aus Tokio und Cognac von Hennessy, oder mögen Sie lieber amerikanischen Whiskey?“
Eine riesige Menge an Fleisch war aufgetischt. Rind, Geflügel, Schwein und Hammel. Dazu noch Wildtiere wie Krokodil, Büffel, Schlange oder Insekten. Und Fisch in allen Varianten. Nick musste tief durchatmen und unter allgemeinem Gelächter Luft zufächeln. Und als ob Speisen nicht schon scharf genug waren, stand überall Chili und Pfeffer zum Nachwürzen bereit.
Als plötzlich jeder aufstand und das Reden einstellte, tat Nick vorsichtshalber das gleiche.
Das Staatsoberhaupt, Josaph Kobilo, betrat den Saal und nahm an einem abgeschirmten Tisch Platz. Er wirkte real noch unscheinbarer als auf den wenigen Fotos, die es von ihm gab.
Kobilo begrüßte die Gäste, forderte die Leute auf, wieder Platz zu nehmen und ihr Mahl zu genießen. In Brenners Geheimakte stand unter seinem Namen: Charakter - Psychopath, schizophren und paranoid. Neigt zu unkontrollierten Wutausbrüchen, von denen er sich oft gar nicht mehr beruhigen konnte,
Der Leibkoch des Ministers servierte dem Präsidenten eine frische Gemüsesuppe, dann eine Portion Maniok und gestampfte Erdnüsse. Das reichhaltige Buffet würdigte Kobilo mit keinem Blick. Die Sitzpositionen waren natürlich nicht zufällig angelegt. Je näher am Tisch des Präsidenten, je höher der Rang. Brenner saß mit dem Minister und Oberst Ubangi in der ersten Reihe. Ordenbehängte Uniformen und teure Maßanzüge bestimmten das Bild der vorderen Tische. Das Militär und die Partei waren – wie in vielen anderen Staaten auch – das Rückgrat der Macht. Zum gemeinen Parteivolk hielt Kobilo aber immer Abstand und sei es wie heute, nur eine Tischbreite.
Nach dem Essen ging es zu wie in einem Ameisenhaufen. Zahlreiche Bedienstete räumten die Tische ab, stellten Schalen mit Ananas, Bananen, Papayas, Mangos und Kokosnüssen auf, servierten Getränke und verschwanden wieder.
Nick versuchte, die Anwesenden zu zählen. Etwa 400 Gäste, davon gut die Hälfte in weiblicher Begleitung. Gerade mal zwanzig Weiße machte Brenner aus, die meisten davon wohl Russen. Dazu eine Handvoll Asiaten, die sich angeregt mit ihren jungen Begleiterinnen amüsierten.
Dann wurden diverse einfache Soldaten und Beamte geehrt, General Lomami heftete glitzernde Orden an die Jacketts und Minister Mazitu verteilte Urkunden auf billigem Papier.
Präsident Kobilo erhob sich, stellte sich vor ein Rednerpult und begann seinen Monolog: „Grenzen werden stets von den Starken gezogen, niemals von den Schwachen …“
Ohne Namen zu nennen, zog Kobilo die nächste halbe Stunde gegen alle vom Leder, die die Machtstellung der Regierung schmälern wollen.
Brenner fiel auf, dass die linke Hand des Staatsoberhauptes zitterte. Kobilo umklammerte sie mit der Rechten, hielt sie aber meistens hinter dem Rücken versteckt. „… ohne einen Sieg, kann es keinen Frieden geben.“ Mit stürmischem Beifall erhoben sich alle Anwesenden.
Als sich alles wieder beruhigt hatte, tippte Oberst Ubangi Nick an die Schulter. „Kommen Sie mit, mein Junge. Und kein Wort über Politik.“
Brenner verstand nicht so richtig, folgte dem Oberst aber an den Tisch des Präsidenten. Im Gegensatz zu seiner enthusiastischen Rede wirkte dessen Stimme jetzt eher dünn und heiser.
Nach kurzer Begrüßung wollte Kobilo von Nick wissen, wie er zu Globalisierung stehe. Eine Masche von ihm, um sich ein Bild vom Gesprächspartner zu bilden.
„Nun ja“, begann Nick, „ich habe unlängst das Ergebnis einer UNO-Umfrage gelesen. Die Frage lautete: Teilen Sie uns bitte Ihre ehrliche Meinung zur friedlichen Lösung der Energieknappheit der Welt mit. Das Ergebnis war ein Riesenflop.“
Kobilo hörte interessiert zu.
„In Afrika wussten die Teilnehmer nicht, was Energie ist. In Osteuropa fragten sie sich, was ehrlich bedeutet, in Westeuropa kannten sie die Knappheit nicht, die Chinesen wussten nicht, was Meinung bedeutet, der Nahe Osten grübelte über den Begriff friedlich, und in den USA wusste keiner, was der Rest der Welt ist.“
Der Präsident schmunzelte. „Das kleine Einmaleins der Politik. Wie gefällt Ihnen unser Land, Monsieur Brenner?“
„Diese Möchtegern Demokratie? Alle hier sind hochgradig korrupt und unzuverlässig, und es ist seit Jahrzehnten allgemein üblich, dass Posten in staatlichen Institutionen und Betrieben zur persönlichen Bereicherung ausgenutzt werden. Ein Sozialsystem, Menschenrechte und Meinungsfreiheit bestehen nur auf dem Papier. Dafür waren die Nutten im Château nicht schlecht …“
Aber die Wahrheit wollte nicht jeder hören, und sie auszusprechen kann fatale Folgen haben. Nick verzichtete klugerweise, schmunzelte und begann zu schwärmen. „Ich bin von der Flora um das Anwesen hier begeistert, Mister Präsident. Wunderschön. Ich hoffe, noch öfter herkommen zu können, um auch die Fauna ein paar Tage in den Regenwäldern in natura zu genießen. Nur das Essen …“ Nick machte eine schöpferische Pause, holte tief Luft und fächerte sich mit der Hand Luft in den Mund. „Meine Güte, ich hatte Tränen in den Augen.“
Der Präsident lachte. „Monsieur Brenner, wenn ich Ihren Namen jetzt richtig deute, dann stehen Sie in der Pflicht. Hat mich gefreut. Oberst Ubangi, der UNO-Generalsekretär hat sich persönlich bei mir beschwert …“
Ubangi klopfte Nick auf die Schulter. „Gut geschlagen, Nick.“ Er winkte einen Uniformierten her. „Bringen Sie meinen Gast in sein Zimmer und anschließend in den Westflügel. Ich komme später nach.“
***
Brenner fragte sich, wie der Abend weitergehen würde und ob er ein dreistündiges Konzert mit traditioneller kongolesischer Musik unbeschadet überstehen würde. Er bekam einen Schlüssel ausgehändigt und warf einen kurzen Blick in sein Zimmer. Wie erwartet, waren die Gästezimmer gehobener Standard.
***
Der Westflügel hatte offensichtlich den gleichen Inneneinrichter wie das Château. Ein bisschen zu viel Rotlicht, ein wenig zu pompös. Den vorderen Bereich des recht großen Saals dominierte eine ellenlange Bar, an der sich ein gutes Dutzend Angestellter um die etwa einhundert VIPs kümmerte.
Ein kräftiger Weißer, mit Dreitagebart und einem Outfit, als käme er gerade von einer Safari zurück, visierte Nick an. „Du bist also Brenner, der neue Lieblingslieferant von Mazitu, unserem geliebten Haushaltsminister“, sprach er in breitem texanischem Akzent, packte Nicks Hand und zog ihn zu einer Umarmung an sich. „Willkommen im Herz der Finsternis“, flüsterte er in Nicks Ohr, klopfte ihm herzhaft auf die Schulter und sagte wieder laut: „Du hast mit den Promis gespachtelt und dem Präsi den Spaten geschüttelt. Respekt, Keule, mich lassen sie nicht mal in den gleichen Raum.“
General Lomami schnaubte heran. Sichtlich erschöpft wischte er mit einem Taschentuch den Schweiß von Stirn und Doppelkinn. „Sie haben sich mit Gill Reaper schon bekannt gemacht, Monsieur Brenner. Mein bester Ausbilder, leider mit Manieren eines Ziegenbocks.“
„Sie haben mich nicht wegen meiner guten Kinderstube geholt, General“, knurrte Reaper.“
Lomamis dürre Beine schienen sein enormes Körpergewicht kaum noch zu tragen und der Schweiß lief in Strömen. „Nein, Mister Reaper, aber bitte benehmen Sie sich heute nicht wieder wie die Axt im Walde.“
„No Problemo, General.“
Der General walzte zu einem gigantischen Ledersofa und ließ sich reinplumpsen. Nachdem er endlich eine annehmbare Sitzposition gefunden hatte, gab er einem seiner Offiziere einen Wink.
Das Licht wurde runtergedimmt, Musik begann zu spielen. Eine Gruppe mit gut dreißig Nonnen betrat den Saal und begann zu tanzen.
„Was zum Henker …“ Nick haute es die Kinnlade runter. „Das ist ja krass.“
„Krass?“, fragte Reaper. „Keule, du hättest die Osterparty erleben müssen, die war richtig krank. Und da war Eiersuchen noch das Harmloseste. Die Freaks hier stehen voll auf Verkleidungsspielchen.“
Brenner brauchte einige Minuten und einen Drink, um alles sacken zu lassen.
„Das Kostüm der Tunte da drüben ist nicht schlecht“, meinte er nach einer Weile und zeigte auf einen Mann in knöchellanger purpurroter Robe und einem darüber gezogenen kurzärmeligen Obergewand. Alles reichlich verziert.
Reaper sah in die Richtung, verschluckte sich, spuckte den Schluck Bier in seinem Mund auf den Boden und hustete. „Alter, die ’Tunte’ ist Exzellenz Saduj, seines Zeichens Bischof von Kinshasa und der geilste Bock im Land.“
Jetzt war es Nick, der seinen Drink fast über dem Boden verteilte.
„Du kannst aber auch in den Ostflügel gehen, Alter“, schlug Reaper vor. „Dort spielen sie Harfe und Querflöte und vielleicht kommt auch ein Buschmann und zaubert weiße Karnickel aus einem Hut.“
Brenner grinste. „Ich habe ja nicht gesagt, dass es mir hier nicht gefällt.“
Reaper verdrehte theatralisch die Augen. „Ihr Krauts seid vielleicht komische Vögel. Und was willst du deinen Enkeln erzählen? Dass du auf einer der legendären Partys von Kobilo warst und von der Ecke aus zugesehen hast, wie sich alle das Hirn rausgefickt haben?“
„So wird die offizielle Version für meine zukünftige Frau lauten, mein amerikanischer Freund.“ Brenner zwinkerte dem Texaner zu, und dieser grinste breit. „Wenn das Monster tanzen will, dann macht man ihm am besten Platz auf der Tanzfläche.“
„Dann Aktion, Alter. Die Onaniererei der letzten Wochen ging mir ziemlich auf den Sack.“
Während Reaper schon vom Zusehen einen nicht zu übersehenden Ständer vor sich her schob, suchte Nick nach den beiden Schönheiten aus dem Château. Fehlanzeige. Entweder waren sie gar nicht hier, oder hatten sich längst mit anderen in eines der vielen Zimmer zurückgezogen. Reaper hatte ein ganz anderes Problem, die Qual der Wahl, er konnte sich einfach nicht entscheiden.
„Es fehlt irgendwie der Funke“, meinte er und Brenner nickte.
Gelangweilt standen sie an der Theke, prosteten sich gegenseitig zu und beobachteten eine Gruppe Bedienster, die mitten im Raum etwas mit Fertigteilen aufbauten. Nach kaum drei Minuten war eine kreisförmige Holzkonstruktion mit etwa zwei Metern im Durchmesser und einer chromfarbenen Stripteasestange in der Mitte aufgestellt.
Eine schlanke Frau mit langen dunkelblonden Haaren, sexy schwarzen Dessous und halterlosen Strümpfen, betrat die mittlerweile von unzähligen Männern umringte Bühne. Laute, rhythmische Musik setzte ein. Die High Heels betonten ihre sexy Beine. Sie hatten etwas Verruchtes, etwas, das sexy aussah, etwas, das Brenner mehr als ansprach. Ihr Blick streifte Nick, und im Unterbewusstsein spürte sie die Blicke der anderen Männer. Die High Heels klackten bei jedem Schritt auf der harten Oberfläche des Rondells. Langsam begann sie, sich im Klang der Musik zu bewegen. Brenner sah ihr neugierig zu und musterte sie mit begierigen Blicken.
Andächtig wippte die Blonde mit der Hüfte und kreiste mit dem Becken, spürte, dass die anerzogene Scham verschwand. Leicht verlegen lächelte sie den Deutschen an, atmete langsam aus und schloss kurz die Augen. Nach Bildern suchte sie - Bilder, die ihr den noch fehlenden, entscheidenden Kick geben sollten. Die Blicke der fremden Männer, die ihr zusahen. Gierige, lüsterne Blicke ... die nach ihr verlangten, die sie wollten, nur sie ... Das musste sich nur in ihren Sinn projizieren, den Hebel umlegen.
Die Fantasie formte aus den Bildern Lust. Langsam schritt sie um die Chromstange und sah immer wieder in Brenners Augen. Jede ihrer Bewegungen, jede Faser ihres Körpers schien er förmlich in sich aufzusaugen. Ihre Scham war verschwunden und auch ihr verlegenes Lächeln. Sie streckte ein Bein aus, strich sanft über die Nylons und genoss das Kribbeln. Tanzte dabei lasziv um die Stange. Mit gespreizten Fingern streichelte sie ihren Busen, den Bauch, den Po - und ließ dabei Brenner nicht aus den Augen. Sie beobachtete, wie sein Blick ihren Fingerspitzen folgte.
Langsam zog sie den teuren Seidenstringtanga tief in den Schritt, streckte ihren Unterleib etwas vor und ließ ihn ihre Gedanken ausleben. Unbewusst hielt die Tänzerin den Atem an und ein weiterer erregender Schub durchflutete sie. Schlagartig wurde ihr bewusst, dass die ganze Show nicht nur dem Vergnügen der Zuschauer diente. Nein – es war ihre Show. Jetzt ging es nur noch um sie. Brenner lächelte süffisant.
Wie in Trance griff die Tänzerin an die chromfarbene Stange und rekelte sich daran, ging lasziv in die Hocke und langsam wieder nach oben. Hielt sich dabei an der Stange fest, beugte ihren Körper nach hinten und rieb das Metall zwischen ihren Beinen. Das Kribbeln verstärkte die sinnliche Erregung um ein Vielfaches. Provozierend wackelte sie mit der Hüfte und setzte ihren Po geschickt ein … das Zentrum der Begierde ... für alle Männer.
Die Tänzerin schüttelte den Kopf, und ihre langen Haare wirbelten durch die Luft. Ein Fingerschnipp und der Verschluss des BHs war offen. Nur durch die leichte, laszive Bewegung ihres Oberkörpers ließ sie die Träger von der Schulter gleiten, und das Oberteil fiel zu Boden.
Sie fasste an ihren Busen, drückte die Brüste zusammen und tanzte weiter um die Stange. Die Männer klatschten, grölten oder schauten mit offenem Mund zu. Ein Gast wedelte mit einem Zwanziger, kam näher an die Bühne und schob den Schein unter die seitlichen Bändel ihres Tangas. Ein paar andere folgten seinem Beispiel. Wieder zog sie das Höschen leicht hoch, sodass sich ihr Schritt aufreizend abzeichnete … Ein paar anrüchige, rhythmische Bewegungen, ein wenig einen Geschlechtsakt andeutend, und dann die Scham gegen die glatte Chromoberfläche der Stange gedrückt …
Viele der Zuschauer klatschten den Rhythmus mit, oder wippten mit dem Oberkörper. Die Männer standen Schlange, um die Dollarscheine ins Höschen zu stecken. Hin und wieder tätschelte einer über ihren Po oder strich über die Oberschenkel. Langsam begann sie damit, die im Höschen klemmenden Geldscheine herauszuziehen und in den Ansatz der halterlosen Strümpfe zu stecken. Zwei Männer sprangen auf das Rondell und halfen ihr. Sie rekelte sich wie eine Schlangenbeschwörerin und ließ die Männer gewähren. Als alle Scheine ihren ursprünglichen Platz hinter den dünnen Bändchen des Strings gegen den in den Strümpfen getauscht hatten, war es so weit. Brenners Herzschlag erhöhte sich, aber noch fehlte ein klitzekleiner Schub.
Fremde Hände betatschten ihren Po und Finger fuhren unter die seitlichen Bändel. Ein Gast zog den Stringtanga sanft nach unten. Er streifte ihn über ihre Kniekehlen bis an die Fußknöchel und verkünstelte sich fast, ihn über die High Heels zu ziehen.
Langsam drehte sie sich auf der Bühne, verdeckte mit den Handflächen ihren Schritt, berührte die Scham. Brenner hielt nichts mehr an der Theke, er drängte sich durch die Reihen der Zuschauer, bis direkt zur Bühne. Gebannt blickte er auf die kreisenden Hände. Er starrte zwischen ihre Beine. Eine Mischung aus Scham, Lust und Erregtheit durchströmte ihn.
Jedes Augenpaar war auf denselben Punkt gerichtet, und unendlich lange ließ sie die Menge warten. Schließlich zog sie beide Hände weg, streckte ihre Arme nach oben, tanzte und drehte sich wieder zum Beat der Musik. Adrenalin jagte durch die Körper, verscheuchte jedes Gefühl von Scham und produzierte Milliarden von Endorphinen.
Sie tänzelte zum Rand der Rundbühne, griff die Stange und glitt, mit dem Po wackelnd, in die Hocke. Provozierend spreizte sie die Beine und ein enttäuschtes Murren ging durch die Reihen, weil die aufgeheizte Menge nur ihren Handrücken sah. Sie spielte mit ihnen, heizte sie auf, und machte sie verrückt. Stehend tanzte sie wieder ohne „Sichtschutz“ und vollzog dabei provozierende, eindeutige Bewegungen gegen die Stange. Die Stange war knallhart … Brenners Knie zitterten, und die Frau ließ ihn nicht aus den Augen. Sie lächelte ihn an, er trat näher an die Bühne, sie tanzte direkt vor ihm. Brenners Augen glühten, genauso wie ihre Scham … sie verschmolzen miteinander, wurden eins und verglühten im Licht von tausend Sonnen …
Der anhaltende stürmische Applaus brachte Nick langsam wieder in die Realität. Die etwa 30-jährige Blonde schlüpfte in einen dunkelblauen Seidenkimono und wurde weiterhin von Männern umringt. Nick musste einige Male tief durchatmen und kämpfte sich in allerbester Rambomanier zu ihr durch.
„Darf ich dich auf einen Drink einladen?“, fragte er, was aber in der Masse der Wortfetzen unterging. Hier ist eh alles umsonst, schoss es ihm durch den Kopf und er merkte, wie amateurhaft er sich verhielt.
Blitzschnell schaltete er um und selektierte die Fragen und ihre Antworten. Dann streifte er mental sein Supermankostüm über und rettete die Welt … oder in diesem Fall: die Tänzerin.
„Gentlemen, bitte! Die Lady trinkt nicht und benötigt dringend eine Pause.“ Er zog sie einfach beiseite und dirigierte sie an eine ruhige Stelle der Bar. „Ein Kaffee? Oder lieber etwas Kaltes?“
Sie musterte ihn, lächelte dann aber doch. „Zu einem Kaffee sage ich nie Nein.“
Zu gern hätte Nick ihr jetzt gesagt, dass sie einen supergeilen Arsch hat und eine Hammerfigur. Überhaupt eine hoch erotische Aura. Nur, das hörte sie schon gefühlte hundert Mal, und Nick war sich sicher, das wusste sie auch selbst. Stattdessen zeigte er auf die High Heels, die sie in der Hand hielt. „Nicht gerade bequem oder?“
„Nein, nicht wirklich.“
„Aber wunderschön. Und eine hohe Kunst, sich damit überhaupt bewegen zu können.“
Sie lächelte. „Es ist schon ein wenig mit einem Balanceakt auf dem Hochseil zu vergleichen.“
„Wie stehen denn meine Chancen, mit dir auf dem Seil zu tanzen?“
„Etwas weniger als Null“, meinte sie lächelnd. „Ich tanze nur. Und ich muss nach Hause. Mann und Kids warten.“
Brenner unterhielt sich noch eine Viertelstunde mit der geheimnisvollen Frau und saß dann noch einmal fünfzehn Minuten allein an der Bar und träumte vor sich hin.
Ein lautes Kreischen riss ihn aus den Gedanken. Er schaute hoch und eine Horde splitternackter Frauen rannte an ihm vorbei, gefolgt von einem ebenfalls nackten Mann mit schlohweißen Haaren, der sich das Geweih eines Kaffernbüffels an den Kopf hielt. Der ehrenwerte Richter jagte die kichernden Frauen durch den Saal. Und als ob das nicht schon genug wäre, erschien Reaper, nur mit Cowboyhut und Westernstiefeln bekleidet, mit einem Lasso, und fing eine der jungen Gazellen ein. Unter dem Beifall der johlenden Menge verpasste er ihr sein Brandzeichen.
Ein durchdringendes helles Kreischen ließ Nick den Kopf drehen. Der Oberbefehlshaber der kongolesischen Streitkräfte, nur in Unterhose, lachte Tränen und versuchte, es dem Richter gleichzutun. Sein Brüllen erinnerte mehr an eine schwangere Hyäne, und die spindeldürren Beine klappten unter dem Gewicht des massiven Oberkörpers zusammen. Der Aufprall wurde von zwei Big-Mamas mehr als abgefedert, und er General jauchzte zufrieden. Dabei entdeckte er Brenner und winkte ihn energisch herbei. Und weil man einen so mächtigen Mann nicht warten lässt …
„Monsieur Brenner, suchen Sie noch immer die Gesellschaft von dürren Häschen?“
„Ja, Sir. Haben Sie welche versteckt?“
„Ich nicht“, bestritt er mit seiner hellen Fistelstimme, „aber Oberst Ubangi bestand darauf, dass wir die beiden Gerippe aus dem Château mit hier herbringen.“
„Das hört sich doch hervorragend an. Und was machen wir da?“
***
„War das geil, Alter. Ich liebe Huren und ich liebe die Fortschritte in der Chemie.“
Nick begrüßte Reapers Entscheidung, sich doch wenigstens eine Shorts anzuziehen, während der Texaner eine kurze Zusammenfassung der letzten Stunde ablieferte. Sie endete mit einem Energischen: „Ich übertreibe nicht, Keule.“
„Ich habe doch gar nichts gesagt. Aber mal was anderes, ich habe vorhin was aufgeschnappt. Der Präsident sagte zu Ubangi, dass sich der UNO-Generalsekretär bei ihm persönlich beschwert hat. Weißt du was darüber?“
„Klar“, protzte Reaper, „der Affenskandal. Der Kongo beherbergt als weltweit einziges Land drei Menschenaffenarten: Gorillas, Bonobos und Schimpansen. Die Viecher sind teilweise kaum noch aufzufinden, sogar akut vom Aussterben bedroht. Wilderer knallen sie ab und verkaufen das Fleisch als Delikatesse in den Städten.“
„Verstehe. Eine Sauerei. Und was macht der Präsident dagegen?“
„Der ist natürlich verärgert. Und delegiert das Problem an Ubangi.“
Und weil man Reaper manchmal alles aus der Nase ziehen musste, fragte Nick nach. „Und was macht Ubangi dagegen?“
„Der ist auch verärgert.“
Nick verdrehte die Augen. „Und warum ist er verärgert?“
„Weil die Wilderer seine Männer sind.“
„Autsch. Jetzt fällt mir nichts mehr ein“, gestand Brenner.
„Und ich weiß nicht, welche ich als Nächste ficken soll. Ach ja …“ Reaper suchte umständlich in seinen Hosentaschen und drückte Nick zufrieden ein kleines Tütchen mit vier blauen Pillen in die Hand. „Fast noch besser als die Originale. Beschert dir eine Mörderlatte, Alter.“
Mit einem „Yippie-ya-yeah“ verabschiedete sich der Cowboy und Nick betrachtete die Blauen in seiner Hand. „Brauch ich das? Ist das nicht irgendwie Betrug?“
Der Gedanke war kaum zu Ende gedacht, warf er zwei Pillen ein, spülte mit einem Bourbon nach und schaute auf die Seiko. Gleich war es so weit …
‚Kondome!!!’, schoss es ihm plötzlich durch den Sinn.
Nick fragte einen der Barkeeper: „Wo bekomme ich hier Kondome?“
„Ik nixx värstäh.“
„Pariser! Gummis! Jonnys!“
„Ik nixx värstäh.“
„Volldepp!“
„Ik nixx värstäh.“
Die dritte Servicekraft verstand, wusste aber nicht wo welche zu bekommen sind. Zehn US-Dollar frischten sein Erinnerungsvermögen auf und er versprach, welche zu besorgen.
Nick machte sich auf den Weg in sein Zimmer, sprang unter die Dusche und schlüpfte in den bereitgelegten Bademantel. Mit sich selbst und der Welt zufrieden, schaute er sein Spiegelbild an, kämmte sich die Haare zurück und rieb die Wangen mit seinem Lieblingsaftershave ein. Er wollte es sich gerade im breiten Clubsessel bequem machen, als das runtergedimmte Licht zu flackern begann. Drei, viermal und dann war es stockdunkel. Nick ging zum Fenster und schaute hinaus. Im Mondlicht sah er Uniformierte, die hektisch umherrannten. Aber bevor er sich großartig Gedanken machen konnte, funktionierte das Licht wieder. Eine weitere Minute später blies auch die Klimaanlage wieder kalte Luft in das Zimmer. Nick meinte, den gedämpften Ton eines großen Dieselaggregats zu hören.
Nicht zu überhören war das energische Klopfen an der Tür und eh er sich umdrehen konnte, betraten die beiden Mädels vom Château das Zimmer.
„Hallo Monsieur Nick. Ich bin Kyra und das ist Céletin.“
„Und ich bin geil. Let´s go.“ Er wies die in Dessous und Negligé gekleideten Ladys zum großen Kingsizebett und machte es sich im Sessel bequem.
Jeden Moment musste der Barkeeper anklopfen und die hauchdünnen, aber lebenswichtigen Latexprodukte bringen.
Nick schaute gebannt den schlangenartigen Bewegungen zu, mit denen die beiden ihn bezirzten. Das funktionierte schon im Château, und jetzt fand er es sogar noch geiler.
Langsam zog Kyra ihrer Kollegin die Dessous aus und Céletin rekelte sich nackt vor Nicks Augen. Sie näherten sich immer nur so weit, dass er, im Sessel sitzend, sie mit den Fingerspitzen berühren konnte. Das machte ihn nur noch schärfer. Längst war Nick nackt und sein Glied zum Zerreißen gespannt. Als sich Céletin aufs Bett legte, ihre Beine spreizte und Kyra wie aus dem Nichts einen summenden Vibrator in der Hand hielt, haute es Nick fast vom Sessel.
„Fick sie damit, Monsieur Nick.“
Das ließ er sich nicht zweimal sagen, sprang vom Sessel und direkt zwischen die beiden Nutten, die ihn fast an den Rand des Wahnsinns brachten. Nick war nur zu gern der Hahn im Korb, und genau das Gefühl gaben ihm Kyra und Céletin. Irgendwann war ihm völlig egal, wer wer war. Hauptsache, eine hatte seinen Schwanz im Mund und er konnte die andere mit dem Toy befriedigen.
Dass er zusehends seine aktive Rolle aufgab und zum Werkzeug der Zwei wurde, war ihm mittlerweile egal. Auch wo sie das wohlriechende Öl herhatten, mit dem sie nahezu jeden Quadratzentimeter seiner Haut massierten.
Kyra machte es sich selbst, zuckte heftig zusammen und Nick fand es unglaublich geil, sie dabei zu beobachten. Jetzt war auch er so weit und wollte endlich kommen. Schlagartig wurde ihm bewusst, dass der Bartyp immer noch nicht da war. „Verdammt, wo bleibt dieser Trottel nur?“
Céletin sah ihn verwundert an.
„Ich habe schon vor über einer Stunde Kondome bestellt.“
„Die sind schwer zu bekommen. Aber wir könnten etwas mit dir machen, das du noch nicht erlebt hast und es wird dir helfen, die Wartezeit zu überbrücken.“
„Ich will nicht länger warten! Verstehst du nicht? Ich bin geil wie Schmitts Katze und will euch endlich vögeln.“
„Wir praktizieren ausschließlich Safer Sex.“
Ein letzter Rest an Verantwortungsbewusstsein meldete sich in Nicks Kopf. „Na gut. Was hättet ihr denn da für eine Idee?“
Anstatt einer Antwort rollten sie Nick auf den Bauch, begannen Öl auf seine Haut zu träufeln und verrieben es mit den Händen. Nick stöhnte einige Male auf, der leichte Schmerz des Fingerdrucks beim Massieren und das kurze Berühren, als ihre Hände die Wirbelsäule nach unten fahrend, auch an seinem Po nicht haltmachten.
Immer intensiver massierten sie seinen Po, fuhren zwischen seine Beine, verweilten kurz und fuhren den Weg wieder in entgegengesetzter Richtung zurück. Kyra forderte Nick mit sanfter Stimme auf, sein Becken etwas anzuheben und er kniete bald darauf in einer Position, die der des „Doggy style“ nicht unähnlich war. Nick keuchte und begann zu stöhnen. Die ganze Situation erregte ihn einerseits, andererseits gefiel ihm seine passive, ja schon leicht devote Rolle nicht wirklich.
„Du sehnst dich danach“, säuselte Kyra in sein Ohr.
„Ja“, hauchte er, ohne überhaupt zu wissen, wozu er gerade seine Zustimmung gab.
Kyras Finger kreiste nun an einer bestimmten Stelle und Nick stöhnte auf. Langsam, ganz langsam drang ihr Finger in seinen Po ein und Nick verzog etwas das Gesicht.
„Entspann’ dich.“
„Ich weiß nicht so recht, ob ich das will.“
„Es wird dir gefallen.“
Um Nicks Widerstand vollends zu brechen, positionierte sich Céletin mit ihrem Becken direkt vor Nicks Gesicht und Kyra träufelte mehr von dem Massageöl zwischen seine Pobacken. Nick verkrampfte, wurde wieder lockerer, aber nur, um erneut seinen ganzen Körper anzuspannen. Nach einigen Minuten war Kyras Finger tief in ihm und er stöhnte laut auf, als sie ihn rhythmisch bewegte.
„Es wir noch geiler, Monsieur Nick.“
Und das war Nick auch sofort klar, als eine neue Welle von Gefühl durch seinen Körper raste. Céletin packte seinen Schwanz und massierte ihn kräftig. Als sie aber ebenso schlagartig damit aufhörte, war Nick nahe daran, selbst Hand an sich zu legen. Er beobachtete, immer noch mit dem Finger im Po, wie Céletin etwas aus ihrer Tasche kramte. Sie schlüpfte in eine Art Slip aus Gurten und er hielt den Atem an, als sie sich umdrehte. Wie bei einem erregten Mann stand etwas von ihr ab. Ein schwarzer, ihrer Hautfarbe entsprechender Dildo, zeigte bedrohlich auf ihn. Mit einem Mal fröstelte es Nick, aber er konnte dieses Gefühl nicht einordnen. War es Ekel oder war es Lust?
Bevor er sich weiter Gedanken machen konnte, kniete Céletin bereits hinter ihm und rieb den Latexdildo mit Gleitmittel ein. Mit der linken Hand griff sie an seine Hoden und massierte diese leicht. Nick stöhnte laut auf, als die Spitze des Kunstschwanzes in ihn eindrang. Die Stimulation, verbunden mit einem leichten Schmerz, steigerte seine Erregung.
Anfangs noch unsicher genoss Nick die vertauschten Rollen. Plötzlich hielt Céletin inne. Während der Dildo tief in Nicks Hintern steckte, begann sie mit schnellen Bewegungen seinen Schaft zu massieren.
Er schloss die Augen und nahm durch die geschlossenen Lider ein Blitzen wahr. Nur Sekunden später zuckte Nick heftig zusammen, bäumte sich auf und eine nicht geringe weiß-transparente Flüssigkeit sammelte sich in mehreren kleinen Pfützen auf dem Bettlaken. Seine ganze aufgestaute Lust und seinen Frust schrie er sich aus dem Leib und genoss, wie Céletin auf seinem Glied die Vorhaut mit festem Griff hin und her schob.
Und wieder dieses grelle, unnatürliche Licht. Nick öffnete die Augen. „Was soll das?“
Wütend stieß er die immer noch hinter ihm positionierte Céletin weg und ging auf Kyra los. „Was soll der Scheiß, du Miststück?“ Wütend schlug er der Frau die Sofortbildkamera aus der Hand, packte ihren Arm und schleuderte sie aufs Bett. In der gleichen Sekunde ging die Zimmerbeleuchtung an. Zwei junge Soldaten befahlen ihm, ruhig zu bleiben. Er erkannte einen weiteren Mann an der Tür.
Oberst Ubangi. Nick stürzte wütend auf ihn zu. Die Soldaten gingen dazwischen und drückten ihn zu Boden, wo er zappelnd einen Tobsuchtsanfall bekam. Gegen die ausgebildeten Männer hatte Brenner keine Chance. Einige Minuten vergingen. Die kräftigen Arme der beiden Soldaten hielten ihn, wie mit Schraubzwingen fixiert, in einer unbequemen Kauerstellung am Boden. Kyra und Céletin zogen sich wortlos an, sprachen ein paar Worte mit dem Oberst und verließen das Zimmer.
„Wenn meine Männer Sie jetzt loslassen, Monsieur Brenner, werden Sie sich dann zu beherrschen wissen?“
„Ich werde dir deinen Hals umdrehen, du Ratte!“
Ubangi nickte und einer seiner Soldaten zog Nick an den Haaren hoch, während der andere ihm einen Schlag in den Magen versetzte. Sich vor Schmerz krümmend, sackte Nick in die Hocke. Einer der Soldaten schubste Nick unsanft zur Seite, sodass er, auf dem Boden kauernd, liegen blieb.
„Das können wir bis morgen früh weiterspielen, mein Junge. Letztendlich haben aber alle Ihre Vorgänger begriffen, dass kooperieren gesünder ist.“
Da Nick nicht die Anstalt machte etwas zu sagen, rissen ihn Ubangis Männer wieder vom Boden hoch und pressten ihn an die Wand.
„Ja! Okay! Ich habe kapiert!“
„Sicher? Überlegen Sie sich Ihre Antwort gut. Sonst erfahren Sie, was Schmerzen wirklich sind.“
Nicks Coolness war blanker Angst gewichen. Keinen Moment zweifelte er an Ubangis Drohung und wünschte sich nur, so schnell wie möglich im nächsten Flieger zu sitzen.
Während Brenner sich den Bademantel anzog, schickte Ubangi seine Leute vor die Tür. Nick setzte sich auf einen Stuhl und versuchte, seine Gedanken zu ordnen.
Der Oberst goss Schnaps in zwei Gläser, nahm sich einen Stuhl und reichte Nick ein Glas. Stumm stießen sie an.
„Alles klar?“, fragte der Oberst.
Nick schüttelte den Kopf. „Nein. Was soll der Scheiß?“
„Nur eine kleine Gefälligkeit.“
„Für wen?“, fragte Nick verdutzt. „Wer interessiert sich für mein Sexualleben? Ich bin ledig und niemandem Rechenschaft schuldig.“
„Ich dachte, Sie wären intelligenter, Nick“, sagte Ubangi auf Deutsch.
Nick sah ihn erstaunt an. Der Oberst genoss den Moment. „Nicht schlecht für einen Bauerntölpel, wie Sie mich gestern noch abwertend genannt haben.“
„Ich verstehe. Die Huren handelten in Ihrem Auftrag. Der Bauerntölpel scheine ich zu sein.“
„Allerdings, mein Junge. Aber wenn es ein Trost ist, es war nicht gegen Sie persönlich.“
Nick nippte an seinem Drink. „Wo haben Sie unsere Sprache so perfekt gelernt, Oberst?“
„Ich bin in Angola geboren. Als junger Mann ging ich zum Militär und so kam ich über unsere sowjetischen Freunde in die DDR. Ich wurde von Offizieren der Nationalen Volksarmee ausgebildet und lernte russisch und deutsch.“
„Respekt Oberst. Ich habe nichts davon bemerkt.“
„Natürlich nicht, mein Junge. Ich bin ein Profi und Sie – sagen wir mal so - Sie waren heute ziemlich schwanzgesteuert.“
Nick starrte kleinlaut auf den Holzboden und dann auf sein leeres Glas. Der Oberst schenkte nach.
„Jack Daniels. Aber nicht Black Label“, schmeckte Nick heraus.
„Gentleman Jack.“
„Nicht schlecht, Oberst. Nicht schlecht. Sie haben einen ausgezeichneten Geschmack.“
„Danke. Sie haben Ihr Studium mit Auszeichnung bestanden, Nick. Sie sehen gut aus, sind clever und werden Ihren Weg gehen, davon bin ich überzeugt.“
„Und Sie? Stehen Sie auf solche Fotos? Haben Sie ein Sammelalbum?“
„Ich mache mir nichts aus Sex“, sagte der Oberst.
„Bekomme ich dann irgendwann ein Foto geschickt, wo ich mich in den Arsch ficken lasse?“
„Sie sind doch ledig und niemandem Rechenschaft schuldig“, stichelte der Oberst. „Außerdem war es von einer bildhübschen Frau. Und … leider … ist die Aufnahme nicht sehr scharf.“
Ubangi fasste in seine Innentasche und holte die beiden Polaroidbilder hervor. Er betrachtete sie einen Moment und warf Nick eins zu.
„Das ist das bessere. Schenke ich Ihnen, Junge.“
Brenner sah Ubangi erstaunt an. „Ich verstehe jetzt gar nichts mehr …“
„NICK!“
„Okay, okay.“ Nick ging einen Moment in sich. „Sie haben das alles inszeniert! Das war so geplant! Die Nutten im Château … keine Gummis …“
Der Oberst lachte laut auf: „Das war allerdings das größte Problem. Im Château mussten wir zwei Automaten abschrauben.“
Nicks Gesichtsausdruck schrieb Bände. Er schaute nachdenklich auf das Polaroidfoto. Der Oberst warf ihm ein Päckchen Streichhölzer zu, und während das Bild im Aschenbecher verbrannte, dämmerte es Nick.
„Es ging genau um diese Spielart. Die Huren im Château sollten mich geil machen, richtig geil. Sie spekulierten darauf, dass ich sie ohne Gummi nicht vögeln würde, andererseits aber geil und enthemmt für neue Spielchen wäre. Aber wieso?“
„Sagte ich doch. Eine Gefälligkeit. Da kommen Sie schon noch drauf. Mir ging es allerdings um etwas anderes, Nick. Ich kann Sie leiden, und ich kann nur sehr wenige leiden. Wenn Sie mich einmal linken, dann haben Sie jetzt eine winzige Vorstellung, was Ihnen blühen wird.“
Brenner nickte. „Ich verstehe. Und es wird weder in einem Luxusappartement sein, noch durch eine hübsche Frau.“
„Nicht einmal durch eine hässliche Frau.“
„Verstehe. Ich werde Sie garantiert nicht verarschen, Oberst Ubangi, aber ich lasse mich auch nicht verarschen.“
„Dann verstehen wir uns, mein Junge.“
„Hätten Sie mir das nicht auch auf eine andere Art erklären können, Oberst?“
„Sicher! Aber so werden Sie es nie vergessen.“
„Auch wieder wahr. Wie haben Sie das angestellt? Ich meine, was haben Sie den Huren gesagt?“
„Nur die Wahrheit, dass Sie schwul seien und es gern mal von einer Frau besorgt bekommen wollen. Ich erklärte den Ladys, dass es sich um einen kleinen Scherz handelt, und ich zahlte ihnen einen großzügigen Bonus.“
„Kleiner Scherz?“ Nick schüttelte nur den Kopf. „Wer Sie zum Freund hat, braucht keine Feinde mehr.“
„Ich kann Sie beruhigen. Das ist vielleicht ein armes Land, und Sie lachen über unseren Lebensstandard. Aber ich versichere Ihnen, wir schlachten doch nicht die Kuh, die uns mit Milch versorgt.“
„Thats Afrika, richtig?“
„Richtig“. Ubangi schmunzelte. „Ach, noch eine Kleinigkeit, Nick.“
Der Oberst warf etwas durch die Luft, das Nick reflexartig auffing. Er starrte auf das quadratische Plastiktütchen mit dem knallroten Aufdruck. Save your Live – Hersteller Ahlenbacher Holding - Made in DR Kongo.
„Eines unserer Hauptprodukte.“ Ubangi lachte sich halb kaputt. „Und noch was, der einzige Fehler den ich machte: Als Sie im Büro der Holding warteten, standen Hunderte von den Dingern im Foyer.“
Ohne ein weiteres Wort erhob sich Ubangi und verließ das Zimmer. Nick sah dem Oberst fassungslos hinterher und steckte das Kondom ein.
„Immerhin ein Souvenir“, sagte er zu sich selbst und verfiel ins Grübeln. Plötzlich fiel es ihm wie Schuppen von den Augen. Nur einer konnte das organisiert haben. Einer der wohl mitbekommen hat, dass er vor ein paar Jahren selbst fotografiert wurde. Da hatte er seinen Studienkollegen wohl etwas unterschätzt.
Er kramte sein Satellitentelefon aus dem Sakko und wählte eine Nummer. Es klingelte.
„Ja?“
„Du kleiner Drecksack“, flüsterte Nick.
Der andere lachte laut. „Dito, Nick, dito. Was ist es für ein Gefühl, gefickt zu werden?“
Nick lachte. „Gar nicht so schlecht, Flo. Aber das zahl ich dir heim.“
„Versuchs Nick. Und sonst? Läuft alles nach Plan?“
„Von meiner Seite aus schon, aber ich habe nirgendwo was gehört.“
„Das wirst du auch nicht. Die machen ein Staatsgeheimnis draus. Der BND läuft fast Amok und die Russen und Amis sind ebenfalls meganervös.“
„Hörst sich gut an. Ich melde mich. Bis dann.“
***
Nick verstaute das Satellitentelefon im Sakko und beschloss, sich wieder unters Volk zu mischen. Allerdings nicht im Bademantel. Gerade als er sein Zimmer verlassen wollte, begann das Licht wieder zu flackern.
An der Bar merkte er dann, dass die Anzahl seiner Drinks Wirkung zeigten. Er bestellte einen großen Kaffee und betrachtete kopfschüttelnd die kleine Feier, die mittlerweile zu einer Orgie mutiert war. Sein kleiner Freund reagierte aufgrund des blauen Pulvers im Blut mit Wohlgefallen und wollte auch mitspielen. Akribisch sortierte er die Frauen in drei Gruppen. “Nie im Leben“, “wenn’s sein muss“ und “ja-ja-ja“. In einer Sofaecke sah er seine beiden Freundinnen Kyra und Céletin. Kategorie “ja-ja-ja“ und “nie im Leben hoch zehn“. Den Kaffee in der einen Hand und ein Cellophanbeutel in der anderen kam ihm ein böser Gedanke.
Der General ließ die Puppen tanzen und sah schmatzend zu. In der einen Hand eine fettige Schweinshaxe und die Finger der anderen in einer seiner Gespielinnen. Nick bedankte sich überschwänglich für die Wahnsinnsnummer mit den “dürren Häschen“ und schwärmte für deren Vorliebe für Spielchen mit der Hintertür, wenn auch mit leicht geänderten Fakten. Er überreichte Lomami den Beutel mit den beiden restlichen Pillen. „Und immer tief rein, General. Die beiden stehen da voll drauf.“
Die Schweinsaugen des Generals leuchteten und er schickte einen seiner Leute, um Nicks Empfehlung herzuholen. Zufrieden ging Brenner zur Theke zurück und pumpte noch einen starken Kaffee rein.
„Freut mich, Sie hier zu sehen, Nick. Ich war mir nicht sicher, ob Sie nicht Hals über Kopf abreisen würden.“
„Ich gestehe, Oberst, ich hatte einen Moment daran gedacht. Aber ich bin schließlich Geschäftsmann und habe noch einiges vor.“
„Und ich muss zugeben, von Business verstehe ich nicht viel.“
„Das ist einfach, Oberst. Ich gebe Ihnen mal einen kleinen Einblick, wie das funktioniert:
Vater: Ich werde dich mit einem Mädchen meiner Wahl verheiraten.
Sohn: Nein!
Vater: Es ist die Tochter von Bill Gates.
Sohn: Dann... Okay!
Vater geht zu Bill Gates: Ich will meinen Sohn mit deiner Tochter verheiraten.
Bill Gates: Nein!
Vater: Er ist der Geschäftsführer der World Bank.
Bill Gates: Dann... Okay!
Vater geht zur World Bank: Ich will, dass Sie meinen Sohn als Geschäftsführer einstellen.
World Bank: Nein!
Vater: Er ist der zukünftige Schwiegersohn von Bill Gates!
World Bank: Dann... Okay!“
Oberst Ubangi lachte. „Wenn ich gewusst hätte, wie einfach das ist, wäre ich nicht zum Militär gegangen.“
Das Licht flackerte und Ubangi wurde nervös. „Sie entschuldigen mich.“
„Ihr solltet vielleicht die Stromrechnung pünktlich bezahlen“, rief Nick hinterher, aber da war der Oberst schon weg.
Trotz des Kaffees hatte Nick einen Durchhänger, setzte sich auf einen Barhocker und döste etwas vor sich hin.
„Schlafen kannst noch, wenn du tot bist, Keule.“ Reaper, inzwischen mit Lendenschurz zu seinen Cowboystiefeln, gesellte sich zu Nick und lästerte über dessen Gebräu. Wieder flackerte das Licht. „Die Idioten übertreiben es mal wieder. Demnächst bricht die Anlage zusammen.“
Trotz angesammelter Promille und beträchtlicher Blutarmut in Nicks Kopf verarbeitete sein Gehirn auch diese Information. Und es war klar, dass mehr dahinterstecken musste.
„Mit was übertreiben sie?“, fragte er geradeheraus.
„Du musst nicht alles wissen, Alter. Wer in diesem Land zuviel weiß, ist schnell Krokodilfutter.“
Der gut gemeinte Rat des Texaners löste bei Nick einige festgefahrene Rädchen und er setzte Puzzleteile neu zusammen. Aus einer anderen Sichtweise ergaben sie ein völlig neues Bild. Ein Bild, das ihn frösteln ließ. Vielleicht hatte Reaper recht, man muss nicht alles wissen.
Reaper pfiff leise. „Jetzt reißt es mir den Sack ab. Das gibt es doch gar nicht. Siehst du den Typ dahinten? Der mit dem Schnauzer. Das ist Wiktor Anatoljewitsch But, oder auch als Viktor Bout bekannt. Der sollte normalerweise die nächsten 25 Jahre hinter amerikanischen Gittern schmoren.“
„Ist das dieser Waffenhändler?“
„Das ist der Waffenhändler überhaupt. Der hat alles an jeden, und wirklich alles an wirklich jeden verkauft. Wenn es einen Titel für den skrupellosesten Scheißkerl auf diesem Planeten geben würde, dann hätte er ihn.“
„Und was macht der hier?“, fragte Nick.
„Woher zum Teufel soll ich das wissen?“ Reaper starrte auf den Waffenhändler, der aber schnell wieder ins Nichts verschwand. „Indonesien hat 130 Leopard 2 Panzer gekauft. Ein 217 Millionen Euro deal. Man munkelt, sie hätten zwanzig davon verloren. Und wenn die einer wiederfindet, dann Bout.“
„Und die sollen hier im Kongo sein?“
„Das kann ich mir nicht vorstellen. Die haben hier russische T-80 und einige T-84. Nein, das passt nicht. Ein Leo 2 kostet wenigstens zwei Millionen Euro. Und was willst du mit so einem Ding im Dschungel? Für das Geld bekommst du 10 000 neuwertige AK-47.“
„Was auch nicht passt, dass sich die Amis so große Sorgen über verlorene deutsche Panzer machen, dass sie den rauslassen.“
„Ja, genau. Da ist was anderes am Kochen, Alter. Mächtig am Kochen.“
„Man könnte die Panzer tauschen“, sinnierte Nick. „gegen etwas, das man dringend braucht und offiziell nicht bekommen würde.“
Der Oberst stürzte auf die beiden zu. Ebenso grimmig schauend, wie seine beiden Leibwächter. „Schauen Sie nach, was da los ist, Reaper.“
„Ich werde sofort ein paar meiner Männ…“
„Nein! Erledigen Sie das persönlich. Nehmen Sie Brenner mit! Und ziehen Sie sich was an, Mann!“
Es kam Nick vor, als gefriere gerade sein heißer Kaffee in der Tasse. Der Texaner nahm Haltung an. „Ja, Sir!“
Der Oberst schnaubte wie ein wütender Stier. „Erschießen Sie den Verantwortlichen, Reaper.“ Er machte auf dem Absatz kehrt und verschwand in Richtung Ostflügel.
„Der ist aber finster drauf. Solche Sprüche passen gar nicht zu ihm.“
„Das war kein Spruch, Alter. Das war ein Befehl. Komm mit.“
Nick hatte Mühe der Geschwindigkeit des Texaners zu folgen, als der in verschiedenen Zimmern seine Klamotten zusammensuchte. Währenddessen rasten die Gedanken durch Nicks Kopf. Dass Ubangi kein Laufbursche der Holding war, war ihm längst klar, aber welche Rolle spielte der Oberst? Und dass Reaper vor ihm die Hacken zusammengeschlagen hatte, musste auch was bedeuten. Nick fröstelte bei den wenigen Optionen, die am Ende übrig blieben. Während Reaper umständlich in seine Hose schlüpfte, fragte er ihn direkt. „Wer oder was ist Oberst Ubangi?“
Der Texaner sah ihn ungläubig an. „Der gefährlichste Mann Afrikas. Chef der Geheimpolizei.“
„Geheimpolizei?“
„Denkst du etwa, die Gestapo oder die Stasi gab es nur bei euch? Komm jetzt.“
Reaper eilte nach draußen, ließ sich von einem Soldaten den Schlüssel eines Pickups geben und raste auf einem besseren Feldweg nach Norden. Was der Kaffee nur langsam hinbekam, schaffte Reapers Fahrstil in Sekunden. Nick war völlig klar im Kopf und verspürte so was wie Angst in seiner Brust.
„Was weißt du vom Aquarium, Alter?“
„Nur das allgemein Bekannte. Ein Steckenpferd von Präsident Kobilo. Er entspannt sich, wenn er seine Fische beobachtet …“
Reaper lachte laut. „Nur dass ein Kindergartenkind mehr über Zierfische weiß als der Präsi. Das Aquarium ist ein Krokodilgehege. Der letzte Aufenthaltsort für politische Gegner, gefangene Rebellenführer oder einheimische Journalisten.“
Nicks Gesichtsfarbe nahm einen unnatürlichen fahlen Ton an. „Und das ist Kobilos Aquarium?“
„Alter, Kobilo tötet seine Gegner mit einer Unterschrift.“ Der Texaner imitierte ein Schriftzug und winkte ab. „Der macht sich nicht die Hände schmutzig. Die Krokos sind Lomami Babys.“
„Lomami?“
„Ja! Dieses sadistische Schwein bekommt ein Rohr, wenn er sich an den Viechern ergötzt. Offiziell ist das eine Zuchtanlage - für Krokoleder. Das System wird vom Fluss gespeist, der auch den Strom für die Farm liefert. Normalerweise kommt da nichts in die Turbinen, weil die Drecksviecher alles auffressen.“
Eine scharfe Rechtskurve kam rasend schnell näher. Reaper machte nicht einmal den Versuch, den Wagen abzubremsen, drosch ihn durch die Kurve und riss das Lenkrad rum. Zwei Reifen kamen vom Weg ab, der Pickup schlingerte und kam wie durch ein Wunder wieder in die Spur.
„Du bringst uns noch um, du Spinner.“
„Besser ich, als Lomami.“
Reaper fuhr hupend auf eine Schranke zu, der Wachmann sah ihn überrascht an. „Das Scheißding auf!“, schrie er aus der Kabine. „Und schaff mir Major Katanga ran!“ Zwei junge Soldaten eilten heran und öffneten die Schranke. Das Dach des Pickups streifte das Stahlrohr. Reaper gab Vollgas, stieg nach einigen Hundert Metern vor einem bunkerähnlichen Gebäude voll in die Eisen und sprang aus dem Wagen. Ein Mann in Tarnfleckenuniform kam heraus. Er hob die Hände. „Es ist nicht meine Schuld. Ich führte nur Befehle aus.“
„Wessen Scheiß Befehle“, fragte Reaper, lud die Pistole durch und zielte auf den Kopf des Mannes.
„General Lomami“, antwortete der Major. „Wer sonst?“
Reaper senkte die Waffe. „Verdammt! Dieser fette, dumme Crétin.“ Wütend hob er wieder die Knarre. „Erzähl mir, was los war!“
„Richten Sie die Waffe woanders hin, Sie durchgeknallter Cowboy. Oder meine Männer erschießen Sie.“
Erst jetzt sah Nick das halbe Dutzend Wachsoldaten, die mit angelegter AK-47 auf Reaper zielten.
„Rede, Mann, oder ich veranstalte hier ein zweites Little Bighorn.“
„Männer!“, fasste sich Nick nach einer weiteren angespannten Minute ein Herz. „Wir sind doch auf derselben Seite, haben alle unsere Befehle. Wieso senken nicht alle die Waffen, und wir trinken erst mal einen Schluck.“
Nach einer weiteren gefühlten Minute begann Reaper zu grinsen und steckte die Pistole in das Holster. „Was trinkt ihr Jungs hier draußen?“
Der Major gab seinen Männern ein Handzeichen, sie senkten ebenfalls die Waffen. „Ich habe guten kubanischen Rum …“
Brenner und Reaper folgten dem Major ins Innere der Anlage. In einem spartanisch eingerichteten Büro genossen sie den vorzüglichen Zuckerrohrschnaps in Plastikbechern. „Vorgestern brachte Lomamis Garde über 300 gefangene Rebellen her. Da war wirklich alles dabei. CNDP, FDLR, Nkunda Miliz, Söldner aus Angola und Simbabwe. Lomamis Folterknechte gaben alles. In den Gewölben sah es aus wie auf dem Schlachthof. Der General war selbst bei den Verhören anwesend.“
„Dann habe die bestimmt alle gesungen“, meinte Reaper.
„Nur das falsche Lied. Keiner wusste etwas. Lomami war stinksauer, weil er nicht das erfuhr, was er wissen wollte. Kommen Sie mit.“
Major Katanga verließ das Büro und geleitete seine ungebetenen Gäste ins Freie. Unter einer wackeligen Hängebrücke erstreckte sich ein weites Arial mit Hunderten von Krokodilen. Die drei bis fünf Meter lange Tiere lagen friedlich beisammen und erinnerten fast an einen Streichelzoo.
„Ich kenne die nur aggressiv und hungrig“, sagte Reaper.
„Und das ist eine Auswahl unserer bösartigsten Kreaturen.“ Katanga nickte und zeigte auf eine Handvoll Männer, die mit langen Stäben Körperteile aus dem Wasser fischten. Lomami drehte völlig durch und ließ alle zu den Krokodilen werfen. Und die freuten sich. Zerrten die Männer ins Wasser, ertränkten sie und rissen sie in Stücke. Dabei sind viele Leichenteile in das Ablaufsystem geraten und letztendlich in den Wasserturbinen gelandet. Wir arbeiten rund um die Uhr, aber kurzzeitige Störungen ließen sich nicht vermeiden.“
„Was ich nicht verstehe, das passiert doch öfters. Wieso sind keine Schutzgitter vor den Scheiß Turbinen?“
„Weil dafür kein Geld da ist. Was denken Sie, Reaper, wie oft ich das schon mokiert habe.“
Der Texaner spuckte auf den Boden. „Garantieren Sie keine weiteren Stromausfälle, Major?“
„Ich garantiere, dass ich alles Menschenmögliche tue. Aber ich übernehme nicht die Verantwortung. Wenden Sie sich an Lomami.“
„Ein Scheiß werde ich tun. Ich muss telefonieren.“
Auf dem Rückweg gingen die Männer durch ein niedriges Gewölbe. Die alte Stahlbetonkonstruktion war dreckig, stickig und feucht. Zwei zerlumpte Männer, mehr tot als lebendig, hingen, an den Handgelenken gefesselt, an schweren Eisenketten. Reaper zeigte auf die Männer.
„Zwei Schmierfinken von der Agence Congolaise de Presse“, antwortete der Major.
„Was haben die getan?“, frage Nick und starrte entsetzt auf die blutverkrusteten Klumpen, die einst Hände waren.
„Die haben die Wahrheit geschrieben“, sagte Major Katanga mit extrem sarkastischem Unterton.
„Was geschieht mit ihnen?“
„Was wohl, Alter? Mann Nick, die werden garantiert nicht zu Ubangis nächster Teeparty eingeladen.“ Der Texaner verstaute sein Handy in der Hemdtasche. „Übrigens, wir müssen nach Nordkivu.“
„Ich bestimmt nicht, ich flieg nach Hause.“
Reaper zog seine Pistole aus dem Holster. „Ich weiß noch nicht, was ihr da angerichtet habt. Aber ich werde die Suppe garantiert nicht allein auslöffeln. Du fliegst mit oder du bist Kroko Futter.“ Er lud die Waffe durch und schoss den Journalisten in den Kopf.
„Bist du verrückt geworden?“, schrie Nick.
„Das frage ich mich schon jahrelang“, meinte der Texaner und steckte seine Waffe ein. „Aber den beiden habe ich einen Gnadenakt erwiesen.“
Kommentare
(AutorIn)
Kommentare: 441
Vielen Danke für die Kommentare. Über die meisten habe ich mich sehr gefreut.
Ich wollte etwas schreiben, bei dem die Vorgabe (also der Stromausfall) kein Ereignis auslöst, sonder umgekehrt, die Handlung zum Stromausfall führt, oder besser gesagt, eine Verkettung von Handlungen.
Heraus kam - ich würde sagen - ein Politthriller. Leicht satirisch, über Macht, Gier und Intrigen.
Nicht unbedingt für Sevac geeignet, aber das sie so schlecht ankommt hätte ich nie und nimmer gedacht.
VG Mondstern«
Kommentare: 9
Kommentare: 129
Die Geschichte ist wirklich bemerkenswert. Sie lebt vor allem von dem exotischen Umfeld, da hat sich jemand wirklich viel Mühe gemacht beim Recherchieren. Kompliment! Personenzeichnung, Stil etc. ebenfalls sehr gekonnt. Erotisch? Na ja, eher weniger, aber obwohl auch der Stromausfall eher alibimäßig eingebaut wurde, gebührt diesem Beitrag meiner Ansicht nach trotzdem einer der vorderen Plätze bei diesem Wettbewerb.
Zwei kleine Kritikpunkte im Detail:
Ein plötzlicher Perspektivwechsel wie der zu der Stripperin ist stilistisch/dramaturgisch immer problematisch, auch wenn die Story nicht in der 1. Person geschrieben wurde.
Das Ende wirkt unmotiviert und allzu abrupt (ein grundsätzliches Problem bei vielen der Geschichten hier; man hat tatsächlich den Eindruck, die Autoren wären kurz vor Ende der Frist gerade so fertig geworden und hätten den Schluss hingehudelt).«
Kommentare: 214
Da zwischendurch mal zugeblinzelt wird und etliche andere Stilelemente vertreten sind, die ich sehr genau kenne, weiß ich, wer diese Story geschrieben hat. Gratulation! Von mir volle Punktzahl«
Kommentare: 2
Selten eine so eigenartige, aber geniale Geschichte gelesen - ein super Einfall.«
Kommentare: 156
Ich meine, an einer bestimmten Stelle etwas gefunden zu haben, um den Autoren oder die Autorin zu identifizieren. Aber auch das kann täuschen.
Insgesamt finde ich das gut. Die Erotik würde durch das Ambiente erheblich ausgebremst, was ich aber als Absicht betrachte und entsprechend honoriere.
Bleibt nur eine Frage: Warum kommt es mir so vor, als hätte ich einen Teil der Geschichte schon einmal gelesen? Und sei es als Arbeitsversion...«
Kommentare: 50
Kommentare: 127
Kommentare: 404
Kommentare: 49
In einem anderen Kontext hätte diese Gesichte bei mir sicher 4 bis 4 1/2 Punkte bekommen, so bin ich etwas sparsamer gewesen.«
Kommentare: 136
Wer wohl die geheimnissvolle Tänzerin ist, die nach ihrem Auftritt wieder so schnell verschwinden musste? ;-)
Fortsetzung erwünscht!!«
Kommentare: 88
Kommentare: 57
die Geschichte entwickelt sich ja zu einer Horrorgeschichte.
Am Anfang dachte ich es wird eine erotische Geschichte, aber dann ging sie ja voll in den korrupten Sumpf unser so heilen Welt. Du hast toll recherchiert, über das Land und ihre Machenschaften.
LG Stef«
Kommentare: 31
eine sehr schöne geschichte, hat mich wie immer sehr fasziniert«