Voodoo
von Christian Enzenberg
Jack verdrehte die Augen, schrie heiser auf, mit krächzender, sich überschlagender Stimme; er stieß noch einmal kraftvoll zu, während der Explosion, dann brach er keuchend über ihr zusammen, spürte sein aufgeregt zuckendes Glied, gefangen, aber glücklich eingezwängt in ihrem Po, ihrem runden, verlockenden, berauschenden Hintern, dieser endlich erfüllten langgehegten Sehnsucht; vergrub sein Gesicht in ihren langen Haaren, um seine atemlosen Schreie zu ersticken, während er hilflos in den lodernden Flammen der Verzückung taumelte. Schmerzhaft schöne Schauer durchströmten ihn, scheinbar endlose, jeden klaren Gedanken auslöschende Wellen; er verglühte, starb tausend Tode, weinte, stammelte ihren Namen, wieder und wieder...
"Es scheint dir gefallen zu haben", sagte sie schelmisch, als er später aus der Dusche trat. Sie hatte sich einen Bademantel übergeworfen, doch der stand offen und ihre Brüste wölbten sich ihm verlockend entgegen. Er schwieg, was sollte er auch darauf antworten. Seine heftige Reaktion hatte ihn selbst überrascht. Sie griff nach einem Handtuch, begann unverfänglich damit, ihm die Haare abzurubbeln.
"Gib's zu", sagte sie. "Das wolltest du schon immer tun."
Das stimmte. Jacks Blickfang bei einer Frau war ein knackiger Po, daran war nichts zu rütteln. Ein hübscher Hintern, eingepackt in eine enge Jeans... Oft nahm er Lorraine von hinten, doch irgendwie fehlte noch der letzte kleine Kick... Iimmer quälte ihn die Neugier darauf, wie es wohl wäre...
Aber er hätte nie gewagt, Lorraine darum zu bitten. Irgendwann einmal, als ihr Gespräch auf sexuelle Vorlieben kam, hatte sie kategorisch festgestellt, daß sie sich nichts widerlicheres als Analverkehr vorstellen könnte. Einen deutlicheren Wink mit dem Zaunpfahl konnte sie ihm eigentlich nicht geben.
Doch heute... Sie hatte es ihm förmlich aufgedrängt. Nicht, das er sich mit Händen und Füßen gewehrt hätte...
"Das muß dir nicht peinlich sein", sagte sie, und trocknete seine Schultern ab, seine Brust, seinen Bauch... Sie blickte in seine Augen, lauerte auf jede Regung in seinem Gesicht, als sie vorsichtig mit dem Tuch über sein Geschlecht fuhr.
"Und das scheint dir auch zu gefallen", schnurrte sie. Mit ihrer anderen Hand strich sie durch sein Haar, kam ihm dabei aufregend nahe. Er spürte ihre Brüste an seinem Körper, weich und warm schmiegten sie sich an seine Haut; unter der Berührung erblühten ihre Knospen. "Schenkst du mir eine Locke?" fragte sie. "Als Glücksbringer..."
"Seit wann bist Du abergläubisch?"
Ein sanfter, aber äußerst aufdringlicher Griff durch das Handtuch hindurch ließ ihn vor Wonne aufstöhnen. Unter ihren wissenden Händen erwachte sein Schwanz zu neuen Leben, richtete sich auf, pulsierte neugierig, aber noch etwas unentschlossen zwischen ihren Fingern.
"Bitte, bitte..." hauchte sie spöttisch und leckte über ihre Lippen.
Er ging auf ihr Spiel ein. "Ich weiß nicht." Er betrachtete mit zweifelndem Blick sein Haar im Spiegel, zupfte an den nassen, wirren Strähnen. "Was bekomme ich dafür?"
"Oh", schmollte sie und preßte ihre Brüste fester gegen ihn."Was ist schon eine Locke?" Das Handtuch glitt zu Boden, er spürte ihre zarten Finger hautnah; spielerisch umkreiste sie seinen Schwanz, umfaßte ihn schließlich.
Unerträglich langsam fuhr ihre Hand den Schaft auf und ab, bis sein Glied vollends hart und steif in ihren Bademantel drängte. Sie ließ es über die nackte Haut ihres Bauches streifen, zeichnete glitzernde Muster.
Er schauderte, schloß die Augen und stöhnte. "Vielleicht lasse ich mich doch überreden", brachte er mit übermenschlicher Anstrengung einigermaßen verständlich heraus.
Sie antwortete nicht, oder doch, allerdings nicht mit Worten, sondern mit streichelnden Fingern und dann mit ihren vollen Lippen, die sich um seine glühende Eichel legten...
Nur mühsam konnte er sich auf den Beinen halten. Ihre tastende Zunge erkundete seinen erigierten Schwanz, dann nahm sie ihn völlig in ihren Mund auf und ließ ihn langsam wieder herausflutschen.
"Was ist mit meiner Haarlocke?"erkundigte sie sich.
Mit ungeschickten Händen zog er hastig die Schublade unter dem Spiegel auf und griff nach einer Schere. "Meinetwegen schneide ich mir eine Glatze, wenn du jetzt bloß nicht aufhörst."
"Eine kleine Strähne reicht mir schon", flüsterte sie. Und sie hörte nicht auf...
****
Zu Hause saß Jack am nächsten Morgen gähnend am Frühstückstisch. Seine Eltern waren schon unterwegs, nur seine Schwester war noch im Haus.
"Du solltest dir nicht die Nächte um die Ohren schlagen", spottete sie.
"In deinem Alter gehörst du früh ins Bett."
"Ich gehe aus, mit wem ich will", knurrte Jack.
Christine lachte. "Es ist mir völlig egal, mit wem du dich rumtreibst. Deswegen muß ich Lorraine noch lange nicht mögen."
"Was habt ihr zwei bloß", murmelte Jack. "Warum könnt ihr euch nicht leiden?"
"Eine Feindschaft für's Leben", entgegnete Christine und räumte ihr Geschirr in die Spüle. "Haß auf den ersten Blick." Sie sah auf die Uhr.
"Ich muß los", sagte sie und griff nach ihrer Tasche. "Sie ist eine arrogante, eingebildete Ziege... Krankhaft egozentrisch. Sie muß immer und überall im Mittelpunkt stehen und haßt jeden, der ihr das Wasser reichen kann, wie die Pest... Ich sollte Psychologie studieren. Was soll's. Wenn sie dir gefällt..."
Jack blickte ihr nach und seufzte. Es war schon lästig, daß sich seine Schwester und seine Freundin nicht vertrugen. Nun, der Grund dafür war seiner Meinung einfach, daß sie sich zu ähnlich waren. Schön, intelligent (obwohl beide blond), beliebt. Sie kamen sich zu oft in die Quere, um miteinander klarzukommen. Na ja, falls er Lorraine einmal heiraten sollte, würde er Christine wohl nicht zur Hochzeit einladen können...
Später, in der Schule, saß er ruhig auf seinem Platz und ließ sich vom Geschwätz des Lehrers berieseln. Seine Gedanken streiften unwillkürlich ab zu letzter Nacht, durchlebte genüßlich noch einmal den Augenblick, als er in sie eindrang, vorsichtig, um sie nicht zu verletzen...
Es wurde ihm unbequem eng in der Hose, also verscheuchte er den Gedanken und konzentrierte sich auf den Unterricht. Eigentlich ein totsicheres Mittel, um jeden Spaß, jede Freude, überhaupt jede menschliche Regung abzuwürgen; aber diesmal funktionierte es nicht. Ungeduldig pochte sein Schwanz in seiner Hose. Heiße Schauer glitten über seine Haut, wie ein Streicheln, zwar angenehm, doch im Moment äußerst unpassend.
Dieses seltsame Streicheln wurde intensiver, brannte wie Feuer auf seiner Haut. Nur mühsam konnte er ein Stöhnen unterdrücken. Schließlich verlagerte es sich vor allem auf seinen Unterleib und seine Schenkel. Als das Feuer heiß durch seine Hinterbacken prasselte, seufzte er auf.
Alle Blicke richteten sich sofort auf ihn. Sein Gesicht glühte, vor Vorlegenheit, aber auch, weil dieses schmeichelnde Brennen andauerte, zudringlicher wurde. Er mußte hier dringend raus.
"Mir ist schlecht", keuchte er, sprang auf und stürzte aus dem Raum, damit nicht allzu vielen die gewaltige Beule in seinem Schritt auffiel. Während er über den Gang hastete, steigerte sich das Brennen, er spürte es zwischen den Beinen. Dann, als er gerade die Toilettentür aufriß, glitt es aufreizend direkt über sein Glied.
Er schrie und klammerte sich an der Tür fest. Als seine Sicht nicht mehr so getrübt war, warf er rasch einen mißtrauischen Blick über den Gang (zum Glück weit und breit keine Menschenseele zu sehen), schlug die Tür hinter sich zu und wankte wie ein Betrunkener zu den Kabinen.
Gerade noch rechtzeitig...
"Ich habe gehört, dir war heute in der Schule nicht gut?" fragte Lorraine.
Sie lagen in ihrem Bett, wie immer, wenn er nachmittags bei ihr zu Hause war. Dat ihre Eltern verreist waren (eine längere Tour nach Europa), hatten sie stets eine sturmfreie Bude; und obwohl so durchaus kein Mangel an Gelegenheit war, bekamen sie voneinander nie genug.
Jack wurde rot und versuchte mit Belanglosigkeiten auszuweichen. Doch Lorraine beharrte auf dem Thema. "Man hat mir erzählt, dir wäre übel gewesen, aber ich weiß es besser..."
Er brummte undeutlich vor sich hin, wand sich unter ihrem forschenden Blick. Dann drehte sie sich zur Seite, griff unter das Bett und holte eine Schachtel hervor.
"Neugierig?"fragte sie und versteckte die Schachtel hinter ihrem Rücken.
Das war er eigentlich nicht, aber er tat ihr den Gefallen und heuchelte lebhaftes Interesse. Außerdem konnte er ihr beim Versuch, in den Besitz der Schachtel zu kommen, aufregend nahe kommen. Als er ihr zu aufdringlich wurde, hielt sie ihn zurück und stellte die Schachtel vor sich auf das Bett. Sie öffnete den Deckel und holte vorsichtig eine Puppe heraus. Sie war ungeschickt aus Stoffresten zusammengeflickt, doch es sollte zweifellos eine männliche Gestalt darstellen, denn anders als üblich war diese Puppe mit allen geschlechtstypischen Details ausgestattet. Außerdem bestand ihr Haarschopf aus einer dunkelblonden Locke, die Jack an die Szene im Badezimmer erinnerte.
Er runzelte die Stirn. "Du willst doch nicht im Ernst behaupten..."
Statt einer Antwort strich sie vorsichtig über die Oberfläche der Puppe, und sofort überfiel ihn wieder das vertraute schmeichelnde Brennen; grinsend schob Lorraine ihre Fingerspitze zwischen die Beine der Puppe...
"Kleine Geste, große Wirkung", spottete sie. In ihren Augen glitzerte Triumph und Gier, sie starrte auf sein verlangend aufgerichtetes Glied, das unter den magischen Streicheleinheiten erbebte.
"Wie fühlt sich das an?" fragte sie neugierig und strich weiter über die Puppe. Jeder sanfte Strich ihrer Fingerkuppe entzündete hemmunglose Gier, erweckte in jeder Zelle seines Körper sehnsüchtiges Verlangen.
"Ich finde, jetzt, wo ich dich in natura bei mir habe..." stammelte Jack atemlos und wand sich genüßlich unter ihrer frivolen Zauberei, "... ist die Puppe doch etwas überflüssig."
Lorraine grinste und legte die Puppe zur Seite. Sie schmiegte sich an ihn und löschte mit ihrem Leib, was ihre Magie entfacht hatte.
"In zwei Wochen ist der Abschlußball", sagte Lorraine. Sie saßen bei Joe's direkt am Fenster. Draußen ging gerade Christine mit ein paar Freundinnen vorbei, Lorraines Gesicht erstarrte.
"Entweder wird man mich zur Königin wählen", sagte sie leise. "Oder deine Schwester."
Jack zuckte uninteressiert mit den Achseln.
"Höchstwahrscheinlich deine Schwester." Ihre drängende Stimme ließ ihn aufblicken, und er erschrak über die eiskalte Wut in ihrem Gesicht.
"Was ist daran so wichtig?" fragte er verständnislos. Abschlußball, Schönheitskönigin... Er hatte gehört, daß gestern in China ein Sack Reis umgefallen war.
"Mir ist es wichtig", sagte sie und ergriff seine Hand. "Das kannst du mir glauben." Sie blickte wieder hinaus, wo Lorraine gerade um die Ecke verschwand.
"Man müßte dafür sorgen, daß sie nicht beim Ball auftaucht..."
Jack entzog ihr abrupt seine Hand und lehnte sich zurück. Das Entsetzen stand ihm ins Gesicht geschrieben. Ungläubig starrte er sie an. Hatte er sich so sehr getäuscht? Das konnte nicht sein. Durfte nicht sein.
"Ich brauche nur ein Büschel Haare von ihr", sagte sie leise und beugte sich über den Tisch zu ihm herüber, so daß er einen tiefen Einblick in ihre Bluse hatte. Ein überaus reizender Anblick, schwarze Spitze als verlockender Kontrast zu weißem, üppigem Fleisch; doch die Berechnung dabei zerstörte für Jack die Erotik dieser Geste.
"Aus ihrer Haarbürste", hauchte sie.
"Nein." Jacks wütender Blick beendete die Diskussion.
Für's erste...
"Du liebst deine Schwester wohl mehr als mich?"
"Ein komischer Moment, um sowas zu behaupten", keuchte Jack. Er lag auf dem Rücken, in ihrem Bett, unfähig sich zu rühren, direkt vor ihm wippten ihre Brüste, während sie auf ihm ritt, wild, entschlossen. Ihre Hemmungslosigkeit ließ ihn fast vergessen, wie dieses Liebesspiel angefangen hatte, wie er ihren Umarmungen unwillig ausgewichen war, noch immer verstört über ihr Gespräch bei Joe's. Fast vergaß er ihr erstarrtes Gesicht, den verbitterten Zug und ihren entschlossenen Blick, als sie nach der Puppe griff... Jack wie eine Marionette zum Bett taumeln ließ... Die Puppe auf den Rücken legte, darauf eine Zeitung... Leicht genug, daß er noch atmen konnte, sich aber nicht mehr bewegen... Fast vergaß er ihr überlegenes Lächeln, während sie seinen hilflosen Körper in lüsterne Raserei versetzte...
Fast...
Sie hielt inne, glitt nur noch langsam über seinen erregten Schwanz. "Dieser Ball bedeutet mir viel", flüsterte sie und ließ ihn mit einer geschickten Bewegung ihres Beckens in höhere Sphären abheben. "Ein bißchen Übelkeit, Fieber... Nichts schlimmes, nur, daß sie nicht auf den Ball gehen kann..."
"Ich..." Er stöhnte wollustig auf. Sie preßte ihre Brüste auf sein Gesicht, spürte seine gierigen Bisse. "Nur ein Büschel Haare..."
Irgendwann im siebten Himmel versprach er ihr alles...
Erschöpft blieb er auf dem Bett zurück, als sie aufstand und die Puppe von ihrer Fessel befreite. Sie zwinkerte ihm zu und ging ins Bad. Das sanfte, provozierende Schaukeln ihres Gesäßes entlockte ihm nur müde Bewunderung. Als sie zurückkam, hatte er sich schon angezogen und schlüpfte gerade in seine Jacke.
"Du willst schon gehen?"fragte sie. Ein besorgter, mißtrauischer Blick."Bist du sauer auf mich? Hat es dir nicht gefallen? Für mich war es nur ein Spiel, ich wollte dich nicht wirklich zwingen..."
Er lächelte beruhigend und streichelte geistesabwesend ihren Hintern. "Ein alter Krieger braucht auch mal etwas Ruhe", sagte er. Er küßte sie flüchtig. "Ich komme heute abend wieder vorbei."
"Vergiß nicht..."
"Nein, keine Sorge."
Als er in Christines Badezimmer stand und die Haare aus ihrer Bürste klaubte, schlug sein Herz bis zum Hals. Aus dem Spiegel heraus beobachtete ihn sein bleiches Gesicht
"Ich weiß, was ich tue", erklärte er. "Nur ein bißchen Fieber..."
Als er aus dem Zimmer schleichen wollte, stieß er mit seiner Schwester zusammen.
"Was schnüffelst du in meinen Sachen herum?" herrschte sie ihn an.
"Ich wollte mit dir reden", entgegnete er. "Ich brauche deinen Rat."
"In Liebesdingen?" fragte sie fröhlich. "Man sollte annehmen, daß nach den langen Nächten im Haus einer gewissen jungen Dame keine derartigen Fragen mehr offen geblieben sind..."
"Kennst du ihre Eltern?" fragte er.
"Was ist los, willst du einen Abstecher nach Vegas machen und die Kleine heiraten?
Und hast Angst, wie deine Schwiegereltern reagieren?"
"Ich kenne ihre Eltern nicht", beharrte Jack. "Gleich nachdem sie hierhergezogen sind, müssen sieauf ihre Europareise gegangen sein. Niemand, den ich kenne, hat sie jemals gesehen..."
"Sei froh", unterbrach sie ihn. "Du glaubst gar nicht, wie Eltern bei gewissen Dingen stören können..."
Jack gab es auf. "Na gut", sagte er. "Dann werde ich mal losziehen und die Gelegenheit nutzen, so lange es geht."
Lorraines Haus wirkte heute abend anders, finster und unheimlich. Langsam ging Jack durch den Vorgarten, dann faßte er sich ein Herz und klingelte an der Haustür. Sofort war Lorraine an der Tür, sie mußte schon ungeduldig auf ihn gewartet haben. Stumm trat sie zur Seite und ließ ihn herein.
Sie führte ihn ins Wohnzimmer. Auf dem Tisch entdeckte er zwei Puppen, sich selbst, das heißt die Puppe, die ihn darstellte, und eine weibliche Figur. "Gib her!" sagte sie. Jack drückte ihr das Büschel Haare in die Hand. Sie griff danach, und ohne ihn weiter zu beachten, trat sie zum Tisch und werkelte an der betreffenden Puppe herum.
Jack stand eine Weile dumm herum, dann setzte er sich in einen Sessel und beobachtete Lorraine fasziniert. Schließlich hielt sie die Puppe für ähnlich genug und hielt sie Jack zufrieden lächelnd entgegen.
"Was kommt jetzt?" fragte er. "Irgendwelche Rituale?"
Lorraine runzelte die Stirn. "Die Beschwörungen muß ich allein durchführen. Ich werde in die Küche gehen..."
"Was mich interessiert, hast du von deinen Eltern auch solche Figuren angefertigt?"
Sie blickte ihn mißtrauisch an, dann griff sie nach dem Aschenbecher und stellte ihn auf die männliche Puppe auf dem Tisch. Jack spürte ein tonnenschweres, bleiernes Gewicht auf seiner Brust, konnte nur noch mit äußerster Mühe atmen. Trotzdem zwang er sich, ruhig und ungerührt weiterzureden.
"Hast du sie lauter Dinge tun lassen, bis alles zu deiner Zufriedenheit geregelt war? Und dann?"
Ohne Antwort ging sie hinaus. Jack versuchte, aus seinem Sessel aufzustehen, aber alle Versuche waren vergeblich. Schließlich fand er sich damit ab und wartete.
Nach einer Ewigkeit kehrte Lorraine zurück. Ihr Gesicht war kreidebleich, mit zitternden Händen setzte sie die Puppe auf den Tisch. Ihre Augen glühten.
"Die Königin eines Balls", sagte Jack.
"Was weißt du schon!" schrie sie ihn an. Sie betrachtete versonnen die Puppe vor ihr.
"Nur ein bißchen Fieber", sagte Jack flehend.
Sie grinste ihn an. "Hast du schon mal eine Katze beobachtet, wenn sie eine Maus gefangen hat? Sie tötet sie nicht gleich, sie spielt mit ihr, läßt sie ein Stück laufen, krallt sie sich wieder, ein Hieb auf den Kopf, dann anstoßen, bis sie wieder zu sich kommt... Und so geht das immer weiter." Tief in ihren Augen schwelte der Wahnsinn. Warum hatte er das nie zuvor bemerkt? "Bis die Maus tot ist." Er war wohl zu sehr mit anderen Regionen ihres Körpers beschäftigt gewesen. Schwanzgesteuert auch ohne die verdammte Puppe da. Oder einfach bis über beide Ohren verliebt, und daher blind für alles, was er nicht sehen wollte.
"Ist das nicht grausam?" Sie griff nach einer Stricknadel. Jack spürte keine Angst, ihn erfüllte eine tiefe, ruhige Gelassenheit. Diese unwirkliche Szene betraf ihn nicht mehr, seine Welt war zusammengebrochen; seine Träume, seine Hoffnungen, die sich alle irgendwie um eine Zukunft mit Lorraine gedreht hatten: zu Staub zerfallen und vom Winde verweht. Alles, was jetzt noch geschah, mit ihm oder anderen...
Bedeutungslos.
"Sie sollte gnädig sein und es schnell beenden..." Rasch hob Lorraine den Aschenbecher von der männlichen Puppe und stieß die Nadel in die Brust der Figur. Jack spürte einen kurzen, stechenden Schmerz, dann versank er im ewigen Dunkel.
Nachdenklich betrachtete Lorraine die Leiche ihres Liebhabers. Sie horchte in sich hinein. Nur eine winzige Spur von Bedauern. wenn überhaupt. Männer waren so leicht zu kontrollieren, eigentlich benötigte man die Puppe dazu gar nicht. Man brauchte sie nur an einem bestimmten Punkt packen, einem gewissen sensiblen Körperteil, mit geschickten Händen oder sanften Lippen, und man bekam eigentlich alles, was man wollte...
Unschlüssig musterte sie die weibliche Puppe. Ihre Geschichte von der grausamen Katze schoß ihr durch den Kopf. Eigentlich würde es ihr schon Freude machen, dieses Miststück ein wenig zu quälen.... Die Beine oder die Arme brechen... Stiche in alle möglichen Körperteile... Feuer... Der Phantasie waren keine Grenzen gesetzt...
Verlockend, aber zwecklos. Sie konnte ihr Opfer gar nicht beobachten, während sie Christine folterte. Und da war immer noch Jacks Leiche, wegen der sie sich etwas einfallen lassen mußte.
Vielleicht sollte sie noch etwas warten, sich Zeit lassen. Christine die Trauer über den Tod des Bruders durchleben lassen. Und sie dann zu einem einsamen Ort schaffen, kein Problem mithilfe der Puppe...
Doch tief in ihrem Innern brodelte ungeduldig die Wut. Ihr Haß duldete keinen Aufschub. "Stirb, du Miststück!" fauchte sie die Puppe an und bohrte die Nadel hinein, mit aller Kraft und Leidenschaft.
Gequält bäumte sich ihr Körper auf. Ihre sterbenden Augen starrten auf Jack, sein trauriges, wissendes Gesicht. Es blieb ihr nur ein kurzer Moment zwischen Schmerz und Dunkelheit, um sich darüber klarzuwerden, wessen blondes Haar die Puppe schmückte.
ENDE
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