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Kommentare: 8 | Lesungen: 2509 | Bewertung: 7.88 | Kategorie: Sonstiges | veröffentlicht: 05.11.2010

Stachelbeerbaiser

von

Sei gewarnt, liebe Sevac-Gemeinde, diese klitzekleine Geschichte enthält keinerlei sexuelle Inhalte, nur ein bisschen Sinnlichkeit, und dass ich sie trotzdem hier poste, das ist nicht mehr und nicht weniger als ein Experiment und ein Lebenszeichen, dass es nach längerer Pause auch bald mit den „großen“ Geschichten weitergeht ...


LG Andrea

STACHELBEERBAISER

„Na, gefällt dir mein kleines Paradies?“

Wie eine ertappte Voyeurin zuckte ich zusammen, als mich die weiche Stimme einer fremden Frau aus meinen Träumen riss.

Schon oft war ich mit dem Auto an diesem etwas abseits hinter den Alleebäumen am Ende eines schmalen Fußpfades liegenden Anwesen vorbeigefahren. Hatte mit den Augenwinkeln den fast toskanisch wirkenden Charme der hinter einer mannshohen, weißgetünchten Mauer nur zu ahnenden Gebäude eingefangen, einen flüchtigen Blick durch das eiserne Tor erhascht, das jetzt, im Sommer, wie ein kleines Fenster am Meer meine Sehnsucht geweckt hatte, die Pracht des satten, alles zu überwuchern scheinenden Grüns und der ungezählten Farbtupfer eines blühenden Ozeans ganz aus der Nähe betrachten zu wollen.


Oder war es dieser kobaltblaue Sonnenschirm, der mich angezogen hatte wie ein Magnet, der im Winter den einzigen, farbigen Akzent setzte und jetzt, im Sommer, so verloren wirkte inmitten dieses verschwenderischen Meeres aus allen Farben der Natur?

Ja, ich war überzeugt, dass hier niemand mehr leben würde, dass dieses Anwesen von Menschen verlassen war, sich selbst überlassen, der ursprünglichen, urgewaltigen Kraft des Dschungels – und das auf einer kleinen, verwunschen wirkenden Insel, umgeben von der Monotonie endlos wirkender Getreidefelder.

Und jetzt, an diesem sonnigen warmen Tag, jetzt hatte ich ein Ziel, als ich den entlang der Alleebäume verlaufenden Radweg befuhr, mein Fahrrad die letzten Meter bis zum Tor über den groben Kiesweg schob, das Rad an die Mauer lehnte, mit den Händen die Streben des eisernen Portals umklammernd erst einmal tief durchatmete, die Augen schloss, um dann all die betörenden, sinnlichen Düfte von Oleander, Jasmin und Rose zu genießen, sie einzusaugen, zu träumen, mit meinen Ohren dieses polyphone Summen und Brummen des Flügelschlags der Bienen und Hummeln, das Werben der Singvögel, als ein Konzert der Sinne zu erfahren, zu träumen …

„Na, gefällt dir mein kleines Paradies?“

Als Voyeurin ertappt und verschreckt, blickte ich in das lachende, Sonnen gegerbte Gesicht einer Frau, deren hellrotes, lockiges Haar zu einem Pferdeschwanz gebunden war, wobei ein paar vereinzelte Strähnen auf ihrer schweißnassen Stirn klebten, fast ihre von lustigen Lachfalten umgebenen, moosgrünen Augen berührten.

Sie schien in etwa mein Alter zu haben, streckte mir, noch ehe ich etwas zu meiner Rechtfertigung erwidern konnte, ihre rechte Hand entgegen. „Hallo, ich bin Angelina … Entschuldigung ...“ Umständlich, aber immer noch fröhlich lächelnd, streifte sie die gelben, fast bis zum Ellenbogen reichenden, erdverkrusteten Haushaltshandschuhe ab. „Entschuldige meinen Aufzug, aber die Gartenarbeit ist auch ein wenig anstrengend.“


Dieser herzliche, unkonventionelle Empfang gab auch mir die Sprache zurück. „Aber dein Garten ist wunderschön … zauberhaft … ach ja, ich bin Andrea.“


„Willkommen, Andrea, in meinem kleinen Paradies.“

Ja, Paradies war der richtige Ausdruck dafür, was ich nun auch mit meinen Augen aus unmittelbarer Nähe erfahren durfte. Die von Efeu, Knöterich und Klematis überwucherten Gebäude, der in schweren Tonkübeln kultivierte, prächtig blühende Oleander … dieser alles Negative, Unerfreuliche verdrängende Duft der Natur … und dann diese Lichtgestalt von Frau, die meine Hand gar nicht mehr freigeben wollte. Zarte, feingliedrige Finger, die so gar nicht zu harter Gartenarbeit passten, die auch ich nicht mehr loslassen wollte, weil ich spürte, fühlte, dass mir diese Hand sehr vertraut war, die warme, weiche Hand, die meine sinnlichen Eindrücke nur noch bestätigte, mir ein Gefühl von Wohligkeit und Wärme gab, ein Gefühl von Zuhause …

Doch dann, während wir immer noch in diesem sanften, heimeligen Händedruck verwoben schienen, überraschte mich Angelina: „Ich habe gewusst, dass du eines Tages kommen würdest.“

Sofort löste ich mich aus unserem so vertraut wirkenden Griff, starrte sie mit großen, fragenden Augen an, registrierte, dass ihre schönen, von der Sonne etwas geblendeten und deswegen leicht blinzelnden Augen meinem insistierenden Blick nicht standhalten konnten. „Wie meinst du das?“

„So, wie ich es sage. Ich habe dich oft mit deinem kleinen, grünen Auto vorbeifahren sehen, deinen flüchtigen, sehnsüchtigen Blick auf mein Haus, du wirst mich gar nicht bemerkt haben ...“


„Nein, ich habe gedacht ...“


„... dass hier niemand wohnt“, unterbrach sie mich, und mit ihrer Vermutung hatte sie auch wieder recht.


„Genau“, erwiderte ich, „dieser Sonnenschirm war es ...“


„ … der dich in die Fänge dieser alten Hexe getrieben hat“, fuhr sie mir erneut in die Parade, lachte laut auf, und provozierte meinen Widerspruch: „He, ich sehe nichts Hexenhaftes, Befremdliches ...“


„Selber h

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Kommentare


andreashava
(AutorIn)
dabei seit: Feb '09
Kommentare: 94
andreashava
schrieb am 07.11.2010:
»Ihr Lieben,
herzlichen Dank für die tollen Kommentare, mit denen ich wirklich nicht gerechnet hatte.
Sie bestätigen mich aber in meiner Auffassung, dass selbst auf einem Board, das überwiegend von Sex- und Erotikgeschichten lebt, auch kleine, eher sinnliche Storys ihre Existenzberechtigung haben.
Eine Fortsetzung dieser Geschichte wird es allerdings nicht geben, mit "großen" Geschichten meinten ich und meine Freundin Mondstern die Fortsetzungen von "Die Hochzeitsreise" und "African Lovestory" sowie das gemeinschaftlich mit ihr und aweiawa verfasste "Der Abspritzcontest", dessen dritter und letzter Teil unseres Autorenteams andrelmanja so gut wie fertig ist.
Ich werde aber auch weiterhin solche Fingerübungen wie den "Stachelbaiser" verfassen, weil ich solche Romanzen mit überraschendem Crime-Effekt selbst liebe.
Die Geschichte sollte eigentlich auch eine erotische werden. Ich habe sie auf einem kleinen Board für einen Wettbewerb "Interpretation eines vorgegebenen Bildes" geschrieben, die Wortzahl war limitiert, das Foto eines verwunschenen Gartens hat mich dazu inspiriert, und ein kleines Teufelchen in meiner Seele wollte es so, dass die Geschichte nicht im Bett sondern in der Pathologie endete ...
Was die Bilder erzeugenden Adjektive betrifft, lieber Astweg: Die Sprache ist uns doch gerade deswegen gegeben, "sichtbare" Bilder zu erzeugen, Gerüche wahrzunehmen, Gefühle zu schildern, Geschichten mit allen Sinnen erlebbar zu machen. Das macht m.E. doch gerade den Reiz des Schreibens und des Lesens aus.
LG Andrea«

mondstern70
dabei seit: Sep '04
Kommentare: 441
Mondstern
schrieb am 05.11.2010:
»Liebe Andrea,
nur ein Experiment?
Cool - dann freue ich mich auf weitere dieser Art.
Sevac bietet mit der Rubrik "Sonstiges" ja eine leider viel zu wenig genutzte Möglichkeit, auch mal was "anderes" vorzustellen.
Neben der völlig unerwarteten Wendung, begeistern mich insbesonders die wirklich atemberaubenden Bilder die du aus Worten malen kannst - ja, so sieht das Paradies aus.

Einziger Wermutstropfen - die Kürze der Geschichte. Technisch gesehen, ist sie zwar voll gelungen, aber ich hätte zu gern noch länger darin verweilt.
Auf die Fortsetzungen deiner "großen" Geschichten, warte nicht nur ich ... :-)
LG Mondstern«

salamander69
dabei seit: Apr '05
Kommentare: 240
schrieb am 06.11.2010:
»Liebe Andrea, wahrlich eine sinnliche Geschichte, die die Phantasie in nur jede erdenkliche Richtung fahren lässt. Aber wohin führt sie, Deine Geschichte?

Mit Mondstern bin ich fast einverstanden, nur zu kurz war diese Geschichte nicht, vorausgesetzt es gelingt darüber hinaus zu phantasieren.

Ich bin gespannt, in welcher Kategorie dieser Plot am Schluss enden wird.

Freue mich auf die Fortsetzung.«

astweg
dabei seit: Jun '01
Kommentare: 152
TetraPack
schrieb am 06.11.2010:
»Dies ist nicht nur eine sehr schöne Geschichte, sondern auch ein gelungenes Beispiel, wie man Adjektive so verwendet, dass daraus ein Bild entsteht. Schon aus diesem Grund sollte diese Geschichte jedem Autor hier zur Pflichtlektüre gemacht werden.«

gerdis
dabei seit: Jan '01
Kommentare: 96
schrieb am 06.11.2010:
»Es ist toll, dass man zwischen Vielem immer wieder mal auf eine Geschichte stösst, die nicht nur gut geschrieben ist, sondern bei der die Autorin ihrer Fantasie freien Lauf ließ.
Kleinod nennt man das. Ich sehe die von dir erzeugten Bilder, glaube den Sommer riechen zu können, die Berührung Angelinas zu spüren. Großartig.«

ollibra
dabei seit: Okt '01
Kommentare: 3
schrieb am 06.11.2010:
»Ach Andrea, du hast wieder herrlich geschrieben. Wie sehr mag ich deine Wortwahl! Und irgendwie frage ich beim Lesen, wie es weiter gehen wird. Eine schöne Geschichte, auch, wenn sie wenig Erotisches enthält!!!
Ollibra«

aweiawa
dabei seit: Sep '04
Kommentare: 214
aweiawa
schrieb am 06.11.2010:
»Liebe Andrea

Ja, das Paradies auf Erden hat so seine Tücken. Erinnert genau und aus der Nähe betrachtet eher an die Hölle. Dass es durchaus so kommen kann, hast du mit dieser liebenswerten Story uns mal wieder vor Augen geführt. Und dass du uns dabei über weite Strecken an der Nase herumgeführt hast ... erhöht durchaus noch den Reiz der Geschichte.
Sprachlich "natürlich" wieder auf höchstem Niveau, aber das überrascht ja niemanden mehr, der deine Storys kennt.
Danke für dieses Kleinod.

Liebe Grüße

Elmar
Bitte melde dich mal!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!«

Schilde
dabei seit: Sep '01
Kommentare: 33
schrieb am 09.11.2010:
»Gut. Sehr gut! Gerne mehr....«



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