Anzeige

Einstieg in eine erotische Geschichte

Wie bekomme ich einen Leser dazu, sich auf meine Geschichte einzulassen? Bei einer kostenlosen Geschichte aus dem Internet verhält sich das etwas anders als bei einem Buch. Einerseits ist ein Leser eher bereit, mal in die Geschichte eines ihm unbekannten Autors hineinzulesen, andererseits kann man ihn auch viel schneller wieder verlieren, da er ja nicht dafür bezahlt hat und hofft, trotz eines schleppenden Anfangs für sein Geld noch gut unterhalten zu werden.

Für mich entscheidet sich auf der ersten Seite, ob ich eine Story weiterlese. Je nach Online-Layout sind das maximal zwei bis drei Bildschirmseiten. Für längere, einleitende Texte reicht das normalerweise nicht (wenn sie nicht selbst schon "fesselnd" geschrieben sind). Wenn ich also etwas erzählen will, das meinen eigenen Ansprüchen genügt, muss die Geschichte bereits mit dem ersten Satz richtig losgehen. Nicht zwingend mit dem eigentlichen Thema, aber mit etwas, das den Leser neugierig macht.

Beispiel eines eher langweiligen Einstiegs:

Frank war ein 30-jähriger Junggeselle. Er war unzufrieden mit seinem Leben. (Immer diese Pessimisten.) Er arbeitete als Webdesigner und besuchte eine einwöchige Fortbildung in Düsseldorf. (Sehr spannend, gähn.) Dabei wohnte er in einem großen, aber etwas unpersönlichen Hotel. (Gähn.) Beim Betreten der Hotelhalle stieß er fast mit einer gutaussehenden Frau zusammen. (Geht's jetzt endlich los?)

Beispiel eines (aus meiner Sicht) gelungenen Einstiegs:

Eigentlich war Frank ganz zufrieden mit seinem Leben. (Nur eigentlich?) Sein Beruf als Web-Designer machte ihm Spaß, er hatte einige Freunde und von Zeit zu Zeit eine Affäre, die ihn im Wesentlichen zufriedenstellte. (Im Wesentlichen? Wo fehlt es denn? Was hat er denn für ein Problem?) Aber irgend etwas fehlte ihm, auch wenn er es nicht benennen konnte. Er spürte eine sonderbare Leere in sich, vor allem, wenn er mit sich alleine war. Manchmal witzelte er selbst darüber, dass es eine vorgezogene Midlife-Crisis sein müsse, die bei ihm bereits mit seinen 30 Jahren beginnen würde. (Sympathisch, macht Witze über sich selbst.) Nachdem er jetzt den ganzen Tag in dem Fortbildungsseminar zugebracht hatte, schlenderte er nachdenklich zurück zu seinem Hotelzimmer. Heute war Dienstag und sein Seminar würde noch bis einschließlich Freitag gehen. Danach wäre er wieder zurück in seiner gewohnten Umgebung und würde seine melancholische Laune mit einigen Freunden bei einem Bierchen verscheuchen. Er war so in Gedanken versunken, dass er fast mit einer Frau zusammenstieß, die gleichzeitig mit ihm in die Hotelhalle gehen wollte. (... und Action!) Ohne weiter nachzudenken, entschuldigte er sich beiläufig und ließ sie an sich vorbeigehen. Dann, als er mit seinen Gedanken wieder in der Gegenwart war, fielen ihm allerdings fast die Augen heraus. (Wieso denn das? Was sieht er denn?) Die Frau, mit der er gerade fast kollidiert war, sah trotz eines strengen, hellgrauen Kostüms einfach traumhaft aus. (Jetzt wird es spannend. Wird er sie kennenlernen? Und wie geht's dann weiter?)

Der erste Text ist eine nüchterne Aufzählung von Fakten, der zweite macht neugierig, wirft Fragen auf, die er teilweise gleich beantwortet, teilweise auf später vertagt - und damit Lust zum Weiterlesen macht. (Zumindest hoffe ich das, denn es ist der Beginn einer meiner Geschichten. ;-)

Bei einer kurzen Geschichte ist es meist einfacher, direkt in die Handlung einzusteigen. Eine längere Erzählung braucht häufig erklärende Einleitungen oder eine Motivation für die Hauptfigur. Allerdings finde ich, dass auch eine Einleitung spannend geschrieben sein sollte.

Spannungsbogen

Und damit wären wir gleich beim nächsten Thema, nämlich dem Spannungsbogen. Wenn die Geschichte nicht ausschließlich als "Autoerotik-Inspiration" (=Wichsvorlage) dienen soll, sondern man auch im befriedigten Zustand Spaß an ihr haben soll, muss der Autor dafür sorgen, dass seine Leser stets neugierig sind, wie es weitergeht.

Zuerst benötigt man zumindest eine vage Vorstellung darüber, wie der Höhepunkt der Geschichte aussehen soll. Bei einem Krimi ist das meist die Auflösung, wer der Täter ist. Bei erotischen Geschichten kann es eine wilde Orgie sein, die Frage, ob sich die Protagonisten bekommen oder auch die Erkenntnis, dass in dem unscheinbaren Nachbarn von gegenüber doch mehr steckt als ein gieriger Spanner. Es kann auch sein, dass die Spannung über eine "konventionelle" Rahmenhandlung aufgebaut wird - vielleicht der oben genannte Krimi, und dass die erotischen Einlagen die Geschichte nur bereichern. Dann ist der Spannungsbogen wieder eher konventioneller Natur.

Und wie bekommt man ihn nun, diesen Spannungsbogen? Indem man sich schlingernd auf den Höhepunkt zubewegt. Der Leser muss nicht zwingend von Anfang an wissen, wohin die Reise eigentlich geht. Es macht sowohl Autoren als auch Lesern Spaß, wenn die Leser immer mal wieder in die Irre geführt werden und es zu überraschenden Wendungen kommt. Diese sollten allerdings zur Logik der Geschichte passen, damit nicht der Eindruck entsteht, der Autor habe seine Story im Fieberwahn geschrieben.

Wichtig ist, es dem Leser nie langweilig werden zu lassen. Meist reicht es nicht, ihn nur auf die Auflösung der Erzählung neugierig zu machen. Wenn der Text länger ist, muss man ihn eventuell von Kapitel zu Kapitel locken. Idealerweise beginnt jedes Kapitel mit einer Ausgangssituation, die gemeistert werden muß. Und der Leser bekommt Andeutungen, wie diese Lösung aussehen könnte. Gegen Ende des Kapitels kommt es dann zu einer Lösung (die ganz anders aussehen kann, als es angedeutet wurde). Und daraus ergibt sich wieder ein neues Problem, das im folgenden Kapitel angegangen wird.

Es muss auch nicht immer eine Aufgabe zu bewältigen oder ein Problem zu lösen sein. Es kann auch der Spannung dienen, eine der handelnden Personen mit der Zeit immer besser kennenzulernen - oder diese Person auch dazulernen zu lassen.

Plotentwicklung

Bevor man sich mit dem Einstieg, dem Spannungsbogen oder den handelnden Personen im Detail auseinandersetzen kann, braucht man zunächst einmal eine Grundidee, was man eigentlich erzählen will. Diese Grundidee besteht normalerweise aus einer Ausgangs- und einer Zielsituation, den (nicht zwingend sexuellen) Höhepunkt. Bei einer kurzen Geschichte ist man jetzt mit den Vorarbeiten praktisch schon zuende. Für einen längeren Text braucht man als nächstes einen groben Weg zwischen der Ausgangs- und der Zielsituation. Ob man sich diesen Weg stichpunktartig aufschreibt oder als Zusammenfassung ausformuliert, ist Geschmackssache. Das Gleiche gilt für die Figuren. Beschreibt man sie detailiert oder in wenigen Stichworten? In jedem Fall sollte man beim Schreiben auch diese Notizen aktuell halten, damit es nicht passiert, dass eine Figur am Anfang der Geschichte aus Berlin stammt, am Ende dagegen aus Hamburg.

Man muss sich nicht an das halten, was man ursprünglich geplant hatte. Aber wenn man es ändert, sollte man es durchgängig stimmig machen. Bei mir entwickeln sich die Geschichten beim Schreiben weiter. Ich habe nur einen ganz groben Weg vor mir, an dem ich mich orientiere. Und ich notiere mir komplizierte Zusammenhänge (wie das Magiesystem aus "Dunkle Wolken über Landor"), um sie nicht selbst durcheinanderzubringen.



Dieser Text ist urheberrechtlich geschützt. Die Nutzung ist nur zum privaten Zweck zulässig. Jede Vervielfältigung ist untersagt. Alle Rechte bleiben vorbehalten.

Verfasser: Why-Not


© 2004-2024, sevac.com, JusProg labeled